Sondergericht für die Geistlichkeit

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 30. Juni 2023 um 21:40 Uhr durch Aka (Diskussion | Beiträge) (Tippfehler entfernt, ISBN-Format). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Das Sondergericht für die Geistlichkeit (persisch دادگاه ویژهٔ روحانیت, DMG dādgāh-e wīže-ye rūḥānīyat) ist ein iranisches Gericht, das eigens dazu bestimmt ist, Vergehen von Geistlichen zu verhandeln und abzuurteilen. Als Vergehen gilt auch die Verbreitung von Meinungen und die Vertretung von Positionen, die der theokratischen Staatsführung des Iran widerstreben. Das Sondergericht, das inquisitorische Züge trägt, wurde 1987 vom damaligen obersten Rechtsgelehrten Ruhollah Chomeini eingeführt,[1] und 1990 vom neuen Obersten Rechtsgelehrten Ali Chamene’i institutionalisiert.[2][3]

Geschichte und Aufgaben

Unter Chamene'is Aufsicht stehend, hat das Sondergericht für die Geistlichkeit die Aufgabe, abweichlerischen Geistlichen entgegenzutreten und die Würde der Geistlichkeit zu bewahren.

„Ein Geistlicher, der für die Trennung von Staat und Religion eintritt, wird als Apostat behandelt und für Apostasie ist die Todesstrafe vorgesehen.“

Wahied Wahdat-Hagh[4]

Diese neue Regelung unterscheidet sich grundlegend von den Prinzipien des Politischen Quietismus für den auch der Chomeini-Lehrer Hossein Borudscherdi stand.

Die Gesetzgebung des Sondergerichts für die Geistlichkeit hat sich

zu orientieren. Das Sondergericht für die Geistlichkeit verhandelt generell geheim.

Zweck und Ursache der Gründung dieses Spezialgerichts war die Verfassungsänderung von 1989 nach dem Tode Chomeinis, die den Revolutionsführer nicht mehr gleichzeitig als ranghöchsten schiitischen Geistlichen vorsieht. Insbesondere der religiöse Rang von Ajatollah Chamenei, unterhalb der aktuell 14 Großajatollahs des Iran, gab auch innerhalb der Geistlichkeit Anlass zur Sorge. Chomeini, der von allen iranischen schiitischen Rechtsgelehrten als oberster Rechtsgelehrter und ranghöchster Geistlicher akzeptiert wurde, konnte z. B. durch eine Fatwa seine Ansicht der Dinge für alle Kleriker als gegeben festlegen. Kleriker, die in der religiösen Hierarchie über dem Revolutionsführer stehen, können nun auch von dieser Sondergerichtsbarkeit, bei gegenläufiger Position zum Revolutionsführer, abgeurteilt werden. Damit erreichte Chamenei eine Stärkung seiner Position, insbesondere bei widersprechenden Fatwa.

Die Rechtmäßigkeit des Spezialgerichts gilt unter der Geistlichkeit als umstritten.[5] Ankläger und Richter des Sondergerichts entstammen häufig der Haghani-Schule in Qom.

Forderung nach Abschaffung und Foltervorwürfe

Großajatollah Ahmad Azari Qomi forderte 1997 die Abschaffung des Sondergerichts in einem 34-seitigen Offenen Brief, der in London veröffentlicht wurde. Azari-Qomi bezichtigte das Sondergericht des Terrors gegen liberale Wissenschaftler und Kleriker, insbesondere legte er ihm die Folterung des Sohns des Großajatollahs Mohammad Husseini Schirazi zur Last:

... Even if he [Mohammad Hussaini Shirazi] rejects the velayat-e faqih (Herrschaft der Rechtsgelehrten/der Religion), why torture his children? Security organizations should learn from the shameful fate of the SAVAK. ...[6][7]

Verfahren gegen Ajatollah Borudscherdi

Mitte Juni 2007 verhängte das Spezialgericht die Todesstrafe gegen Ajatollah Kazemeyni Borudscherdi, der sich öffentlich für die Trennung von Staat und Religion im Iran und für Gewaltlosigkeit einsetzt.

Bekannte Verurteilungen

Siehe auch

Literatur

Einzelnachweise

  1. Mirjam Künkler: The Special Courts of the Clergy and the Repression of Dissident Clergy in Iran Princeton University, 13. Mai 2009
  2. Hashemi, Seyyed Mohammed: Verfassungsrecht der Iranischen Republik Iran. Teheran. 1993. Seite 609
  3. Wahied Wahdat-Hagh: Die islamische Republik Iran. S. 318–319
  4. Wahied Wahdat-Hagh: Die islamische Republik Iran. S. 319
  5. Religion and the Dilemmas of Power in Iran (Memento des Originals vom 12. April 2008 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.csis-scrs.gc.ca CSIS April 1992. "Copyright/Permission to Reproduce" states "Information on this site has been posted with the intent that it be readily available for personal and public non-commercial use and may be reproduced"Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 9. Juni 2007 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.csis-scrs.gc.ca
  6. Safa Haeri, Iran Press Service: Ajatollah Azari-Qomi To The Leader: "The People Will Consign Us To The Dustbing Of History"
  7. Azari Qomi in der Wochenzeitschrift Nimrooz (Memento vom 8. August 2004 im Internet Archive) 1997: Offener Brief an den Obersten Rechtsgelehrten des Irans