Benutzer:Otfried Lieberknecht/28

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Ein Zahlzeichen ist ein Zeichen, dem als Bedeutung eine Zahl zugeordnet ist, und das als Element eines Zahlzeichensystems für die Darstellung von Zahlen eingesetzt wird.

In Hinsicht auf das Zeichenmedium bezieht sich der Begriff in erster Linie auf geschriebene (einschließlich geritzter, gekerbter, in Ton oder anderes Material gestempelter) Zahlzeichen, aber auch auf die Finger der Hand und andere Objekte wie Steine, Muscheln oder Knoten, sofern sie für die Darstellung von Zahlen verwendet werden. Eine Sonderklasse als sprachliche Zahlzeichen bilden die Zahlwörter der natürlichen Sprachen.

Zahlzeichen dienen der Vergegenwärtigung, Kommunikation und kurzfristigen oder langfristigen Speicherung von Zahlen, bei entsprechend geeigneten Systemen auch der zeichenbasierte Ausführung arithmetischer Operationen. Sie sind, auch als schriftliche Zahlzeichen, nicht an die Beherrschung eines Systems für die Verschriftfung lautsprachlicher Äußerungen gebunden, setzen aber mindestens elementare Fähigkeiten des Zählens und der arithmetischen Zerlegung von Zahlen voraus und unterstützen zugleich die Entwicklung solcher Fähigkeiten.

Zeichenbegriff und Zeichensystem

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Wie alle Zeichen sind auch Zahlzeichen charakterisiert durch einen physisch (visuell, akustisch, taktil) wahrnehmbaren oder zumindest als physisch wahrnehmbar vorgestellten Zeichenkörper, der als Signifikant fungiert, und dem als Bedeutung ein mentales Konzept, im Fall der Zahlzeichen das abstrakte Konzept einer bestimmten Zahl, beispielsweise einer von anderen Eigenschaften zählbarer Entitäten abstrahierende Anzahl, zugeordnet ist. In ihrer Funktionsweise und Bedeutung sind Zahlzeichen geregelt durch ein Zahlzeichensystem, das seinerseits je nach Art dieser Zeichen in ein übergreifendes, Sprach- oder Schriftsystem integriert sein kann, aber in seiner Grundstruktur auch davon unabhängig existieren oder in andere übergreifende Systeme dieser Art übertragen werden kann. Ein solches Zahlzeichensystem umfaßt:

