Benutzer:Helga Wiki/Gerty Simon

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Gerty (Gertrud) Simon (* 1887; † 1970) war fast vergessene jüdische Fotografin, die zur Zeit der Weimarer Republik in Berlin für ihre fotographischen Porträts wichtiger politischer und künstlerischer Persönlichkeiten sehr bekannt war. Sie floh vor der Judenverfolgung der Nazis nach England, wo die Familie jedoch erneut Diskriminierungen ausgesetzt war.[1][2][3] Im Londoner Exil baute sie ihre Kariere erneut auf, bis sie 1937 plötzlich aufhörte zu fotografieren.

Gerty Simon - Einladung zur Ausstellung 'Geistiges Berlin - Geistiges Paris', 1929
Gerty Simon - Einladung zur Ausstellung 'Geistiges Berlin - Geistiges Paris', 1929
Flyer der Ausstellung: Fotografie der Gegenwart 1929
Flyer zur Ausstellung "Fotografie der Gegenwart" 1929

Gerty Simon wurde als Gertrud Cohn in Bremen in einer wohlhabenden jüdischen Familie geboren. Ihr Vater war Rechtsanwalt. Nach dem Ersten Weltkrieg heiratete Gerty und zog nach Berlin. Ihr Mann Wilhelm war wie ihr Vater Rechtsanwalt. Das Paar hatte einen Sohn, Bernard (Bernd), geboren 1921.[4]

Gerty Simon begann ihre künstlerische Laufbahn im Berlin der 20er Jahre, ihr damaliges Berliner Atelier befand sich in der Clausewitzstraße 2.[5][6] Schnell wurde Simon zu einer bekannten Fotografin, die zahlreiche wichtige politische und künstlerische Persönlichkeiten des Weimarer Berlins porträtierte, darunter Kurt Weill, Lotte Lenya, Käthe Kollwitz, Max Liebermann, Judith Kerr sowie die beiden Physiker Albert Einstein und Max Planck.[7][8] Gerty Simons Fotographie wurde als "ausdrucksstark und "technisch brillant" charakterisiert. Ihr Markenzeichen war, dass sie die jeweiligen Berühmtheiten lebensnah, lebendig und ohne jeden Glamour abbildete.[9][10]

Exil in England

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Mit dem Machtantritt der NSDAP wurde das Leben in Deutschland für die Familie Simon immer schwieriger. Im Jahr 1933 verlegte man die Schule ihres Sohnes, das Landschulheim Herrlingen (heute Bunce Court School), ein fortschrittliches Internat, wegen der NS-Diktatur nach England. Gerty Simon folgte ihrem Sohn ins Exil. Später erzählte sie, warum sie Nazi-Deutschland schon früh verlassen hatte:

"Ich befand mich als Jüdin in besonderer Gefahr, weil ich als Fotografin so viele Fotos von sozialdemokratischen und antifaschistischen Persönlichkeiten gemacht und öffentlich ausgestellt hatte."[11]

In London-Chelsea richtete Simon erneut ein eigenes Atelier ein. Bereits ein Jahr nach ihrer Ankunft hatte sie ihre erste Ausstellung in England in der Storran Gallery in Chelsea. Simons fotografische Motive zeigen einen Querschnitt von Persönlichkeiten aus der künstlerischen, politischen und sozialen Welt Englands wie Sir Kenneth Clark, Dame Peggy Ashcroft und Aneurin Bevan. Wie in Berlin fotografierte sie besonders viele Frauen, in London auch Flüchtlinge aus Nazideutschland wie den Galeristen Alfred Flechtheim, der ihre zweite Londoner Ausstellung kuratierte, und die geflüchtete Schauspielerin Lotte Lenya.[11] Doch obwohl Gerty Simon sich in England schnell eine neue Karriere erarbeitet und auch bereits mehrere Ausstellungen hatte, hörte sie im Jahr 1937 plötzlich auf, als professionelle Fotografin zu arbeiten.[12]

Simons Mann war zunächst in Berlin geblieben, obwohl er nicht mehr als Anwalt und Richter arbeiten durfte. Er fand eine Anstellung als Notar, bevor er 1939 seiner Frau nach England nachfolgte.[13] Die Familie war wieder vereint, doch mit dem Eintritt Englands in den Zweiten Weltkrieg wurden Vater und Sohn wegen ihrer deutschen Staatsangehörigkeit als "feindliche Ausländer" inhaftiert. Mit 19 Jahren wurde Sohn Bernard zwangsweise in ein Internierungslager in Australien verschickt, das er bis 1942 nicht mehr verlassen durfte, obwohl er bereits seit sieben Jahre in Großbritannien gelebt hatte.[4]

