Kulturdeutscher

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Der Begriff Kulturdeutscher bezeichnet eine Person, die als Teil einer „deutschen Kulturnation“ gesehen wird, aber nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt.

Deutschland

Ursprünglich wurde der Begriff in Debatten über das Einbürgerungsrecht in der Weimarer Republik als Gegensatz zum Konzept der „Deutschstämmigkeit“ verwendet.[1] So wollte der preußische Innenminister Albert Grzesinski 1927 die Bezeichnung „Kulturdeutscher“ als Kriterium im Einbürgerungsverfahren verwenden. Er wollte den Begriff über messbare Kriterien näher definieren, so z. B. mit einer Verbindung zu einer jetzt oder früher in Deutschland ansässigen Familie, mit Geburt oder Aufwachsen in einem deutschsprachigen Gebiet, dem Besuch deutscher Schulen, deutschen Namen sowie mit der Bewahrung deutscher Sitte und Sprache. Die Religion sollte explizit keine Rolle spielen. Grzesinski konnte sich mit dieser Haltung nicht gegen eine Mehrheit der Länder durchsetzen, die „Deutschstämmigkeit“ als Einbürgerungskriterium verwenden wollten.[2] Somit setzte sich das Abstammungsprinzip durch, das sich in extremer Form gegen Russen, Polen und „Ostjuden“ richtete, die zunehmend über die Abstammung und „Rasse“ definiert wurden.[1]

Österreich

In Österreich wird der Begriff vor dem Hintergrund der gemeinsamen Geschichte im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation bis 1806, der Kleindeutschen Lösung 1871, dem Zerfall der Donaumonarchie 1918, der sog. Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich 1938,[3][4] dem Anschlussverbot nach Ende der nationalsozialistischen Herrschaft und dem österreichischen Staatsvertrag 1955 hauptsächlich im Dritten Lager verwendet. Die Behauptung, dass Österreich ein Teil der deutschen Kulturnation sei, ist Ausdruck eines ethnischen Deutschnationalismus und Absage an eine eigenständige österreichische Identität.[5]

Als Kulturdeutsche haben sich beispielsweise Andreas Mölzer,[6] Martin Graf[7] und Gerhard Pendl bezeichnet.[8]

Günther Nenning bezeichnete die Österreicher ungeachtet ihrer österreichischen Staatsbürgerschaft allgemein als „nach Geschichte und Sprache kulturdeutsch und österreichischnational“.[9]

Einzelnachweise

  1. a b Dieter Gosewinkel: Einbürgern und Ausschließen. Die Nationalisierung der Staatsangehörigkeit vom Deutschen Bund bis zur Bundesrepublik Deutschland. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2001, S. 353 ff. Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek; zitiert nach: Georg Hansen: Die Ethnisierung des deutschen Staatsbürgerrechts und seine Tauglichkeit in der EU (PDF; 192 kB), S. 5.
  2. Oliver Trevisiol: Die Einbürgerungspraxis im Deutschen Reich 1871–1945. (PDF; 1,9 MB) Dissertation an der Universität Konstanz, 2004, S. 69 f.
  3. Gesetz über die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich vom 13. März 1938, RGBl. I 1938, S. 237–238.
  4. Verordnung über die deutsche Staatsangehörigkeit im Lande Österreich vom 3. Juli 1938, RGBl. 1938 I, S. 790–791.
  5. vgl. Susanne Frölich-Steffen: Die Identitätspolitik der FPÖ: Vom Deutschnationalismus zum Österreich–Patriotismus. Österreichische Zeitschrift für Politikwissenschaft 2004, S. 281–295.
  6. Ralf Leonhard: „Kulturdeutscher“ mit Sündenregister: Dem stramm rechten Vordenker von Österreichs FPÖ, Andreas Mölzer, droht der Rauswurf aus der Bundespartei taz, 30. März 2005.
  7. Zur Zeit. Nr. 43/2008, S. 2.
  8. Lisa Nimmervoll: Natürlich bin ich ein Rechter. In: Der Standard. 18. April 2008, abgerufen am 28. September 2012.
  9. Günther Nenning: Ist dort Rothschild? In: Die Zeit. Nr. 50/1988.