  • Ein Grundinventar von mindestens zwei in ihrer Form unterscheidbaren elementaren Einzelzeichen, die als kleinste bedeutungstragende Elmente des Systems fungieren und ungleichen Grundwerten zugeordnet sind. Es handelt sich um das Inventar derjenigen Einzelzeichen, die einzeln, miteinander verknüpft und ggf. auch in additiver Zeichenwiederholung für die Darstellung von Zahlen zur Verfügung stehen, zum Beispiel bei den römischen Zahlen in der heute gebräuchlichen Form das Inventar {I, V, X, L, C, D, M}, und ist nicht zu verwechseln mit dem Inventar derjenigen numerischen Ausdrücke, die aus ihnen gebildet werden können, und das im Ergebnis der Zählreihe der natürlichen Zahlen entspricht (I, II, III, IV, V, VI ...). Zu den elementaren Zahlzeichen des Grundinventars zählt man bei beziffernd-positionellen Systemen auch deren Zeichen für "null", weshalb es erforderlich ist, auch das in der Funktion gleichwertige, bei additiv-positionellen Systemen (Abacus, spätmittelalterliches Linienrechnen, Knotenschrift) übliche Freilassen einer Stelle als eine Art Leerzeichen zu deren Grundinventar zu zählen. Ein Grundinventar mit nur einem einzigen Elementarzeichen entspräche dem monadischen System des einfachen, nur für additive Zeichenwiederholung vorgesehenen Zählzeichens, das nur in einem weiten, auch pränumerische Systeme einschließenden Sinn bereits als Zahlzeichen eingestuft werden kann.
  • Bei entwickelten Systemen oft ein ergänzendes Inventar von Hilfszeichen, die ihrerseits keine Zahlzeichen sind, d.h. alleinig nicht als Bedeutungsträger einer Zahl auftreten können, sondern zum Beispiel zu deren Untergliederung dienen (Komma, Dezimalpunkt), als Operatorzeichen eine mit den Zahlzeichen vorzunehmende arithmetische Operation anzeigen oder diakritische Zeichen sind, d.h. Zeichen, die in Verbindung mit Zahlzeichen deren Wert in einen anderen Wert transformieren. Sprachliche Hilfszeichen dieser Art bei Zahlwörtern sind Partikeln mit zum Beispiel additiver, multiplikativer oder subtraktiver Bedeutung.
  • Ein für die Ökonomisierung der Zahlendarstellung grundlegendes Zahlensystem, das die Zahlen des darzustellenden Zahlenraums, hierbei in erster Linie die natürlichen Zahlen, anhand der Potenzen einer festgelegten Basiszahl in Einheiten aufsteigender Ordnung untergliedert und in dem gegebenen Zahlzeichensystem nicht oder nicht ohne tiefgreifende Änderung der Struktur gegen ein System mit anderer Basis austauschbar ist, in gleicher Form aber auch anderen Zahlzeichensystemen und Zahlzeichensystemen anderen Typs zugrundeliegen kann.
  • Ein Inventar syntaktischer und semantischer Regeln, durch die festgelegt ist, wie die Zeichen des Grundinventars einzeln und kombiniert sowie ggf. auch additiv wiederholt und unter Einbeziehung von Hilfszeichen zu verwenden sind, um jede mit dem gegebenen Zeichensystem darstellbare Zahl in ihrer Zusammensetzung durch die Einheiten des zugrundeliegenden Zahlensystems zu repräsentieren.

Ergänzt wird ein solches System unter Umständen durch weitere Regeln oder Konventionen, die nicht die Funktionsweise und Bedeutung der Zeichen, sondern zum Beispiel deren Lateralisierung (von links nach rechts oder rechts nach links), die Festlegung auf bestimmte Verwendungszusammenhänge und ähnliches betreffen.

Zahlzeichen und Zählzeichen

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Die einfachste Art von Zahlzeichen, von den eigentlichen Zahlzeichen als Zählzeichen zu unterscheiden und als eine Art Vorstufe einzuordnen, ist dann gegeben, wenn eine Menge von Einheiten nach dem Prinzip einer Strichliste durch eine gleiche Menge gleichförmiger Zeichen repräsentiert wird, also z.B. ein Viehbesitzer am Morgen, wenn seine Herde zur Weide geführt wird, für jedes Tier eine Kerbe in ein Kerbholz schneidet oder einen Zählstein in einen Behälter legt, so daß er am Abend bei der Rückkehr der Herde prüfen kann, ob die Herde noch vollzählig ist. Bei Zählzeichen dieser einfachsten Verwendungsweise sind Unterschiede der Form und der Stellung ohne Bedeutung für ihren Wert, der jedesmal der Grundeinheit „eins“ entspricht. Sie ermöglichen die quantitative Erfassung einer Anzahl gezählter Dinge im Verhältnis von 1:1, setzen aber nicht notwendig auch schon die Fähigkeit des Zählens voraus, sondern können auch als ein Hilfsmittel bei Abwesenheit dieser Fähigkeit dienen. Sie repräsentieren in dieser einfachsten Verwendung noch nicht oder nicht erkennbar Zahlen als abstrakte Begriffe, nach dem Prinzip „eins, zwei“, sondern repräsentieren die mit diesen Zeichen „gezählten“ Dinge (z.B. Personen, Tiere, Sachen), nach dem Prinzip „eins, noch eins“, und erfüllen deshalb noch nicht den Begriff von Zahlzeichen im eigentlichen Sinn.

