Benutzer:GerhardSchuhmacher/Treck

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[Datei:Berlin - S-Bahnhof Nordbahnhof - Linien S1, S2, S25 (6595729083).jpg|mini|x200px|Eine Endstation des Trecks – von 10.000 erreichten die damalige S-Bahnstation Stettiner Bahnhof nur wenige Menschen]] Der Treck durch den Nord-Süd-Tunnel der S-Bahn in Berlin war ein Ereignis während des [Schlacht um Berlin|Kampfs um Berlin]] am Ende des [Zweiter Weltkrieg#Ostfront, 1944/45|Zweiten Weltkriegs]]. Der Treck war ein planmäßig ausgeführtes Folgeunternehmen unmittelbar anschließend an die Evakuierung des [Anhalter Hochbunker Berlin#Der Bunker in den letzten Kriegstagen|Anhalter Hochbunkers]] am 1. Mai 1945, mit dem die hier befindlichen ca. 10.000 Schutzsuchenden[Anm 1] durch einen unterirdischen Gang in die S-Bahnstation Anhalter Bahnhof und von dort aus weiter in den Tunnel über den S-Bahnhof Friedrichstraße in den Bereich des ehemaligen [Stettiner Bahnhof]] geleitet wurden. Da die Stationen bereits von dort befindlichen Schutzsuchenden überfüllt waren, kam der Treck nur langsam voran und wurde noch vor dem Bahnhof Friedrichstraße von dem Wassereinbruch nach der Sprengung der Tunneldecke unter dem Landwehrkanal erfasst.[Anm 2]

[Datei:Nord-Süd-S-Bahn Berlin.svg|mini|Karte Nord-Süd-S-Bahn Berlin]] Der [Nord-Süd-Tunnel]] der Berliner [S-Bahn Berlin|S-Bahn]] unterquert den Innenstadtbereich von Süden eingangs mit zwei Linien nach den S-Bahnhöfen [Bahnhof Berlin Yorckstraße|Yorckstraße]] ([Wannseebahn]]) und Großgörschenstraße ([Anhalter Bahn]]) und führt unter dem ehemaligen Anhalter Güterbahnhof (heute: [Park am Gleisdreieck]]) und unter dem [Landwehrkanal]] zu den Stationen [Berlin Anhalter Bahnhof|Anhalter Bahnhof]], [Bahnhof Berlin Potsdamer Platz|Potsdamer Platz]], [Bahnhof Berlin Brandenburger Tor|Unter den Linden]] (heute: Brandenburger Tor), [Bahnhof Berlin Friedrichstraße|Friedrichstraße]] – [Bahnhof Berlin Oranienburger Straße|Oranienburger Straße]] zum Stettiner Bahnhof (heute: [Berlin Nordbahnhof|Nordbahnhof]]). Der Tunnel wurde 1935 gebaut, er ist 5,5 Kilometer lang.

Kurzdarstellung

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[Datei:Berlin - S-Bahnhof Anhalter Bahnhof - Linien S1,S2,S25 (6816680198).jpg|mini|Historischer Namenszug]] Die Räumung des Anhalter Hochbunkers erfolgte nach dem Ausfall des Generators (Kein Licht, Stillstand der Lüftung mit rasch ansteigenden Temperaturen). Nach dem organisiert erfolgenden Aufbruch frühmorgens am 1. Mai 1945 wurden die Evakuierten wegen des Direktbeschusses des Bunkers durch sowjetische Artillerie über einen unterirdischen Verbindungsgang in die S-Bahn-Station Anhalter Bahnhof geleitet und von dort aus weiter durch den Bahnschacht über die S-Bahnhöfe Potsdamer Platz, Unter den Linden (heute: Brandenburger Tor) zum Bahnhof Friedrichstraße. Da bei Ankunft des Trecks im Bahnhof Friedrichstraße der S-Bahntunnel in der Fortsetzung unter der Spree durch einen dortigen Wassereinbruch in die Vertiefung der Flussunterquerung bereits angefüllt war, wurden die Menschen in die damalige [U-Bahn-Linie 6 (Berlin)#Anfänge|U-Bahnlinie C]] (heute U 6) in Richtung U-Bahnhof Oranienburger Tor und weiter bis zum U-Bahnhof Stettiner Bahnhof (heute U-Bahnhof Zinnowitzer Straße) umgeleitet. Der Treck hatte sich hier jedoch schon weitgehend aufgelöst, der Zeitzeugin W. Süßmilch zufolge kamen dort „noch ein paar hundert Menschen an“ (WS 221). Da der U-Bahnhof nicht sicher erschien, flüchteten Treckteilnehmer weiter in den S-Bahnhof Stettiner Bahnhof. Dieser war zwar noch trocken, doch die Erwartung, in einen Bereich ‚in deutscher Hand‘ zu kommen, wurde enttäuscht.

Der Vorgang – der Treck sowie die vorangegangene [Anhalter Hochbunker Berlin#Evakuierung des Bunkers|Evakuierung des Anhalter Hochbunkers]] – blieb in der Geschichtsschreibung, in der Literatur zum Zweiten Weltkrieg, auch zur Verkehrsgeschichte, bis 2004 unerwähnt. Beide Ereignisse sind jedoch auch über meist zeitnahe Quellen – Zeitzeugenberichte, Schriftsätze von Behörden und Zeitungsartikel der 1940er und 1950er Jahre – festzustellen. Die Tatsache, dass es sich mit dem Treck um eine planmäßig ausgeführte und den Umständen entsprechend geleitete Unternehmung handelte, wurde 2004 – mit der Veröffentlichung des Buches der Zeitzeugin W. Süßmilch – auch literarisch bekannt.[Anm 3]

Verifizierungsprozesse

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Die Gesamtdarstellung der Vorgänge durch die Zeugin Süßmilch ermöglichte es, zahlreiche Einzeldarstellung anderer Zeitzeugen bzw. Berichte aus ‚erster und zweiter Hand‘ in einen Zusammenhang zu bringen und damit auch Teilereignisse infolge von unabhängig voneinander gemachten Beobachtungen zu vergleichen, zu ergänzen und die Einzelberichte – gleichsam gegenseitig – zu verifizieren.

Dabei wurde eine sichere Terminbestimmung möglich, zu der auch ein hoher sowjetischer Kommandeur (Tschuikow) einen Beitrag leistet. Durch die Rekonstruktion des gesamten Vorgangs können auch Bewertungen von Nachkriegsautoren relativiert werden, da es möglich wurde, den informellen Gehalt von Protokollen, Schriftsätzen, Artikeln und auch Aussagen von Zeitzeugen ohne eine Selektion über das Ansehen der Verfasser, der Personen oder ihrer Zugehörigkeiten zu bewerten.[Anm 4]

Angaben zur Organisation

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Der Auszug der 10.000 Menschen aus dem Anhalter Hochbunker wurde nicht sich selbst überlassen, es war keine unkoordinierte Flucht: „Überall standen Soldaten und sagten: ‚Hier entlang! Hier entlang!‘.“ Posten mit „lodernden Fackeln“ forderten energisch zum Weitergang im Schacht auf. Potsdamer Platz: „Auf dem Bahnsteig standen zwei oder drei riesige schwarze Tonnen, aus denen Rote-Kreuz-Schwestern Malzbier verteilten.“ Noch bis vor den Bahnhof Friedrichstraße gab es „noch Fackeln oder Laternen an den Wänden, aber die Abstände wurden größer und größer. Auch sahen sie so aus, als ob sie bald erlöschen würden.“[1]

Kritik an der Kriegsende-Forschung

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Im Vorwort der 2015 unverändert herausgegebenen Neuauflage des bereits 1966 erschienenen Werkes von Cornelius Ryan: Der letzte Kampf, schreibt der Historiker [Johannes Hürter]]: „Nach wie vor aber fehlen befriedigende wissenschaftliche Gesamtdarstellungen des Kriegsendes im Osten, der Besetzung Berlins und der Berliner Gesellschaft (und Stadtverwaltung) in den letzten Kriegsmonaten“.[2]

Johannes Hürter zitiert auch [Michael Wildt]]/Christoph Kreutzmüller: „Im Vorwort [S. 7] wird für die gesamte NS-Zeit konstatiert, es sei erstaunlich, wie wenig die Geschichte der Stadt und ihrer Gesellschaft gerade für diese Zeit aufgearbeitet ist.“[3]

[Datei:Bundesarchiv Bild 183-N0301-323, Berlin -Ausgebombte Wohnung.jpg|mini|Ausgebombte Wohnung 1945]] Entsprechende Versäumnisse stellt Hürter selbst für das Standardwerk des [Militärgeschichtliches Forschungsamt|Militärgeschichtlichen Forschungsamtes]] fest: Es „bietet zwar eine detaillierte Operationsgeschichte des Kampfes um Berlin, verzichtet jedoch auf jede nähere Analyse des Schicksals der Zivilbevölkerung in diesem Inferno.“[4]

Militärischer Hintergrund

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Die Lebensbedingungen der Bevölkerung im Großraum Berlin und vor allem im Stadtgebiet wurden seit Beginn der [Luftangriffe der Alliierten auf Berlin]] ab 1942 neben den Einschränkungen in Versorgung und Bewegung zunehmend von unmittelbarer Lebensgefahr geprägt.

Nachdem die Innenstadtbereiche im Frühjahr 1945 bereits von Trümmerfeldern durchzogen waren, geriet die Zivilbevölkerung nach der [Schlacht um die Seelower Höhen|sowjetischen Großoffensive ab dem 16. April 1945]] zunehmend in das Kampfgeschehen. Entsetzen verbreitete zunächst die Fernartillerie wie am [Hermannplatz#Beschuss des Hermannplatzes|Hermannplatz in Neukölln]] dokumentiert.

[Datei:Berlin en 1947 (6328971517).jpg|mini|Zentrum 1947. Unten rechts die Anhalter Bahnhofshalle]]

Lage der Zivilbevölkerung

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Nach dem raschen Vordringen [Rote Armee|Roten Armee]] im Osten und Süden der Stadt floh die Bevölkerung vor der ‚Artilleriewalze’ der Sowjettruppen, die den Angriffen vorausging, zunehmend in Richtung Innenstadt. Die Keller der Wohnhäuser, die vor den Bombenangriffen zumeist noch Schutz boten, wurden durch die Artillerie direkt zerstört oder verschüttet. Nach der Stilllegung des Bahnverkehrs im Zentrum ab 21. April 1945 drängten die Menschen vor allem in die Stationen und Tunnels von S- und U-Bahnen, vorzugsweise zum Monumentalbauwerk des [Anhalter Bahnhof|Anhalter Bahnhofs]] und vor allem in den tief gelegenen Nord-Süd-Tunnel und seine Bahnhöfe. Nach dem vollständigen Einschluss Berlins am 25. April 1945 und den beginnenden Kämpfen im Innenstadtbereich gerieten die Zivilbevölkerung und Tausende Verwundete in den überfüllten Bunkern und dem Bahnensystem in größte Enge und Bedrängnis.

Neben der [Spree]] im Norden war für die sowjetischen Truppen der [Landwehrkanal]] im Süden das größte Hindernis beim Vordringen in das Zentrum. Am 26. April 1945 abends, sprengte ein mobiles Wehrmachtskommando die noch intakten [Landwehrkanal#Zweiter Weltkrieg|Brücken über den Kanal]]. Es dauerte zwei Tage, bis diese Hindernisse überwunden waren und als sich die Kämpfe ab dem 29. April auf die Innenstadt konzentrierten, entwickelte sich die Lage der dort zusammengepferchten Bevölkerung zu einer Existenz im Inferno.

[Datei:B Standortfriedhof Lilienthalstraße.jpg|mini|[Friedhof Lilienthalstraße (Berlin)|Standortfriedhof Lilienthalstraße]]. Hier befindet sich ein Massengrab mit Opfern des 1. Mai 1945]]

Der Stabsoffizier [Gerhard Boldt (Offizier)|Gerhard Boldt]] kam ab Anfang Februar 1945 als Adjutant [Heinz Guderian|General Guderians]] mit zur ‚Führerlage‘ in Berlin und wurde ab dem 22. April 1945 fest zur Vorbereitung der Lagevorträge bei Hitler beordert. 1947 schrieb er seine Erinnerungen über diese Tage. Eintrag zum 27. April 1945[5]:

„Die Meldungen aus der Stadt werden immer erschütternder. Fast acht Tage hausen die Berliner Frauen, Kinder und Greise, Kranke, Verwundete, Soldaten und Flüchtlinge nun schon ohne Unterbrechung in den Kellern und Ruinen der Innenstadt. Eine einigermaßen geregelte Versorgung gibt es nicht mehr. Der Durst ist noch schlimmer als der Hunger, denn seit Tagen gibt es kein Wasser. Dazu die dauernden Brände, Feuersbrünste und der erstickende Qualm, der in die Keller, behelfsmäßigen Unterstände und Gänge dringt. Und über allem eine gnadenlos sengende Aprilsonne. Die Krankenhäuser, Lazarette und bombensicheren Bunker sind schon längst mit Verwundeten überfüllt. In den Schächten und den Bahnhöfen der U-Bahn und der S-Bahn liegen Tausende verwundeter Soldaten und Zivilisten. Wie groß ihre Zahl wirklich war, wird nie jemand erfahren.“

Gerhard Boldt: Die letzten Tage der Reichskanzlei. Hamburg 1964, S. 123 f.

Datierung des Trecks

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  • Hans Mellin (Leitender Arzt im Lazarett des Anhalter Hochbunkers): „Am 1. Mai morgens […] setzt sich der Zug in Bewegung.“ (Vollständige Aussage siehe unten unter Evakuierung und Abmarsch).
  • Ein Leserbrief am 1. Mai 1946 beschreibt den „Elendszug“ zum Jahrestag als „Hitlers letzten 1. Mai-Marsch“.[6]
  • Neues Deutschland: „Am 1. Mai wurde der Bunker geräumt. Durch den S-Bahn-Schacht, in dem das Wasser an mehreren Stellen meterhoch stand, flüchteten die Leute zum Stettiner Bahnhof.“[7]

Drei Anfragen an die Bestattungsämter Kreuzberg und Mitte, 1945, erwähnen bei der Suche nach Angehörigen den Vorgang und nennen dabei das Datum 1. Mai 1945.

  • „Bei der Räumung des Bunkers am 1.5.1945 sollte Abtransport durch die S-Bahn-Schächte in Richtung Stettiner Bahnhof erfolgen. Seitdem fehlt jede Spur von meinem Vater ...“
  • „Seit dem 1.5.d.J. liegt im S-Bahnhof Potsdamer Platz die Leiche meiner Schwiegermutter ...“
  • „Seit dem 1. Mai d.J. sind meine Eltern […] verschollen. […] Es wird angenommen, dass sie beide bei der Räumung des Anhalter Bunkers umgekommen sind, evtl. in der S-Bahn.“[8]
  • Zeugin in Heim & Welt: „Da hieß es am Dienstag [1. Mai], wir sollten den Bunker durch den S-Bahn-Schacht verlassen, um unter der Erde bis zum Stettiner Bahnhof zu marschieren.“[9].
  • Zeugin Frau N.: „Am 1. Mai sei sie mit anderen Bunkerinsassen unterirdisch durch den Tunnel nach Norden gegangen, da das Gerücht existierte, daß im Norden in Kampfhandlungen schon eingestellt waren. Auf der Mitte des Weges mußten sie durch knöchelhohes Wasser laufen, das an manchen Stellen höher angestiegen war.“ (K. Meyer: Die Flutung, S. 52 f. Dieses und alle weiteren Zeugenprotokolle im Band Die Flutung befinden sich auch in der Akte Gedenktafeln in Kreuzberg, Sozialraum II, Kbg SW im [FHXB Friedrichshain-Kreuzberg Museum]].).
  • Der Zeuge Herr H. musste „am 28.4. [...] zum Gefechtsstand am Potsdamer Platz. Dort waren S-Bahnzüge mit Zivilisten und Verwundeten. [...] Am 1.5. kamen der Troß Menschen aus dem geräumten Anhalter Bunker an seinem Standort im Potsdamer Platz vorbei.“ (K. Meyer: Die Flutung, S. 49 f.).

Vorgeschichte des Trecks

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Lage im Tunnel vor dem Treck

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Die Situation vor dem Treck wurde 1952 in den ersten beiden von sechs Folgen in einer Artikelserie im Sonntagsmagazin „Heim und Welt“ von einem Reichsbahner dargestellt. Der Bericht beginnt am 21. April 1945 mit dem Stilllegungsbefehl für den S-Bahnverkehr.[Anm 5] Der Zeuge beschreibt die Lage in den S-Bahnhöfen am nächsten Morgen [22. April]: „Daß die S-Bahn nicht mehr fährt, hat sich in Windeseile in der Bevölkerung herumgesprochen. In dichten Scharen zieht alles mit Kind und Kegel, mit Koffern und Kisten, in die S-Bahn-Stationen.“[Anm 6]

[Datei:Berlin - S-Bahnhof Anhalter Bahnhof - Linien S1,S2,S25 (6962752515).jpg|mini|Zugang mit historischem Element]]

Zur Lage im Tunnel und in den Bahnhöfen

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Nach übereinstimmenden Angaben waren insbesondere die S-Bahnstationen Anhalter Bahnhof und Potsdamer Platz (mit zwei Decks) völlig überfüllt.[Anm 7] Vor allem um die Bahnhöfe befanden sich die Menschen auch in den Tunnelschächten. In abgestellten Bahnwagen sollen allein vor dem Bahnhof Unter den Linden 1.600 Verwundete untergebracht worden sein.[10] Außer im Schein vereinzelter [Karbidlampe|Karbidlampen]] in den Lazarettwagen befand sich alles Tag und Nacht in völliger Finsternis. Die Ausgänge der Bahnen waren meist (teilweise) verschüttet, sie brachten kaum Licht, hier trat permanent der Dreck, Qualm und Staub der Kämpfe ein. Häufig schossen auch russische Soldaten in die Tunnelzugänge, so dass in deren Bereich kein Aufenthalt ratsam war.