Simons Ehemann starb 1966, Gerty Simon starb 1970. Vor seinem eigenen Tod im Jahr 2015[4] übergab Simons Sohn Bernard die fast vollständig erhaltene Sammlung der Werke Gerty Simons an die Wiener Holocaust Library in Bloomsbury, London.[14]

Gerty Simons Arbeiten wurden den meisten großen Fotosalons der Weimarer Zeit ausgestellt. Sie war auf einer der wichtigsten deutschen Fotografieausstellung der Bauhaus-Zeit vertreten: der Fotografie der Gegenwart 1929 in Magdeburg. Im Londoner Exil veranstaltete Simon 1934 in der Storran Gallery in Kensington eine Ausstellung ihrer Porträts mit dem Titel London Personalities.[15] Eine ihrer letzten Ausstellungen in London stellte der ebenfalls geflohene Kunstkritiker und Kunsthändler Alfred Flechtheim zusammen.[16]

Nach langen Jahren des Vergessens wurde die Arbeit Gerty Simons im Oktober 2019 Thema einer großen Retrospektive in der Ausstellung Berlin/London: The Lost Photographs of Gerty Simon in der Wiener Holocaust Library in London.[17] Und nach mehr als 90 Jahren brachte die Liebermann-Villa 2021 Gerty Simons Werke in einer Ausstellung wieder zurück nach Berlin, wo ihre Anfänge langen.[1]

Warnock, Barbara / March, John: Berlin-London. The Lost Photographs of Gerty Simon. London, The Wiener Holocaust Library’s 2019.

Einzelnachweise

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Kategorie:Fotograf (Berlin, London) Kategorie:Fotograf (20. Jahrhundert) Kategorie:Porträtfotograf Kategorie:Emigrant aus dem Deutschen Reich zur Zeit des Nationalsozialismus Kategorie:Exil Kategorie:Geboren 1887 Kategorie:Gestorben 1970 Kategorie:Frau

  1. a b Gerty Simon. Berlin / London – Liebermann-Villa. Abgerufen am 16. August 2021.
  2. Keren David: Poignant pictures of a lost world. In: https://www.thejc.com/. 23. Mai 2019, abgerufen am 16. August 2021 (englisch).
  3. Gerty Simon : Poignant Pictures of a Lost World. In: favereys. 31. Mai 2019, abgerufen am 16. August 2021.
  4. a b c Keren David: Poignant pictures of a lost world. Abgerufen am 31. Mai 2020.
  5. Kunstleben Berlin: Liebermann-Villa zeigt deutsch-jüdische Fotografin Gerty Simon. In: Kunstleben Berlin - das Kunstmagazin. 7. Juli 2021, abgerufen am 16. August 2021 (deutsch).
  6. Gerty Simon zwischen Berlin und London. Eine deutsch-jüdische Fotografin im Exil – Blog der Liebermann-Villa. Abgerufen am 16. August 2021 (deutsch).
  7. SWR2, SWR2: Gerty Simon — eine Fotografin im Exil: Liebermann Villa Berlin zeigt ihre Porträts von Einstein & Co. Abgerufen am 16. August 2021.
  8. Deutsche Gesellschaft für Photografie: Gerty Simon. Berlin / London. Eine Fotografin im Exil. Abgerufen am 16. August 2021.
  9. Simone Reber: Sie porträtierte die Berühmtheiten ihrer Zeit - nur ohne Glamour. Tagesspiegel, abgerufen am 16. August 2021.
  10. Gerty Simon. Berlin / London. In: Visit Berlin.de. Abgerufen am 16. August 2021.
  11. a b Wiener Holocaust Library: Gerty Simon's subjects in London. 2. August 2021, abgerufen am 16. August 2021 (britisches Englisch).
  12. Robert Philpot: Who did Gerty Simon shoot? The world’s oldest Holocaust museum wants to know. Abgerufen am 16. August 2021 (amerikanisches Englisch).
  13. LIEBERMANN-VILLA AM WANNSEE | »GERTY SIMON. BERLIN / LONDON« • PiB – Photography in Berlin. In: PiB – Photography in Berlin. 16. Juni 2021, abgerufen am 16. August 2021 (deutsch).
  14. Berlin/London: The Lost Photographs of Gerty Simon. In: The Wiener Holocaust Library. Abgerufen am 16. August 2021 (britisches Englisch).
  15. Robert Philpott: Who did Gerty Simon shoot? Abgerufen am 5. Juni 2020.
  16. Gerty Simon bei Max Liebermann – Gleis 69. In: Gleis 69.de. Abgerufen am 16. August 2021 (deutsch).
  17. Berlin/London: The Lost Photographs of Gerty Simon. Abgerufen am 31. Mai 2020.