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Inklusionisten / Exklusionisten


„schöpfung als erfolg reichen probierens, das dokumentiert werden kann. auch kunst geht nicht aus einem nichts hervor, sondern aus einem repertoire, und die serie, an deren ende schließlich das veröffentlichte werk erscheint, verdeutlicht den sichtbarlichen teil dieses repertoirs.“

Max Bense über den Künstler Georg Karl Pfahler[1]


"Richtige" Menschen prallen auf "wahre" Menschen. Eine Typologie

Inklusionisten wollen einfach alles in der Wikipedia sehen: vom Sternchen am Pop-Himmel bis zum Denkmal für den unbekannten Soldaten in Hintertupfingen. Egal, was mich interessiert: Wikipedia soll die Antwort geben können! Exklusionisten hingegen vergleichen die Wikipedia mit dem Brockhaus: entsprechend soll nur "Würdiges" mit einem Platz in der Wikipedia geadelt werden!

Im Persönlichkeitsmodell von Gunter Dueck (vgl. Omnisophie) gibt es richtige, wahre und natürliche Menschen. Für richtige Menschen (das sind die meisten) sind Regeln wichtig; sie streben vor allem nach Status in einer Hierarchie. Die wahren Menschen sind die Intuitiven, die ihr Leben gern einem höheren Ideal widmen. Die natürlichen Menschen die, die sich eher spontan von ihrem Körper leiten lassen. In seinem Buch Omnisophie beschreibt Dueck anschaulich-amüsant, wie diese drei Seinsweisen jeweils der Arbeitsweise des Computers, des neuronalen Netzes bzw. des Sensorsystems entsprechen. Überzeugend beschreibt Dueck, wie diese Persönlichkeits-Typen für den jeweils anderen Typ nur Unverständnis übrig haben, wie sie im Leben unversöhnlich aufeinanderprallen.

Mir scheint, Inklusionisten haben viel von den "wahren Menschen". Sie leben heute schon in Gedanken in der Zukunft: in einer Zukunft, wo Wikipedia alles weiß und alles beschreibt. Was soll's, wenn da heute ein Artikel noch nicht so perfekt ist? Warum sollte sie ein Artikel über einen drittklassigen Pop-Sänger stören? Er ist Teil der realen Welt, also soll er auch Teil der virtuellen sein. Am Ende ist ohnehin alles miteinander vernetzt. In ein paar Jahren werden wir alle eine Brille tragen, auf der sofort der Wikipedia-Artikel des Menschen eingeblendet wird, wenn wir ihn nur ansehen. Je mehr Menschen sich für diese Vision engagieren, um so besser. Wenn Autoren heute Artikel über Pop-Sänger oder Charaktere in Computer-Spielen schreiben: morgen werden sie dafür vielleicht bei Wirtschafts- oder Politikthemen mitmischen. Die Bewegung ist es, die zählt!

Den Exklusionisten hingegen könnte man mit dem "richtigen Menschen" vergleichen. Er will Wikipedia besonders "wertvoll" halten, indem er - in seinem Augen - unwürdige Aspekte außen vor halten will. Weil? Weil er sich als ein Teil von Wikipedia wahrnimmt. Er kämpft - ähnlich einem Soldaten - für Wikipedia. Entsprechend steht und fällt auch seine Ehre mit der von Wikipedia. Ein unfertiger Artikel oder ein Artikel über ein unwürdiges Thema schmerzt diesen Menschen bis ins Mark. Denn er befleckt ja auch den eigenen Artikel, an dem er selbst mitgewirkt hat und der ja nur einen Mausklick entfernt daneben steht!

Vorschlag zur friedlichen Koexistenz

Sollte es in der Tat nicht möglich sein, dass diese beiden Typen von Wikipedianern friedlich koexistieren? Exklusionisten argumentieren z.B., dass die vorhandenen Administratoren nicht für den Administrationsaufwand bei unzähligen (gemeint sind: drittklassigen) Artikeln genügen. Dahinter steht wohl die Sorge um Vandalismus und Qualitätstandards. Was aber, wenn man die Spielregeln entsprechend änderte? Divide et Impera! hieß es bei den Römern:

  1. Was, wenn jeder Artikel - sagen wir, nach 6 Monaten - mindestens drei "fachliche Mentoren" vorweisen können müsste? Was, wenn der Artikel ansonsten in eine Kategorie "verweiste Artikel" verschoben und z.B. nur noch weiß auf grauem Grund angezeigt würde? Die Mentoren eines Artikels würden auf der Artikelseite ausgewiesen, damit sich der Leser im Bedarfsfall an sie wenden könnte. Um welche Artikel wiederum sich ein Wikipedianer als "fachlicher Mentor" kümmert, würde auf seiner Benutzerseite ausgewiesen - damit sich der Leser ein Bild vom Profil des Wikipedianers machen könnte. Verantwortlichkeit würde transparent. Drittklassige Artikel würden durch die deutliche Abgrenzung dem Renommee von Wikipedia als Ganzem nicht mehr unmittelbar schaden. Der Status und der Ruf eines exklusionistischen Wikipedianers (wir erinnern uns: ein 'richtiger' Mensch) würde durch die Artikel, die er als fachlicher Mentor betreut, bestimmt und somit unabhängig von Artikeln von zweifelhafter Qualität in der Wikipedia.
  2. Was, wenn Wikipedia-Leser Artikel bewerten würden - z.B. in den Disziplinen 'fachliche Richtigkeit, Vollständigkeit und Ausgewogenheit', 'Verständlichkeit' und 'Form' - und diese Bewertung am Ende eines jeden Artikels angezeigt würde? Die Qualität von Wikipedia-Artikeln würde objektiviert - oder zumindest unabhängiger von den streitenden Autoren.
  3. Was, wenn es Punkte dafür gäbe, wenn aufgrund der eigenen Edits die Qualität eines Artikels in den Augen der Wikipedia-Leser gestiegen wäre? Wenn plötzlich nicht mehr nur die Anzahl der Edits zählte, sondern wenn Wikipedianer solche Verdienstpunkte sammeln würden? Würde das nicht automatisch die Aufmerksamkeit der Wikipedia-Autoren vom Aspekt 'Masse' hin zu 'Qualität' verschieben?

Mit den richtigen Anreizen ließe sich das Qualitätsproblem wohl beherrschen. Was bliebe, ist allerdings die Diskussion darüber, was würdig genug für eine Erwähnung in der Wikipedia ist! Aber ist in dieser Hinsicht nicht die Meinung des einen Benutzers ebenso viel wert wie die Meinung eines anderen? Gibt es eine demokratischere Legitimation für die Relevanz eines Artikels, als wenn er eine Mindestzahl von Mentoren (ob nun 3 oder 30) finden müsste?

Zur Granularität von Wissen: Abschluss oder Genese?

Auf Exklusionisten trifft man auch abseits der Pfade durch Boulevard-Themen und Banalitäten. Zum Beispiel wird die Existenz der Artikel E-Mail-Provider und E-Mail-Konto (= E-Mail-Postfach) infrage gestellt. Die Diskussion (nachzulesen auf den Diskussionseiten der beiden Artikel) überrascht nicht nur durch ihre gravierende Spärlichkeit - immerhin sollte man meinen, dass diese beiden techniknahen Themen für Wikipedianer keine Randthemen darstellen. Brechen Wikipedia die Autoren weg? Die Diskussion erinnert zudem stark an das Rheinische Grundgesetz, Artikel 6: Kenne mer nit, bruche mer nit, fott domet. Denn ein beliebtes Argument ist hier wie in anderen Fällen:

  • Das steht schon in Artikel soundso ("Redundanz") oder
  • Sachverhalt ist nicht belegt ("Theoriefindung").

Selbstverständlich kann jeder dieser Kritikpunkte zutreffen. Doch ist nicht jeder dieser Mängel (meist) behebbar - ...wenn man nur wollte? Die Argumente werden jedoch als Grund dafür angeführt, warum der Artikel zu löschen sei! Fakt ist: alles relativ Neue besitzt naturgemäß weniger Belege (Quellennachweise) als "Bestandswissen". Und Fakt ist auch: Je mehr Wissen zu einem bestimmten Thema (also z.B.: E-Mail oder Internet) man in eine Enzyklopädie einbringt, um so mehr Artikel werden daraus im Lauf der Zeit. Niemand wird beispielsweise alles Wissen rund um das Internet heute in einem einzigen Artikel abhandeln wollen!