  • Der Zeuge Herr K. „erinnerte sich an hunderte, vielleicht tausende Menschen, die in den letzten Tagen im Tunnel gelebt hätten. Darunter wären Zivilisten ebenso wie Soldaten gewesen und auch Verletzte.“[11]
  • Soldatenbericht, Potsdamer Platz (25.4.): Tausende von Zivilisten im S- und U-Bahnhof.”[12]

Evakuierung und Abmarsch

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Ein Zeuge an privilegierter Stelle hatte Kenntnis von Datum und Uhrzeit - der Arzt des Lazaretts im Anhalter Hochbunker:

  • Hans Mellin: „Am 1. Mai morgens steht mit einem Mal der SS-Kommandant an meinem Bett: ‚Ich lasse jetzt den Bunker von der Zivilbevölkerung räumen.‘ […] Mit einem Achselzucken lasse ich ihn stehen, nehme Mantel und Hut und gehe hinaus. Der einzige Ausweg, der noch zur Verfügung steht, ist der S-Bahn-Tunnel in Richtung Norden. Im Bunker ist die Hölle los. Alles quillt die Treppen hinunter in den dunklen Tunnel. […] Und so setzt sich der Zug in Bewegung. Man kommt nur schrittweise voran und tastet sich von einer Schwelle zur andern.“[13]
  • In ihrem Bericht schrieb Waltraut Süßmilch, sie sei im Bunker von einer Lautsprecherdurchsage geweckt worden, die um „Vier Uhr morgens“ aufgefordert habe:

„Sucht eure Sachen zusammen, der Bunker muss geräumt werden. […] Zwischendurch höre ich noch Worte wie ‚Sprengung‘ und ‚russische Panzer‘. […] Die Menschen um uns standen auf, legten die Decken zusammen, auf denen sie gesessen hatten, zogen ihre Mäntel und Jacken an und nahmen anschließend ihre Gepäckstücke in die Hand, um auf weitere Anweisungen zu warten. Nirgendwo brach Panik aus, jeder verhielt sich ruhig.“

Waltraut Süßmilch: Im Bunker, Ullstein Verlag, Berlin 2004, S. 182 ff.
  • Zeugin Frau Re. „hat die letzten 14 Tage im Bunker am Anhalter Bahnhof (in dem sich fast ausschließlich Frauen und Kinder befanden) verbracht. Sie war damals 35 Jahre alt. Sie erzählt, daß sie am Morgen der letzten Nacht, die sie dort waren, durch Gebrüll geweckt wurden. […] Über Lautsprecher ertönte die Anweisung, den Bunker zu räumen.“ (Karen Meyer, Die Flutung, S. 53. Kürzel: KM 53)
  • Anschließend „wurden wir von Ordnern und Militärpersonal aufgefordert, uns marschbereit zu machen.“ (W. Süßmilch, S. 184). Der Versuch, die Insassen in Gruppen einzuteilen, sei jedoch nicht möglich gewesen: „Endlich gab es konkrete Befehle. Inzwischen mußte es sechs Uhr geworden sein, vielleicht war es auch halb sieben. Wir sollten den S-Bahn-Schienen bis zum Stettiner Bahnhof folgen, heute heißt er Nordbahnhof.“ (W. Süßmilch, S. 187. Kürzel: WS 187).

Hauptartikel: [Anhalter Hochbunker Berlin#Evakuierung des Bunkers|Anhalter Hochbunker: Evakuierung]]

[Datei:BerlinAnhalterBunker.jpg|mini|hochkant=1.3|Zustand des Bunkers im Jahr 1987]]

Chronik des Trecks

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Zur Darstellungsform der Chronik siehe:[Anm 8]

Nach der Evakuierung in der Frühe des 1. Mai 1945 (Lautsprecherdurchsage gegen 4 Uhr, Abmarsch ab 6 Uhr) wurden die 10.000 dort zusammengepferchten Zivilpersonen – meist Frauen, Kinder und Alte -, die nur zu den Ausgängen in den unterirdischen S-Bahnhof drängen konnten, von den „Soldaten mit Fackeln“ zuerst durch einen längeren Gang bis zur Station Anhalter Bahnhof geleitet. (WS 188 f.).

[Datei:2016-02-29 S-Bahnhof Berlin Anhalter Bahnhof by DCB–3.jpg|mini|Bereich des Zugangs vom Bunker her und der späteren Wassereinflutung]]

S-Bahnstation Anhalter Bahnhof

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In der Station Anhalter Bahnhof trafen die Evakuierten auf die bereits von anderen Schutzsuchenden überfüllten Bahnsteige und Geleise.

  • W. Weise:

Aus den drei Ausgängen im untersten Geschoss des Hochbunkers wurden die Evakuierten zur S-Bahnstation geführt: „Zuerst schoben wir uns durch lange, schmale und notdürftig beleuchtete Gänge, dann erreichten wir […] einen Bahnsteig der S-Bahnstation Anhalter Bahnhof.“ (WS 188). Der Zug der Evakuierten durchquerte zuerst die S-Bahnstation; er bewegte sich meist auf dem oder den Geleisen zwischen den sich auf den Bahnsteigen lagernden Menschenmassen. (WS 189). „Die Fackelträger schoben uns förmlich in den dunklen S-Bahn-Tunnel hinein. […] Die Schachtwände waren mit einem etwa ein Meter breiten Streifen in einer grünlich phosphoreszierenden Farbe gestrichen, der von [Sturmlaterne|Sturmlaternen]] angeleuchtet wurde.“ (WS 190).

Vor dem S-Bahnhof Potsdamer Platz waren zwei Hindernisse zu bewältigen – eine quer zum Tunnel verlaufende „riesige Stahlplatte, die den gesamten Schacht ausfüllte und anscheinend eine Panzersperre darstellte, wie jemand sagte, versperrte den Weg.“ Da sie nur eine kleinere Öffnung am Boden hatte, mussten hier „Tausende von Menschen einzeln hindurch kriechen“ (WS 192) - hier blieben alle größeren Gepäckstücke zurück. „Da sich immer nur eine Person durch die Sperre schlängeln konnte, gab es hinter der Stahlplatte kein Gedränge mehr.[…] Bald darauf folgte eine Barrikade, die man mit Hilfe von Soldaten überklettern musste.“ (WS 193). Schließlich erreichte der Zug die offensichtlich noch einigermaßen beleuchtete Station Potsdamer Platz (WS 194).

[Datei:Berlin - S-Bahnhof Potsdamer Platz - Linien S1,S2,S25 (6903074742).jpg|mini|S-Bahnhof Potsdamer Platz Bahnsteige 2012]]

S-Bahn Potsdamer Platz

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  • W. Weise:

„Die beige gekachelten Wände konnte man vor lauter Menschen kaum sehen. Überall auf dem Bahnsteig standen oder lagen Menschen und es herrschte dort ein größeres Gewusel als früher zur Hauptverkehrszeit. […] Unser Treck bewegte sich weiter auf den Schienen, nur wenige Leute aus dem Bunker hangelnden sich auf den Bahnsteig und blieben dort. […] Auf dem Bahnsteig standen zwei oder drei riesige schwarze Tonnen, aus denen Rote-Kreuz-Schwestern Malzbier verteilten.“ (WS 194). Der Treck wurde in den weiter führenden Tunnel geleitet und „war wieder geschlossener geworden.“ (WS 196).

  • 2015: Zeitzeugin Irmhild Zinow, Jahrgang 1936, die mit Mutter und zwei Geschwistern im U-Bahnhof Potsdamer Platz „in den abgestellten U-Bahn-Zügen lebte(n). […] Irgendwann kam dann das Wasser. Panikartig drängten alle vorwärts den Tunnel entlang zu irgendeinem Ausstieg. […] Das Wasser stand uns bis zum Hals. Alle schubsten rigoros, am schlimmsten die Männer, auch Soldaten. Meine Schwester wäre dort beinahe ertrunken. Viele Soldaten versuchten noch, sich die Uniformen auszuziehen, viele erschossen sich. Es war grauenhaft, alle wollten raus aus dem Inferno.“[14]

S-Bahnhof Unter den Linden

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  • W. Weise:

„An dieser Station gab es weder etwas zu essen noch zu trinken, obwohl es auch hier von Menschen wimmelte. Wieder entschieden sich einige aus unserem Treck dafür, hier zu bleiben.“ (WS 198).

[Datei:200806 Berlin 363.JPG|mini|S-Bahnhof Unter den Linden, Bahnsteig 2008]]

Die Verwundetenzüge

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Mehrfach erwähnt werden Züge voller verwundeter Soldaten, in manchen Waggons befanden sich dabei auch Zivilisten, vor allem Kranke.

  • Ausführlich wird die Lage der Verwundeten und eine (Teil-)Bergung vom Reichsbahner in Heim und Welt beschrieben:

Zum 21. April 1945: Mit seinem Vorgesetzten, einem Reichsbahnoberrat sei besprochen worden, daß „der Oberstabsarzt von der Kampfkommandantur Berlin […] mit dem Führerhauptquartier gesprochen und die Genehmigung für uns erwirkt (hat), daß wir zum Rangieren für die Verwundetenzüge, wenn notwendig, ab und zu kurz wieder den Strom einschalten dürfen. […] Die Verwundeten kommen in S-Bahnzüge, die zwischen dem Linden-Bahnhof und Potsdamer Platz stehen sollen.“ (Folge 1 in ‚Heim und Welt‘, 24. Februar 1952).

Zum 29. April 1945: „Mich interessieren die Verwundetenzüge kurz vorm Lindenbahnhof. Wir rattern also los mit unserer Draisine, nach einigen Minuten taucht Licht vor uns auf: die Verwundetenzüge mit irgendwelchen Laternen. […] Sechs Rote-Kreuz-Schwestern versorgen die annähernd 1600 Verwundeten. Ein junger Unterarzt ist verantwortlich für Pflege und Betreuung.“ (Folge 2 in ‚Heim und Welt‘, 2. März 1952).

Zum 1. Mai 1945 (in Heim & Welt mit 2. Mai datiert): Nachdem der Erzähler eine Detonation hörte und die Sprengung unter dem Kanal vermutete, begibt er sich zu den Verwundetenzügen und versucht dort, eine Rettung zu organisieren:

[Datei:Hp Berlin Brandenburger Tor (S-Bahn) 2.jpg|mini|letzte Erinnerung an den ehemaligen Bahnhof]]

„Nach verhältnismäßig kurzer Zeit ist schon eine stattliche Anzahl von Verwundeten auf den sich allmählich leerenden Bahnsteig geschafft. Aber die Zahl der Zurückgebliebenen scheint angesichts der wenigen Helfer riesengroß.“ Bald danach reicht das Wasser (auf dem Gleiskörper) „an manchen Stellen bis zu den Knien“. Noch vor der Bahnsteigüberspülung gelingt es, „Verwundete die Treppen hinaufzuschaffen. Oben auf der Straße herrscht Tumult, trotzdem fällt mir sofort auf, daß nirgendwo mehr geschossen wird. Durch die Linden fahren Russenfahrzeuge durch die Trümmer. Vom Brandenburger Tor weht eine große rote Fahne herab.“ Es gelingt, eine russische Streife zur Mithilfe bei der Verwundetenbergung zu bewegen, doch dringt das Wasser mittlerweile auch in die Waggonabteile ein. Die russische Hilfe dauerte jedoch nur kurz.“

Reichsbahner Folge 4 in ‚Heim und Welt‘, 16. März 1952

Reichsbahner: Die Strömung habe dann jedoch rasch zugenommen und „es ist mir unmöglich über die Geleise noch zu den Waggons zu kommen […] das Schreien, Schelten, Anspornen und Hilferufen im Schacht hat sich furchtbar verstärkt. […] Die eisige Flut schwillt schnell. So schleppen wir uns nach oben, wo nun den [geretteten] Verwundeten weiter geholfen werden muss.“ (Folge 5 in ‚Heim und Welt‘, 23. März 1952). Ein wichtiger Hinweis auf die Entwicklung der Flut ist, dass hier eine starke Strömung vorhanden war.

Die Umgebung des Bahnhofs Unter den Linden war am frühen Nachmittag des 1. Mai bereits in russischer Hand. Brandenburger Tor, Reichstag und die Straße Unter den Linden waren von den Sowjettruppen am 30. April erobert worden. Der Treck war zum Zeitpunkt der Rettungsversuche bereits vorüber, denn nach Angaben von W. Süßmilch war beim Durchzug Unter den Linden noch kein Wasser auf den Geleisen.

Vor dem S-Bahnhof Friedrichstraße

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  • W. Weise:

„Während wir uns wieder auf dem Weg Richtung Friedrichstraße befanden, kamen wir an einem abgestellten S-Bahnzug vorbei. In den sieben oder acht schmutzig-gelben Waggons saßen viele Menschen, auch Verwundete […] Einige Menschen hangelten sich [..] hinauf in die überfüllten Zugabteile, trotz der Proteste derjenigen, die sich schon in den Waggons befanden.“ (WS 202 f.)

Beobachtung zur Lage in der Stadt am 1. Mai 1945

  • W. Weise:

„Manchmal kamen wir an einer Stelle im Schacht vorbei, an der eine [Luftmine]] die Straßendecke aufgerissen hatte. Konnten wir für einen kurzen Moment einen Blick auf die Außenwelt werfen, so war nie zu erkennen, ob es Tag oder Nacht war. Stets sahen wir nur roten Feuerschein und Funken, die durch die Luft wirbelten. Berlin war ein einziges Flammenmeer.“ (WS 200). Später hörte die Zeugin (kurz vor dem Bahnhof Friedrichstraße) in der Nähe ein Luftschachtes, dessen Gitter intakt war, „Schüsse, keine einzelnen Schüsse, sondern ganze Salven. Unverkennbar Maschinengewehrfeuer.“ (WS 216).

Die Zeitzeugin und Autorin zwischen den Bahnhöfen Unter den Linden und Friedrichstraße:

  • W. Weise:

„Das Knirschen des Schotters klang fremd, nicht mehr so laut, und plötzlich sah alles verändert aus. Um mich herum glitzerte es, der Schein der Fackeln spiegelte sich auf einem seltsam ölig aussehenden Boden. Im nächsten Moment bemerkte ich, dass meine Füße nass waren. […] ‚Das Wasser kommt!‘ schrie jemand. (WS 207 ff.)[…] Keiner schien darüber verwundert zu sein, aber alle liefen auf einmal schneller. […] Mit der Zeit ließ meine Angst nach, da das Wasser nur langsam an unseren Beinen emporkroch. Um nicht ständig in dem Nass gehen zu müssen, balancierten wir anfangs auf dem Stromabnehmer entlang, aber das erwies auf Dauer als zu mühselig.“ Das Schlurfen jedoch „war so anstrengend, dass ich in der Folge Wadenkrämpfe bekam, da sich das Wasser mehr und mehr in einen dickflüssigen Kleister verwandelte.“ Waden, Knie werden frei gehalten und „je weiter wir gingen, desto mehr Gepäckstücke sah ich neben den Schienen oder an den Schachtwänden stehen. Auf der Oberfläche des Wassers schwammen bald alle möglichen Gegenstände und Unrat, man konnte ihnen aber ganz gut ausweichen. Auch einige Ratten paddelten im Wasser herum. […] Unaufhaltsam stieg das Wasser höher. Richtig furchtbar war das, was verborgen unter der Wasseroberfläche lag, was man in der dunklen Brühe nicht sehen konnte.“ (WS 211 f.) Ein totes Kleinkind muss die 14jährige Zeugin wieder ins Wasser zurücklegen.[Anm 9]

  • Zeuge Herr M., (KM 52), Jahrgang 1916: „Am 1. Mai sei er zusammen mit anderen vom Bunker durch den S-Bahn-Schacht zum Stettiner Bahnhof gelaufen. […] M. erzählte, daß er nach einiger Zeit auf dem Boden Wasser glitzern gesehen habe. Die Menschen im Tunnel hätten versucht, auf den Stromschienen zu laufen, jedoch sei das Wasser sehr schnell gestiegen. Frauen, Kinder und Alte, die hinter ihm liefen, hätten zu schreien angefangen und M. habe sich die Ohren zuhalten müssen – so entsetzlich sei das gewesen. Das Wasser sei so schnell gewesen, daß es sicher viele, die noch hinter ihm gelaufen sind, erwischt habe.“

Erinnert durch die Helligkeit eines Lichtschachtes an die Tageszeit – bald vor Erreichen des Bahnhofs Friedrichstraße – zeigte der Zeugin „ein Blick auf die Uhr meines Bruders […], dass es erst kurz nach drei war.[Anm 10] Seit Beginn unserer Wanderung schien für mich eine Ewigkeit vergangen zu sein. Dabei waren es nicht einmal zwölf Stunden. […] Das Wasser kam hinter uns her und holte uns mehr und mehr ein. Stellenweise reichte es mir schon bis über das Knie.“ (WS 216). Bald darauf erreichten der Zug den Bahnhof Friedrichstraße.

[Datei:Berlin - Bahnhof Friedrichstraße - Tunnelbahnhof der S-Bahn - Linien S1,S2,S25 (6886110626).jpg|mini|Der S-Bahnsteig heute]]

S-Bahnhof Friedrichstraße

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  • Der Zeuge Herr Hi., damals Soldat, versuchte in der Nacht vom 1. Mai auf den 2. Mai „nachhause ab(zu)hauen“. Da er nicht durch die Max-Reinhardt-Straße durchkam, ist „er zurück zur S-Bahn gegangen, um von dort unterirdisch gen Norden zu gelangen. [Bahnhof Friedrichstraße]. „Am frühen Morgen des 2. Mai, so zwischen 4-5 Uhr seien ihm auf dem Weg Leute entgegengekommen und hätten behauptet, daß überall Wasser im Tunnel wäre und es keinen Zweck habe, dahin zu gehen. Er habe die Spree dann mithilfe einer kleinen Fußgängerbrücke überquert.“ (KM 50 f.).

