Abtrittanbieter

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Abtrittanbieter war ein Berufsbild, dessen Vertreter eine mobile Bedürfnisanstalt betrieben. Dieses Berufsbild war Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts in einigen westeuropäischen Großstädten verbreitet. Eine weitere Bezeichnung war Buttenmänner und Buttenweiber oder Madame Toilette.

Ausstattung und Tätigkeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Abtrittanbieter gingen, meist maskiert, mit großen Holzeimern durch die Straßen. Die Eimer waren mit Deckeln versehen und an Ketten aufgehängt, die wiederum über ein Joch verbunden waren, so dass man die Ausrüstung über der Schulter tragen konnte. Ferner hatten die Anbieter einen weiten Umhang an. Bei der Notdurftverrichtung schützten sie den Bürger mit dem Mantel oder Umhang vor neugierigen Blicken.

Hintergrund und Notwendigkeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Während es in Rom schon vor zweitausend Jahren öffentliche Toiletten mit Wasserspülung und Schwemmkanalisation gab, geriet diese Errungenschaft – wie vieles aus der Römerzeit – später wieder in Vergessenheit. Erst mit Einführung der Kanalisation (etwa 1842 in London, 1856 in Hamburg) gab es wieder öffentliche Toiletten. Im Mittelalter hatte das Fehlen einer Kanalisation häufig das Entstehen von Seuchen begünstigt. Aus hygienischen Gründen war es nach dem Ende des Mittelalters nicht erwünscht, teilweise sogar bei Strafe verboten, seine Notdurft in den Großstädten auf der Straße, an Mauern, auf Treppen oder in Hinterhöfen[1] zu verrichten. Nach Aufkommen der Kanalisation und der ortsfesten öffentlichen Toiletten verschwand das Berufsbild des Abtrittanbieters wieder.

Der gesammelte Urin wurde nicht unbedingt als Abfall entsorgt, sondern fand in der Salpeterherstellung und in der Gerberei Verwendung. Abtrittanbieter erhielten so neben dem geforderten Lohn für ihren Dienst auch ein Entgelt für den Urin.

Rezeption[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Hamburger Schriftsteller Dietmar Bittrich veröffentlichte im Jahr 2000 eine historische Erzählung mit dem Titel Die Abtrittanbieterin, in der das Schicksal der Protagonistin in einer Pointe mit dem Hamburger Brand von 1842 verknüpft wird. Der Ich-Erzähler, der sich als Autor Bittrich zu erkennen gibt, durchstöbert auf der Suche nach seiner Protagonistin die Archive, so dass sich in der Erzählung neben der Fiktion auch einige Schilderungen und Details finden lassen, die die Wirklichkeit des Berufs veranschaulichen.[2]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Rudi Palla: Verschwundene Arbeit. Ein Thesaurus der untergegangenen Berufe. Eichborn Die Andere Bibliothek, Band 115; Frankfurt am Main 1994, ISBN 3-8218-4115-X.
  • Rudi Palla: Das Lexikon der untergegangenen Berufe. Eichborn, Frankfurt am Main 1998, ISBN 3-8218-4491-4, S. 18–19.
  • Michaela Vieser, Irmela Schautz: Von Kaffeeriechern, Abtrittanbietern und Fischbeinreißern. C. Bertelsmann, München 2010, ISBN 978-3-570-10058-5.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wiktionary: Abtrittanbieter – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Süddeutsche Zeitung: Gute Nacht, Sandmann. Abgerufen am 24. April 2020.
  2. Die Abtrittanbieterin. In: Dietmar Bittrich: Hamburger Liebschaften. Drei Erzählungen. Erstausgabe. Svato Verlag, Hamburg 2000, ISBN 3-924283-56-7, S. 53–84. (mit Illustrationen von Svato Zapletal)