Benutzer:Kuebi/Canary Girls

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Canary Girls (engl. für ‚Kanarienvogel-Mädchen‘) ist die Bezeichnung von Frauen, die im Ersten Weltkrieg in britischen Munitionsfabriken arbeiteten und durch den chronischen Kontakt mit Sprengstoffen eine Ikterus-ähnliche Hautverfärbung (Kanarienvogelfarben) erfuhren. Die chronische Vergiftung führte zu mehreren gut dokumentierten Todesfällen.

The Munitions Girls ein Gemälde von Stanhope Forbes von 1918.

Ein Großteil der arbeitsfähigen männlichen Bevölkerung wurde von den Kriegsparteien im Ersten Weltkrieg zum Militärdienst eingezogen. An der „Heimatfront“ ersetzten Frauen über den Kriegsverlauf zunehmend die fehlenden Arbeitskräfte - auch in den jeweiligen Rüstungsindustrien. Es war jedoch nicht nur der Männermangel, der Frauen die Frauen zur Erwerbsarbeit führte, es war in vielen Fällen auch die Not bürgerlicher Familien. Lange hielt sich auch in der Forschung die Annahme, dass der Erste Weltkrieg „in gewisser Weise zur Emanzipation der Frau beigetragen habe“.[1][2] Dieses Bild wurde im 21. Jahrhundert korrigiert und der Sachverhalt wird nun deutlich differenzierter gesehen.[3] Faktisch kam mit dem Frieden eine Gegenreaktion zur Emanzipation auf.[4] In England schätzt man, dass bis zum Ende des Krieges zwei Millionen Frauen direkt an die Stelle von Männern auf dem Arbeitsmarkt traten, um diese zu ersetzen. Der Anteil der erwerbstätigen Frauen stieg von Juli 1914 bis November 1918 von 24 % auf 37 %. Im Verlauf des Krieges gingen rund 400.000 Hausangestellte in die Rüstungsindustrie. Ihr Anteil betrug in diesem Industriezweig maximal 9 %.[5] Den mit Abstand größten Bedarf an Sprengstoff gab es für Artilleriegranaten. In Großbritannien wurden dazu im wesentlichen zwei Sprengstoffe verwendet: Lyddit (Pikrinsäure) und Trinitrotoluol (TNT). Die großtechnische Produktion von TNT begann 1901 zuerst in Deutschland. 1907 startete man im Vereinigten Königreich mit der Produktion von TNT-gefüllten Granaten, aber erst mit dem Beginn des Ersten Weltkriegs wurde Lyddit mehr und mehr durch TNT ersetzt. Ausschlaggebend waren dabei Sicherheitsvorteile bei Produktion und Lagerung.[6] So kann TNT - im Gegensatz zu Pikrinsäure - beispielsweise nicht durch Beschuss mit einem Gewehr zur Explosion gebracht werden. Diese hohe Stabilität ermöglichte zudem die Entwicklung einer neuen Generation von Artilleriegeschossen, die nach dem Beschuss von Festungen oder Panzerungen erst nach Zündung der Sprengladung explodierten und nicht bereits beim Auftreffen auf das Zielobjekt.[7][8][9]

Auch kann TNT bei deutlich niedrigeren Temperaturen (>80 °C) geschmolzen und so in Granatenhülsen gegossen werden. Pikrinsäure benötigt dazu Temperaturen von über 122 °C.[10]

Die britische Produktion kam vor allem durch den US-amerikanischen Ingenieur Kenneth Bingham Quinan in Schwung, der nach Kriegsbeginn von Südafrika nach England gebracht wurde und dort eine Reihe von Produktionsstätten aufbaute.[11]

Arbeitsbedingungen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Arbeitsbedingungen in den Munitionsfabriken waren, auch bedingt durch die allgemeinen Kriegsumstände, ausgesprochen schlecht. Arbeitssicherheit und Arbeitsschutz waren häufig nur rudmentär vorhanden. Hinzu kam, dass es nur wenige Daten und Erfahrungen bezüglich der chronischen Exposition, mit dem vergleichsweise neuen Sprengstoff TNT gab.

Die toxischen Eigenschaften von Lyddit waren schon viele Jahre vor Kriegsbeginn bekannt, einschließlich der Eigenschaft die Haut nachhaltig gelb zu färben. Auch das in deutlich geringerem Maße eingesetzte Tetryl besitzt diese Eigenschaft.

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Niels Werber, Stefan Kaufmann, Lars Koch (Hrsg.): Erster Weltkrieg. Springer-Verlag, 2014, ISBN 3476053350, S.  425 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  2. Wolfgang Kruse: Frauenarbeit und Geschlechterverhältnisse. In: bpb.de. 18. Februar 2013, abgerufen am 10. September 2021.
  3. Suzanne Krause: Emanzipation - Frauen vor und nach dem Ersten Weltkrieg. In: deutschlandfunk.de. 2. Oktober 2014, abgerufen am 10. September 2021.
  4. Sheila Rowbotham: Women and the first world war: a taste of freedom. In: theguardian.com. 11. November 2018, abgerufen am 10. September 2021 (englisch).
  5. Janet McCalman: The Impact of the First World War on Female Employment in England. In: Labour History Nr. 21, 1971, S. 36-47. doi:10.2307/27508026
  6. Norman Skentelbery: Arrows to Atom Bombs: A History of the Ordnance Board. 2. Ausgabe, Ordnance Board, S. 99 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  7. Paul McCorkle: The Physical World. McGraw-Hill, 1956, S. 217 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  8. Oscar L. Brauer: Chemistry and Its Wonders. American Book Company, 1938, S. 689 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  9. Fairfax Downey: Sound of the Guns. D. McKay Company, 1956, S. 179 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  10. Michael Freemantle: Gas! Gas! Quick, Boys. The History Press, 2011, ISBN 0752479032, S. 93 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  11. Anthony S. Travis: The Synthetic Nitrogen Industry in World War I. Springer, 2015, ISBN 3-319-19357-0 S. 81 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).


Kategorie:Vereinigtes Königreich im Ersten Weltkrieg Kategorie:Vergiftung