Der Treck wurde im Bahnhof Friedrichstraße aus dem S-Bahnschacht (über den „Rennsteig“) in den U-Bahnschacht umgeleitet. Der Grund war dafür, dass ein Stück weiter nach Norden im S-Bahntunnel, direkt unter der Spree, ein Wassereinbruch erfolgt war, der den Weg versperrte.

Wassereinbruch in der Spreeunterfahrung

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[Datei:Bundesarchiv Bild 183-R97751, Berlin, gesprengter S-Bahn-Tunnel.jpg|mini|Schäden an der Spreeunterfahrung, 1946]] [Datei:Fotothek df pk 0000128 004.jpg|mini|Reste der Ebertsbrücke über die Spree 1945]] Die Beschädigung der Spreeunterfahrung des Nord-Süd-Tunnels unter der [Ebertbrücke]] nahe beim Bahnhof Friedrichstraße hat unter Zeitzeugen und in der Literatur für Irritationen und gelegentlich sogar für Verwechslung gesorgt. Der dortige Wassereinbruch füllte die in einer bogenartigen Vertiefung gelegene Unterfahrung dieses Tunnelstücks bereits vor Ankunft des Trecks und war der Grund für dessen Umleitung in den U-Bahnschacht.

  • Erlebnisbericht einer Frau“, die sich in der S-Bahnstation Oranienburger Straße aufgehalten hatte:

„Ich hatte mich in den letzten Apriltagen in den S-Bahn-Tunnel Oranienburger Straße geflüchtet und mir war aufgefallen, daß man dort bei Feuerpausen des Artilleriebeschusses deutlich von der Spree her unter der Erde feine knirschende Geräusche hörte. Als mein Mann, der Ingenieur im Spandauer Werk war, mich im Tunnel besuchte, teilte ich ihm meine Wahrnehmung mit. Ich befürchtete, daß man die Tunnelunterführung unter der Spree zur Sprengung vorbereitete. Mein Mann ging der Sache nach und entdeckte unter der Ebertbrücke (wo der S-Bahn-Tunnel unter der Spree durchführt), daß dort Soldaten die Brückenpfeiler anbohrten. Er warnte als Fachmann sofort den leitenden Offizier, daß hier durch die Bohrungsarbeiten und eine eventuelle Sprengung die S-Bahn-Tunneldecke unter der Spree beschädigt und Tausende von Menschen gefährdet werden könnten. Daraufhin wurde mein Mann sofort von zwei SS-Führern verhaftet und sollte erschossen werden. Durch einen nahe dabei einschlagenden Granattreffer konnte er aber in der allgemeinen Verwirrung entkommen. […] Die Ebertbrücke wurde dann bald darauf tatsächlich gesprengt.“

Zeitzeugin in Folge 4 in: Heim und Welt, 16. März 1952).

[Datei:1895 Ebertbrücke Rückwardt.jpg|mini|links|Ehemalige Ebertbrücke (1895)]]

  • In einem eigenständigen, redaktionell abgesetzten Kasten in Heim & Welt (Folge 5 vom 16. März 1952) wird erläutert: „Teile der Ebertbrücke schlugen bei der durch die zurückweichenden deutschen Truppen am 1. Mai erfolgten Sprengung auf die Decke des S-Bahn-Tunnels, der an dieser Stelle die Spree unterquert und ließen das Spreewasser mit starkem Strahl in den Tunnel schießen. Die völlige Überflutung der Tunnelstrecke am 2. Mai ließ diesen Wassereinbruch nicht mehr wesentlich bemerkbar werden. Erst bei der späteren Auspumpung trat er wieder […] hervor und bereitete große Schwierigkeiten.[Anm 11]

Auf die Flut aus Richtung des Landwehrkanals könnte die Wassermasse in der Spreeunterfahrung für eine unbekannte Zeit als Hindernis gewirkt haben bzw. sie hat Druckverhältnisse beeinflusst, etwa ein Überfließen nach oben in den U-Bahnschacht begünstigt.

[Datei:Berlin - Bahnhof Friedrichstraße - Verbindungstunnel zwischen S-Bahn und U-Bahn (6885984376).jpg|mini|Verbindungsgang heute (ehemals: „Rennsteig“)]]

Bahnhof Friedrichstraße / U-Bahn

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  • W. Weise:

Nach einer Pause im Bahnhof „setzten wir uns an den Bahnsteigrand, um zurück in die Brühe zu springen.“ Sie wurden jedoch von einem Soldaten zurückgehalten – die Teilnehmer des Trecks wurden in die U-Bahn gewiesen, „‚die liegt höher, da ist es noch trocken.‘ […] Die Tatsache, dass es hier noch Soldaten gab, machte uns klar, dass der Krieg noch nicht zu Ende war.“ (WS 217). „Man zeigte uns eine Treppe, die wir hinaufgingen, anschließend mußten wir einen langen Tunnel durchqueren.[Anm 12] Die U-Bahnstrecke war tatsächlich weitgehend trocken, nur hin und wieder mußten wir durch eine Pfütze waten. Einmal stürzte aus einem zerborstenen Deckenrohr eine Kaskade Wasser auf uns herab.“ (WS 219 f.).

[Datei:U-Bahn Berlin Überflutete Strecken 1945.gif|mini|Kartierung der überfluteten Strecken 1945]] Die Flutung des Nord-Süd-Tunnels setzte sich in der Nacht des 1. Mai auf den 2. Mai 1945 in das U-Bahn-System fort.

Oranienburger Straße
Der S-Bahnhof liegt nach dem Bahnhof Friedrichstraße in der Fortsetzung der Spreeunterfahrung in Richtung Stettiner S-Bahnhof, doch wurde er infolge des Wechsel des Trecks im Bahnhof Friedrichstraße in den U-Bahntunnel nicht benutzt. Der Wassereinbruch durch die Sprengung der Ebertbrücke in den Bereich der Unterfahrung der Spree ließ die Fortsetzung auf diesem Wege nicht zu.

Stettiner Bahnhof

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Der [Berlin Nordbahnhof#Der Fernbahnhof|Stettiner Eisenbahnhof]] war bis 1952 ein Fernbahnhof und als solcher auch das Ziel des Trecks, da er – ähnlich dem Anhalter Bahnhof – als Massivbau einen gewissen Schutz versprach. Noch über das Kriegsende hinaus befanden sich im Umfeld eine U-Bahn- sowie eine S-Bahnstation ‚Stettiner Bahnhof‘ [heute U-Naturkundemuseum und S-Nordbahnhof].

Stettiner U-Bahnhof

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[Datei:U-Bahnhof Zinnowitzer Straße.jpg|mini|Ehemals U-Stettiner Bahnhof, 1951: U-Nordbahnhof, 1991: U-Zinnowitzer Straße, seit 2009: U-Bahnhof Naturkundemuseum]]

  • W. Weise:

„Nicht mehr viele aus dem Bunkertreck. […] Ein paar hundert Menschen erreichten jedoch mit uns den Stettiner Bahnhof. Fast alle blieben auf dem Bahnsteig der grauen und sehr schmutzig wirkenden U-Bahn-Station.“ [heute [U-Bahnhof Naturkundemuseum]]] (WS 231). Die Gruppe mit der Autorin– „vielleicht zwanzig Personen“ – versucht zum Postbunker zu gelangen, der der Autorin bekannt war: Draußen und auf dem Weg dorthin erleben sie „das reinste Inferno. […] aus allen Richtungen Beschuss – Granatwerfer, Panzerfeuer, MG-Garben – wir sprangen wie die Hasen auseinander – vier oder fünf Panzer ratterten mit ohrenbetäubendem Lärm an uns vorbei.“ (WS 222 f.). Dennoch erreichten sie den Postbunker, wurden jedoch abgewiesen und gingen den Weg zurück zur [Berlin Nordbahnhof#Der unterirdische S-Bahnhof|S-Bahnstation Stettiner Bahnhof]], die mehr Sicherheit als die gleichnamige U-Bahnstation versprach.

  • Zeuge Herr M.:

Die Autorin K. Meyer protokollierte einen Zeugen: „M. beschreibt seinen Marsch durch den Tunnel so, daß man annehmen muß, daß er Friedrichstraße in den U-Bahn-Tunnel ‚umgestiegen‘ ist. […] Am Stettiner U-Bahnhof sei er hochgekommen, die Russen hätten dort auf alles geschossen, was sich bewegt hätte. Er sei unter Beschuß bis zum S-Bahnhof Stettiner Bhf gekommen und habe dort auf dem Bahnsteig noch eine Nacht verbracht. Dort sei kein Wasser gewesen. Am Morgen hätten die Russen gebrüllt, daß der Krieg aus sei und allmählich hätten sich die Leute nach oben getraut.“[Anm 13]

Stettiner S-Bahnhof

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[Datei:S-Bhf Nordbahnhof Tunnelmund 2014.png|mini|Stillgelegte Zu/Ausfahrt nach dem S-Bhf Nordbahnhof 2014]]

  • W. Weise:

„Bahnsteig und Geleise waren [..] trocken. […] Auf beiden Seiten des Bahnsteigs standen S-Bahn-Züge, die als Lazarett dienten.“ (WS 226). „Nachzügler aus dem Bunkertreck trafen ein. […] Einige berichteten, […] sie hätten stellenweise schwimmen müssen.“ Das anfängliche Gefühl einer Rettung ging über in den „zeitlosen Zustand des Dahindämmerns“ bis „die Bolschewiken“ kamen. (WS 230). Ein „Rotfront“-Rufer wird erschossen, ein russischer Offizier erklärt, dass nichts geschehe, wenn man still verhielte, „Mongolen“ plünderten die Überlebenden aus. Die Plünderer werden von Regulären zusammengerufen, danach werden die Lazarett-Züge geräumt. (WS 231 ff.) „Beim letzten Blick auf die Armbanduhr […] war es neun Uhr abends gewesen. Das war nun schon eine ganze Weile her. Und in dieser Nacht spielten sich die grausamsten Dinge auf dem Bahnsteig ab.“ (WS 236).

  • Zeugin Frau S. befand sich „vom 22.4.-2.5. im Stettiner Bahnhof. […] Es gab aber keine Kämpfe im Bahnhof. […] Waggons, die im Tunnel standen, wurden zu Lazaretten zurechtgemacht. […] Am 2. Mai kamen Leute und sagten, daß Hitler tot sei. Aber die Männer trauten sich nicht, hinaufzusteigen.“ Später mußte sie zusammen mit ihrer Schwester [.. einen] verletzten Leutnant alleine auf einer Bahre hochtragen und später ins Krankenhaus bringen. Sie sind dann nochmal in den Tunnel zurückgekehrt, es war aber noch kein Wasser drin. […] Sie ist überzeugt, daß es langsam gekommen ist und [hier] niemand ertrinken mußte, der sich noch bewegen konnte.“[Anm 14]

Datierung: Der Tag nach dem Treck

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Es handelt sich hier um Berichte, die die Situation am Morgen des 2. Mai 1945 beschreiben. Die deutsche Seite hatte bald nach Mitternacht ihre Kapitulationsbereitschaft erklärt, in Reaktion darauf stellte die russische Seite das Feuer (insbesondere den Artilleriebeschuss) ein:

[Datei:Fotothek df pk 0000145 023.jpg|mini|Die [Potsdamer Brücke]] (im Hintergrund, hier repariert) war noch begehbar. Vorn die zerstörte Notkabelbrücke, Zustand Oktober 1945]]

„Am 2. Mai, kurz vor 1 Uhr morgens, fing die 79. russische Gardeschützendivision einen Funkspruch auf. Er lautete: ‚Hier [LVI. Panzerkorps (Wehrmacht)“

LVI. Panzerkorps]]. Wir bitten, das Feuer einzustellen. Um 12 Uhr 50 Berliner Zeit entsenden wir Parlamentäre auf Potsdamer Brücke.‘ […] Die Russen antworteten: Verstanden. Verstanden. Übermitteln ihre Bitte an Chef des Stabes. Als General Tschuikow die Botschaft erhielt, ordnete er sofort die Einstellung des Feuers an.: Cornelius Ryan: Der letzte Kampf. 2015 (Neuauflage), S. 409.
  • [Wassili Iwanowitsch Tschuikow|General Tschuikow]] schrieb in seinen Erinnerungen: „Wir gingen auf die Straße hinaus. Ringsum herrschte ungewöhnliche Stille“.[Anm 15]

Weitere Darstellungen der militärischen Lage am 2. Mai 1945:

  • „Obersturmführer Neilands […] hat sich nach Scheitern der ersten Waffenstillstandsverhandlungen mit den Resten seines [15. Waffen-Grenadier-Division der SS (lettische Nr. 1)|15. lettischen Füsilier-Bataillons]] im Luftfahrtministerium verschanzt. […] Am 2. Mai, morgens, ist es totenstill. Kein Russe und kein deutscher Soldat sind zu sehen.”
  • „So ähnlich geht es den Franzosen. Am 1. Mai tobte der Kampf in ihrem Abschnitt mit unverminderter Härte. […] Am 2. Mai stehen die Reste der [33. Waffen-Grenadier-Division der SS „Charlemagne“|Kampfgruppe ‚Charlemagne’]] in der Nähe des Luftfahrtministeriums, als deutsche und russische Soldaten mit weißen Fahnen auftauchen. Das ist das Ende.”[15]
  • [Rochus Misch]]: „2. Mai [...] vor Morgengrauen, ganz still, nichts gehört, kein Schuß, garnichts.“.
  • Soldatenbericht: „Am 2. Mai vollkommene Ruhe.[16]

Entsprechend wird das Szenario von zivilen Zeitzeugen beschrieben. (Die entsprechenden Darstellungen sind ebenfalls fett hervorgehoben):

  • W. Weise:

„Äußerst vorsichtig schlichen wir die Treppen hinauf und standen auf der Straße. Nichts war zu hören, die Stille tat richtig weh. [...] Der Himmel war zwar nicht blau, aber was da oben aus dem Grau herausblendete, war zweifellos die Sonne. Ein richtig heller und greller Ball. Unfassbar.“ (WS, 239).

[Datei:Nordbahnhof B-Mitte 12-2017 img2.jpg|mini|Bahnsteige in der ehemaligen S-Bahn-Station Stettiner Bahnhof]]

  • Zeugin Frau Re.: „In der Invalidenstraße bei der ‚Maikäferkaserne‘ habe sie den Tunnel verlassen. [Ab Bahnhof Friedrichstraße handelte es sich um den U-Bahnschacht, in den der Treck umgeleitet wurde] Dann sei sie zum Stettiner Bahnhof gegangen, wo ganz viele Menschen lagerten. Dort schlief sie noch eine Nacht. Am kommenden Morgen wurden sie von Soldaten aufgefordert herauszukommen, der Krieg sei vorbei.“ (KM, 53).
  • Zur Situation in Kreuzberg um den Anhalter Bahnhof am 2. Mai auch eine ausführliche Darstellung, die im Umfeld keine Kämpfe mehr feststellte: „Tiefbunker vor dem Europahaus am Anhalter Bahnhof. […] Der Anhalter Bahnhof ist ausgebrannt, vorgestern [am 30. April] loderte er wie eine riesige Fackel, wir schauten kurz heraus und sahen dem grausigen Schauspiel zu, die Ohren gespitzt, wir kannten das Geräusch nahender Tiefflieger, die mit ihren MGs schossen. […] Da wurde es am 2. Mai plötzlich lebendig. Man hörte fremde Laute, die man nicht kannte. Waren die Russen schon da? [...] Alles fertigmachen, hieß es plötzlich. […] Vorne setzten sich die ersten in Bewegung, gingen zur Treppe, gingen nach oben. Es war alles ruhig, nur noch weit entfernt hörten wir Schüsse. […] Es ging die damalige Saarlandstraße hinunter [heute: Stresemannstraße], wir bogen in die Anhalter Straße ein bis zum Hotel Excelsior […] Dem Vernehmen nach zum Tempelhofer Feld.” (Auf dem heutigen Mehringdamm können der Zeuge und seine Frau den Bewachern des Zuges in die Kreuzbergstraße entkommen).[17]

Die vielfältigen, doch übereinstimmenden Beschreibungen der Stille in der Stadt – das Ausbleiben von Kämpfen – ab dem Morgen des 2. Mai 1945 ergänzen die Angaben der Zeitzeugen und Treckteilnehmer, denn diese erlebten noch bis zur Ankunft am Vorabend am Stettiner Bahnhof heftige militärische Auseinandersetzungen. Der Treck fand am 1. Mai 1945 statt.

[Datei:B-NST Sprengstelle LWK 1945.jpg|mini|Die Unterfahrung des Kanals durch den Tunnel befindet sich im Bereich der Boje]] Die in Datum, Verursachung und Folgen als umstritten geltende Beurteilung der Sprengung im Landwehrkanal und der Flutung des Nord-Süd-Tunnels der S-Bahn in Literatur und Zeitungsberichten, besaß bis zur Veröffentlichung des Buches Im Bunker von Waltraut Süßmilch 2004 kaum Ansatzpunkte, um die Katastrophe im Zusammenhang mit militärischen Ereignissen und Ereignissen im Endkampf aufzuklären, von denen vorwiegend die Zivilbevölkerung betroffen war: Die Evakuierung des Anhalter Hochbunkers und der Treck durch den Nord-Süd-Tunnel sind ungeachtet verschwundener Akten (Siehe Karen Meyer, 1992, Vorwort, S. 7: „Akten verschwunden oder nicht wieder auffindbar“) als tatsächliche Ereignisse festzustellen. Die seit der Veröffentlichung von Im Bunker möglichen Ermittlungen zu den Geschehnissen am 1. Mai und am 2. Mai 1945 bieten zahlreiche neue Hinweise für eine Feststellung der tatsächlichen Umstände von Sprengung und Flutung.

