Benutzer:Mbdortmund/Epiphanie (Joyce)

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Im Werk des Schriftstellers James Joyce ist die Epiphanie ein Stilmittel und ein zentrales Element, insbesondere im Frühwerk. Die Epiphanien seien in seinen eigenen Worten die „zerbrechlichsten und flüchtigsten aller Momente“, „oberste Qualität der Schönheit“, global und universell, [1] nach Ellmann umschreibbar als „Offenbarung der Washeit eines Dinges“.

Die Epiphanie findet statt in dem Augenblick, in dem ein Gegenstand seine Ganzheit, Symmetrie und Ausstrahlung (integritas, consonantia, claritas/quidditas) vollbringt, im weiteren Sinne kann der Vorgang oder die Formulierung gemeint sein. Hilfreich ist die Kenntnis der Auffassungen Joyce zur Ästhetik (Thomas von Aquin, mit etwas Anlehnung an Aristoteles). Joyce kann sie etwa im Erblicken eines Dings finden, das dem Ideal nahekommt (Platons Höhlengleichnis). Damit sucht er in seinen Erinnerungen und Schöpfungen Eindrücke, die Einzelnen immer entstanden sind, und den Leser zum persönlichen Wiedererkennen einladen. [2]

In ihrer Plötzlichkeit deckt sie auch oft schwer fassbare innere Regungen der Figuren auf. Meist melancholisch vorgetragen, kann sie verbunden sein mit einer plötzlichen Kontext- oder Bedeutungsverschiebung fester Zusammenhänge: In „Die Toten“ erkennt ein Mann mittleren Alters, dass seine Gattin ihn niemals wirklich geliebt hat, in „Arabia“ wird dem jugendlichen Helden klar, dass er ein „Schwindelmeier“ (mehr in der Fantasie als der Wirklichkeit Lebender) ist. Selbst bei leblosen Objekten und gewöhnlichsten Gegenständen:

„Unter einer Epiphanie verstand er eine jähe geistige Manifestation, entweder in der Vulgarität von Rede oder Geste, oder in einer denkwürdigen Phase des Geistes selber. […] Dies ist der Moment, den ich Epiphanie nenne. Zunächst erkennen wir, daß der Gegenstand ein integrales Ding ist, dann erkennen wir, daß er eine organisierte zusammengesetzte Struktur ist, faktisch ein Ding: schließlich, wenn die Beziehung der Teile vollkommen ist, wenn die Teile auf den einen fixen Punkt eingestellt sind, erkennen wir, daß er das Ding ist, welches er ist. Seine Seele, seine Washeit, springt uns an aus dem Gewand seiner Erscheinung.“

James Joyce: Stephen der Held, Seite 224 ff. [3]

Von 1900 bis 1903 sammelte Joyce 71 skizzenhafte Epiphanien, von denen 40 in Manuskripten bei der Cornell-Universität und der Universität von Buffalo in den Vereinigten Staaten erhalten geblieben sind. Richard Ellmann, A. Walton Litz und John Whittier-Ferguson veröffentlichten diese in James Joyce: Poems and Shorter Writings (Faber and Faber 1991).

Gleichwohl ist schon zu dieser Zeit eine gewisse ironische Distanz des Schriftstellers zu seinen Prämissen erkennbar. Den Begriff fand Joyce im Jahre 1900, gemeint durchaus als Aneignung der Theophanie, dazu Richard Ellmann:

„[…Der Künstler] müsse nach ihnen Ausschau halten, nicht unter den Göttern, sondern unter den Menschen, in zufälligen, belanglosen, unauffälligen, ja sogar unangenehmen Augenblicken. […] Manchmal lesen sie sich wie Botschaften einer unvertrauten Sprache; ihr Glanz liegt in ihrer eigenartigen Kahlheit, in ihrer kompromißlosen Ablehnung aller Kunstgriffe, die zu ihrer unmittelbaren Klarheit führen könnten. Andere wieder sind absichtlich unverschlüsselt und lyrisch gerichtet. […] Alltägliche Bemerkungen kontrastiert er sauber mit einer seltsamen, traumhaften Unbestimmtheit der Person und des Ortes […]“

Richard Ellmann: James Joyce: Biographie, ausführlich ab Seite 141

Ellmann führt den finalen Absatz des Porträt als Epiphanie an. Im Dublin dieser Tage sei zudem viel über Träume gesprochen worden.

In der modernen Psychologie ist das Déjà-vu, Erinnerungstäuschung, ein Begriff. Mit Übertragung seiner Auffassungen wurde auch die Madeleine („Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“, 1913-1927) von Marcel Proust schon so genannt: etwas, das Erinnerungen ins Rollen bringt. Antoine Roquentin überkommt Der Ekel in Jean-Paul Sartres gleichnamigen Roman (1938) beim Anblick einer Wurzel - für ihn steht zwischen Existenz und Funktion der Wurzel eine absurde Kluft. [4]

„Glanz und Geheimnis der Kunst können in der Spannung zwischen der Erscheinung und der Realität liegen, oder, genauer, zwischen dem gegenständlichen Stoff und dem, was daraus gemacht wird. Die Ansicht, daß der Stoff als solcher lehrreich sein sollte, hält sich weiter, vor allem, weil sich den meisten Menschen eine moralische Standardantwort eher mitteilt als ein genuiner ästhetischer Taumel.“

Anthony Burgess: Joyce für Jedermann, Seite 39, zur Epiphanie Seite 38 f.

Bemerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Stephen der Held, Seite 224 f.
  2. Andeutungsweise z. B. Ulysses, S. 56
  3. Kursivschrift im Original
  4. Jean-Paul Sartre: Der Ekel. Seite 146 f., dt. von Uli Aumüller, 45. Auflage, Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1982, ISBN 3-499-10581-0

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Joyce, James Joyce, James