Bildnerisches Mittel

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Das bildnerische Mittel (auch ästhetisches Mittel, Bildelement, Bildmittel, Element des Bildaufbaus, gestalterisches Mittel, Gestaltungselement, Gestaltungsmittel, künstlerisches Mittel, optisches Element, Stilmittel, Syntax der Bildsprache) ist ein Teilaspekt gestalteter Objekte in den Bereichen Architektur, Design, Film, Fotografie oder Kunst. Designerinnen und Künstler setzen bildnerische Mittel bewusst und planvoll oder intuitiv ein, um bei den Betrachtenden eine bestimmte Wirkung (Ausdruck) und Intention (Aussage, Botschaft, Erfahrung, Vorstellung) zu verdeutlichen.

Zu den bildnerischen Mitteln gehören („nulldimensionaler“) Punkt, („eindimensionale“) Linie, zweidimensionale Fläche, dreidimensionaler Körper/Raum, Farbe und komplexe, übergeordnete Komposition. Außerdem lassen sich Format, Licht und Schatten, Proportion und Bewegung dazuzählen.[1]

Ebenso können die technischen Verwirklichungsmittel dazugerechnet werden: das Material (z. B. Acrylfarbe, Holz, Leinwand, Ölfarbe, Papier, Wachs), die Werkzeuge (z. B. Bleistift, Finger, Geißfuß, Hammer, Pinsel, Schere, Sprühdose) und die Technik bzw. das Verfahren (z. B. Aquarellmalerei, Collage, Farbfotografie, Linolschnitt, Mosaik, Scherenschnitt, Zeichnung). Im Allgemeinen schließt der Begriff „bildnerisches Mittel“ die technischen Verwirklichungsmittel allerdings aus.[2]

Bedeutung innerhalb der Bildbetrachtung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Analyse der bildnerischen Mittel (Gestaltungsanalyse; Bildbetrachtung) wird oft geringgeschätzt und man konzentriert sich auf die Entschlüsselung des Motivs, auf die Provenienz, die Stilrichtung oder den historischen Hintergrund. Dabei treffen Kunstschaffende gerade im Bereich der bildnerischen Mittel wesentliche Entscheidungen, um die angestrebte Aussage und Wirkung des Bildes zu unterstützen.[3]

Punkt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Punkt (lateinisch punctum: kleiner Abschnitt, Punkt, Stich) ist das einfachste und kleinste bildnerische Mittel. Er ist ein kleiner Fleck, ein winziger Kreis, ein Tupfen oder ein Gegenstand. Der Punkt ist also eigentlich eine Fläche bzw. Form. Geht es um Anordnung oder Gewicht, lassen sich auch größere Formen oder Gegenstände als Punkte auffassen. Eine besonders auffallende Stelle bezeichnet man als Akzent oder Schwerpunkt.[4] Die Anordnungsmöglichkeiten von mehreren Punkten oder ähnlich gestalteten Objekten werden als (Flächen-)Ordnungsprinzipien bezeichnet. Es sind Reihung, Rhythmus, Raster, Ballung, Streuung, Symmetrie und Asymmetrie. Unzählige Punkte finden sich als Tupfen oder kurze Striche in Malereien des Pointillismus, als meist quadratische Plättchen in Mosaiken, als Punkte in der Punktiertechnik von Druckgrafiken oder im Punktraster bei den Malereien im Comicstil von Roy Lichtenstein. Computerbilder bestehen aus einzelnen Punkten (meist kleine Quadrate), den Pixeln.[5]

Linie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Linie (lateinisch linea: Faden, Schnur, aus Leinen) ist nach dem Punkt das nächst einfache bildnerische Mittel. Während der Punkt unbewegt an eine Stelle gebunden ist, besitzt die Linie eine Richtung und damit meist einen dynamischen Charakter. Eine Waagerechte wirkt lastend, liegend, fest, eine Senkrechte starr, stehend, labil und eine Diagonale dynamisch aufsteigend, hoffnungsvoll oder fallend, hoffnungslos.[6] Eine Blickführung kann durch vorhandene Linien (z. B. Konturen, Körperachsen, Objektkanten, Wege) oder gedachte Linien (z. B. Bewegungsrichtungen, Blickrichtungen, Verbindungen von Akzenten, Zeigegesten) vorgezeichnet sein.

Form / Fläche[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine Form (lateinisch forma: Äußeres, Figur, Gestalt) kann amorph (griechisch a morphé: ohne Gestalt, ungeformt), geometrisch, symmetrisch, wie auch dekorativ, karikierend, expressionistisch oder impressionistisch sein. Ihre Kontur (Begrenzung, Umriss) kann scharf begrenzt, unscharf, durch eine Umrisslinie (Cloisonnismus) begrenzt sein oder sich durch einen Hell-Dunkel- bzw. Farbunterschied von der Umgebung abheben. Zu den Variablen von Form und Größe kommen noch Binnenstrukturen, Farbnuancen und Hell-Dunkel-Modellierung hinzu.[7] Nach dem Grad der Nachahmung der Realität lassen sich die Darstellungsweisen (Abstraktionsgrade) wirklichkeitsgetreu (Trompe l´œil), abstrahiert, deformiert, verfremdet oder abstrakt unterscheiden. Formkontraste sind unter anderem einfach–komplex, groß–klein, glatt–rau oder eckig–rund.