Es gab auch Gegenstimmen, die kraft Amtes Autorität beanspruchen konnten, doch es besser gewusst haben mussten, wie die des ehemaligen Senatsdirektor Fritz Kraft – damals für S- und U-Bahnen zuständig, der im Gespräch mit [Erich Kuby]] zu Protokoll gab, dass es keine Opfer gegeben habe, da das Wasser sich schnell verteilte und allenfalls knietief gestanden habe. Und: „Nur an der Einbruchstelle kam das Wasser schwallartig, dann verteilte es sich sogleich. Kein Mensch ertrank.“[18]

  1. Die Anzahl „10.000 Menschen statt 3000“ – für die der Bunker eingerichtet war, wurde von einer im Bunkerlazarett arbeitenden „Rote-Kreuz-Schwester“ genannt. (Waltraut Süßmilch: Im Bunker. Ullstein Verlag, Berlin 2004, S. 124).
  2. Die Sprengstelle im Landwehrkanal, die die Flutung auslöste, befindet sich heute gegenüber dem [Deutsches Technikmuseum|Museum für Verkehr und Technik]] in Nähe der Hochbahnüberführung der [U-Bahn-Linie 1|U-Bahnlinie 1]].
  3. Waltraut Süßmilch: Im Bunker. Ullstein Verlag, Berlin 2004: Die Autorin befand sich als 14jährige ab Ende April im Anhalter Hochbunker, wurde mit Mutter und Bruder evakuiert und erlebte den Treck durch den Tunnel. Sie führte ein Tagebuch und konnte ihre Beobachtungen dadurch, dass ihr Bruder noch eine Uhr besaß, mit Zeitangaben versehen. Die Autorin war ihren Angaben zufolge mental erst als Mitte 60jährige in der Lage, ihre damaligen Aufzeichnungen zu verarbeiten. (Siehe Nachwort im Buch).
  4. Etwa Karen Meyer in: Die Flutung des Berliner S-Bahn-Tunnels. Berlin-Kreuzberg 1992, die ungeachtet von Hinweisen den Vorgang des Trecks nicht erkennt und Zeitzeugen nach ihren persönlichen Vorstellungen bewertet: „Kleinere Wassermengen sind […] mit der Sprengung der Tunneldecke unter dem Landwehrkanal in einen Zusammenhang gebracht worden, und die Menschen glaubten so, dabei gewesen zu sein.“ [Bei der Flutung]. Angaben dieser Menschen bezieht sie dann in ihre Schlussfolgerungen nicht ein. (KM 43 f.)
  5. Vermutlich handelte es sich um die Stilllegung im Tunnel, nach anderen Angaben: "Am 26. April (1945) wird der gesamte Berliner S-Bahnverkehr eingestellt." (Kliem/Noack: Berlin Anhalter Bahnhof. Verlag Ullstein, Berlin 1984, S. 56.).
  6. Der Bericht des Reichsbahners in Heim und Welt lässt den 23. bis 28. April aus und setzt erst mit dem 29. April 1945 wieder ein. Sonntagszeitung Heim und Welt. Die Wochenzeitung für alle. Artikelserie in sechs Folgen, auf Mikrofilm im Landesarchiv Berlin, 1139 (Mikro)Film Nr. 1 (kein Impressum der Zeitung vorhanden). Zitat hier aus Folge 2 vom 2. März 1952).
  7. Da die Räumlichkeiten heute noch unverändert erhalten sind, kann die Anschauung einen Eindruck von der dort möglichen Menschenmenge geben.
  8. Die Darstellung der Autorin Waltraut Süßmilch in ihrem Buch Im Bunker wird im Artikel als Richtlinie des chronologischen Ablaufs des Trecks verwendet – so wie auch im Artikel zum Anhalter Hochbunker und seiner Evakuierung, in dem sich ihre Angaben als zuverlässig erwiesen. Es war durch eine Querverifizierung der dort beschriebenen Umstände möglich, die Tagesdaten zu ermitteln, die der Zeitzeugin damals nicht mehr bekannt waren, die aber die Tagesabläufe in Kenntnis von Uhrzeiten ordnen konnte. In der Dokumentation ihrer Darstellungen wird sie mit ihrem damaligen Mädchennamen Waltraut Weise genannt. In den einzelnen Abschnitten der Chronik des Trecks wird sie jeweils zuerst aufgeführt, danach folgen Zeitzeugenaussagen, die ihre Angaben unmittelbar ergänzen bzw. verifizieren. Da das Buch aufgrund seiner Leitlinienfunktion vielfach zitiert wird, werden die Zitate auch der besseren Lesbarkeit wegen, nur mit dem Kürzel („WS“ für Waltraut Süßmilch) und den Seitenzahlen bezeichnet. Ähnlich „KM“ für Karen Meyer: Die Flutung. Nach der jeweiligen Erstnennung „W. Weise“ folgen Einträge, die Frau Süßmilchs Darstellung bestätigen, Widersprüche festhalten oder die Angaben ergänzen. Der Bericht des Reichsbahners im Tunnel (der ebenfalls querverifiziert wurde) beschreibt (zeitgleiche) Umstände, die für die Autorin Süßmilch nicht wahrnehmbar waren. Dazu werden auch zahlreiche AugenzeugInnen mit Teil- und Randbeobachtungen angeführt sowie (frühe) Presseberichte. Von Bedeutung ist auch die ‚Lage im Bahnhof Friedrichstraße‘, da der Treck dort in den U-Bahn-Tunnel umgeleitet wurde, weil ein Wassereinbruch unter der Spree den Nord-Süd-Tunnel in der Unterfahrung des Flusses bereits angefüllt hatte (Ebertbrücke).
  9. Eigenen Angaben zufolge befand sich die Zeugin relativ weit am Anfang des Zuges, da sie im Anhalter Hochbunker auf den Treppen sitzend, schon früh mit Mutter und Bruder losgegangen war.
  10. Diese Angabe ist bedeutsam, da sie als Abgleich für die Fließgeschwindigkeit der eingedrungenen Flut gelten kann. Geht man von der Korrektheit von Angaben zur Uhrzeit der Sprengung aus (7.55 Uhr bzw. 7.45 Uhr), so hatte das Wasser spätestens ab 15 Uhr den Bahnhof Friedrichstraße erreicht.
  11. Die Datumsangaben sind korrekt, denn erst im Laufe des 2. Mai wurden die S-Bahnhöfe und der Nord-Süd-Tunnel vom Landwehrkanal aus vollständig angefüllt, so dass der Wasserzufluss aus der Spree hier gleichsam stillstand.
  12. Bei diesem Übergang handelte es sich um den früher so genannten ”Rennsteig“, der damals der einzige Übergang zwischen S-Bahn und U-Bahn war: Das Wasser „floß bis zum Bahnhof Friedrichstraße und gelangte von hier über den sogenannten ‚Rennsteig‘ in die U-Bahn, die auch voll Wasser lief und viele Todesopfer forderte.“ (Berliner Zeitung: Von der U-Bahn., 18. Juni 1945).
  13. Die Beschreibung bestätigt den ‚grossen Bogen‘ der Darstellung von W. Süßmilch. (KM 52).
  14. Zu Frau S.: (KM 53 f.): Die Aufforderung, nach oben zu kommen, der die Männer zuerst nicht folgen wollten, bestätigte die Zeugin Süßmilch ebenfalls für den Morgen nach dem Treck.
  15. Gostony, S. 388, Zitat aus der Times vom 3. Mai 1945. Gostonys Textzeile „An diesem Tage notiert General Tschuikow”: (siehe Zitat) bezieht sich selbstverständlich nicht auf das Datum „3. Mai” (dem Erscheinungsdatum der Times), sondern wie auch in der Times auf die Beschreibung von Vorgängen am Vortag, somit auf den 2. Mai 1945.
  • Michael Braun: Die Berliner Nord-Süd-Bahn. Verlag Kenning, Nordhorn 1997.
  • [Peter Gosztony]] (Hrsg.): Der Kampf um Berlin in Augenzeugenberichten. dtv, 1985. SBN 3-423-02718-5.
  • Peter Kruse (Hrsg.): Bomben, Trümmer, Lucky Strikes. Die Stunde Null in bisher unbekannten Manuscripten. wjs verlag, Wolf Jobst Siedler, Berlin 2004, Bericht: Hans Mellin: Im Bunker. SBN 3-937989-00-5.
  • Karen Meyer: Die Flutung des Berliner S-Bahn-Tunnels in den letzten Kriegstagen. Rekonstruktion und Legenden. Hrsg.: Kunstamt Kreuzberg, Kreuzberg-Museum für Stadtentwicklung und Sozialgeschichte (im Aufbau) im Auftrag der Kreuzberger Bezirksverordnetenversammlung. Berlin-Kreuzberg 1992. Zeugen-Protokolle vollständig in der Akte Gedenktafeln in Kreuzberg, Sozialraum II, Kbg SW, Friedrichshain-Kreuzberg-Museum (FHXB).
  • [Bengt von zur Mühlen]]: Der Todeskampf der Reichshauptstadt. Chronos, Berlin-Kleinmachnow 1994.
  • [Cornelius Ryan]]: Der letzte Kampf. Neuauflage mit aktuellem Vorwort von Johannes Hürter. Konrad-Theiss-Verlag (imprint der WBG, Wissenschaftlichen Buchgesellschaft), Stuttgart 2015. SBN 978-3-8062-3026-0.
  • Waltraut Süßmilch: Im Bunker. Ullstein Verlag, Berlin 2004, SBN 3-548-25870-0.

Einzelnachweise

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  1. Zitate: W. Süßmilch: Im Bunker., S. 188, 194 und 211.
  2. Cornelius Ryan: Der letzte Kampf. Neuauflage mit aktuellem Vorwort von Johannes Hürter. [Konrad-Theiss-Verlag]] (imprint der WBG, Wissenschaftlichen Buchgesellschaft), Stuttgart 2015, S. XII.
  3. Michael Wildt, Christoph Kreutzmüller (Hrsg.): Berlin 1933–1945. München 2013.
  4. [Johannes Hürter]] in: C. Ryan: Der letzte Kampf. Vorwort, S. XII, zu: [Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg]]. Hrsg. v. Militärgeschichtlichen Forschungsamt, Band 10/1, [Rolf-Dieter Müller]] (Beitrag Richard Lakowski), Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-421-04338-2.
  5. Gerhard Boldt: Die letzten Tage der Reichskanzlei, Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 1964, S. 123 f.
  6. Freie Gewerkschaft: Der 1. Mai 1945. (Teilnehmer Toni Drunsel), 1. Mai 1946. (Landesbibliothek Berlin).
  7. [Neues Deutschland]], Zentralorgan der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED), Berlin, 9. Mai 1946.
  8. Drei Zitate in: Karen Meyer: Die Flutung des Berliner S-Bahn-Tunnels. Hrsg.: Kunstamt Kreuzberg, GVE, Berlin 1992, Seite 40 f.
  9. Zeugin in Folge 5 in ‚Heim & Welt‘, 23. März 1952
  10. Zahlenangabe in: Folge 2 in ‚Heim und Welt‘, 2. März 1952.
  11. Karen Meyer: Die Flutung des Berliner S-Bahn-Tunnels. Hrsg.: Kunstamt Kreuzberg, GVE, Berlin 1992, S. 51 f. Protokoll auch in der Akte Gedenktafeln in Kreuzberg, Sozialraum II, Kbg SW.
  12. Bengt von zur Mühlen: Der Todeskampf der Reichshauptstadt, Chronos, Berlin-Kleinmachnow 1994, S. 188.
  13. Hans Mellin: Im Bunker. Bericht in Peter Kruse (Hrsg.): Bomben, Trümmer, Lucky Strikes. 2004, S. 28. Mellin berichtet, dass der Abtransport der Nichtgehfähigen nicht mehr möglich war. Unklar bleibt, ob der Autor Mellin den Zug selbst mitgemacht hat oder sich anderweitig entfernen konnte oder im Bunker bis zum Eintreffen russischer Soldaten blieb.
  14. Irmhild Zinow in Mein Kriegsende, Berliner Illustrierte Zeitung – Wochenendmagazin der Berliner Morgenpost, 3. Mai 2015.
  15. Letzte zwei Zitate aus: Wilhelm Tieke: Tragödie um die Treue. Kampf und Untergang des III. (germ.) SS-Panzerkorps, Osnabrück 1968. Zitiert in : Gostony, 1985, S. 383 f.
  16. Bengt von zur Mühlen: Der Todeskampf der Reichshauptstadt, Chronos, Berlin-Kleinmachnow 1994, S. 371 & 395.
  17. Schriftlicher Erinnerungsbericht von Walter Gensch aus dem Jahre 1977, (Landesarchiv Berlin, Rep. 240, Acc., 2561, Nr. 3). Zitiert nach Bengt von zur Mühlen: Der Todeskampf der Reichshauptstadt, Chronos Verlag, Berlin-Kleinmachnow 1994, S. 378 f.
  18. Erich Kuby: Die Russen in Berlin 1945. Scherz Verlag, München Bern Wien 1965, S. 165. Ebenso: Erich Kuby: Die Russen in Berlin 1945. In: Der Spiegel, 22/1965.


Kategorie:Endphase des Zweiten Weltkriegs Kategorie:Berliner Geschichte (20. Jahrhundert) Kategorie:Kriegsverbrechen im Zweiten Weltkrieg

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DOPPEL ?

Der Treck durch den Nord-Süd-Tunnel der S-Bahn in Berlin war ein Ereignis während des [Schlacht um Berlin|Kampfs um Berlin]] im [Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]]. Der Treck war eine unmittelbare Folge der Evakuierung des [Anhalter Hochbunker Berlin|Anhalter Hochbunkers]] am 1. Mai 1945, mit dem die dort befindlichen 10.000-12.000 Schutzsuchenden durch den Tunnel von der S-Bahnstation Anhalter Bahnhof über den S-Bahnhof Friedrichstraße zum Stettiner Bahnhof (heute S-Bahnstation Nordbahnhof) geleitet wurden. Da die Stationen von den hier Schutzsuchenden überfüllt waren, kam der Treck nur langsam voran und wurde noch vor dem Bahnhof Friedrichstraße von dem Wassereinbruch nach der Sprengung der Tunneldecke unter dem Landwehrkanal erfasst.

Der Grund für die Sprengung als Auslöser der Flutung des Tunnels, die Verursacher und die Folgen für die Menschen im Tunnel wurden bis heute wenig thematisiert, die Interpretationen passten sich einer frühen Darstellung von Seiten der Deutschen Reichsbahn an, die auch angezweifelt, doch nie zuverlässig recherchiert wurde. Die Tendenz der Geschichtsschreibung (Literatur und Journalismus) war die Annahme, dass der Vorgang nicht aufgeklärt werden könne. Die Tatsache, dass es mit dem Treck eine planmäßig ausgeführte und den Umständen entsprechend geleitete Unternehmung gab, blieb bis 2006 – der Veröffentlichung des Buches einer Zeitzeugin[1] – unbekannt.

[Datei:Nord-Süd-S-Bahn Berlin.svg|mini|Karte Nord-Süd-S-Bahn Berlin]]

Der [Nord-Süd-Tunnel]] der Berliner [S-Bahn Berlin|S-Bahn]] unterquert den Innenstadtbereich von Süden eingangs mit zwei Linien nach den S-Bahnhöfen [Bahnhof Berlin Yorckstraße|Yorckstraße]] ([Wannseebahn]]) und Großgörschenstraße ([Anhalter Bahn]]) und führt unter dem ehemaligen Anhalter Güterbahnhof (heute: [Park am Gleisdreieck]]) und unter dem [Landwehrkanal]] zu den Stationen [Berlin Anhalter Bahnhof|Anhalter Bahnhof]], [Bahnhof Berlin Potsdamer Platz|Potsdamer Platz]], [Bahnhof Berlin Brandenburger Tor|Unter den Linden]] (heute: Brandenburger Tor) [Bahnhof Berlin Friedrichstraße|Friedrichstraße]] - [Bahnhof Berlin Oranienburger Straße|Oranienburger Straße]] zum [Berlin Nordbahnhof|Stettiner Bahnhof]] (heute: Nordbahnhof). Der Tunnel wurde 1935 gebaut, er ist 5,5 Kilometer lang. Die Sprengstelle im Landwehrkanal, die die Flutung bewirkte, befindet sich heute gegenüber dem [Deutsches Technikmuseum|Museum für Verkehr und Technik]], in Nähe der Hochbahnüberführung der [U-Bahn-Linie 1|U-Bahnlinie 1]]. Da bei Ankunft des Trecks im Bahnhof Friedrichstraße der S-Bahntunnel in der Fortsetzung unter der Spree durch einen dortigen Wassereinbruch in die Vertiefung bereits angefüllt war, wurden die Menschen durch den U-Bahnschacht Richtung [U-Bahnhof Oranienburger Tor|Oranienburger Tor]] und von da zum Stettiner Bahnhof umgeleitet.