Ich mutmaße: der Exklusionist als Leser bevorzugt - trotz dieser Einsicht - tendenziell eher Übersichtsartikel. Dort findet er gewissermaßen alles Wissen übersichtlich und in der richtigen (?) Reihenfolge dargeboten. Auch als Autor bevorzugt der Exklusionist Übersichtsartikel: denn hier bestimmt er die "richtige" Reihenfolge der vielen Wissenshäppchen in dem langen Artikel und welches Wissenshäppchen unter welcher Überschrift vom Leser verzehrt werden soll. Der Exklusionist will Wissen konservieren, er sucht gewissermaßen den endgültigen Abschluss. Ziel ist ein allumfassender, perfekter Artikel - das Kunstwerk! Exklusionistische Autoren treffen sich bei der Arbeit an lesenswerten und exzellenten Artikeln. Mit dem Artikel als Kunstwerk geht allerdings einher, dass der Exklusionist dem Leser im Einzelfall vorschreibt, das Inhaltsverzeichnis eines langen Artikels querzulesen, um einigermaßen zielgerichtet dasjenige Wissenshäppchen finden zu können, das er sucht. Möglicherweise schätzt es der Exklusionist als pädagogisch wertvoll ein, wenn der Leser - nebenbei - mehr liest, als er eigentlich wollte, um zu seinem Ziel zu gelangen.

Der Inklusionist hingegen bevorzugt es, wenn dasselbe Wissen auf mehrere kürzere Artikel verteilt ist. Eine Übersicht sucht der Inklusionist nicht: hat er seine Wissenslandkarte doch - einem neuronalen Netz gleich - intuitiv im Kopf! Als Leser will er seine Wissenslandkarte lediglich an einer bestimmten Stelle lokal erweitern. Er sucht (so wie er auch googelt) nach einem bestimmten Wissens-Bit und erwartet, dass ihm Wikipedia unmittelbar dasjenige Wissenshäppchen präsentiert, das er sucht. Der ganze Rest ist für ihn uninteressant. Einen langen Übersichtsartikel durchforsten zu müssen, hat auf ihn womöglich sogar abschreckende Wirkung. Das, was im Lauf der Zeit noch zusätzlich auf sein Interesse stößt, findet er über Links. Der Inklusionist bewegt sich - gesteuert durch sein Eigeninteresse - selbstbestimmt auf seinen eigenen Pfaden kreuz und quer durch das große Wissensnetz.

Auch als Autor bevorzugt es der Inklusionist, Wissen im Zweifelsfall auf mehrere kürzere Artikel zu verteilen, das Wissen also gewissermaßen gut verdaulich zu portionieren. In einen (u.U. ohnehin schon langen) Artikel ein neues Quäntchen Wissen einzufügen ist leicht, und oft genug ist zu beobachten, dass das neue Quäntchen Wissen mehr oder weniger wahllos eingefügt wird. (Immerhin kann ja auch ein anderer Autor die Struktur im Nachhinein wieder glätten.) Einen neuen Artikel legt man jedoch nicht an, ohne gewisse Überlegungen anzustellen. An der Stelle, an der die Entscheidung über einen neuen Artikel ansteht, sind Wikipedia-Autoren angehalten, sich grundsätzlich Gedanken über die Struktur und das Ausmaß des gesamten Wissenskomplexes zu machen. Das ist gut!

  • Wenn man schon darüber nachdenkt, ob etwas fehlt, dann findet sich oft auch noch mehr Fehlendes![2][3]
  • Vielleicht ist es im ersten Moment tatsächlich nicht mehr als ein Bauchgefühl, das den Autor des neuen Lemmas wissen lässt: der Wissensaspekt hinter dem Schlagwort verdient von der Bedeutung her eine gewisse Eigenständigkeit. Der Autor denkt über "seinen" neuen Artikel nach - beim Autofahren oder auch unter der Dusche. Plötzlich wird deutlich, dass für einen Artikel, der schon lange vor sich her gewuchert ist, eine Neustrukturierung angezeigt ist. Die Abspaltung eines Teils eines Artikels in ein neues Lemma ist ein hervorragender Zeitpunkt für ein Nachdenken über die Organisation des Wissens über ggf. mehrere bereits bestehende Artikel hinweg: was gehört wohin? Es ist wie bei der objektorientierten Analyse: die Welt aus dem Blickwinkel einer neuen Klasse zu betrachten verändert die Perspektive. Und nur wenn man etwas radikal infrage stellt, findet sich auch die Kraft für einen großen Entwicklungsschritt.[4]
  • Mitunter findet, was bisher verstreut war, unter einem neuen Dach zusammen.[5] Das bisher Verteilte findet neuen Sinn durch Eigenständigkeit! Sinn benötigt einen Kristallisationspunkt, der sich manchmal in einem neuen Lemma findet.[6]

