Benutzer Diskussion:Black rider

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"Freitonal" vs. "Atonal"[Quelltext bearbeiten]

Hallo Black rider!

Erst ein Mal ganz herzlich willkommen in der Wikipedia! Bin zufällig über Deine Frage auf der Benutzerseite Konrad Steins gestolpert. Ich bin mal so frech und betrachte die Frage als an mich gestellt, weil ich den entsprechenden Artikel gründlich umgestaltet habe (ohne überheblich sein zu wollen, es stammen wohl 75% des Textes, sowie sämtliche Noten- und Klangbeispiele von mir - auch wenn ich mich noch nicht an der unsäglichen Diskussion dort beteiligt habe). Übrigens kannst Du Dir bei jedem Artikel in der obersten Zeile unter "Versionen/Autoren" einen Überblick über die Urheber machen [1], ältere Versionen betrachten, sowie zwei Versionen miteinander Vergleichen [2].

Also zu Deiner Frage:

In meinem Sprachgebrauch - und in dem an meiner Uni (Musikwissenschaftiches Institut Hamburg) - werden die Begriffe freie Tonalität und Atonalität nicht synonym gebraucht, allerdings gibt es weder für den einen, noch für den anderen Terminus eine allgemein-verbindliche Definition (wie das leider bei den meisten musiktheoretischen Fachbegriffen der Fall ist - beispielsweise sträuben sich mir beim Lesen des Artikels Mediante die Nackenhaare, weil ich darunter ausschließlich entfernt-terzverwandte Klänge verstehe).

Eine Unterscheidung zwischen freier Tonalität und freier Atonalität ist sinnvoll und inhaltlich korrekt. Unter ersterem verstehe ich und wohl auch der Autor des Artikels Freitonale Musik Werke, die zwar noch rudimentär Dreiklänge und Terzenschichtung aufweisen, die aber im engeren Sinne nicht mehr einer verbindlichen Tonart zugeordnet werden können. Beispiele wären etwa die Orgelwerke Max Regers (v.a. op. 46 und 57) oder Sigfrid Karg-Elerts, Debussy, Skrjabin und Messiaen (letztere nur im weitesten Sinne). Der Komponist Rudi Stephan ist mir leider unbekannt ...

Selbstverständlich ist die Grenze zwischen freier Tonalität und feier Atonalität fließend, und eine Zuordnung zum einen oder zum anderen u.U. nicht sehr plausibel. Was Schönbergs ("saugeile" ;-)) 1. Kammersinfonie betrifft: sie weißt zwar zu Beginn keine Terzenschichtung auf, doch können die Quartenharmonien hier (noch) als Vorhalt zum F-Dur-Akkord im vierten Takt betrachtet werden, und die Vorzeichnung (egal welche, Hauptsache eben Tonart) spricht ebenfalls für eine Dur/Moll-Tonale Deutung. Ich habe mal vor Jahren (daher ohne Gewär) eine Finale-Datei aus dem Anfang erstellt, die ich Dir in Form von Noten und Midi gerne zur Verfügung stelle (wenn Du willst):

Anhören

Zu Deinem Einwand, es sei nicht sonderlich sinnvoll, etwas durch das Fehlen einer Eigenschaft zu definieren: ja, sicherlich, aber "freitonal" wäre - zumindest nach meinem Sprachgebrauch - unzutreffend. Im übrigen wird ja zwischen freier Atonalität und der zwölftönigen Atonalität unterschieden, und für letztere gibt es ja noch den (unstrittigen) Terminus "Zwölftonmusik". "Atonalität" ist nebenbei bemerkt kein Gegenbegriff zur Dur-/Molltonalen Musik (dann wäre ja modale Harmonik ebenfalls atonal ...), sondern (wissenschaftlich korrekt) zu dem was François-Joseph Fétis ("Erfinder" der Tonalität) unter Tonalität verstanden hat: eine wie auch immer geartete hierarchische Beziehung zwischen Tönen ("Zentraltönigkeit"). Eine Überarbeitung des Artikels Tonalität steht noch aus ...

Zweifelhaft finde ich allerdings folgende Bemerkung, die m.E. in einem Wikipedia-Artikel nichts verloren hat, bzw. wenn, dann eben im Artikel Atonalität: "Die früher verwendete Bezeichnung "atonal" wird heute nicht mehr verwendet, da es nicht sinnvoll erscheint, eine Musik durch das Fehlen einer Eigenschaft zu charakterisieren. Mit anderen Worten: Wenn die Musik nicht tonal ist, was ist sie dann?"

Also, dass der Ausdruck "atonal" nicht mehr verwendet wird wäre mir neu; es gibt beispielsweise eine ganze Reihe aktueller Publikationen, die diesen Begriff im Titel führen: Egbert Hiller: Entrückung, Traum und Tod: zum Verhältnis von Text und Atonalität im Vokalschaffen von Arnold Schönberg, Alban Berg und Anton Webern, Wien, 2002 ... oder Eun-Mi Ko: Das Klavierwerk Arnold Schönbergs: von der frühen Atonalität zur Dodekaphonie, Karlsruhe, 1998 ... oder Mark Delaere: Funktionelle Atonalität: analytische Strategien für die frei-atonale Musik der Wiener Schule, Wilhelmshaven, 1993, etc.

Wenn Musik nicht tonal ist, dann fehlt ihr eben ein tonales Zentrum, ganz einfach. Den Begriff atonal als un-tonal im Sinne von "ohne Ton" zu polemisieren hat bereits Schönberg versucht - und ist gescheitert.

Zu meinem Sprachgebrauch und eines (zeitgenössischen) Belegs dafür: in Sigfrid Karg-Elerts Polaristische Klang- und Tonalitätslehre (Harmonologik), Leipzig, 1930 heißt ein Kapitel: "Konsonante und konkordante Klangdeutung im freitonalen Bereich" dort werden einige der oben genannten Komponisten besprochen, sowie eine Abgrenzung gegenüber der "Atonalität" behandelt.

Es Grüßt, --MuWi 17:03, 15. Jan. 2007 (CET)[Beantworten]

P.S.: wenn Du mir einen Gefallen machen willst, antworte doch auf meiner Diskussionsseite, die ist (fast) noch genauso leer, wie es Deine bis eben gerade auch noch war ...