Nach dem Großangriff der [Rote Armee|Roten Armee]] ab dem 16. April 1945 und ihrem konzentrischen Vordringen in die Stadt floh die Bevölkerung nach der Stilllegung des Bahnverkehrs ab 21. April vor der ‚Artilleriewalze’ der Sowjettruppen vor allem in die Stationen und Tunnels von S- und U-Bahnen. Nach dem Einschluss Berlins am 25. April 1945 und den folgenden Kämpfen im Innenstadtbereich gerieten die Zivilbevölkerung und Tausende Verwundete in den überfüllten Bunkern und dem Bahnensystem in größte Enge und Bedrängnis.[Anm 1]

Die Räumung des Anhalter Hochbunkers erfolgte nach Stromausfall (Stillstand der Lüftung mit rasch ansteigenden Temperaturen) wegen des Direktbeschusses unterirdisch. Nach dem organisiert erfolgenden Aufbruch frühmorgens am 1. Mai 1945 wurden die Evakuierten aus den unterirdischen Ausgängen des Bunkers direkt in die S-Bahn-Station Anhalter Bahnhof geleitet und von dort aus weiter durch den Bahnschacht über die S-Bahnhöfe Potsdamer Platz, Unter den Linden (heute: Brandenburger Tor) zum Bahnhof Friedrichstraße. Dort erfolgte wegen eines Wassereinbruchs unter der Spree der Wechsel in die damalige U-Bahnlinie C (heute U 6) bis in den Bereich Stettiner Bahnhof (heute S-Bahnstation Nordbahnhof und U-Bahnhof Naturkundemuseum). Der Treck hatte sich hier jedoch schon weitgehend aufgelöst, Quellen zufolge kamen dort allenfalls noch 1.000 bis 2.000 Menschen an. Bis hier reichte zwar das Wasser nicht, doch die Erwartung, noch in einen Bereich ‚in deutscher Hand‘ zu kommen, wurde grausam enttäuscht.

Lage der Zivilbevölkerung

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Die Lebensbedingungen der Bevölkerung im Großraum Berlin und vor allem im Stadtgebiet wurden seit Beginn der Bombardierung durch die westalliierte Luftwaffe (Royal Airforce und US-Airforce) ab 1942 neben den Einschränkungen in Versorgung und Bewegung zunehmend von unmittelbarer Lebensgefahr geprägt. Nachdem die Innenstadtbereiche im Frühjahr 1945 bereits von Trümmerfeldern durchzogen waren, geriet die Zivilbevölkerung nach der sowjetischen Großoffensive ab 16. April 1945 rasch zunehmend in das Kampfgeschehen. Entsetzen verbreitete zuerst die Fernartillerie wie am Hermannplatz in Neukölln dokumentiert. Nach dem Einschluss der Stadt am 25. April trieb das permanente Artilleriefeuer, das im Nahbereich zur Verschüttung auch der Keller führte (die in der Bombardierung noch eine relative Sicherheit boten), die Menschen immer mehr in die zentralen Stadtteile. Zu einem Fokus der Fluchtbewegungen wurde der Monumentalbau des Anhalter Bahnhofs und nach der Einstellung des S-Bahnverkehrs vor allem der tief gelegene Nord-Süd-Tunnel und seine Bahnhöfe. Da sich jedoch auch die Kämpfe ab dem 29. April auf die Innenstadt konzentrierten, entwickelte sich die Lage der dort zusammengepferchten Bevölkerung (deren Zahl auf einige Hunderttausende geschätzt wird) zu einem Inferno.

Der Stabsoffizier [Gerhard Boldt (Offizier)|Gerhard Boldt]] kam ab Anfang Februar 1945 als Adjuntant [Heinz Guderian|General Guderians]] mit zur ‚Führerlage‘ in Berlin und wurde ab dem 22. April 1945 fest zur Vorbereitung der Lagevorträge bei Hitler beordert. 1947 schrieb er seine Erinnerungen über diese Tage:

Eintrag zum 27. April 1945: „Die Meldungen aus der Stadt werden immer erschütternder. Fast acht Tage hausen die Berliner Frauen, Kinder und Greise, Kranke, Verwundete, Soldaten und Flüchtlinge nun schon ohne Unterbrechung in den Kellern und Ruinen der Innenstadt. Eine einigermaßen geregelte Versorgung gibt es nicht mehr. Der Durst ist noch schlimmer als der Hunger, denn seit Tagen gibt es kein Wasser. Dazu die dauernden Brände, Feuersbrünste und der erstickende Qualm, der in die Keller, behelfsmäßigen Unterstände und Gänge dringt. Und über allem eine gnadenlos sengende Aprilsonne. Die Krankenhäuser, Lazarette und bombensicheren Bunker sind schon längst mit Verwundeten überfüllt. In den Schächten und den Bahnhöfen der U-Bahn und der S-Bahn liegen Tausende verwundeter Soldaten und Zivilisten. Wie groß ihre Zahl wirklich war, wird nie jemand erfahren.”[2]

Nach übereinstimmenden Angaben waren insbesondere die S-Bahnstationen Anhalter Bahnhof und Potsdamer Platz (mit zwei Decks) völlig überfüllt.[Anm 2] In abgestellten Bahnwagen sollen allein vor dem Bahnhof Unter den Linden 1.600 Verwundete untergebracht worden sein. Ausser im Schein vereinzelter Karbidlampen in den Wagen befand sich alles Tag und Nacht in völliger Finsternis.

Ein Soldatenbericht vom Potsdamer Platz (25. April) berichtet: „Tausende von Zivilisten im S- und U-Bahnhof.”[3]

So schreibt im Vorwort der 2015 unverändert herausgegebenen Neuauflage des bereits 1966 erschienenen Werkes von Cornelius Ryan: Der letzte Kampf, der Historiker [Johannes Hürter]]: „Nach wie vor aber fehlen befriedigende wissenschaftliche Gesamtdarstellungen des Kriegsendes im Osten, der Besetzung Berlins und der Berliner Gesellschaft (und Stadtverwaltung) in den letzten Kriegsmonaten“..[4]

J. Hürter zitiert auch [Michael Wildt]]/Christoph Kreutzmüller: „Im Vorwort [S. 7] wird für die gesamte NS-Zeit konstatiert, es sei erstaunlich, wie wenig die Geschichte der Stadt und ihrer Gesellschaft gerade für diese Zeit aufgearbeitet ist.“[5]

Entsprechende Versäumnisse stellt Hürter selbst für das Standardwerk des [Militärgeschichtliches Forschungsamt|Militärgeschichtlichen Forschungsamtes]] fest: Es „bietet zwar eine detaillierte Operationsgeschichte des Kampfes um Berlin, verzichtet jedoch auf jede nähere Analyse des Schicksals der Zivilbevölkerung in diesem Inferno.“[6]

In der Literatur blieb der Treck bis auf eine Ausnahme unerwähnt – erst 2006 wurde er durch die Buchveröffentlichung einer Zeitzeugin einem größeren Lesepublikum bekannt.

Die tatsächliche Quellenlage blieb jahrzehntelang durch zwei Veröffentlichungen 1946 und 1947 verdeckt, da die Berichte eines Autors und Angestellten der Deutschen Reichsbahn in zwei Fachzeitschriften von Journalisten und Historikern zumeist als wahrhaftig eingeschätzt und somit bis in die jüngste Vergangenheit weiterverbreitet wurden. Dabei unterblieben Recherchen in Quellen der unmittelbaren Nachkriegszeit wie in den ab Juni 1945 wieder oder neu erschienenen Zeitungen oder bei den Vorgang indirekt thematisierenden Einrichtungen, etwa Bestattungsämtern. Unklar ist nach wie vor die Quellenlage im Reichsbahnarchiv, da dessen Bestand nach der Aufteilung 1993 zu Händen der Deutschen Bahn und dem Landesarchiv Berlin für die Öffentlichkeit nicht eindeutig bestimmbar ist. Akten sind nicht zugänglich bzw. nach wie vor „nicht auffindbar“. (Beispiele?). Die Autorin, die 1992 vom Bezirksamt Kreuzberg mit einer Untersuchung beauftragt worden war, schrieb:

„Da sind Akten verschwunden oder nicht wieder auffindbar, Bücher stehen an den falschen Plätzen und Quellenangaben sind unrichtig oder fehlen ganz. Es gab Momente, in denen wir schon System dahinter vermuteten – als gäbe es jemanden, der gezielte Nachforschungen unterbinden wollte. Wie sonst ließe sich erklären, daß grundlegende Akten des Landesarchivs zur Flutung dortselbst unauffindbar sind? Daß in einem Buch mit über 100 korrekt nachgewiesenen Abbildungen ein Nachweis ausgerechnet für jene zwei Fotos fehlt, die den gefluteten Tunnel von innen zeigen. Oder daß bei einem gebundenen Zeitschriftenjahrgang die Ausgabe fehlt, in der über die Tunnelflutung berichtet wird?“

Karen Meyer: Die Flutung des Berliner S-Bahn-Tunnels. 1992, S. 7 f.

Die Informationen zum Vorgang, die sich in der Nachkriegsliteratur durchgesetzt haben, stammen ausnahmslos vom Autor der Sachberichte 1946/47, der Wiederherstellung der Schadensstelle der Sprengung im Landwehrkanal leitete und auch das Auspumpen des Tunnels beaufsichtigte. Neben den umfassenden und detaillierten Darstellungen zum technischen Prozess der 1945 nicht einfachen Schadensbeseitigung, die ihm offensichtlich generelle Glaubwürdigkeit verliehen, macht er auch Angaben zum Datum von Sprengung und Flutung sowie zur Verursachung, die seitdem die Darstellungen in der Literatur bestimmen. Im Vergleich mit früh(er)en und indirekten Quellen stehen die Angaben des Angestellten der Reichsbahn und Fachautors im Widerspruch und können im Zusammenhang der mittlerweile nachweisbaren Tatsachen als manipuliert gewertet werden. Gerade auch deshalb, weil Rudolf Kerger es besser wissen musste. Heute fallen auch rhetorische Mittel auf – so beschreibt er die Sprengung so, als habe er sie selbst miterlebt, wobei er sich im Text erst später auf „Augenzeugen“ beruft, die er jedoch nicht nennt. Zum andern gelang es ihm, während des Auspumpens des Tunnels im Sommer 1945 Reporter zu überzeugen, dass die gesamte Opferbezahl identisch mit der Anzahl der Leichen gewesen sei, die man dabei aufgefunden habe bzw. die bis zur Trockenlegung nach einem dreiviertel Jahr noch aufgefunden wurden – in der Summe 92 Tote, die aber zumeist bereits vor der Flutung dort ‚tot abgelegt‘ worden seinen.(Q) Dabei wurde unterschlagen, dass in den beiden Wochen (nach Zeitzeugenberichten) nach der Flutung unzählige Leichen aus den S-Bahn-Zugängen geborgen wurden.

Die Autorin Karen Meyer, die 1992 im Auftrag des Bezirksamtes Kreuzberg ihre Veröffentlichung vorlegte, passte ihre Untersuchung den Angaben Kergers an, indem sie widersprechende Quellen in ihrer Argumentation ignorierte oder ausschloss und eine ihr wohl besonders ‚unpassende‘ Zeitzeuginnenaussage sogar unterschlug. Diese Aussage befindet sich in der Akte zur Buchproduktion[7], fehlt aber in der Veröffentlichung.

Ausweichende Darstellungen

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Einige – insbesondere ausländische – Autoren in der Literatur zum Kampf um Berlin (Cartier, Ryan, xy), die vermutlich Widersprüche feststellten, vermeiden die genaue Terminierung der Sprengung und Tunnelflutung mit der Formulierung „Anfang Mai 1945“ und bezeichnen – wie generell spätere Zeitungsartikel – das Geschehen als „unaufklärbar“. (Dannenbaum, Morgenpost). Auf diese Wertung scheinen sich Geschichtsschreibung und die Berichterstattung zu den jeweiligen Jahrestagen, insbesondere in Berlin selbst, geeinigt zu haben.

In älteren Literatur und in einer Zeitschriftenserie gibt es Darstellungen, die das falsche Datum „2. Mai“ nennen, aber gleichsam zwischen den Zeilen implizite Kritik äußern bzw. die Manipulation nur mit Mühe verschleiern können.[Anm 3]

Vorsichtige, aber durchaus deutliche Kritik an der Kriegsendeforschung äußerte der Münchener Historiker Johannes Hürter im Vorwort der 2015 unverändert herausgegebenen Neuauflage des bereits 1966 erschienenen Werkes von [Cornelius Ryan]] Der letzte Kampf: „Nach wie vor aber fehlen befriedigende wissenschaftliche Gesamtdarstellungen des Kriegsendes im Osten, der Besetzung Berlins und der Berliner Gesellschaft (und Stadtverwaltung) in den letzten Kriegsmonaten“.[8]

J. Hürter zitiert auch Michael Wildt/Christoph Kreutzmüller: „Im Vorwort [S. 7] wird für die gesamte NS-Zeit konstatiert, es sei erstaunlich, wie wenig die Geschichte der Stadt und ihrer Gesellschaft gerade für diese Zeit aufgearbeitet ist.“[9]

Entsprechende Versäumnisse stellt Hürter selbst für das Standardwerk des [Militärgeschichtliches Forschungsamt|Militärgeschichtlichen Forschungsamtes]] fest: Es „bietet zwar eine detaillierte Operationsgeschichte des Kampfes um Berlin, verzichtet jedoch auf jede nähere Analyse des Schicksals der Zivilbevölkerung in diesem Inferno.“[10]


Vorgeschichte des Trecks

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[Datei:Berlin Bruecke Landwehrkanal Hoch und Anhalter Bahn.jpg|mini|Brücken der Hochbahn und der Anhalter Bahn über den Landwehrkanal um 1900]]

Lage im Tunnel vor dem Treck

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Die Situation vor dem Treck wurde 1952 in den ersten von sechs Folgen in der Artikelserie im Sonntagsmagazin „Heim und Welt“ von einem Reichsbahner dargestellt. Der Bericht beginnt am 21. April 1945 mit einem Stilllegungsbefehl für den S-Bahnverkehr. Der Zeuge beschreibt die Lage in den S-Bahnhöfen am nächsten Morgen [22. April], 9 Uhr: „Daß die S-Bahn nicht mehr fährt, hat sich in Windeseile in der Bevölkerung herumgesprochen. In dichten Scharen zieht alles mit Kind und Kegel, mit Koffern und Kisten, in die S-Bahn-Stationen.“ Der Bericht des Reichsbahners in Heim und Welt lässt den 23. bis 28. April aus und setzt erst mit dem 29. April 1945 wieder ein.[11]

Zur Lage im Tunnel und in den Bahnhöfen

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Nach übereinstimmenden Angaben waren insbesondere die S-Bahnstationen Anhalter Bahnhof und Potsdamer Platz (mit zwei Decks) völlig überfüllt.[Anm 4]xy</ref>

  • Der Zeuge Herr K. „erinnerte sich an hunderte, vielleicht tausende Menschen, die in den letzten Tagen im Tunnel gelebt hätten. Darunter wären Zivilisten ebenso wie Soldaten gewesen und auch Verletzte.“[12]
  • Soldatenbericht, Potsdamer Platz (25.4.): Tausende von Zivilisten im S- und U-Bahnhof.”[13]
  • Gerhard Boldt, Stabsoffizier im Führerbunker: „(27. April 1945): Die Meldungen aus der Stadt werden immer erschütternder. Fast acht Tage Hausen die Berliner Frauen, Kinder und Greise, Kranke, Verwundete, Soldaten und Flüchtlinge nun schon ohne Unterbrechung in den Kellern und Ruinen der Innenstadt. Eine einigermaßen geregelte Versorgung gibt es nicht mehr. Der Durst ist noch schlimmer als der Hunger, denn seit Tagen gibt es kein Wasser. Dazu die dauernden Brände, Feuersbrünste und der erstickende Qualm, der in die Keller, behelfsmäßigen Unterstände und Gänge dringt. Und über allem eine gnadenlos sengende Aprilsonne. Die Krankenhäuser, Lazarette und bombensicheren Bunker sind schon längst mit Verwundeten überfüllt. In den Schächten und den Bahnhöfer der U-Bahn und der S-Bahn liegen Tausende verwundeter Soldaten und Zivilisten. Wie groß ihre Zahl wirklich war, wird nie jemand erfahren.”[14]

Evakuierung und Abmarsch

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Ein Zeuge an privilegierter Stelle hatte Kenntnis von Datum und Uhrzeit - der Arzt des Lazaretts im Anhalter Hochbunker:

  • Hans Mellin: „Am 1. Mai morgens steht mit einem Mal der SS-Kommandant an meinem Bett: ‚Ich lasse jetzt den Bunker von der Zivilbevölkerung räumen.‘ […] Mit einem Achselzucken lasse ich ihn stehen, nehme Mantel und Hut und gehe hinaus. Der einzige Ausweg, der noch zur Verfügung steht, ist der S-Bahn-Tunnel in Richtung Norden. Im Bunker ist die Hölle los. Alles quillt die Treppen hinunter in den dunklen Tunnel. […] Und so setzt sich der Zug in Bewegung. Man kommt nur schrittweise voran und tastet sich von einer Schwelle zur andern.“[15]
  • In ihrem Bericht schrieb Waltraut Süßmilch (W. Weise), sie sei im Bunker von einer Lautsprecherdurchsage geweckt worden, die um „Vier Uhr morgens“ aufgefordert habe:

„Sucht eure Sachen zusammen, der Bunker muss geräumt werden. [...] Zwischendurch hört ich noch Worte wie ‚Sprengung‘ und ‚russische Panzer‘. [...] Die Menschen um uns standen auf, legten die Decken zusammen, auf denen sie gesessen hatten, zogen ihre Mäntel und Jacken an und nahmen anschließend ihre Gepäckstücke in die Hand, um auf weitere Anweisungen zu warten. Nirgendwo brach Panik aus, jeder verhielt sich ruhig.“

Waltraut Süßmilch: Im Bunker, Ullstein Verlag, Berlin 2004, S. 182 ff.
  • Zeugin Frau Re. „hat die letzten 14 Tage im Bunker am Anhalter Bahnhof (in dem sich fast ausschließlich Frauen und Kinder befanden) verbracht. Sie war damals 35 Jahre alt. Sie erzählt, daß sie am Morgen der letzten Nacht, die sie dort waren, durch Gebrüll geweckt wurden. [...] Über Lautsprecher ertönte die Anweisung, den Bunker zu räumen.“ (Karen Meyer, Die Flutung, S. 53 = KM, 53)
  • Anschließend „wurden wir von Ordnern und Militärpersonal aufgefordert, uns marschbereit zu machen.“ (W. Süßmilch, S. 184). Der Versuch, die Insassen in Gruppen einzuteilen, sei jedoch nicht möglich gewesen: „Endlich gab es konkrete Befehle. Inzwischen mußte es sechs Uhr geworden sein, vielleicht war es auch halb sieben. Wir sollten den S-Bahn-Schienen bis zum Stettiner Bahnhof folgen, heute heißt er Nordbahnhof.“ (W. Süßmilch, S. 187 = WS, 187).

