Benutzer:Alexander Leischner/Runeninschriften von Ribe

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Bei den Runeninschriften von Ribe handelt es sich um vier Inschriften auf unterschiedlichen Medien im jüngeren, wikingerzeitlichen Futhark die im Rahmen von archäologischen Ausgrabungen im westjütischen Ribe, Dänemark in den 1970er Jahren gefunden wurden.

Schädelknochen

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Birkmann:

von Ribe, bei Moltke 1985a noch auf ca. 800 oder etwas früher datiert, wird nach neuesten Erkenntnissen auf ca. 720–30 anzusetzen sein1. Er hat ein von der Innenseite her geschlagenes kreisrundes Loch, was gegen Trepanation (so Kabell 1977), sondern eher dafür spricht, daß das Knochenstück an einem Band am Körper getragen wurde (so Moltke 1985a), aller Wahrscheinlichkeit nach als Amulett fungierte (Nielsen 1983). Die Runeninschrift, die nach dem Loch rings herum angebracht wurde, bestätigt diesen Eindruck.

Auf dem 1973 gefundenen Schädelknochen stehen am Anfang der Inschrift drei Namen, die in normalisierter Form als Ulfúrr (so Nielsen 1983, UlfuRKabell 1977) auk Oþinn auk Hotýr (Kabell: HoddjóR) translitteriert werden können. Ich bin auf sie bereits oben (im Exkurs zur Synkope) eingegangen und habe dafür argumentiert, in ulfuR den frühen Beleg eines Sproßvokals vor der Flexionsendung -r zu sehen. Nielsen und Kabell wollen ulfurr als einen Odinsname interpretieren, Kabell auch den dritte Name der Inschrift als hoddjóR: "Die Verwendung von jór als zweites Namensglied ist aber ein Novum der Inschrift, die schon hierdurch ihren unsicheren Umgang mit Elementen aus einer geschwundenen Zeit markiert." (1977: 42). Der Vorschlag von Nielsen 1983: 54, hutiuR als HotýR, "den høje gud" zu verstehen, überzeugt mich mehr als Kabells Deutung; dieser geht in seiner Gesamtinterpretation der Inschrift davon aus, daß die Orthographie schwedischen Einfluß zeigt, was ich in Anbetracht der Datierung des Schädelfragments für wenig wahrscheinlich halte; auch eine "diffuse Einwirkung des Christentums" und ein "unsicherer Umgang mit Elementen aus einer geschwundenen Zeit" ist in Anbetracht der zeitlich späteren Skaldendichtung (und wohl auch der meisten Edda-Lieder) eine höchst problematische Annahme.

Bis auf eine Rune, deren Interpretation aber entscheidende Bedeutung zukommt, ist die Lesung eindeutig:

Inschrift auf dem Schädelknochen von Ribe

Die Inschrift, die eindeutig (fraglich ist nur die fünftletzte Rune unmittelbar vor der Perforation) im Jüngeren Fuþark geschrieben sein sollte, paßt von ihren Runenformen her völlig in das System der ältesten dänischen Steininschriften vom Typ Helnæs-Gørlev mit ᛗ = 〈m〉, ᚺ = 〈h〉 und ᚼ für orales /a/; Einwände gegen diese Auffassung wurden nur von Moltke 1973 und 1985: 151ff vorgebracht, der = 〈g〉 liest, also eine charakteristische Runenform des Älteren Fuþark. Dagegen argumentiert Nielsen 1983: 53 dafür, daß hier vom Runenschreiber ein 〈u〉 intendiert war, da auch andere u-Runen der Inschrift den Beistab über den Hauptstab kreuzen lassen. Nielsen interpretiert die Inschrift als Ulfurr auk Oþinn auk Hotyr hjalp Buri is wiðr þæima wærki auk dwærggunju – Bur "Ulvur og Odin og Højtyr er hjælp for Bur mod disse (ting): smerte og dværgeslag – Bur (= der Verfasser der Inschrift)". Auf dem 1. Symposion on Frisian Runes and neighbouring Traditions, 26.–29. Januar 1994 in Leeuwarden brachte Stoklund die Ergebnisse ihrer Untersuchung der Inschrift zum Vortrag; sie liest die fragliche Rune als n und kommt damit zu dem Text UlfuR auk Oðinn auk Ho-tiuR.HjalpBuries wiðr þæima værki. Auk dwerg unninn. Bóur(r). "UlfuR and Odinn and High-tiuR! Help is buri (or for/through buri) against this pain. And the dwarf conquered. Bourr." Diesen Vorschlag halte ich für sehr überzeugend, es spricht wohl nichts gegen diese neue Lesung, und der Text bekommt dadurch einen wesentlich besseren Sinn. Allenfalls könnte man sich an der Syntax des Satzes Auk dwerg unninn stören, und an der fehlenden Nom.-Endung: ich würde deshalb vorschlagen, anders zu segmentieren, und zwar wie folgt: Hjálp Buri es wíðr þæima værki auk dwerg(i). Unninn Buur. "Hilfe ist Buri gegen diesen Schmerz und den Zwerg. Besiegt ist Buur." Auch bei diesem Vorschlag würde die Dat.-Endung in dwerg(i) fehlen, aber die Syntax wäre damit einwandfrei. Der abschliessende Satz hätte die normale Struktur der Kapitel-Überschriften in der späteren handschriftlichen Überlieferung (etwa Unninn Rómaborg neben dem Typus Af dauði Haralds konungs), was als Fazit des vorangehenden Textes gut passen würde. In buri könnte man einen Beinamen Odins sehen, buur wäre als Bóurr oder Bóvurr wohl am ehesten als Zwergenname (wie Bávurr, Bívurr) aufzufassen, also der zuvor genannte Gegner, den das Amulett mit göttlicher Hilfe bekämpfen soll. Schließlich wäre es auch durchaus möglich, die Folge þAiMAuiArki als þæim(a) áverki aufzufassen, also als "Gegen diese Wunde/Körperverletzung", was vom Sinn her vielleicht noch besser passen würde als "Schmerz", wenn man die Aussage auf das Loch in dem Schädelknochen beziehen dürfte. Damit ergäbe sich ein einheitlicher Sinn dieser eindeutig heidnischen Inschrift.

