Chichi-jima-Vorfall

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Als Chichi-jima-Vorfall, auch Ogasawara-Zwischenfall genannt, wird ein Fall von Kannibalismus bezeichnet, der zu den japanischen Kriegsverbrechen im Zweiten Weltkrieg zählt. Ende 1944 töteten japanische Soldaten auf der japanischen Insel Chichi-jima acht amerikanische Kriegsgefangene und aßen Körperteile von vier von ihnen.

Hergang[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Neun amerikanische Piloten der US-Navy entkamen aus ihren Flugzeugen, nachdem sie bei Bombenangriffen auf Chichi-jima, einer kleinen Insel 700 Meilen (1.100 km) südlich von Tokio, im September 1944 abgeschossen worden waren. Acht der Piloten, Lloyd Woellhof, Grady York, James "Jimmy" Dye, Glenn Frazier Jr., Marvell "Marve" Mershon, Floyd Hall, Warren Earl Vaughn und Warren Hindenlang, wurden gefangen genommen und schließlich hingerichtet. Der neunte und einzige Überlebende war der spätere US-Präsident George H. W. Bush, ebenfalls ein 20-jähriger Pilot, da er von einem amerikanischen U-Boot gerettet wurde.[1][2]

Nach dem Krieg stellte sich heraus, dass die gefangenen Flieger vor ihrer Hinrichtung geschlagen und gefoltert worden waren.[3] Die Soldaten der Marineflieger (Navy) wurden auf Befehl von Generalleutnant Tachibana Yoshio enthauptet. