VL-3 Evolution

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JMB Aircraft VL3
Typ Ultraleichtflugzeug
Herkunftsland Tschechische Republik
Hersteller Aveko (2005–2011)
JMB Aircraft (2012-)
Status in Produktion (> 500)[1]
Varianten VL-3 B FG (Festfahrwerk)
VL-3 B RG (Einziehfahrwerk)
VL-3 C1 (LSA)
Gobosh 800 XP
ICAO-Code VL3

Die VL3 ist ein einmotoriges, zweisitziges, dreiachsgesteuertes Ultraleichtflugzeug in Tiefdecker-Konfiguration, dessen Zelle, Flügel und Leitwerke beinahe vollständig aus Verbundwerkstoffen (CFK) konstruiert sind. Mit einer Reisegeschwindigkeit von ca. 260 km/h (Rotax 912 ULS) – 370 km/h (Rotax 916 iS) zählt es zu den schnellsten Luftfahrzeugen seiner Art. Es ist in den Versionen mit Fest- (FG) oder Einziehfahrwerk (RG) sowie in einer modifizierten Form als LSA (C-1) in den USA erhältlich. Es wird in Choceň in der Tschechischen Republik hergestellt.

Geschichte

Der Entwurf der VL-3 aus den frühen 2000er-Jahren stammt von Vanessa Air[2], dem Designbüro der Brüder Miroslav und Petr Kabrt, das u. a. auch am Entwurf diverser Ultraleichtflugzeuge wie der Allegro 2000, der TL-96 Star und der TL-2000 Sting sowie der Lambada und Samba von Advanced Composite Aircraft maßgeblich beteiligt war. Die Produktion und der Erstflug der VL-3 erfolgte durch die tschechische Firma Aveko s.r.o., ein Unternehmen, dessen Kerngeschäftsfeld in der Entwicklung und Produktion von Synchronmotoren, Planetengetrieben und industriellen Servomotoren besteht[3]. Bereits das erste Produktionsmodell mit der Seriennummer S/N 001 erzielte 2005 einen von der FAI anerkannten Weltrekord von 274,78 km/h über einen geraden Kurs[4]. 2007 folgten weitere von der FAI anerkannte Weltrekorde mit 262,0 km/h über einen geschlossenen Kurs von 50 km[5] sowie 268 km/h über einen geschlossenen Kurs von 100 km[6]. Nach etwa 100 produzierten Maschinen und einer Serienfertigung von 2007 bis 2011 verkaufte Aveko s.r.o. die Fertigung. Nach dem Verkauf kam die Produktion zunächst faktisch zum Erliegen, bis 2012 die Firma der belgischen Brüder Jean-Marie und Jean-Baptiste Guisset die Rechte und Fertigungsanlagen der VL-3 erwarb. Die nachfolgende Restrukturierung der Vermarktung über die belgische Firma JMB Aircraft und die Verlagerung der Produktion ins tschechische Choceň führten zu einer deutlich gesteigerten Beliebtheit des Typs und steigenden Produktionszahlen. So wurden in der Zeit von 2005 bis 2012 rund hundert Flugzeuge produziert (ca. 15 Stück p. a.). Von 2012 bis 2016 waren es bereits über hundert weitere (25 Stück p. a.). Derzeit liegt die Produktionsleistung bei rund 5 Flugzeugen pro Monat.

Konstruktion

VL-3 Evolution mit voll ausgefahrenen Spreizklappen

Die Entwicklung der VL-3 erfolgte zunächst komplett als virtueller Prototyp inklusive aller mechanischen und aerodynamischen Simulationen der Zelle, Tragflächen, Ruder, Klappen und des Fahrwerks mit Hilfe der Software SolidWorks von Dassault Systems[7]. Ihre beeindruckenden Flugleistungen verdankt die VL-3 ihrer Konstruktion als aerodynamisch „clean“ konstruierter side-by-side-Tiefdecker. Ihre relativ kurzen Tragflächen mit laminaren Profilen, leichter Pfeilung und V-Stellung (allerdings ohne Winglets) sowie die aerodynamisch flach geformte Passagierhaube und die Motorabdeckung mit aerodynamisch optimierten Belüftungsöffnungen tragen wesentlich zur Reduzierung des Luftwiderstands bei. Das elektrohydraulische Einziehfahrwerk ist als Schwinge konstruiert. In eingefahrenen Zustand werden alle dafür erforderlichen Hohlräume im Rumpf von Abdeckungen plan verschlossen. Die Vorteile dieser Konstruktion, die die VL-3 z. B. mit der Cessna 210 teilt, verbinden eine effiziente Aerodynamik mit einer Festigkeit, die auch unbefestigten Pisten gewachsen ist. Alle Kräfte des Fahrwerks werden in die Zelle eingeleitet und es entsteht keine Belastung der Tragflächen.

Ihre Vorzüge, aus der Kraft eines „normalen“ Rotax 912 ULS mit 100 PS Startleistung und einem elektrisch-verstellbaren Constant-Speed-Propeller 260 km/h Reisegeschwindigkeit bei 75 % Leistung zu erzielen, werden durch einige – mit entsprechender Einweisung beherrschbaren – Beschränkungen erkauft: So kann bei Reiseleistung schon durch geringes Sinken die zulässige Höchstgeschwindigkeit Vne überschritten werden. Ebenso sind im Langsamflug (< 150 km/h) Kurvenlagen über 30° und die damit verbundenen Lastvielfachen wenig empfehlenswert. Allerdings ist die VL-3 für die Landung mit großzügig dimensionierten Spreizklappen (15–55°) versehen, die einen – für ein Flugzeug dieser Klasse – überraschenden Anflugwinkel von über 7° bei einer Anfluggeschwindigkeit von unter 100 km/h ermöglichen.

Einsatzbereich

Die VL-3 Evolution hat eine Reisegeschwindigkeit von bis zu ca. 270 km/h und eine Reichweite von über 2000 km mit den optionalen 140-Liter-Tanks und gilt damit als VFR-Reisemaschine. Von der Mitte Deutschlands aus sind alle Ziele in den umliegenden Ländern ohne Zwischenlandung erreichbar. Mit ihrem angesichts dieser Reiseleistung moderaten Verbrauch von ca. 18 l/h Mogas (Super 95) stellt die VL-3 eine der ökonomischsten Reisemöglichkeiten überhaupt dar, wobei sie – abgesehen vom Zeitgewinn – auch sparsame PKWs im Verbrauch unterbietet. Mit unmodifizierten Serienmodellen (ohne Zusatztanks, speziellen Treibstoff, aerodynamische Modifikationen etc.) und mit voller Beladung (zwei Personen mit Gepäck) haben zwei VL-3 Evolution im Juli 2016 den Atlantik in Ost-West-Richtung erfolgreich überquert.[8] Eine erneute Atlantiküberquerung im Jahr 2023 enthielt sogar einen Nonstop-Abschnitt von Island bis Kanda.[9]

Zwischenfälle

Bei über 500 bis zum Jahr 2022[10][1] gebauten Exemplaren gab es bei Zwischenfällen des Musters insgesamt 26 Todesopfer und 14 Totalverluste zwischen 2008 und 2020.[11] Wie häufig bei der Einführung eines neuen hochperformanten Flugzeugs (vgl. Cirrus, Beechcraft Bonanza) war zu Beginn die Unfallrate relativ hoch und ist in den letzten Jahren durch ständige Verbesserung am Airframe (insbesondere Stall-Verhalten) und mittlerweile verpflichtende Einweisung sowie jährliche Trainingsveranstaltungen für Piloten degressiv.

  • 13. April 2008 – Eine Aveko VL-3 Sprint stürzte nahe Eschweiler aufgrund von Überziehtests in zu geringer Flughöhe (< 300 m) ab. Beim Piloten handelte es sich um den Musterbetreuer für die Verkehrszulassung. Mit einer Gesamtflugerfahrung von 111 h und lediglich 1:18 h auf dem Muster wies er eine stark unterdurchschnittliche Vertrautheit mit dem Flugzeugtyp auf. Beide Insassen starben beim Aufprall.[12]
  • 29. Mai 2010 – Eine Aveko VL-3 „Flamingo“ (Luftfahrzeugkennzeichen ZU-VDW) stürzte bei einem legalen Flugrennen in Südafrika ab, vermutlich aufgrund von Ruderflattern. Beide Insassen starben beim Aufschlag. Der Unfall führte zu einer Überarbeitung des Höhenleitwerks (einteilig, statt bisher zweiteilig).[13]
  • 8. Mai 2016 – Eine JMB VL-3 Evolution (D-MVLX) stürzte aufgrund von Überziehtests in zu geringer Flughöhe ab. Beide Insassen kamen ums Leben.[14]

Technische Daten

Es gibt mehrere unterschiedliche Modelle. Exemplarisch ist das am meisten nachgefragte Modell mit Einziehfahrwerk und Rotax 916 iS gelistet.

Die Angaben finden sich im DAeC-Kennblatt 66214 Ausgabe 8 vom: 10.08.2022.[15]

Spannweite 8,44 m (27,7 ft)
Länge 6,24 m (20,5 ft)
Höhe 2,05 m (6,7 ft)
Flügelfläche 9,77 m² (105 ft²)
Flügelstreckung 7,3
Überziehgeschwindigkeit 83 km/h (45 kts)
Max. Horizontalgeschwindigkeit 370 km/h (145–200 kts) TAS
Reisegeschwindigkeit 310 km/h (167 kts) TAS
Böengeschwindigkeit 280 km/h (155 kts)
zulässige Höchstgeschw. Vne
(Hersteller)
340 km/h (183 kts) IAS
zulässige Höchstgeschw. Vne
(deutsche Zulassung)
340 km/h (183 kts) IAS
Motorleistung
118 kW (160 PS)
Steigleistung 14 m/s (2700 ft/min)
Max. Flughöhe > 5400 m (> 17.700 ft)
Startstrecke 98 m
Verbrauch (Mogas) 14–32 l/h (3,6–8,5 gal/hr)
Tankvolumen 140 l (37 gal)
Reichweite > 2.000 km (> 1.100 nm)
Max. Abflugmasse
(deutsche Zulassung)
600 kg (1323 lb)
Gleitzahl 18,5
Commons: Aveko VL-3 Sprint – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b Dan Johnson: JMB Aircraft Delivered #500 of their Blazing-Fast VL3 Light Aircraft. In: byDanJohnson.com. 15. Dezember 2022, abgerufen am 4. Januar 2023 (englisch).
  2. Vanessa Air – References – VL-3. Abgerufen am 8. April 2017.
  3. AVEKO, s.r.o. Abgerufen am 3. Juni 2018 (englisch).
  4. FAI Record File Num #12117. Abgerufen am 3. Juni 2018 (englisch).
  5. FAI Record File Num #14499. Abgerufen am 3. Juni 2018 (englisch).
  6. FAI Record File Num #14500. Abgerufen am 3. Juni 2018 (englisch).
  7. Vanessa Air – References – VL-3. Abgerufen am 8. April 2017.
  8. VL3 Challenge. Abgerufen am 11. April 2017 (englisch).
  9. News Room: Updates from the VL3 World. Abgerufen am 11. August 2023 (englisch).
  10. Thomas Borchert (Hrsg.): fliegermagazin. Nr. 8/2021. JAHR MEDIA GmbH & Co. KG, Hamburg, S. 92.
  11. Weitere Zwischenfälle. Aviation Safety Network, abgerufen am 16. Mai 2021 (englisch).
  12. Untersuchungsbericht Bericht 08 3X017 UL Eschweiler. (PDF; 163 kB) In: bfu-web.de. Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung, September 2009, abgerufen am 11. April 2017.
  13. Unfallbericht VL-3 Flamingo ZU-VDW, Aviation Safety Network WikiBase (englisch), abgerufen am 17. Mai 2021.
  14. Unfallbericht VL-3RG Evolution D-MVLX, Aviation Safety Network WikiBase (englisch), abgerufen am 17. Mai 2021.
  15. DAeC: DAeC-Kennblatt 66214 Ausgabe 8 vom: 10.08.2022. In: https://lsgb.daec.de/. DAeC, 10. August 2022, abgerufen am 25. September 2023 (deutsch).