Zählzeichen dieser einfachen Art können jedoch zu Zahlzeichen entwickelt werden, wenn sie auch für die Darstellung von Zahlen unterschiedlicher Größe gruppiert, also etwa Kerbschnitte in Bündeln wie I II III angeordnet oder Rechensteine in unterschiedlicher Zahl nach dem Prinzip . .. ... ausgelegt werden. Es handelt sich dann zunächst nur um additive Verknüpfungen des mehrfach (mindestens einmal) wiederholten Elementarzeichens (Einzelkerbe oder Einzelstein) mit der Bedeutung „eins“, die jedoch, bei entsprechend regelmäßiger Verwendungsweise, ihrerseits als Verknüpfung einer definierten Anzahl von Elementarzeichen jeweils ein eigenes und zusätzliches Zeichen mit einer von „eins“ verschiedenen Bedeutung („zwei“, „drei“) bilden und hierdurch im Verein mit dem einzelenen Elementarzeichen ein Inventar von mehr als einem Zahlzeichen konstituieren.

Die ‚additive‘ Zeichenwiederholung ist eines der wichtigsten Grundprinzipien für Zeichenbildung älterer Zahlzeichenysteme. Davon zu unterscheiden ist das ‚benennende‘ oder ‚beziffernde‘ Prinzip, mit dem Zahlen unterschiedlicher Größe jeweils ein einzelnes eigenes Zeichen (Individualzeichen) zugewiesen wird, um beispielsweise den Zahlwert von Kerbschnitten nach deren Form wie I und X oder den von Rechensteinen nach deren Form, Größe oder Farbe zu unterscheiden, wobei dann solche Zeichen auch ihrerseits wieder für additive Zeichenwiederholung eingesetzt werden können. Das beziffernd-benennend Prinzip liegt insofern letztlich auch bereits der Zuordnungsweise des ersten Elementarzeichens, des einzelnen Steins oder Kerbschnitts, zugrunde, wenn dieses Elementarzeichen nicht mehr nur in der einfachsten Verwendung eine Bedeutung wie „ein Schaf“ hat, sondern ihm innerhalb eines Inventars von mindestens zwei bedeutungsverschiedenen Zeichen die von den gezählten Dingen abstrahierbare Bedeutung „eins“ zugewiesen wird.

Nach beiden Prinzipien lassen sich bereits Inventare distinkter Zahlzeichen mit unterschiedlichem Zahlwert bilden, etwa additiv I, II, III, oder beziffernd-benennend A, B, C. Entscheidend für die Entwicklung von Zählzeichen zu einem System von Zahlzeichen ist jedoch deren Ökonomisierung, damit nicht für jede größere Zahl eine entsprechend größere additive Verknüpfung des Elementarzeichens IIII, IIIII, IIIIII... gebildet oder eine neue Zeichenform D, E, F... eingeführt werden muß, im Ergebnis also die Anzahl der inventarisierten Zeichen nicht ebensogroß sein muß wie die darzustellende Zahl. Erreicht wird dies in allen Zahlzeichensystemen mithilfe eines ‚Zahlensystems‘, das die darzustellenden Zahlen, in erster Linie die Reihe der natürlichen Zahlen, hierarchisiert, indem es sie in Einheiten niederer und höherer Ordnung einteilt, so daß eine einzelne Einheit höherer Ordnung die Anzahl der in ihr enthaltenen Einheiten niederer Ordnung repräsentieren und in der Darstellung an deren Stelle treten kann.