Es fällt auf, daß der Schreiber ganz offensichtlich die w-Rune nicht mehr verwendet und statt ihrer 〈u〉 schreibt, was zum Befund des Röksteines paßt, der zwar schreibt, aber für /u/. Dies ist ein wichtiger Hinweis auch in Hinblick auf die angeblichen w-Runen auf Sölvesborg, Rävsal und Hoga (vgl. unten). Wenn man die archäologische Datierung des Knochens akzeptiert, dann hätten wir hier wie vielleicht auf Skabersjö und dem Kupferblech von Hallbjäns einen der frühesten Beleg für das ausgebildete Jüngere Fuþark in der von von Friesen postulierten gemeinnordischen Form, der Zeitraum für die Umformung, die Schreibreform wäre also auf die zweite Hälfte des 7. Jhds. einzuengen.

Das Frg. einer importierten, verzierten Walknochen-Glättplatte (vgl. z. B. 10, Nr. 53) mit Runen zeugt von norw. Kontakten in der wichtigen Handelsstadt, zu der R. schon frühzeitig wurde. Die Frg. der Walknochen-Platte (Antikvariske Samling, Ribe ) wurden 1993 bei der arch. Unters. der Kulturschichten der dortigen Marktplatzanlage gefunden und vorläufig in die 1. Hälfte des 9. Jh.s datiert. Die Leserichtung ist unsicher; der Ritzer scheint ein kurzzweigiges Vorbild mit einseitigen nund a-Runen und einem kurzstabigen s gehabt zu haben, obwohl zweifelhaft bleibt, ob man in den 2,5-3 cm hohen Runen überhaupt eine Inschr. sehen kann (8, 261 f. 270 f.). Die Runen können vom Entstehungsort herstammen, aber auch erst in R. geritzt worden sein.

Der hölzerne Heilstab, gefunden bei einer Ausgrabung in Grønnegade 1955 (Nationalmus. Kopenhagen), ist nach seinem Runen- und Sprachgebrauch deutlich eine ma. Inschr. (vom Ende des 13. Jh.s), zeigt aber ebenso deutlich Reminiszenzen an vorchristl. mythischen Stoff. Der aufwendig bearbeitete, fünfkantige, knapp 30 cm lg. Stab aus Kiefernholz weist mehr als 300 Runen von 6-7 mm Hh. auf, verteilt auf die fünf Seiten. Die Inschr. ist sehr sorgfältig geritzt, mit mehreren Verbesserungen; an Angemeldet | alhewilei@googlemail.com Heruntergeladen am | 29.09.19 21:49

einer Stelle ist etwas weggeschnitten und von neuem begonnen, nachdem offenbar etwas mißlungen war. Manche der vielen und ungewöhnlichen Binderunen sind möglicherweise ebenfalls Berichtigungen; dennoch finden sich mehrere Schreibfehler im Text, die zu mehr oder minder größeren Textänderungen in Verbindung mit der Deutung geführt haben, die grundlegend Moltke (6, 122-135; 7, 493-498) und - mit problematischeren Eingriffen in den Text - Hammerich (4) zu verdanken ist (zum Text Reim § 5).

Die vierte Inschr. wurde auf dem 9,5 cm lg. Kiefernholz-Handgriff einer Laufgewichtswaage im J. 1959 entdeckt. Sie ist auf Latein geschrieben, mit kurzstabigem s. In Worte eingeteilt, lautet sie: in nomine patris æþ filii æþ spiri - es gab keinen Platz für die weiteren Buchstaben von In nomine Patris et Filii et Spiritus Sancti, „im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ (6, 135 f.; 7, 474 f.).

  • Eva Nyman, Claus Feveile, Marie Stoklund: Ribe. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde (RGA). 2. Auflage. Band 24, Walter de Gruyter, Berlin/New York 2003, ISBN 3-11-017575-4, S. 549–556.
  • Thomas Birkmann: Von Ågedal bis Malt. (= Reallexikon der Germanischen Altertumskunde – Ergänzungsbände 12). Walter de Gruyter, Berlin/New York 1995, ISBN 978‐3‐11‐014510‐6.


  • Edith Marold: Die drei Götter auf dem Schädelfragment von Ribe., in: W. Heizmann, A. van Nahl (Hrsg.), Runica - Germanica - Mediaevalia, 2003, S. 403–417
  • Marie Stoklund: Runer 1993. Runes 1993, Arkæologiske udgravninger i Danmark 1993, 1994, S. 259–274
  • Dies., : The R. Cranium Inscription and the Scandinavian Transition to the Younger Reduced Futhark, Amsterdamer Beitr. zur ält. Germanistik, 45, 1996, S. 199 –209