Benutzer:Scialfa/ Willy Jesse

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Willy Jesse (*14. Dezember 1897 in Rostock; † 17. August 1971 in Eutin) war ein deutscher Sozialdemokrat. Als erklärter Antikommunist und Gegner der Vereinigung von KPD und SPD zur SED in der sowjetischen Besatzungszone war er der erste SED-Politiker, der im Sommer 1946 vom NKWD verhaftet und später zu 10 Jahren Zwangsarbeit in der Sowjetunion verurteilt wurde.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Jesse wurde zum Jahresende 1897 in Rostock in einer sozialdemokratisch geprägten Familie geboren. Nach der Volksschule absolvierte Jesse eine Ausbildung zum Maschinenbauer; während dieser Zeit wurde er 1912 Mitglied der SAJ. Im Anschluß an die Lehre begab er sich kurzzeitig auf Wanderschaft, doch bereits 1915 wurde er zum Kriegsdienst einberufen. Im gleichen Jahr trat er in die SPD. Nach Kriegsende kehrte Jesse wieder in seine Heimat zurück.

1920 übernahm er die Funktion des Schriftleiters des SAJ-Mitteilungsblattes für Mecklenburg Jugend-Echo. 1923 wurde Jesse zum Bezirkssekretär des SAJ-Bezirkes Mecklenburg-Lübeck gewählt. Diese Funktion führte dazu, das er ab 1924 auch im Hauptvorstand der SAJ mitarbeitete. Ab 1926 gehörte er auch dem SPD-Bezirksvorstand Mecklenburg-Lübeck an. 1928 wurde Jesse erstmals als Abgeordneter in die Rostocker Stadtverordnetenversammlung gewählt. Nach dem Tod des langjährigen SPD-Bezirksvorsitzenden von Mecklenburg-Lübeck, Wilhelm Kröger, übernahm Jesse 1932 die Leitung des SPD-Bezirks und vertrat diesen auch im Zentralen Parteiausschuss. Bereits im Juni 1932 wurde Jesse als SPD-Abgeordneter in den Landtag von Mecklenburg-Schwerin gewählt. Diesem gehörte er zwar offiziell auch nach der Reichstagwahl vom 5. März 1933 an, durch das Verbot der SPD im Juni 1933 kam sein Mandat aber nicht zum Tragen.

Nachdem Jesse nach ihrer Machtergreifung von den Nationalsozialisten mehrere Wochen in Schutzhaft genommen worden war, begann er, sich eine neue Existenzgrundlage aufzubauen. In der Rostocker Kröpeliner-Tor-Vorstadt eröffnete er ein Lebensmittelgeschäft, welches fortan auch als Tarnung für sein weiteres politisches Wirken diente. Er entwickelte in der Folge Kontakte zu Wilhelm Leuschner und Julius Leber, welcher ihm wiederum über die Aktivitäten des Kreisauer Kreises informierte. Dieser sah ihn nach einem geglückten Attentat auf Hitler als Reichskommissar für Mecklenburg vor. Als das Attentat von Stauffenberg am 20. Juli 1944 mißlang, sollte Jesse am 24. Juli 1944im rahmen der Aktion Gitter routinemäßig verhaftet werden, ohne das die Gestapo von Jesses Rolle wußte. bei der Verhaftung konnte Jesse aber fliehen und gelangte zunächst nach Kopenhagen. Von dort wurde er von befreundeten dänischen Genossen ins neutrale Schweden gebracht.

Nach Kriegsende gehörte Jesse zu den ersten sozialdemokratischen Emigranten, die nach Deutschland zurückkehrten. Entgegen dem rat Kurt Schuhmachers kehrte er in seine Heimatstadt zurück, die nunmehr in der sowjetischen Besatzungszone lag. Dort mußte er feststellen, das die politische Arbeit der SPD vor allem von der sowjetischen Besatzungsmacht zunehmend behindert wurde und sie ihr genehme Politiker in die Landesleitung der SPD eingesetzt hatte. So war der Schweriner Parteikollege Carl Moltmann bereits als SPD-Landesvorsitzender ernannt worden. Jesse stellte sich trotzdem der Partei zur Verfügung und wurde 2. SPD-Landesvorsitzender und Landesgeschäftsführer. Nachdem ab Herbst 1945 der Druck auf die SPD immer größer wurde, sich mit der KPD zu vereinigen, gehörte Jesse zusammen mit Albert Schulz zu den größten Kritikern innerhalb der mecklenburgischen SPD gegen diese Vereinnahmung. Bei illegalen Treffen mit Kurt Schumacher holte sich Jesse dabei immer wieder moralische Unterstützung und wurde darin bestärkt, solange wie möglich in seinen Ämtern zu bleiben.

Nach der dennoch erfolgten Gründung der SED fuhr Jesse eine neue Linie. Er wollte nunmehr die zahlenmäßige Stärke der ehemaligen SPD-Mitglieder nutzen, um die politische Linie der SED im sozialdemokratischen Sinne zu beeinflussen. Um diesen Einfluss zu wahren ließ er sich zum paritätischen Landessekretär des SED-Landesverbandes Mecklenburg wählen. Gleichzeitig wurde er auf dem Vereinigungsparteitag als einer von 5 Vertretern Mecklenburgs, davon drei ehemaligen Sozialdemokraten, in den Parteivorstand der SED gewählt und gehörte unter den ehemaligen Sozialdemokraten zu den wenigen Antikommunisten.

Sept. 1945 Rückkehr nach Rostock; Landessekr. u. stellv. Vors. der SPD Mecklenb., dann parität. Landessekr. der SED Mecklenb.; Juli 1946 vom NKWD verhaftet u. bis 1950 in der zentralen U-Haftanstalt des MFS in Berlin-Hohenschönhausen ohne Anklage u. Urteil in Haft; 1950 per Fernurteil in der UdSSR zu zehn Jahren Zwangsarbeit verurteilt u. bei absoluter Kontaktsperre in das Strafgefangenenlager Taischet (Baikalsee) deportiert; 1953 amnestiert u. in die Bundesrep. Dtl. entlassen; bis 1964 Ltr. der Abt. Betriebsgr.-Arbeit beim SPD-PV in Bonn u. Red. der Ztschr. »Arbeit u. Freiheit«; Suizid. Das Schicksal von W. J. blieb über mehrere Jahre ungeklärt; er war der erste prominente SED-Funktionär, der auf diese Weise »verschwand«; Wilhelm Pieck rechtfertigte seine Verhaftung später mit dem Vorwurf angebl. Spionage für einen brit. Geheimdienst.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Sozialdemokratische Partei Deutschlands (Hrsg.): Der Freiheit verpflichtet. Gedenkbuch der deutschen Sozialdemokratie im 20. Jahrhundert. Schüren, Marburg 2000, ISBN 3-89472-173-1, S. 158 f.
  • Sek.-Lit.: Bouvier, B.: Ausgeschaltet! Sozialdemokraten in der SBZ u. in der DDR 1945 – 1953. Bonn 1996.

BeB