Zahlzeichen und Zahlensystem

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Struktur der Zahlensysteme

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Jedes System von Zahlzeichen beruht, in mehr oder minder entwickelter Form, auf einem Zahlensystem mit einer festgelegten Basiszahl, die von System zu System variieren kann, aber zum Zweck der Ökonomisierung des Zahlzeichensystems jedenfalls größer sein muß als die Grundeinheit 1, also ein Vielfaches dieser Grundeinheit und mindestens von der Größe 2, wenn dieses Vielfache als Einheit höherer Ordnung an die Stelle der in ihr enthaltenen Grundeinheiten treten soll. Da die Grundeinheit 1 sich mathematisch auch als Potenz der Basis mit dem Exponenenten 0 darstellen läßt ( hat unabhängig von der Größe der Basis immer den Wert 1), kann man ein Zahlensystem allgemein in der Weise beschreiben, daß es mit den Potenzen seiner Basis Einheiten aufsteigender Ordnung bildet, nämlich , , , ... . Das Dezimalsystem beispielsweise unterscheidet auf der Basis 10 als Einheiten aufsteigender Ordnung die ‚Einer‘ (), ‚Zehner‘ (), ‚Hunderter‘ () usf., das Duodezimalsystem auf der Basis 12 stattdessen ‚Einer‘ (), ‚Zwölfer‘ (), ‚Einhundervierundvierziger‘ () usf.

Von dieser ‚inter-exponentiellen‘ Dimension oder Makrostruktur eines Zahlensystems, die die Reihe der natürlichen Zahlen exponentiell aufsteigend in Einheiten unterschiedlicher Ordnung gliedert, ist die ‚intra-exponentielle‘ Dimension oder Binnenstruktur der einzelnen Ordnung zu unterscheiden. Eine solche Ordnung, die herkömmlich nach dem Exponenten ihrer Potenz der Basis benannt wird (Ordnung 0, Ordnung 1, usf.) besteht aus der betreffenden Potenz und ihren Vervielfachungen (Hinzufügungen ihres Werts zu sich selbst), die noch nicht die nächsthöhere Potenz ergeben, also aus insgesamt Ein- und Vielfachen der Potenz. So die Ordnung 1 des Dezimalsystems aus , , ... . Speziell in einem Dualsystem mit der Basis 2 enthält dabei jede Ordnung nur die jeweilige Basispotenz selbst, (also einen einzigen ‚Einer‘, oder ‚Zweier‘, oder ‚Vierer‘ usf.), da bereits deren Verzweifachung die nächsthöhere Potenz ergibt. Einige Zahlzeichensysteme mit einer höheren Basis, wie die römischen Zahlzeichen mit der Basis 10 oder die babylonischen mit der Basis 60, verwenden zusätzlich zu ihrer Basis auch noch einen Teiler der Basiszahl als Hilfsbasis (bei den römischen beträgt sie die Hälfte der Basis, bei den babylonischen ein Sechstel), um auch die intra-exponentielle Zählung der Potenzen zu vereinfachen, da mithilfe einer solchen Hilfsbasis H jeweils das H-fache (römisch das Fünffache, babylonisch das Zehnfache) der Potenz zu einer Zwischengröße zusammengefaßt werden kann.

Ein Zahlensystem mit einer Basis B ≥ 2 ermöglicht es, jede natürliche Zahl, die größer ist als die Basis selbst, zur Ökonomisierung ihrer Darstellung in weniger Einheiten zu zerlegen, als sie Grundeinheiten enthält, eben in die Potenzen der Basis, die das Zahlensystem als Einheiten unterschiedlicher Ordnung zur Verfügung stellt, wobei auch schon die Basiszahl selbst als erste Einheit höherer Ordnung B Grundeinheiten in sich zusammenfaßt. Die ökonomischste Zerlegung, die die geringste Anzahl solcher Einheiten ergibt, und die auch alle Zahlzeichensysteme mehr oder minder konsequent anwenden, beginnt mit der Zerlegung (Division) bei der höchsten in der Zahl enthaltenen Potenz und verfährt, wenn ein Rest bleibt, ebenso mit diesem und jedem verbleibenden Rest. Zum Beispiel die Zahl 304 ergibt auf der Basis 10 als in dieser Zahl enthaltene 'Hunderter', 'Zehner' und 'Einer':

(3 × 100) + (0 × 10) + (4 × 1)