Hauptartikel: [Anhalter Hochbunker Berlin#Evakuierung des Bunkers|Evakuierung des Bunkers]]

Berichte zur Organisation

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  • W. Weise:

Der Auszug der 10.000 Menschen wurde nicht sich selbst überlassen: „Überall standen Soldaten und sagten: ‚Hier entlang! Hier entlang!‘ (188). Nächste Posten mit „lodernden Fackeln“ forderten energisch zum Weitergang in den Schacht auf. Potsdamer Platz: „Auf dem Bahnsteig standen zwei oder drei riesige schwarze Tonnen, aus denen Rote-Kreuz-Schwestern Malzbier verteilten.“ (WS, 194).

Noch bis vor den Bahnhof Friedrichstraße gab es „noch Fackeln oder Laternen an den Wänden, aber die Abstände wurden größer und größer. Auch sahen sie so aus, als ob sie bald erlöschen würden.“ (WS, 211)

Datierung des Trecks

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  • Ein Leserbrief am 1. Mai 1946 beschreibt den „Elendszug“ zum Jahrestag als „Hitlers letzten 1. Mai-Marsch“.[16]
  • Neues Deutschland: „Am 1. Mai wurde der Bunker geräumt. Durch den S-Bahn-Schacht, in dem das Wasser an mehreren Stellen meterhoch stand, flüchteten die Leute zum Stettiner Bahnhof.“[17]
  • Hans Mellin (Leitender Arzt im Lazarett des Anhalter Hochbunkers): „Am 1. Mai morgens steht mit einem Mal der SS-Kommandant an meinem Bett: ‚Ich lasse jetzt den Bunker von der Zivilbevölkerung räumen.‘ […] Der einzige Ausweg, der noch zur Verfügung steht, ist der S-Bahn-Tunnel in Richtung Norden. […] Und so setzt sich der Zug in Bewegung.“[18]
  • Drei Anfragen an die Bestattungsämter Kreuzberg und Mitte, 1945, erwähnen bei der Suche nach Angehörigen den Vorgang und nennen dazu das Datum 1. Mai 1945.[19]
  • „Da hieß es am Dienstag (1. Mai), wir sollten den Bunker durch den S-Bahn-Schacht verlassen, um unter der Erde bis zum Stettiner Bahnhof zu marschieren.“ (Zeugin in Folge 5 in ‚Heim & Welt‘, 23. März 1952).
  • Zeugin Frau N.: „Am 1. Mai sei sie mit anderen Bunkerinsassen unterirdisch durch den Tunnel nach Norden gegangen, da das Gerücht existierte, daß im Norden in Kampfhandlungen schon eingestellt waren. Auf der Mitte des Weges mußten sie durch knöchelhohes Wasser laufen, das an manchen Stellen höher angestiegen war.“ (K. Meyer: Die Flutung, S. 52 f. Dieses und alle weiteren Zeugenprotokolle im Band Die Flutung befinden sich auch in der Akte Gedenktafeln in Kreuzberg, Sozialraum II, Kbg SW im Friedrichshain-Kreuzberg-Museum, FHXB.).
  • Der Zeuge Herr H. musste „am 28.4. [...] zum Gefechtsstand am Potsdamer Platz. Dort waren S-Bahnzüge mit Zivilisten und Verwundeten. [...] Am 1.5. kamen der Troß Menschen aus dem geräumten Anhalter Bunker an seinem Standort im Potsdamer Platz vorbei.“ (K. Meyer: Die Flutung, S. 49 f.).
  • Der 1. Mai 1945 wird noch von weiteren Zeitzeugen als Datum des Trecks benannt (In der Textfolge zitiert).

Darstellungsmethode

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[Datei:BerlinAnhalterBunker.jpg|mini|hochkant=1.3|Zustand des Bunkers im Jahr 1987]] Die Darstellung der Autorin Waltraut Süßmilch in ihrem Buch Im Bunker wird im Artikel als Richtlinie des chronologischen Ablaufs des Trecks verwendet – so wie auch im Artikel zum Anhalter Hochbunker und seiner Evakuierung, in dem sich ihre Angaben als zuverlässig erwiesen. Es war durch eine Querverifizierung der dort beschriebenen Umstände möglich, die Tagesdaten zu ermitteln, die der Zeitzeugin damals nicht mehr bekannt waren, die aber die Tagesabläufe in Kenntnis von Uhrzeiten ordnen konnte. In der Dokumentation ihrer Darstellungen wird sie in der Folge mit ihrem damaligen Mädchennamen Waltraut Weise genannt. In den einzelnen Abschnitten der Chronik des Trecks wird sie jeweils zuerst aufgeführt, danach folgen Zeitzeugenaussagen, die ihre Angaben unmittelbar ergänzen bzw. verifizieren.

Bereits seit Ende Januar 1945 stand die Sowjetarmee an der Oder, doch wurden ausdauernde Kämpfe um Brückenköpfe geführt – vor allem beim Küstrin – und die Weite des seit der [Weichsel-Oder-Operation|Weichseloffensive]] im Januar 1945 eroberten Raumes sowie das harte Klima erschwerten die Logistik der Sowjetarmee. (So war die Spurweite der Eisenbahnen verschieden und musste umgebaut werden).

Zudem hatte [Josef Stalin|Stalin]] nun keine Eile mehr, denn er stand bereits nahe der deutschen Reichshauptstadt und die Westalliierten konnten erst im März 1945 über den Rhein setzen. Sie durchquerten Westdeutschland jedoch recht schnell, so dass am 16. April auch der russische Angriff auf Berlin begann. Nach dreitägigen Kämpfen im Vorland waren die östlichen Vorstädte erreicht und der Beschuss der Innenstadt setzte ein. Der S-Bahnverkehr im Nord-Süd-Tunnel wurde am 21. April eingestellt. Am 25. April 1945 war Berlin eingeschlossen und die Heeresgruppen der sowjetischen Feldmarschälle [Georgi Konstantinowitsch Schukow|Schukow]] und [Iwan Stepanowitsch Konew|Konew]] näherten sich konzentrisch dem Regierungsviertel. Im Süden bildete der Landwehrkanal die letzte geschlossene Verteidigungslinie.

Das Umfeld des Anhalter Bahnhofs, das mit seinen komplexen Anlagen für die Verteidigung Berlins hinter der Linie des Landwehrkanals eine Schlüsselstellung einnahm, geriet mit der Ankunft russischer Panzer am Kanal am 27. April 1945 in die unmittelbare Kampfzone. Dennoch drängten sich im Bahnhof und seinem Untergrund sowie dem benachbarten Hochbunker eine große Zahl von Zivilisten zusammen, deren Wohnungen und Keller nach dem Artilleriebeschuss keinen Schutz mehr boten und die diesen in den Mauern des „Anhalter“ suchten.

[File:Bundesarchiv B 145 Bild-P054491, Berlin, Ruine des Anhalter Bahnhofes.jpg|mini|Anhalter Bahnhof 1951]]

Umfeld Anhalter Bahnhof

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Der Anhalter Bahnhof und sein riesiges [Anhalter Bahnhof#Güterbahnhofsgelände|Güterbahnhofareal]] im Süden sowie die Gleisanlagen des direkt vorgelagerten Geländes boten wie Eisenbahnanlagen generell gute Verteidigungsmöglichkeiten. Zum andern waren der Monumentalbau des Anhalter Bahnhofs und seine ausgedehnten unterirdischen Anlagen sowie der dortige Anhalter Hochbunker Orte, die Schutz bieten konnten und so zogen Tausende von Berlinern in seine Richtung, auch wenn er durch den Luftangriff vom [Westalliierte Luftangriffe auf Berlin#3. Februar 1945|3. Februar 1945]] oberirdisch schon zur Ruine geworden war. Die vielen Menschen ermöglichten jedoch keine Nutzung des Bahnhofs als militärisches Abwehrzentrum.

Überquerung des Landwehrkanals

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  • Am 26. April 1945, abends wurden Brücken über den Landwehrkanal gesprengt - unmittelbar wahrgenommen von der Zeugin W. Süßmilch (damals Waltraut Weise): die Großbeerenbrücke, die Brücke am Halleschen Tor und die Zossener Brücke. Die Sprengungen führte ein mobiles Wehrmachtskommando aus.[Anm 5]

[Datei:Südportal S-Bahntunnel Berlin.jpg|mini|Südöstliches Tunnelportal (Februar 2014)]]

  • Der Zeuge Herr H. „berichtet, daß er am 27.4. erste russische Panzer am Halleschen Ufer gesehen hat.“ Im Anhalter Bahnhof „kam er zu einem Spähtrupp mit dem er im Tunnel gen Süden ging. Er mußte mit einem MG bewaffnet den Tunnelausgang (Tunnelmund) bewachen. Er hat nicht gesehen, daß Sowjets versucht hätten, in den Tunnel einzudringen.“[Anm 6]

Die im Laufe des 27. April 1945 am Landwehrkanal eintreffenden sowjetischen Truppen bereiteten sich am 28. April auf den Kanalübergang vor – der Tag wurde deutscherseits in der Region als ‚Feuerpause‘ empfunden und die Angreifer setzten am 29. April hauptsächlich über das Stahlskelett der Hochbahnruine Möckernstraße und einen Rest der Großbeerenbrücke über das Wasserhindernis. Am 30. April soll die Ruine des Anhalter Bahnhofs und der [Askanischer Platz|Askanische Platz]] bereits sowjetisch kontrolliert gewesen sein. Die Lage blieb dort jedoch unübersichtlich, da die russischen Truppen auch große Ansammlungen von Flüchtlingen (wie im Anhalter Eisenbahnhof) mieden. Der Hochbunker war den Russen nicht zugänglich und wurde unter Dauerbeschuss genommen, da er als Teil des Verteidigungssystems galt.

Die Lage veränderte sich oberirdisch am 30. April nicht wesentlich, da die Sowjets von dem hartnäckig verteidigten Luftwaffenministerium (heute Bundesministerium für Finanzen) aufgehalten wurden.

Endkampf und Kapitulation

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Am 1. Mai 1945 hatten sich die Frontlinien fast aufgelöst und es wurde mit einer sich nochmals steigernden Intensität in der ganzen Innenstadt gekämpft. Unterirdisch fand zu dieser Zeit der Treck durch den Nord-Süd-Tunnel statt, die Wahrnehmung der Zeugen von den oberirdischen Kämpfen und des „Flammenmeeres“ ist einhellig. In der Nacht gaben die deutschen Gruppen den Kampf weitgehend auf – der Kommandeur, [Helmuth Weidling|General Weidling], suchte und fand Verbindung zu den Sowjets. Verhandlungen wurden auch von Insassen des Führerbunkers versucht, doch besaß nur Weidling Befehlskompetenz und wurde damit von den Sowjets als Verhandlungspartner akzeptiert. In der Nacht gab es zahlreiche Ausbruchsversuche deutscher Gruppen und dazu im Nachhinein auch Berichte über die Lage im Bahnhof Friedrichstraße. Weidling gab an, dass er die Kampfeinstellung bereits kurz nach Mitternacht angeordnet habe.

Die Kapitulation war um 6 Uhr früh fest vereinbart und wurde ab diesem Zeitpunkt durchgeführt. Auch die sowjetischen Truppen hatten auf Anordnung des Generals Tschuikow das Feuer bereits eingestellt. Vereinzelte Kämpfe („Schießereien“) gab es in der Folge nur noch im vom Zentrum abgelegenen Bereichen und damit auch nicht im Bereich des (oberirdischen) Raums des Nord-Süd-Tunnels. Insbesondere Artillerie wurde nicht mehr eingesetzt.

> Hauptartikel: [Schlacht um Berlin#Kapitulation 2. Mai 1945|Kapitulation 2. Mai 1945]]

Chronik des Trecks (Überblick)

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Die folgende Darstellung, die sich am Bericht der Autorin W. Süßmilch, Im Bunker, orientiert, gibt den Ablauf des Vorgangs wieder.[Anm 7] Danach folgen Einträge, die Frau Süßmilchs Darstellung bestätigen, Widersprüche festhalten oder die Angaben ergänzen. Der Bericht des Reichsbahners im Tunnel (der ebenfalls querverifiziert werden musste) beschreibt hier Umstände, die für die Autorin Süßmilch nicht wahrnehmbar waren. Dabei werden auch zahlreiche AugenzeugInnen mit Teil- und Randbeobachtungen angeführt sowie (frühe) Presseberichte. Von Bedeutung ist auch die ‚Lage im Bahnhof Friedrichstraße‘ - da der Treck dort in den U-Bahn-Tunnel umgeleitet wurde, weil ein Wassereinbruch unter der Spree den Nord-Süd-Tunnel dort in der Unterfahrung bereits angefüllt hatte (Ebertbrücke).

Nach der Evakuierung in der Frühe des 1. Mai 1945 (Lautsprecherdurchsage gegen 4 Uhr, Abmarsch ab 6  wurden die 10.000 dort zusammengepferchten Zivilpersonen - meist Frauen, Kinder und Alte -, die nur zu den Ausgängen in den unterirdischen S-Bahnhof drängen konnten, von den „Soldaten mit Fackeln“ zuerst durch einen längeren Gang (die Autorin nimmt mehrere Gänge an) bis zur Station Anhalter Bahnhof geleitet. (WS, 188 f.).

[Datei:Berlin - S-Bahnhof Anhalter Bahnhof - Linien S1,S2,S25 (6962792531).jpg|mini|S-Bahnhof Anhalter Bahnhof, Bahnsteige 2012]]

S-Bahnstation Anhalter Bahnhof

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In der Station Anhalter Bahnhof trafen die Evakuierten auf bereits von anderen Flüchtlingen überfüllte Bahnsteige und Geleise.

  • W. Weise:

Aus den drei Zu/Ausgängen im untersten Geschoss des Hochbunkers wurden die Menschen durch lange Gänge geführt: „Zuerst schoben wir uns durch lange, schmale und notdürftig beleuchtete Gänge, dann erreichten wir [...] einen Bahnsteig der S-Bahnstation Anhalter Bahnhof.“ (188). Der Zug der Evakuierten durchquerte zuerst die S-Bahnstation Anhalter Bahnhofen; er bewegte sich auf dem oder den Geleisen, dann auch über einen Bahnsteig und wurde – wie an anderen Stellen verbürgt – durch die sich in der Station auf den Bahnsteigen lagernden Menschenmassen hindurchgeleitet. (189). „Die Fackelträger schoben uns förmlich in den dunklen S-Bahn-Tunnel hinein. [...] Die Schachtwände waren mit einem etwa ein Meter breiten Streifen in einer grünlich phosphoreszierenden Farbe gestrichen, der von Sturmlaternen angeleuchtet wurde.“ (WS, 190).

Vor dem S-Bahnhof Potsdamer Platz waren zwei Hindernisse zu bewältigen - eine quer zum Tunnel verlaufende „riesige Stahlplatte, die den gesamten Schacht ausfüllte und anscheinend eine Panzersperre darstellte, wie jemand sagte, versperrte den Weg.“ Da sie nur eine kleinere Öffnung am Boden hatte, mussten hier „Tausende von Menschen einzeln hindurch kriechen“ (192) - hier blieben alle größeren Gepäckstücke zurück. „Da sich immer nur eine Person durch die Sperre schlängeln konnte, gab es hinter der Stahlplatte kein Gedränge mehr.[...] Bald darauf folgte eine Barrikade, die man mit Hilfe von Soldaten überklettern musste.“ (193). Schließlich erreichte der Zug die offensichtlich noch einigermaßen beleuchtete Station Potsdamer Platz. (WS, 194).

S-Bahn Potsdamer Platz

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[File:Berlin - S-Bahnhof Potsdamer Platz - Linien S1,S2,S25 (6903074742).jpg|mini|S-Bahnhof Potsdamer Platz Bahnsteige 2012]]

  • W. Weise:

„Die beige gekachelten Wände konnte man vor lauter Menschen kaum sehen. Überall auf dem Bahnsteig standen oder lagen Menschen und es herrschte dort ein größeres Gewusel als früher zur Hauptverkehrszeit. [...] Unser Treck bewegte sich weiter auf den Schienen, nur wenige Leute aus dem Bunker hangelnden sich auf den Bahnsteig und blieben dort. [...] Auf dem Bahnsteig standen zwei oder drei riesige schwarze Tonnen, aus denen Rote-Kreuz-Schwestern Malzbier verteilten.“ (194). Der Treck wurde in den weiter führenden Tunnel geleitet und „war wieder geschlossener geworden.“ (WS, 196).

  • 2015: Zeitzeugin Irmhild Zinow, Jahrgang 1936, die mit Mutter und zwei Geschwistern im U-Bahnhof Potsdamer Platz „in den abgestellten U-Bahn-Zügen lebten. [...] Irgendwann kam dann das Wasser. Panikartig drängten alle vorwärts den Tunnel entlang zu irgendeinem Ausstieg. [...] Das Wasser stand uns bis zum Hals. Alle schubsten rigoros, am schlimmsten die Männer, auch Soldaten. Meine Schwester wäre dort beinahe ertrunken. Viele Soldaten versuchten noch, sich die Uniformen auszuziehen, viele erschossen sich. Es war grauenhaft, alle wollten raus aus dem Inferno.“[20]

Die Verwundetenzüge

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Mehrfach erwähnt werden Züge voller verwundeter Soldaten, in manchen Waggons auch Zivilisten, Kranke.

  • Ausführlich wird die Lage der Verwundeten und eine (Teil-)Bergung vom Reichsbahner in Heim und Welt beschrieben:

Zum 21. April 1945: Mit seinem Vorgesetzten, einem Reichsbahnoberrat sei besprochen worden, daß „der Oberstabsarzt von der Kampfkommandantur Berlin [...] mit dem Führerhauptquartier gesprochen und die Genehmigung für uns erwirkt (hat), daß wir zum Rangieren für die Verwundetenzüge, wenn notwendig, ab und zu kurz wieder den Strom einschalten dürfen. [...] Die Verwundeten kommen in S-Bahnzüge, die zwischen dem Linden-Bahnhof und Potsdamer Platz stehen sollen.“ (Folge 1 in ‚Heim und Welt‘, 24. Februar 1952).

Zum 29. April 1945: „Mich interessieren die Verwundetenzüge kurz vorm Lindenbahnhof. Wir rattern also los mit unserer Draisine, nach einigen Minuten taucht Licht vor uns auf: die Verwundetenzüge mit irgendwelchen Laternen. [...] Sechs Rote-Kreuz-Schwestern versorgen die annähernd 1600 Verwundeten. Ein junger Unterarzt ist verantwortlich für Pflege und Betreuung.“ (Folge 2 in ‚Heim und Welt‘, 2. März 1952).

Zum 1. Mai 1945 (in Heim & Welt mit 2. Mai datiert):

Nachdem der Erzähler eine Detonation hörte und die Sprengung unter dem Kanal vermutete, begibt er sich zu den Verwundetenzügen und versucht dort, eine Rettung zu organisieren:

„Nach verhältnismäßig kurzer Zeit ist schon eine stattliche Anzahl von Verwundeten auf den sich allmählich leerenden Bahnsteig geschafft. Aber die Zahl der Zurückgebliebenen scheint angesichts der wenigen Helfer riesengroß.“ Bald danach reicht das Wasser (auf dem Gleiskörper) „an manchen Stellen bis zu den Knien“. Noch vor der Bahnsteigüberspülung gelingt es, „Verwundete die Treppen hinaufzuschaffen. Oben auf der Straße herrscht Tumult, trotzdem fällt mir sofort auf, daß nirgendwo mehr geschossen wird. Durch die Linden fahren Russenfahrzeuge durch die Trümmer. Vom Brandenburger Tor weht eine große rote Fahne herab.“ Es gelingt, eine russische Streife zur Mithilfe bei der Verwundetenbergung zu bewegen, doch dringt das Wasser mittlerweile auch in die Waggonabteile ein. Die russische Hilfe dauerte jedoch nur kurz.“

Reichsbahner Folge 4 in ‚Heim und Welt‘, 16. März 1952

Die Umgebung des Bahnhofs Unter den Linden war am frühen Nachmittag des 1. Mai bereits in russischer Hand. Brandenburger Tor, Reichstag und die Straße Unter den Linden waren von den Sowjettruppen am 30. April erobert worden. Der Treck war zum Zeitpunkt der Rettungsversuche bereits vorüber, denn nach Angaben von W. Süßmilch war beim Durchzug Unter den Linden noch kein Wasser auf den Geleisen.

Reichsbahner: Die Strömung habe dann jedoch rasch zugenommen und „es ist mir unmöglich über die Geleise noch zu den Waggons zu kommen [...] das Schreien, Schelten, Anspornen und Hilferufen im Schacht hat sich furchtbar verstärkt. [...] Die eisige Flut schwillt schnell. So schleppen wir uns nach oben, wo nun den [geretteten] Verwundeten weiter geholfen werden muss.“ (Folge 5 in ‚Heim und Welt‘, 23. März 1952).

[File:200806 Berlin 363.JPG|mini|S-Bahnhof Unter den Linden, Bahnsteig 2008]]

S-Bahnhof Unter den Linden

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  • W. Weise:

„An dieser Station gab es weder etwas zu essen noch zu trinken, obwohl es auch hier von Menschen wimmelte. Wieder entschieden sich einige aus unserem Treck dafür, hier zu bleiben.“ (WS, 198).

Vor dem S-Bahnhof Friedrichstraße

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  • W. Weise:

„Während wir uns wieder auf dem Weg Richtung Friedrichstraße befanden, kamen wir an einem abgestellten S-Bahnzug vorbei. In den sieben oder acht schmutzig-gelben Waggons saßen viele Menschen, auch Verwundete [...] Einige Menschen hangelten sich [..] hinauf in die überfüllten Zugabteile, trotz der Proteste derjenigen, die sich schon in den Waggons befanden.“ (WS, 202 f.)

„Manchmal kamen wir an einer Stelle im Schacht vorbei, an der eine Luftmine die Straßendecke aufgerissen hatte. Konnten wir für einen kurzen Moment einen Blick auf die Außenwelt werfen, so war nie zu erkennen, ob es Tag oder Nacht war. Stets sahen wir nur roten Feuerschein und Funken, die durch die Luft wirbelten. Berlin war ein einziges Flammenmeer.“ (WS, 200).

Da die Wahrnehmung von Wasser im Schacht durch Zeitzeugen in der Literatur auch mit dortigen Pfützen oder Untiefen durch Wassereinbrüche aus Versorgungsleitungen erklärt wurde (K. Meyer), sei hier die von der Autorin Süßmilch (W. Weise) beschriebene Prozesshaftigkeit des Vorgangs ausführlich dargestellt. Sie befand sich auf dem Teilstück zwischen den Bahnhöfen Unter den Linden und Friedrichstraße:

  • W. Weise:

„Das Knirschen des Schotters klang fremd, nicht mehr so laut, und plötzlich sah alles verändert aus. Um mich herum glitzerte es, der Schein der Fackeln spiegelte sich auf einem seltsam ölig aussehenden Boden. Im nächsten Moment bemerkte ich, dass meine Füße nass waren. [...] ‚Das Wasser kommt!‘ schrie jemand. (WS, 207 ff.)[...] Keiner schien darüber verwundert zu sein, aber alle liefen auf einmal schneller. [...] Mit der Zeit ließ meine Angst nach, da das Wasser nur langsam an unseren Beinen emporkroch. Um nicht ständig in dem Nass gehen zu müssen, balancierten wir anfangs auf dem Stromabnehmer entlang, aber das erwies auf Dauer als zu mühselig.“ Das Schlurfen jedoch „war so anstrengend, dass ich in der Folge Wadenkrämpfe bekam, da sich das Wasser mehr und mehr in einen dickflüssigen Kleister verwandelte.“ Waden, Knie werden frei gehalten und „je weiter wir gingen, desto mehr Gepäckstücke sah ich neben den Schienen oder an den Schachtwänden stehen. Auf der Oberfläche des Wassers schwammen bald alle möglichen Gegenstände und Unrat, man konnte ihnen aber ganz gut ausweichen. Auch einige Ratten paddelten im Wasser herum. [...] Unaufhaltsam stieg das Wasser höher. Richtig furchtbar war das, was verborgen unter der Wasseroberfläche lag, was man in der dunklen Brühe nicht sehen konnte.“ (WS, 211 f.) Ein totes Kleinkind muss die 14jährige Zeugin wieder ins Wasser zurücklegen.[Anm 8]

  • Zeuge Herr M., (KM, 52), Jahrgang 1916: „Am 1. Mai sei er zusammen mit anderen vom Bunker durch den S-Bahn-Schacht zum Stettiner Bahnhof gelaufen. [...] M. erzählte, daß er nach einiger Zeit auf dem Boden Wasser glitzern gesehen habe. Die Menschen im Tunnel hätten versucht, auf den Stromschienen zu laufen, jedoch sei das Wasser sehr schnell gestiegen. Frauen, Kinder und Alte, die hinter ihm liefen, hätten zu schreien angefangen und M. habe sich die Ohren zuhalten müssen – so entsetzlich sei das gewesen. Das Wasser sei so schnell gewesen, daß es sicher viele, die noch hinter ihm gelaufen sind, erwischt habe.“

Erinnert durch die Helligkeit eines Lichtschachtes an die Tageszeit – bald vor Erreichen des Bahnhofs Friedrichstraße – zeigte der Zeugin „ein Blick auf die Uhr meines Bruders [...], dass es erst kurz nach drei war.[Anm 9] Seit Beginn unserer Wanderung schien für mich eine Ewigkeit vergangen zu sein. Dabei waren es nicht einmal zwölf Stunden. [...] Das Wasser kam hinter uns her und holte uns mehr und mehr ein. Stellenweise reichte es mir schon bis über das Knie.“ (WS, 216). Bald darauf erreichen sie den Bahnhof Friedrichstraße.

S-Bahnhof Friedrichstraße

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  • W. Weise:

„Nach einer Pause im Bahnhof „setzten wir uns an den Bahnsteigrand, um zurück in die Brühe zu springen.“ Sie werden jedoch von einem Soldaten zurückgehalten – die Teilnehmer des Trecks werden nun in die U-Bahn gewiesen, „‚die liegt höher, da ist es noch trocken.‘ [...] Man zeigte uns eine Treppe, die wir hinaufgingen, anschließend mußten wir einen langen Tunnel durchqueren.[21] Die U-Bahnstrecke war tatsächlich weitgehend trocken, nur hin und wieder mußten wir durch eine Pfütze waten. Einmal stürzte aus einem zerborstenen Deckenrohr eine Kaskade Wasser auf uns herab.“ (WS, 219 f.).

  • Der Zeuge Herr Hi., damals Soldat, versuchte in der Nacht vom 1. Mai auf den 2. Mai „nachhause ab(zu)hauen“. Da er nicht durch die Max-Reinhardt-Straße durchkam, ist „er zurück zur S-Bahn gegangen, um von dort unterirdisch gen Norden zu gelangen. [Es dürfte sich um den Bahnhof Friedrichstraße gehandelt haben]. „Am frühen Morgen des 2. Mai, so zwischen 4-5 Uhr seien ihm auf dem Weg Leute entgegengekommen und hätten behauptet, daß überall Wasser im Tunnel wäre und es keinen Zweck habe, dahin zu gehen. Er habe die Spree dann mithilfe einer kleinen Fußgängerbrücke überquert.“ (KM, 50 f.).

Der Treck wurde im Bahnhof Friedrichstraße aus dem S-Bahnschacht (über den „Rennsteig“) in den U-Bahnschacht umgeleitet. Der Grund war dafür, dass ein Stück weiter nach Norden im S-Bahntunnel, direkt unter der Spree, ein Wassereinbruch erfolgt war, der den Weg versperrte.

Sprengung der Spreeunterfahrung

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[Datei:Bundesarchiv Bild 183-R97751, Berlin, gesprengter S-Bahn-Tunnel.jpg|mini|Schäden an der Spreeunterfahrung, 1946]]

Die Beschädigung der Spreeunterfahrung des Nord-Süd-Tunnels unter der Ebertbrücke unmittelbar hinter dem Bahnhof Friedrichstraße hat unter Zeitzeugen und in der Literatur für Irritationen und gelegentlich sogar für Verwechslung gesorgt. Der dortige Wassereinbruch füllte gleichsam die in einer U-Bogen-artigen Vertiefung gelegene Unterfahrung dieses Tunnelstücks bereits vor Ankunft des Trecks aus und war Grund für dessen Umleitung in den U-Bahnschacht.

  • Erlebnisbericht einer Frau, die sich in der unterirdischen S-Bahnstation Oranienburger Straße aufhielt: Ich hatte mich in den letzten Apriltagen in den S-Bahn-Tunnel Oranienburger Straße geflüchtet und mir war aufgefallen, daß man dort bei Feuerpausen des Artilleriebeschusses deutlich von der Spree her unter der Erde feine knirschende Geräusche hörte. Als mein Mann, der Ingenieur im Spandauer Werk war, mich im Tunnel besuchte, teilte ich ihm meine Wahrnehmung mit. Ich befürchtete, daß man die Tunnelunterführung unter der Spree zur Sprengung vorbereitete. Mein Mann ging der Sache nach und entdeckte unter der Ebertsbrücke (wo der S-Bahn-Tunnel unter der Spree durchführt), daß dort Soldaten die Brückenpfeiler anbohrten. Er warnte als Fachmann sofort den leitenden Offizier, daß hier durch die Bohrungsarbeiten und eine eventuelle Sprengung die S-Bahn-Tunneldecke unter der Spree beschädigt und Tausende von Menschen gefährdet werden könnten. Daraufhin wurde mein Mann sofort von zwei SS-Führern verhaftet und sollte erschossen werden. Durch einen nahe dabei einschlagenden Granattreffer konnte er aber in der allgemeinen Verwirrung entkommen. [...] Die Ebertsbrücke wurde dann bald darauf tatsächlich gesprengt.“ (Folge 4 in ‚Heim und Welt‘, 16. März 1952).

[Datei:1895 Ebertbrücke Rückwardt.jpg|mini|links|Ehemalige Ebertbrücke (1895)]]

  • In einem eigenständigen, redaktionell abgesetzten Kasten in Heim & Welt (Folge 5 vom 16. März 1952) wird erläutert (entgegen der Annahme obiger Zeugin): „Teile der Ebertsbrücke schlugen bei der durch die zurückweichenden deutschen Truppen am 1. Mai erfolgten Sprengung auf die Decke des S-Bahn-Tunnels, der an dieser Stelle die Spree unterquert und ließen das Spreewasser mit starkem Strahl in den Tunnel schießen. Die völlige Überflutung der Tunnelstrecke am 2. Mai ließ diesen Wassereinbruch nicht mehr wesentlich bemerkbar werden. Erst bei der späteren Auspumpung trat er wieder [...] hervor und bereitete große Schwierigkeiten.[Anm 10]

Auf die Flut aus Richtung des Landwehrkanals könnte die Wassermasse für eine unbekannte Zeit als Hindernis gewirkt haben bzw. sie hat Druckverhältnisse beeinflusst, ggf. das Überfliessen nach oben in den U-Bahnschacht begünstigt. Die Umstände könnten von Fachleuten anhand der vorhandenen Querschnitte beurteilt werden.

  • Zeuge Herr S. (KM, 54) war als 16jähriger Polizist im U-Bahn-Tunnel Nähe Oranienburger Straße in der Nacht vom 1. zum 2. Mai. Er erinnert sich, daß ihm gegen 2 oder 3 Uhr nachts SS-Leute entgegengekommen wären, die gerufen hätten: Alles raus hier, wir haben gesprengt und das Wasser kommt gleich. Die Schienen im Tunnel seien außerdem von der SS vermint worden. S. ist überzeugt, daß die Spree-Unterfahrung gesprengt worden ist.“<Kommentar>.
  • Zeuge Herr K. war damals 17 Jahre alt und Soldat bei der 9. Fallschirmjägerdivision, die zur der Zeit noch etwa 20 Leute umfaßte. Die Nacht vom 1. zum 2. Mai hat er im Tunnel im Bahnhof Friedrichstraße verbracht, der Tunnel sei noch in einwandfreiem Zustand gewesen. Er kann sich nicht erinnern, Zivilisten im U-Bahn-Tunnel zwischen Friedrichstraße und Hallesches Tor gesehen zu haben.“ (KM, 51 f.). Vermutlich befand sich der Zeuge auch im U-Bahntunnel.

Bahnhof Friedrichstraße / U-Bahn

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[File:Bundesarchiv Bild 183-35539-0001, Berlin, U-Bahnhof Friedrichstraße, Bahnsteig.jpg|mini|U-Bahnhof Friedrichstraße, Bahnsteig, 1956]]

  • W. Weise:

„Soldaten zogen uns auf den Bahnsteig. Die Tatsache, dass es hier noch Soldaten gab, machte uns klar, dass der Krieg noch nicht zu Ende war.“ (217). „Im stetig immer dichter werdenden Gedränge der Menschen“ (WS, 218) will die Gruppe - die Autorin, Mutter und Bruder, eine Bekannte - weiter und werden dabei aus der S-Bahn gewiesen: „Geht rüber zur U-Bahn, die liegt höher, da ist es noch trocken. [...] Um zur U-Bahn zu gelangen, brauchten wir nicht die Unterwelt zu verlassen. Man zeigte uns eine Treppe, die wir hinaufgingen, anschließend mussten wir einen langen Tunnel durchqueren. Die U-Bahnstrecke war tatsächlich weitgehend trocken, nur hin und wieder mussten wir durch eine Pfütze waten.“ (WS, 219).

Flutung der U-Bahn

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Die Flutung des Nord-Süd-Tunnels setzte sich in der Nacht des 1. Mai auf den 2. Mai 1945 in das U-Bahn-System hinein fort.

  • Berliner Zeitung vom 18. Juni 1945:

„Kurz vor der Beendigung der Kämpfe in Berlin [..] wurde durch Pioniere bei einer Sprengung die Trennwand zwischen dem Landwehrkanal und der S-Bahn am Anhalter Bahnhof auf einer Länge von 40 Metern beschädigt. Das Wasser drang in die S-Bahn und füllte sie. Hunderte von Menschen kamen dabei ums Leben. Während der Kampfhandlungen kümmerte sich niemand um die Abriegelung des Wassereinbruchs. Es floß bis zum Bahnhof Friedrichstraße und gelangte von hier über den sogenannten „Rennsteig“ in die U-Bahn, die auch voll Wasser lief und viele Todesopfer forderte.“[22]

Die bis heute gängige Darstellung, in der U-Bahn hätte es keine Opfer gegeben, kann aufgrund früher Berichte nicht als gesichert gelten.

