Benutzer:MGBiblio/Stiftsbibliothek

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Stiftsbibliothek Grossmünster[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bücher

Orte der Buchaufbewahrung

Seit der Gründung waren die für die Liturgie und die Seelsorge notwendigen Bücher vorhanden. Sie wurden vom 12. Jahrhundert an in der sog. «Grossen unteren Sakristei» (Abb. siehe «A») aufbewahrt, von Mitte des 13. Jahrhhunderts an im sog. «Schatzgewölbe», der «oberen Sakristei» (Abb. siehe «B»). Von 1482 bis 1522 wurde über dem Westflügel des Kreuzgangs eine neue Bibliothek erbaut und eingerichtet, die hier bis zur Aufhebung des Stifts im Jahre 1808 bestehen blieb (Abb. siehe «C») und später zum Grundstock für eine Kantons- und Universitätsbibliothek wurde, seit 1914 Zentralbibliothek Zürich.[1]

Chorherren und Stifter äufneten die Bibliothek. Während der Ungarneinfälle brachten die Benediktinermönche von Disentis im Jahr 940 die Reliquien sowie 3 Kreuze, 9 Glocken und 9 Bücher nach Zürich in Sicherheit. Mitte 13. Jahrhundert wurde der als Kantor wirkende Chorherr Konrad von Mure als Schriftsteller bekannt; er hatte in Paris studiert und dort eine juristische Pergamenthandschrift gekauft, die heute noch in der Zentralbibliothek Zürich (Ms. Car. C 151) vorhanden ist.

Die überlieferten Statutenbücher des Stifts, angelegt im Jahr 1346, enthalten auch die Vorschriften über die Rechte, Pflichten und Einkünfte des Bibliothekars (Librarius genannt). Er hatte die Bücher des Stifts, die zum Stiftsschatz gehörten, sorgfältig zu verwahren, für Pflege und Reparaturen zu sorgen und Ausleihen gegen eine schriftliche Quittung zu überwachen. Ausleihen nach auswärts (extra muros) brauchten die Zustimmung des Kapitels. Der Propst musste jährlich den Buchbestand zusammen mit zwei Chorherren überprüfen; für fehlende Bücher haftete der Librarius persönlich.[2]

Der vielseitig schriftstellerisch tätige Chorherr Felix Hemmerlin, der sein Doktorat in Rechtswissenschaften in Bologna erworben hatte und in Zürich die grösste Privatbibliothek nördlich der Alpen sein eigen nannte, hat viele der noch vorhandenen Handschriften des Stifts mit Notizen und oft mit seinem Namenszug versehen. Seine eigene Bibliothek wurde nach seiner Gefangensetzung in alle Winde zerstreut. - Weitere mittelalterliche Handschriften stammen aus dem Besitz des Chorherrn Jacobus de Cham (1446-1496), der als Jurist an der Universität Pavia doktoriert hatte, Kaplan des Herzogs Galeazzo Sforza von Mailand gewesen und von 1473 bis 1494 Propst des Grossmünsters war. Zwei Bände Jurisprudenz in Papier-Handschriften, in Zürich eingebunden, stammen aus seinem Besitz. - Zu Lebzeiten verkaufte Peter Numagen, der humanistisch interessierte Kaplan zu St. Leonhard, seine gut dotierte Bibliothek an das Stift, welches zu Gunsten seiner unehelichen Tochter eine Schuldverschreibung ausstellte, die im Jahre 1551 noch nicht abbezahlt war. - Der Chorherr Johannes Mantz (+1518) vergabte seine etwa 60 Bücher an die Stiftsbibliothek, und sein Bruder Caspar vollzog das Legat 1519.

Ein prominenter Benutzer der Bibliothek war der Freiburger Ritter, Notar und Staatsmann Peter Falck, der vor Antritt seiner zweiten Reise nach Jerusalem 1519 das Stift besucht hat. Von Propst Frey erhielt er die Erlaubnis, die Sammelhandschrift (heute Zentralbibliothek Zürich Ms. Car. C 58) zu benutzen, welche die Reisebeschreibungen des Aachener Theologie-Professors Guillelmus Textor (Zewer) ins heilige Land, sowie jene des Bernhard von Breidenbach, geschrieben von Textors Adoptivsohn Peter Numagen im Jahr 1491 enthalten.

In den Wirren der Reformation gingen vor allem die liturgischen Pergamenthandschriften verloren, und Buchbesitz von Kirchen und Klöstern in Stadt und Land zerstreute sich. Nach Zwinglis Tod wurde die Stiftsbibliothek neu gegründet. Das Stift kaufte dessen Bibliothek aus den Händen seiner Witwe. Conrad Pellikan erstellte als Bibliothekar von 1532 bis 1551 einen Katalog, in welchen er die noch vorhandenen Bücher der mittelalterlichen Stiftsbibliothek und die seitherigen Neuzugänge eingetragen hat. Die mittelalterliche und frühneuzeitliche Stiftsbibliothek konnte anhand von Konrad Pellikans Katalog von 1531/1552 rekonstruiert werden und ist zum grössten Teil in der Zentralbibliothek Zürich erhalten.[3]

  1. Jean-Pierre Bodmer, Martin Germann: Kantonsbibliothek Zürich 1835-1915, zwischen Bibliothek des Chorherrenstifts Grossmünster und Zentralbibliothek, Ausstellungskatalog, Zentralbibliothek, Zürich 1985; 116 S., ill.; ISBN 978-3-299-00006-3.
  2. Die Statutenbücher der Propstei St. Felix und Regula (Grossmünster) zu Zürich, hrsg. von Dietrich Walo Hermann Schwarz; Verlag Schulthess, Zürich 1952; LXXXI, 400 S., mit Tafeln, bes. S. 42.
  3. Martin Germann: Die reformierte Stiftsbibliothek am Großmünster Zürich im 16. Jahrhundert und die Anfänge der neuzeitlichen Bibliographie, mit Edition des Bibliothekskataloges von 1532/1551 von Conrad Pellikan; Verlag Harrassowitz, Wiesbaden 1994; xiii, 413 S., ill. (Beiträge zum Buch- und Bibliothekswesen, 34); ISBN 978-3-447-03482-3.