Benutzer:Schlizch/Domestizierter Silberfuchs

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Lyudmila Trut mit einem domestizierten Silberfuchs, 1974

Der domestizierte Silberfuchs ist eine melanistische Art des Rotfuchses, welcher unter Laborbedingungen gezähmt und sozialisiert wurde. Domestizierte Silberfüchse sind das Ergebnis eines Experiments, welches die Möglichkeiten selektiver Zucht eine Spezies zu verändern demonstrieren sollte, wie es von Charles Darwin in Über die Entstehung der Arten beschrieben wurde.[1] Das Experiment wurde am Institut für Zytologie und Genetik in Novosibirsk, Sibirien durchgeführt und sollte erforschen, ob die Selektion nach Verhaltensweise statt Morphologie der Vorgang war, aus dem sich einst Hunde aus Wölfen entwickelten. Hierzu wurden die Verhaltensmuster der Tiere über mehrere Generationen hinweg beobachtet, nur die zahmsten Füchse durften sich vermehren. Viele der Nachfahren dieser Füchse zeigten nicht nur Verhaltensmuster ähnlich zu dem von Hunden, sie begannen auch ähnliche Merkmale, wie gesprenkeltes Fell zu entwickeln.[2][3]

2019 hat ein internationales Forscherteam das Ergebnis dieses Experiments untersucht und die Existenz eines sogenannten Domestizierungssyndroms bestärkt, welches Merkmale wie besondere Fell-Farben, ein kleineres Gehirn und eine kürzere Schnauze zusammenfasst.[1][2]

Vorraussetzung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ein Thema, das Dimitri Beljajew faszinierte, war die Frage, wie eine so bemerkenswerte Vielfalt an Hunderassen aus den Wolf-Vorfahren des Haushundes entstanden war. Wie andere Wissenschaftler konnte er nicht herausfinden, welcher Mechanismus für die Unterschiede in Anatomie, Physiologie und Verhalten verantwortlich sein könnte, die bei Hunden offensichtlich waren. Dennoch war er zuversichtlich, dass die Antwort in den Prinzipien der Mendelschen Vererbung lag.[3]

Es wurde erkannt, dass sich domestizierte Tiere in mehrfacher Hinsicht von ihren wilden Gegenstücken unterscheiden. Beljajew glaubte, dass viele domestizierte Tiere eine Reihe von phänotypischen Merkmalen gemeinsam hatten. Diese Hypothese wird als Domestikationssyndrom bezeichnet, deren Existenz wurde zuletzt 2019 in Frage gestellt.

Es war unbekannt, welches Selektionsprinzip die neolithischen Bauern geleitet hatte, die diese Arten vor Tausenden von Jahren zum ersten Mal domestiziert hatten. Beljajews Hypothese lautete: "Alle domestizierten Arten wurden nach einem einzigen Kriterium ausgewählt: Zahmheit." Beljajew theoretisierte weiter, dass dieses Attribut "die meisten anderen Merkmale, die Haustiere von ihren wilden Vorfahren unterscheiden, wie schlaffe Ohren, weiße Flecken im Fell und Veränderungen der Schädelform, mit sich gezogen hat". Mit anderen Worten: Beljajew stellte die Hypothese auf, dass die anatomischen und physiologischen Veränderungen bei domestizierten Tieren das Ergebnis einer Selektion auf der Grundlage von Verhaltensmerkmalen gewesen sein könnten. Insbesondere glaubte er, dass Zahmheit der entscheidende Faktor sei.

In wissenschaftlicher Hinsicht war Beljajews Verdacht, die Domestizierung werde durch einen Prozess der destabilisierenden Selektion beherrscht, der die Mechanismen der ontogenetischen neuroendokrinen Kontrolle entweder direkt oder indirekt als Reaktion auf das Auftreten eines Stressfaktors beeinflusst. Zudem sei der Schlüsselfaktor der Domestizierung, die bei vielen Arten auffallend ähnliche Ergebnisse hervorbringt, die Selektion nach Zahmheit.

Beljajew fragte sich, ob ein Zuchtprogramm, welches die Selektion auf Zahmheit und gegen Aggression beinhaltete, zu hormonellen und neurochemischen Veränderungen führen würde, da das Verhalten letztendlich aus der Biologie hervorging. Diese hormonellen und chemischen Veränderungen könnten dann in die Anatomie und Physiologie einbezogen werden. Es könnte sein, dass die amatomischen Unterschiede bei domestizierten Hunden auf die genetischen Veränderungen zurückzuführen sind, die dem von ihnen ausgewählten Verhaltenstemperament zugrunde lagen (Zahmheit und geringe Aggression). Er glaubte, diese Fragen zur Domestizierung untersuchen zu können, indem er versuchte, wilde Füchse zu domestizieren. Er beschloss, den Silberfuchs zu untersuchen und zu beobachten, wie die Füchse auf selektiven Druck zu zahmen Verhalten reagierten.

Beljajew wählte den Silberfuchs für sein Experiment, weil es ein soziales Tier sei und mit dem Hund verwandt wäre. Der Silberfuchs war jedoch noch nie domestiziert worden. Beljajew entwarf ein selektives Zuchtprogramm für die Füchse, das einen einzigen Hauptfaktor reproduzieren sollte, nämlich einen starken Selektionsdruck für die Zähmbarkeit. Dieses Zuchtexperiment würde im Mittelpunkt der letzten 26 Jahre von Beljajew Leben stehen.