Raum / Perspektive[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In einem Bild können Gegenstände und Räume (althochdeutsch rum: Lagerstätte, Platz, Raum, Weite) flach oder mit Hilfe unterschiedlicher, perspektivischer Mittel räumlich dargestellt sein. Zu den einfachen Mitteln gehören Größenperspektive (Größenunterschiede, Größenabnahme, Verkleinern), Höhenstaffelung (Höhenunterschied, Höhersetzen) und Überschneidung (Hintereinanderstaffelung, Verdeckung). Kantig-rechtwinklige Objekte (z. B. Gebäude, Möbel, Zimmer) lassen sich mit der Parallel- oder Zentralperspektive konstruieren. Zusätzlich sind Farb- und Luftperspektive malerische Mittel zur Schaffung von Räumlichkeit. Das Repoussoir platziert Bildelemente im Vordergrund eines Kunstwerkes, einer Fotografie oder im Film. Schließlich nutzen Künstlerinnen und Künstler verfremdete perspektivische Mittel, um mit mehrdeutigen Räumen oder unmöglichen Objekten Irritationen hervorzurufen.[8]

Farbe[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Farbe (mittelhochdeutsch varwe: Farbe) ist das Hauptausdrucksmittel der künstlerischen Gestaltung. Die Farbe kann lasierend oder deckend, pastos oder glatt und in einer oder mehreren Schichten aufgetragen sein (Farbauftrag). Die Farbbeziehung beschreibt, wie viele und welche Farben Verwendung finden. Das können Einfarbigkeit (Monochromie), Farbenähnlichkeit (Farbverwandtschaft) oder Farbkontraste sein. Mit welcher Absicht Kunstschaffende Farben verwenden, beschreibt die Farbfunktion. Hier unterscheidet man Gegenstandsfarbe, Symbolfarbe, Erscheinungsfarbe, Ausdrucksfarbe und autonome Farbe.[9]

Komposition[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Komposition (lateinisch compositio: Anordnung, Gestaltung, Zusammenstellung) (auch Anordnungsprinzip, Bildaufbau) ist ein übergeordnetes bildnerisches Mittel. Sie bezeichnet die bewusste, wohldurchdachte oder intuitive Auswahl und Anordnung der bildnerischen Mittel auf der Bildfläche. Wichtige Kompositionsarten (Kompositionsschemata) sind zum Beispiel Diagonalkomposition, Dreieckskomposition, Symmetrie, Asymmetrie, tektonische Komposition (Statik) und atektonische Komposition (Dynamik). Bei einer offenen Komposition sind die Motive vom Bildrand auffällig angeschnitten, während diese bei der geschlossenen Komposition vollständig dargestellt sind.[10] Eine Kompositionsskizze ist eine gezeichnete Skizze eines Gemäldes und zeigt Schwerpunkte, wichtige Linien und Formen. Die Skizze verdeutlicht kompositorische Einzelaspekte und hilft, den Bildaufbau, Zusammenhänge, Wirkungen und Aussagen besser zu verstehen.[11]

Format[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Format (Bildformat, Bildfläche) bezeichnet die Form und Größe eines zweidimensionalen Objektes. Meist ist es ein Rechteck (Hochformat = Hochrechteck oder Querformat = Flachrechteck) oder Quadrat. Daneben gibt es das Tondo (Rundformat), das Oval, die Raute (den Rhombus) oder die frei geformte Leinwand (Sonderformat) mit unregelmäßigem Umriss.

Licht und Schatten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Licht und Schatten (Beleuchtung, Hell-Dunkel-Modellierung, Hell-Dunkel-Werte, Helligkeit, Plastizität, italienisch Chiaroscuro, französisch Clair-obscur) dient der räumlichen Darstellung von Gegenständen, wichtig vor allem bei gerundeten Formen (z. B. Menschen, Kugeln, Zylinder). Die Lichtquelle kann außerhalb oder innerhalb des Bildraumes liegen, sichtbar oder verborgen sein. Sie kann natürlich (z. B. Sonne, Mond) oder künstlich (z. B. Kerze, Lampe, Feuer) sein. Der Stand der Sonne bestimmt die Tageszeit mit Morgenlicht, Tageslicht oder Abendlicht. Je nachdem, von wo das Licht einfällt, entstehen Seitenlicht, Gegenlicht, Frontallicht, Auflicht oder Unterlicht. Hell beleuchtete Bildteile können hervorgehoben sein, während dunkle Schattenzonen versinken.[12]