Oder die gleiche Zahl zerlegt auf der Basis 2 in deren Potenzen:

(1 × 256) + (0 × 128) + (0 × 64) + (1 × 32) + (1 × 16) + (0 × 8) + (0 × 4) + (0 × 2) + (0 × 1)

Zahlensysteme unterscheiden sich durch die Größe ihrer Basis und ggf. Hilfsbasis und werden danach auch benannt, nämlich mit dem entsprechenden griechischen oder lateinischen Zahlwort als monadisch oder unitär (Basiszahl 1), dyadisch oder dual (Basiszahl 2), triadisch oder ternär (Basis 3), bei Einschluß einer Hilfsbasis mit einer entsprechenden Zahlwortverbindung wie dezimal-quinär (Basis 10, Hilfsbasis 5). Nicht-monadische Zahlensysteme, d.h. alle Zahlensysteme mit einer Basis größer 1, werden auch als polyadische bezeichnet, und nur sie kommen für Zahlzeichensysteme in Betracht. Ein ‚monadisches‘ Zahlensystem kann dagegen mit den Potenzen seiner Basis 1 keine Einheiten höherer Ordnung bilden, deren Wert größer wäre als die Grundeinheit 1 selbst. Mit einem solchen System kann man allenfalls die Funktionsweise einfachster Zählzeichen beschreiben, bei denen nach dem Prinzip "noch eins" das Zeichen für die Grundeinheit additiv wiederholt wird, aber kein weiteres Zeichen und keine Einheit höherer Ordnung zur Verfügung stehen, um die Darstellung zu ökonomisieren. Das Gegenextrem wäre ein Zeichensystem, das für jede Zahl, die größer ist als die Grundeinheit, jeweils ein neues beziffernd-benennendes Zeichen statt einer Regel für die Wiederholung oder Verbindung bereits vorhandener Zeichen einführt. Bei einem solchen System wäre die Basis unendlich oder zumindest stets eins größer als der Umfang des aktuellen Zeicheninventars. Zahlzeichensysteme, die die Darstellung auf der Grundlage eines Zahlensystems öknominisieren, tun dies deshalb immer auf der Grundlage eines Zahlensystems mit einer endlichen Basis > 1, die sich bei den historisch relevanten Zeichensystemen meist in einem überschaubar niedrigzahligen Bereich wie 2, 5, 10, 12 oder 60 bewegt und nur in Ausnahmefällen auch einmal einen Wert wie 100 (in den silbischen Zahlzeichen des indischen Aryabhata-Systems) erreicht.

Die Benennung der Zahlensysteme nach ihrer Basis wird auch auf die damit gebildeten Zahlen übertragen, wenn man etwa von dualen, dezimalen, duodezimalen bzw. von Dual-, Dezimal-, Duodezimalzahlen spricht. Es handelt sich dabei dann nicht um unterschiedliche Zahlenreihen, sondern um, in erster Linie, die Reihe der natürlichen Zahlen, die hierbei aber im Hinblick auf die je spezifische Strukturierung dieser Zahlen anhand der Basispotenzen des jeweiligen Zahlensystems als dual, dezimal, duodezimal usw. bezeichnet werden. Im allgemeinen und auch im fachlichen Sprachgebrauch ist zudem mit solchen Benennungen von Zahlen und Zahlensystemen unter Vernachlässigung des Unterschieds zwischen Zahlen- und Darstellungssystem oft auch bereits ein bestimmtes Darstellungssystem, nämlich das beziffernd-positionelle gemeint, das für Zahlen beliebiger Größe nur ein Inventar von B-1 Zeichen sowie, bei schriftlicher Darstellung, zusätzlich ein Leerzeichen wie die 0 benötigt. Der Sache nach sind jedoch Zahlensystem und System der Darstellung zu unterscheiden. Jedes Zahlensystem außer dem monadischen läßt sich prinzipiell mit verschiedenen Arten von Zahlzeichen und Zahlzeichensystemen verwenden, mit additiven ebenso wie mit positionellen, von denen das beziffernd-positionelle lediglich das jeweils ökonomischste und deshalb für technische Zwecke letztlich einzige noch interessierende ist.