Ein neuer Artikel zieht darüber hinaus auch das Interesse anderer Autoren stärker an, als es eine Ergänzung in einem bestehenden Artikel täte. So finden die Wissenshäppchen, die zu dem eigenständigen Wissensaspekt (dem neuen Lemma) gehören, zusammen. Sei es bewusst gelenkt, sei es durch Zufall: das Pflänzchen wächst erst... nach und nach! (Und schließlich stellen sich auch Quellennachweise ein.[7]) Ein Inklusionist ist ein Pionier, er will Neuland erschließen. Dass sich Artikel zwischenzeitlich in einem noch nicht fertigen Zustand befinden, schreckt ihn nicht: auch Rom ist nicht an einem Tag erbaut worden.

Nun, klassische Enzyklopädien kennen beides: den Übersichtsartikel ebenso wie den Detaileintrag. Leisten nicht beide, der Inklusionist wie der Exklusionist bei der Dokumentation von Wissen unverzichtbare Arbeit? Muss nicht beides getan werden? Neuland erschlossen werden und bestehendes Wissen bestmöglich präsentiert werden? Und vergessen wir nicht: beide, der Inklusionist wie der Exklusionist, streben nach Vollständigkeit. Und beide suchen die bestmögliche Struktur für das Wissen. Nur haben eben beide eine ganz unterschiedliche Vorstellung von Struktur...

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. in einem Ausstellungskatalog der Galerie Müller, Stuttgart, zu Georg Karl Pfahler, 1960
  2. Die Besprechung von Alias-Adressen fand beispielsweise erst am 19. Februar 2012, 22:17 Uhr,‎ Eingang in Wikipedia: im Zusammenhang mit dem neuen Artikel E-Mail-Konto.
  3. Eine Besprechung der rechtlichen Aspekte (Telekommunikationsgesetz) oder der eigenen Mail-Domain fand erst 8 Tage nach Erstellung Eingang in den Artikel E-Mail-Provider.
  4. Im Abschnitt Aus der allg. QS in der Diskussion zum neuen Artikel E-Mail-Provider macht Benutzer Welt-der-Form einen Vorschlag zur Wissensorganisation über vier Artikel hinweg:
    • E-Mail: geschichtliche Aspekte, Fragen der Verwendung als Kommunikationsmittel; (Was?)
    • E-Mail-Konto (= E-Mail-Postfach): der Daten-Aspekt ("wo liegen meine Daten?") und der Aspekt des Zugangs zu diesen Daten über die Hauptadresse bzw. Alias-Adressen ("Identität"). Die Funktionsweise von Alias- und Wegwerf-E-Mail-Adressen ebenso wie Sicherheitsaspekte werden hier besonders deutlich; (Wie?)
    • E-Mail-Provider: der Einfluss der Organisation (der juristischen Person), die den Service E-Mail jeweils anbietet. Vertragliche und rechtliche Aspekte. (Wer?)
    • E-Mail-Adresse: technische Spezifikation der Zeichenkette (Welche Zeichen sind zulässig?)
  5. Beispielsweise befand sich eine Besprechung von Wegwerf-E-Mail-Adressen zunächst im Artikel E-Mail-Adresse und wurde erst am 10. April 2012, 11:12 Uhr,‎ in den neuen Artikel E-Mail-Konto verschoben.
  6. Vergleiche die Diskussion um den Daten-Aspekt und den Identitäts-Aspekt bei der Differenzierung zwischen dem Lemma E-Mail-Konto und anderen Benutzerkonten.
  7. Vergleiche beispielsweise die Edits von Welt-der-Form vom 27. Februar 2012 am Artikel E-Mail-Provider.