Proportion[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Proportion (lateinisch proportio: Größen- oder Maßverhältnis) bezeichnet die regelhafte Unterteilung von Linien, Flächen, Körpern und Räumen. Wichtige Beispiele sind das Verhältnis 1:1 wie beim Quadrat, das Seitenverhältnis 1:1,414 (Wurzel 2) bei DIN-A-Formaten, der goldene Schnitt (1:1,618) oder eine Einteilung nach der Drittelregel. Häufig dient die Verwendung bestimmter Proportionen dazu, ein Gefühl der Harmonie zu ermöglichen.[13]

Bewegung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Obwohl Kunstobjekte im Allgemeinen statisch sind, lässt sich Bewegung suggerieren, zum Beispiel durch Bewegungstäuschung, Bewegungsunschärfe, Flimmereffekt bei speziellen Grafikmustern, geschwungene Linien, Schrägen, simultan dargestellte Bewegungsphasen, Speed Lines, Wiederholungen oder Zentralperspektive.[14]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Jörg Michael Matthaei: Grundfragen des Graphik-Design, Heinz Moos Verlag, München 1975, ISBN 3-7879-0081-0, S. 61.
  • Guschti Meyer: Sprache der Bilder. Kunst verstehen: Form, Farbe, Komposition. E. A. Seemann Verlag, Leipzig 2011, ISBN 978-3-86502-280-6.
  • Friederike Wiegand: Die Kunst des Sehens. Ein Leitfaden zur Bildbetrachtung. 2. Auflage. Daedalus Verlag Joachim Herbst, Münster 2019, ISBN 978-3-89126-283-2.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Michael Klant, Josef Walch: Grundkurs Kunst 1. Sekundarstufe 2, Band 1: Malerei, Grafik, Fotografie. Schroedel Westermann, Braunschweig 2016, ISBN 978-3-507-10965-0, S. 9.
  2. Gerhard Kwiatkowski (Hrsg.): Schülerduden „Die Kunst“. Stichwort: bildnerische Mittel. Bibliographisches Institut, Mannheim 1983, ISBN 3-411-02200-0, S. 88.
  3. Achim Aigner: Sprache der Malerei: Ein Leitfaden zur Analyse und Gestaltung von Gemälden. Schöningh Verlag, Paderborn 2013, ISBN 978-3-14-018129-7, S. 36.
  4. Guschti Meyer: Sprache der Bilder. Kunst verstehen: Form, Farbe, Komposition. E. A. Seemann Verlag, Leipzig 2011, ISBN 978-3-86502-280-6, S. 233.
  5. Michael Klant, Josef Walch: Grundkurs Kunst 1. Malerei, Grafik, Fotografie. In: Michael Klant, Raphael Spielmann, Josef Walch (Hrsg.): Materialien für die Sekundarstufe II. Bildungshaus Schulbuchverlage Westermann Schroedel Diesterweg Schöningh Winklers GmbH, Braunschweig 2016, ISBN 978-3-507-10965-0, S. 9.
  6. Michael Klant, Josef Walch: Grundkurs Kunst 1. Sekundarstufe 2, Band 1: Malerei, Grafik, Fotografie. Schroedel Westermann, Braunschweig 2016, ISBN 978-3-507-10965-0, S. 11.
  7. Guschti Meyer: Sprache der Bilder. Kunst verstehen: Form, Farbe, Komposition. E. A. Seemann Verlag, Leipzig 2011, ISBN 978-3-86502-280-6, S. 267.
  8. Friederike Wiegand: Die Kunst des Sehens. Ein Leitfaden zur Bildbetrachtung. 2. Auflage. Daedalus Verlag Joachim Herbst, Münster 2019, ISBN 978-3-89126-283-2, S. 61–63.
  9. Gerhard Kwiatkowski (Hrsg.): Schülerduden „Die Kunst“. Stichwort: Farbe. Bibliographisches Institut, Mannheim 1983, ISBN 3-411-02200-0, S. 168.
  10. Johannes Pawlik, Ernst Strassner: Bildende Kunst. Begriffe und Reallexikon. 5., ergänzte Auflage. DuMont Buchverlag, Köln 1977, ISBN 3-7701-0465-X, S. 36 und 37.
  11. Frau Schimpf: Bildanalyse mit Hilfe von Kompositions-Skizzen. 8. Februar 2021, abgerufen am 20. Juni 2023.
  12. Michael Klant, Josef Walch: Grundkurs Kunst 1. Sekundarstufe 2, Band 1: Malerei, Grafik, Fotografie. Schroedel Westermann, Braunschweig 2016, ISBN 978-3-507-10965-0, S. 21.
  13. Guschti Meyer: Sprache der Bilder. Kunst verstehen: Form, Farbe, Komposition. E. A. Seemann Verlag, Leipzig 2011, ISBN 978-3-86502-280-6, S. 110.
  14. Feng Lu-Pagenkopf: Darstellung von Bewegung. Eine Untersuchung zur Entwicklung der Darstellung von Bewegung mit besonderer Berücksichtigung der Architekturdarstellung. (Dissertation). In: Leibniz Universität Hannover. 2003, abgerufen am 20. Juni 2023.