Struktur der Zahlzeichensysteme

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Jeder Darstellung einer Zahl mit Zahlzeichen, die auf der Grundlage eines Zahlensystems ökonomisiert sind, liegt eine Zerlegung dieser Zahl in die Potenzen der Basis dieses Zahlensystems zugrunde, indem sie angibt, welche Potenzen der Basis, angefangen bei der höchsten, in der Zahl enthalten sind (inter-exponentielle Dimension), und wie oft sie in ihr enthalten sind (intra-exponentielle Dimension), wobei für letzteres zusätzlich auch eine Hilfsbasis eingesetzt werden kann.

In der Organisationsweise dieser Darstellung sind Zahlzeichensysteme allgemein danach zu unterscheiden, ob sie für jede Potenz bereits den vollen Wert, also das Produkt aus dem Wert der Potenz und ihrer Häufigkeit angeben, oder ob sie nur die Häufigkeit der Potenz mit Zeichen, den damit zu multiplizierenden Wert der Potenz hingegen durch die Position der Zeichen ausdrücken. Im ersteren Fall nennt man ein Zahleichensystem nicht-positionell oder ‚additiv‘, weil sich der Gesamtwert bereits aus der Summe aller Einzelangaben ergibt, im letzteren Fall nennt man es nicht-additiv oder ‚positionell‘, weil man die Einzelangaben erst anhand ihrer Position mit dem Wert der jeweiligen Potenz mulitplizieren muß, ehe sich die dargestellte Zahl aus der Summe der Produkte ergibt.

Diese Unterscheidung betrifft zunächst nur die Art und Weise, wie ein Zeichensystem sich auf die inter-exponentielle Dimension des zugrundeliegenden Zahlensystems bezieht: positionelle Systeme benötigen keine eigenen Zeichen für die Potenzen der Basis außer der 1, während additive Systeme jede dieser Potenzen mit Zeichen, in der Regel jeweils beziffernd mit einem Individualzeichen, benennen. Für die Strukturbestimmung und -unterscheidung von Zahlzeichensystemen kommt es deshalb zusätzlich auch darauf an, wie sie die intra-exponentielle Darstellung für jede Potenz organisiert.

Additive Systeme

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Bei additiven Systemen, die jede Potenz mit einem eigenen Zeichen benennen, lassen sich für Organisation der intra-exponentiellen Darstellung folgende Typen unterscheiden:

  • Kumulativ: das Zeichen für die Potenz der Basis B wird additiv entsprechend der Häufigkeit der Potenz wiederholt, wobei das Prinzip der Zeichenwiederholungen in einigen Systemen auch anhand einer Hilfsbasis oder subtraktiver Verwendung des Potenzzeichens ökonomisiert werden kann
  • Multiplikativ: das Zeichen für die Potenz wird mit einem anderen Zeichen oder diakritischen Zusatzeichen versehen, um seinen Wert gemäß der Häufigkeit der Potenz zu vervielfachen
  • Beziffernd: nicht nur die Potenz, sondern auch ihre Vervielfachungen gleicher Ordnung werden jeweils mit einem eigenen Zeichen benannt.

In der historischen Praxis werden diese Darstellungsweisen oft miteinander kombiniert, nach der hauptsächlich gebrauchten Darstellungsweise lassen sich aber alle historisch bekannten Zahlzeichensysteme des additiven Typs jeweils als additiv-kumulativ, additiv-multiplikativ oder additiv-beziffernd unterscheiden.