Domestizierung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Füchse waren schwer zu domestizieren, sie würden sich nicht in Käfigen fortpflanzen. 1884 wurde in Prince Edward Island ein Domestizierungsprogramm gestartet, das letztendlich erfolgreich war. Bis 1887 hatte dieses Programm eine Fuchszuchtfarm gegründet, die sich als erfolgreich erwies. Fünfzig Jahre später verkauften sich diese inländischen Füchse für 30.000 US-Dollar (667.000 US-Dollar im Jahr 2020), was die Schwierigkeit zeigt, eine erfolgreiche Zucht in Gefangenschaft zu etablieren. Beljajew selbst konnte keine in Gefangenschaft lebende Brutpopulation von Flussottern aufbauen, die nicht an Menschen gewöhnt waren. Nur wenige wurden erfolgreich in Gefangenschaft gezüchtet und der Versuch wurde abgebrochen.

So leitete Beljajew nicht die Domestizierung des Polarfuchses ein, sondern begann mit der wissenschaftlichen Dokumentation des Prozesses, als er 66 Jahre alt war. Die Domestizierung war gut dokumentiert und befriedigte Beljajew Wunsch, den Domestizierungsprozess von Anfang an bei einer bestimmten Art zu verstehen.

Das Experiment[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Lyudmila Trut war eine Absolventin, die als Leiterin des Programms ausgewählt wurde, und 1952 begann die zahmsten Füchse von Pelzfarmen zu sammeln. Sie begannen mit 30 männlichen und 100 weiblichen Wüchsen, die meisten von ihnen von einer kommerziellen Pelzfarm in Estland. Von Anfang an wählte Beljajew Füchse nur wegen ihrer Zahmheit, so dass nur ein winziger Prozentsatz männlicher Nachkommen und ein etwas größerer Prozentsatz weiblicher Nachkommen brüten konnten. Die Füchse wurden nicht ausgebildet, um sicherzustellen, dass ihre Zahmheit auf genetische Selektion und nicht auf Umwelteinflüsse zurückzuführen ist. Aus dem gleichen Grund verbrachten sie den größten Teil ihres Lebens in Käfigen und durften nur kurze Begegnungen mit Menschen führen.

Belyayev legte strenge Richtlinien für das Zuchtprogramm fest. Ab einem Monat und jeden Monat im Säuglingsalter wurden die Füchse auf ihre Reaktionen an einem wissenschaftlichen Mitarbeiter getestet. Dieser Forscher versuchte den Fuchs zu streicheln, während er ihm Futter anbot. Darüber hinaus stellten die Forscher fest, ob die Füchse es vorzogen, Zeit mit anderen Füchsen oder mit Menschen zu verbringen. Nachdem der Fuchs im Alter von sieben bis acht Monaten die Geschlechtsreife erreicht hatte, wurde dieser Test zum letzten mal durchgeführt. Anhand dessen wurde ein Gesamtwert errechnet, in den Faktoren einflosse, wie die Tendenz sich einem Menschen zu nähern oder diesen, beim Versuch das Tier zu streicheln, zu beißen.

Ergebnisse[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1978 berichtete Beljajew auf einem Einladungsvortrag auf dem 14. Internationalen Kongress für Genetik in Moskau über die Arten von Veränderungen, die Beljajew und Trut bei den gezähmten Füchsen beobachteten. Bereits in der zweiten Generation ab 1959 stieg der sogenannte Zahmheitswert der ausgewählten Population mit jeder Generation weiter an. Schwanzwedeln wurde bei einem männlichen Fuchs in der vierten Generation (1963) beobachtet. Bereits 1962 begannen Veränderungen im Fortpflanzungsverhalten der Tiere. Sie fanden heraus, dass einige der zahmen Füchse bereits von Oktober bis November Anzeichen eines Sexualzylkus zeigten, im Gegensatz zur normalen Zeit von Januar bis März. 1972 kamen einige Frauen in der Zeit von Oktober bis November in den Östrus. Die Männchen waren jedoch nicht bereit zur Paarung. 1976 paarten sich die zahmsten Weibchen bereits am 20. Dezember. Einige der Weibchen gebar und paarten sich dann von März bis April erneut. In der 10. Generation (1969) traten bei einem weiblichen Welpen Schlappohren sowie bei anderen zahmen Welpen eine scheckige Färbung auf, die aus weißen und braunen Flecken auf Bauch, Schwanz und Pfoten bestand. Ein kleiner weißer Sternfleck erschien auch in der 10. Generation in der Mitte der Stirn eines Welpen. Andere korrelierte Veränderungen bei den von Beljajew verzeichneten domestizierten Füchsen waren ein verkürzter Schwanz, eine Verkürzung und Verbreiterung des Schädels und ein über den Rücken gerollter Schwanz.

Bedeutung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach Beljajews Tod[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weitere Forschung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Aktueller Stand[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Famous Fox Domestication Experiment Challenged. In: The Scientist Magazine®. Abgerufen am 6. Januar 2021 (englisch).
  2. The History of Farm Foxes Undermines the Animal Domestication Syndrome.
  3. Jason Goldman: Man's new best friend? A forgotten Russian experiment in fox domestication. Scientific American, 6. September 2010, abgerufen am 23. Mai 2014.