  • W. Weise schrieb, dass sie mit Mutter und Bruder am Nachmittag [des 2. Mai] durch die Friedrichstraße zog: „Wir mussten über Berge von Trümmern klettern und konnten nun auch das Wasser sehen, das inzwischen die U-Bahn-Schächte gefüllt hatte. Am Halleschen Tor beispielsweise konnte man noch Jahre später deutlich sehen, dass das Wasser bis kurz unter die Decke gestanden hatte.“ (WS, 244).
  • Frau M. hat als 15-jährige das Kriegsende im Luftschutzkeller des ‚Schweizer Haus‘ in der Friedrichstraße/Ecke Krausestraße erlebt. Am 2. oder 3. Mai hat sie den Keller verlassen und dann gesehen, dass die U-Bahn überflutet gewesen ist und daß Leichen im Wasser schwammen. (KM, 55).

Oranienburger Straße

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Der S-Bahnhof liegt nach dem Bahnhof Friedrichstraße in der Fortsetzung der Spreeunterfahrung in Richtung Stettiner S-Bahnhof, doch wurde er infolge des Wechsel des Trecks im Bahnhof Friedrichstraße in den U-Bahntunnel nicht passiert. Grund war die Sperrung durch das Wasser, das durch die Sprengung der Ebertbrücke über die Spree in den Bereich der Unterfahrung eingedrungen war.

Dennoch gibt es Zeugenaussagen, die sich auf den Bahnhof Oranienburger Straße bezogen, da dieser örtlich auch als Schutzraum genutzt wurde.

  • Siehe oben im Erlebnisbericht einer Frau zur Sprengung der Ebertbrücke.

Stettiner Bahnhof

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Stettiner U-Bahnhof

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  • W. Weise:

„Nicht mehr viele aus dem Bunkertreck. [...] Ein paar hundert Menschen erreichten jedoch mit uns den Stettiner Bahnhof. Fast alle blieben auf dem Bahnsteig der grauen und sehr schmutzig wirkenden U-Bahn-Station.“ [U-Bahnstation Zinnowitzer Straße, heute U-Bahnhof Naturkundemuseum] (231). Die Gruppe mit der Autorin - „vielleicht zwanzig Personen“ - versucht zum Postbunker zu gelangen, der der Autorin bekannt war: Draussen und auf dem Weg dorthin erleben sie „das reinste Inferno. [...] aus allen Richtungen Beschuss - Granatwerfer, Panzerfeuer, MG-Garben - Wir sprangen wie die Hasen auseinander - vier oder fünf Panzer ratterten mit ohrenbetäubendem Lärm an uns vorbei.“ (WS, 222 f.). Dennoch erreichten sie den Postbunker, werden jedoch abgewiesen und gingen den Weg zurück zur S-Bahnstation Stettiner Bahnhof.

Da hier – oberhalb des Tunnels – „das reinste Inferno“ geherrscht hat und die Russen „auf alles schossen, was sich bewegt hätte“, kann es sich nicht um den Abend des 2. Mai 1945 gehandelt haben.

  • Zeuge Herr M.:

Die Autorin K. Meyer gibt zu Protokoll: „M. beschreibt seinen Marsch durch den Tunnel so, daß man annehmen muß, daß er Friedrichstraße in den U-Bahn-Tunnel ‚umgestiegen‘ ist. [...] Am Stettiner U-Bahnhof sei er hochgekommen, die Russen hätten dort auf alles geschossen, was sich bewegt hätte. Er sei unter Beschuß bis zum S-Bahnhof Stettiner Bhf gekommen und habe dort auf dem Bahnsteig noch eine Nacht verbracht. Dort sei kein Wasser gewesen. Am Morgen hätten die Russen gebrüllt, daß der Krieg aus sei und allmählich hätten sich die Leute nach oben getraut.“[Anm 11]

Stettiner S-Bahnhof

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[Datei:S-Bhf Nordbahnhof Tunnelmund 2014.png|mini|Tunnelmund (Ausfahrt) S-Bhf Nordbahnhof 2014]]

  • W. Weise:

„Bahnsteig und Geleise waren [..] trocken. [...] Auf beiden Seiten des Bahnsteigs standen S-Bahn-Züge, die als Lazarett dienten.“ (WS, 226). „Nachzügler aus dem Bunkertreck trafen ein. [...] Einige berichteten, [...] sie hätten stellenweise schwimmen müssen.“ Das anfängliche Gefühl einer Rettung ging über in den „zeitlosen Zustand des Dahindämmerns“ bis „die Bolschewiken“ kamen. (WS, 230). Ein „Rotfront“-Rufer wird erschossen, ein russischer Offizier erklärt, dass nichts geschehe, wenn man still verhielte, „Mongolen“ plünderten die Überlebenden aus. Die Plünderer werden von Regulären zusammengerufen, danach werden die Lazarett-Züge geräumt. (WS, 231 ff.) „Beim letzten Blick auf die Armbanduhr [...] war es neun Uhr abends gewesen. Das war nun schon eine ganze Weile her. Und in dieser Nacht spielten sich die grausamsten Dinge auf dem Bahnsteig ab.“ (WS, 236).

  • Zeugin Frau S. befand sich „vom 22.4.-2.5. im Stettiner Bahnhof. [...] Es gab aber keine Kämpfe im Bahnhof. [...] Waggons, die im Tunnel standen, wurden zu Lazaretten zurechtgemacht. [...] Am 2. Mai kamen Leute und sagten, daß Hitler tot sei. Aber die Männer trauten sich nicht, hinaufzusteigen.“ Später mußte sie zusammen mit ihrer Schwester [.. einen] verletzten Leutnant alleine auf einer Bahre hochtragen und später ind Krankenhaus bringen. Sie sind dann nochmal in den Tunnel zurückgekehrt, es war aber noch kein Wasser drin. [...] Sie ist überzeugt, daß es langsam gekommen ist und niemand ertrinken mußte, der sich noch bewegen konnte.“ Dies entspricht der allgemeinen Auffassung.[Anm 12]

Nächster Morgen (2. Mai 1945)

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Es handelt sich hier um Berichte, die die Situation am Morgen des 2. Mai 1945 beschreiben. Die deutsche Seite hatte bald nach Mitternacht ihre Kapitualtionsbereitschaft erklärt, in Reaktion darauf stellte die russische Seite das Feuer (insbesondere den Artilleriebeschuss) ein.

„Am 2. Mai, kurz vor 1 Uhr morgens, fing die 79. russische Gardeschützendivision einen Funkspruch auF. Er lautete: ‚Hier [LVI. Panzerkorps]]. Wir bitten, das Feuer einzustellen. Um 12 Uhr 50 Berliner Zeit entsenden wir Parlamentäre auf Potsdamer Brücke.‘ [...] Die Russen antworteten: Verstanden. Verstanden. Übermitteln ihre Bitte an Chef des Stabes. Als General Tschuikow die Botschaft erhielt, ordnete er sofort die Einstellung des Feuers an.“

Cornelius Ryan: Der letzte Kampf

Entsprechend wird das Szenario von Zeugen beschrieben. Die entsprechenden Darstellungen sind fett hervorgehoben):

  • W. Weise:

„Äußerst vorsichtig schlichen wir die Treppen hinauf und standen auf der Straße. Nichts war zu hören, die Stille tat richtig weh. [...] Der Himmel war zwar nicht blau, aber was da oben aus dem Grau herausblendete, war zweifellos die Sonne. Ein richtig heller und greller Ball. Unfassbar.“ (WS, 239).

[Datei:Berlin Anhalter Bahnhof 078738.jpg|mini|Rückseite des Portikusfragments des Anhalter Bahnhofs am 9. Juni 1965 (mit Excelsior-Hotel)]]

  • Zeugin Frau Re.: „In der Invalidenstraße bei der ‚Maikäferkaserne‘ haben sie den Tunnel verlassen. [Ab Bahnhof Friedrichstraße handelte es sich um den U-Bahnschacht, in den der Treck umgeleitet wurde] Dann sei sie zum Stettiner Bahnhof gegangen, wo ganz viele Menschen lagerten. Dort schlief sie noch eine Nacht. Am kommenden Morgen wurden sie von Soldaten aufgefordert herauszukommen, der Krieg sei vorbei.“ (KM, 53).
  • Aussagen in der bereits angegebenen Literatur (B. v.z. Mühlen): „Am 2. Mai vollkommene Ruhe.“ (S. 395), Rochus Misch: „2. Mai [...] vor Morgengrauen, ganz still, nichts gehört, kein Schuß, garnichts.“ (S. 371).
  • General Tschuikow schrieb in seinen Erinnerungen: „Wir gingen auf die Straße hinaus. Ringsum herrschte ungewöhnliche Stille“.[Anm 13]
  • Zur Situation in Kreuzberg um den Anhalter Bahnhof am 2. Mai eine ausführliche Darstellung, die im Umfeld keine Kämpfe mehr feststellte: „Tiefbunker vor dem Europahaus am Anhalter Bahnhof. [...] Der Anhalter Bahnhof ist ausgebrannt, vorgestern [am 30. April] loderte er wie eine riesige Fackel, wir schauten kurz heraus und sahen dem grausigen Schauspiel zu, die Ohren gespitzt, wir kannten das Geräusch nahender Tiefflieger, die mit ihren MGs schossen. [...] Da wurde es am 2. Mai plötzlich lebendig. Man hörte fremde Laute, die man nicht kannte. Waren die Russen schon da? [...] Alles fertigmachen, hieß es plötzlich. [...] Vorne setzten sich die ersten in Bewegung, gingen zur Treppe, gingen nach oben. Es war alles ruhig, nur noch weit entfernt hörten wir Schüsse. [...] Es ging die damalige Saarlandstraße hinunter [heute: Stresemannstraße], wir bogen in die Anhalter Straße ein bis zum Hotel Excelsior [...] Dem Vernehmen nach zum Tempelhofer Feld.” (Auf dem heutigen Mehringdamm können der Zeuge und seine Frau in die Kreuzbergstraße entkommen).[23]
  • „Obersturmführer Neilands [...] hat sich nach Scheitern der ersten Waffenstillstandsverhandlungen mit den Resten seines 15. lettischen Füsilier-Bataillons im Luftfahrtministerium verschanzt. [...] Am 2. Mai, morgens, ist es totenstill. Kein Russe und kein deutscher Soldat sind zu sehen.”
  • „So ähnlich geht es den Franzosen. Am 1. Mai tobte der Kampf in ihrem Abschnitt mit unverminderter Härte. [...] Am 2. Mai stehen die Reste der Kampfgruppe ‚Charlemagne’ in der Nähe des Luftfahrtministeriums, als deutsche und russische Soldaten mit weißen Fahnen auftauchen. Das ist das Ende.”[24]

Fragestellung:

  • Wenn die Beschreibungen während des Trecks von oberirdischen Kämpfen, von „Inferno“ in der Stadt berichten und von der Ruhe am 2. Mai 1945 – wie kann dann der Treck (und zuvor die Räumung des Anhalter Hochbunkers) auf diesen 2. Mai datiert werden?
  • Wenn es am Morgen des 2. Mai „totenstill” war, oder Schüsse – in Kreuzberg – nur in der Ferne gehört wurden: Wie konnte dann eine so gewaltige Detonation wie die der Sprengung im Kanal ‚überhört’ worden sein?
  • Wenn in den Stadtbereichen oberhalb des Nord-Süd-Tunnels am 2. Mai keine Kämpfe mehr stattfanden (was verbürgt ist), warum wurde dann nirgendwo (etwa an den Bahnzugängen) die Katastrophe unter der Erde bemerkt und warum verblieben dann die Menschen in den Bahnhöfen oder quälten sich im Wasser bis zum Stettiner Bahnhof anstatt die Ausgänge zu benutzen?

Beobachtungen zur Lage in der Stadt

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Die Beobachtungen, die Teilnehmer des Trecks während des Tunnelmarsches über die ‚Außenwelt‘ machen konnten, weisen auf auch das Datum hin, denn am 2. Mai 1945 fanden oberhalb des Tunnelbereichs keine Kampfhandlungen mehr statt (Entsprechende Hervorhebungen fett):

  • W. Weise:

Zur Situation außerhalb des Tunnels: „Manchmal kamen wir an einer Stelle im Schacht vorbei, an der eine Luftmine die Straßendecke aufgerissen hatte. Konnten wir für einen kurzen Moment einen Blick auf die Außenwelt werfen, so war nie zu erkennen, ob es Tag oder Nacht war. Stets sahen wir nur roten Feuerschein und Funken, die durch die Luft wirbelten. Berlin war ein einziges Flammenmeer.“ (WS, 200). Später hörte die Zeugin (kurz vor dem Bahnhof Friedrichstraße) in der Nähe ein Luftschachtes, dessen Gitter intakt war, „Schüsse, keine einzelnen Schüsse, sondern ganze Salven. Unverkennbar Maschinengewehrfeuer.“ (WS, 216).


</nowiki>

  1. Waltraut Süßmilch: Im Bunker.
  2. Gerhard Boldt: Die letzten Tage der Reichskanzlei, Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 1964, S. 123 f.
  3. Bengt von zur Mühlen: Der Todeskampf der Reichshauptstadt, Chronos, Berlin-Kleinmachnow 1994, S. 188.
  4. [Cornelius Ryan]]: Der letzte Kampf. Neuauflage mit aktuellem Vorwort von Johannes Hürter. [Konrad-Theiss-Verlag]] (imprint der WBG, Wissenschaftlichen Buchgesellschaft), Stuttgart 2015, ISBN 978-3-8062-3026-0, S. XII.
  5. Michael Wildt, Christoph Kreutzmüller (Hrsg.): Berlin 1933–1945. München 2013.
  6. Johannes Hürter in: C. Ryan: Der letzte Kampf. Vorwort, S. XII, zu: [Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg]]. Hrsg. v. Militärgeschichtlichen Forschungsamt, Band 10/1, [Rolf-Dieter Müller]] (Beitrag Richard Lakowski), Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-421-04338-2.
  7. Die Akte befindet sich im Archiv des Kreuzbergmuseums in Berlin.
  8. [Cornelius Ryan]]: Der letzte Kampf. Neuauflage mit aktuellem Vorwort von Johannes Hürter. [Konrad-Theiss-Verlag]] (imprint der WBG, Wissenschaftlichen Buchgesellschaft), Stuttgart 2015, ISBN 978-3-8062-3026-0, S. XII.
  9. Michael Wildt, Christoph Kreutzmüller (Hrsg.): Berlin 1933–1945. München 2013.
  10. Johannes Hürter in: C. Ryan: Der letzte Kampf. Vorwort, S. XII, zu: [Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg]]. Hrsg. v. Militärgeschichtlichen Forschungsamt, Band 10/1, [Rolf-Dieter Müller]] (Beitrag Richard Lakowski), Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-421-04338-2.
  11. Sonntagszeitung Heim und Welt, „Die Wochenzeitung für alle“ Artikelserie in sechs Folgen, auf Mikrofilm im Landesarchiv Berlin (kein Impressum vorhanden). Zitat hier aus Folge 2 vom 2. März 1952).
  12. Karen Meyer: Die Flutung des Berliner S-Bahn-Tunnels. Hrsg.: Kunstamt Kreuzberg, GVE, Berlin 1992, S. 51 f. Protokoll auch in der Akte Gedenktafeln in Kreuzberg, Sozialraum II, Kbg SW.
  13. Bengt von zur Mühlen: Der Todeskampf der Reichshauptstadt, Chronos, Berlin-Kleinmachnow 1994, S. 188.
  14. Gerhard Boldt: Die letzten Tage der Reichskanzlei, Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 1964, S. 123 f.
  15. Hans Mellin: Im Bunker. Bericht in Peter Kruse (Hrsg.): Bomben, Trümmer, Lucky Strikes. 2004, S. 28. Mellin berichtet, dass der Abtransport der Nichtgehfähigen nicht mehr möglich war. Unklar bleibt, ob der Autor Mellin den Zug selbst mitgemacht hat oder sich anderweitig entfernen konnte oder im Bunker bis zum Eintreffen russischer Soldaten blieb.
  16. Freie Gewerkschaft: Der 1. Mai 1945. (Teilnehmer Toni Drunsel), 1. Mai 1946. (Landesbibliothek Berlin).
  17. Neues Deutschland vom 9. Mai 1946, Zentralorgan der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, SED, Berlin.
  18. Hans Mellin: Im Bunker. Bericht in Peter Kruse (Hrsg.): Bomben, Trümmer, Lucky Strikes. 2004, S. 28.
  19. Zitiert in: Karen Meyer: Die Flutung des Berliner S-Bahn-Tunnels. Hrsg.: Kunstamt Kreuzberg, GVE, Berlin 1992, Seite 40 f.
  20. Irmhild Zinow in Mein Kriegsende, Berliner Illustrierte Zeitung – Wochenendmagazin der Berliner Morgenpost, 3. Mai 2015.
  21. Bei diesem Übergang handelt es sich um den früher so genannten ”Rennsteig“, der damals der einzige Übergang zwischen S-Bahn und U-Bahn war. Berliner Zeitung.
  22. Berliner Zeitung: Von der U-Bahn., 18. Juni 1945.
  23. Schriftlicher Erinnerungsbericht von Walter Gensch aus dem Jahre 1977, (Landesarchiv Berlin, Rep. 240, Acc., 2561, Nr. 3). Zitiert nach Bengt von zur Mühlen: Der Todeskampf der Reichshauptstadt, Chronos Verlag, Berlin-Kleinmachnow 1994, S. 378 f.
  24. Letzte zwei Zitate aus: Wilhelm Tieke: Tragödie um die Treue. Kampf und Untergang des III. (germ.) SS-Panzerkorps, Osnabrück 1968. Zitiert in : Gostony, 1985, S. 383 f.


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