Kumulativ-additiv
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Kumulativ-additive Zahlzeichensysteme benennen jede Potenz des für die Darstellung vorgesehenen Zahlenraums mit einem eigenen Zeichen, das sie dann bei der Darstellung einer Zahl ebensooft kumulativ wiederholen, wie die betreffende Potenz in der Zahl enthalten ist. In einigen Systemen werden hierbei Zeichenwiederholungen anhand einer Hilfsbasis H eingespart, indem H-faches Vorkommen der Potenz unter einem für diese Potenz spezifischen Zeichen zusammengefaßt wird, das bei entsprechend kleiner Hilfsbasis auch seinerseits kumulativ wiederholt werden kann.

Da sich die darzustellende Zahl als Summe der positionsunabhängig feststehenden Werte der Einzelzeichen ergibt, spielt die Anordnung der Zeichen im Prinzip keine Rolle, gewöhnlich werden sie sie bei schriftlicher Verwendung jedoch nach der Größe ihres Wertes geordnet, von links nach rechts, rechts nach links oder oben nach unten, und hierbei gleiche Zeichen zur besseren Übersicht manchmal auch mehrzeilig gruppiert. Bei einer festgelegten Anordnungsweise können Zeichenwiederholungen in einigen Systemen auch dadurch eingespart werden, daß ein oder zwei Zeichen für die Potenz subtraktiv verwendet, nämlich dem Bündelungszeichen für die Hilfsbasis oder dem Zeichen für die nächsthöhere Potenz voran- statt (gemäß der Größenordnung) nachgestellt werden, um anzuzeigen, daß ihr Wert davon abgezogen werden soll, wie es besonders von der römischen Zahlschrift bekannt ist (IV statt IIII, IX statt VIIII, XLII statt XXXXII).

Unter den Zahlschriften die älteste dieses additiv-kumulativen Typs ist die ägyptisch-hieroglyphische. Sie beruht auf der Basis 10 und verwendet jeweils eine eigene Hieroglyphe für die Potenzen bis , so daß mit sechs Zeichen in bis zu neunfacher Wiederholung bereits alle Zahlen von 1 bis 9.999.999 geschrieben werden konnten. Beispiel:

I8
I8
I8
M12
V20
V20
Z1
Z1
Z1
Z1
  = (3 × 100.000) + (1 × 1.000) + (2 × 10) + (4 × 1) = 301.024

Die Zeichen wurden in absteigender Größe ihres Wertes von oben nach unten, links nach rechts oder (dann auch in gespiegelter Ausrichtung der Zeichenform) von rechts nach links angeordnet, wobei letzteres die am meisten gebrauchte Schreibrichtung ist. Mehr als 5 gleiche Zeichen wurden dabei zur besseren Übersicht zwei oder dreizeilig gruppiert (als 3 über 2, 3 über 3, 4 über 3, 4 über 5 oder dreizeilig 3 × 3). Ansatzweise findet sich diese Zahlschrift bereits in Funden aus der Nekropole von Abydos von 3250-3200 v. Chr., in entwickelter Form dann seit frühdynastischer Zeit.[1] Sie diente in der hieroglyphischen Form vorwiegend in monumentalen Inschriften zu repräsentativen Zwecken, erscheint aber auch auf Siegeln, Gewichten und in anderen Verwendungen, für Datums-, Gewichtsangaben und sonstige Quantifizierungen vielerlei Art, während rechnerische oder mathematische Anwendungen im wesentlichen erst in der kursiven Adaptierung dieser Zeichen durch die hieratische Zahlschrift erscheinen, die durch Zusammenziehung der Zeichenwiederholung zur Herausbildung eines neuen, beziffernd-positionellen Zeichensystems führte.[2]

Multiplikativ-additiv
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Beziffernd-additiv
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Positionelle Systeme

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Additiv-positionell
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Beziffernd-positionell
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Einzelnachweise

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  1. Chrysomalis 2010, S. 37f.; Ludwig D. Morenz, Bildbuchstaben und symbolische Zeichen. Die Herausbildung der Schrift in der hohen Kultur Ägyptens (= Orbis Biblicus et Orientalis, 205), Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2004, S. 50ff.
  2. Chrysomalis 2010, S. 40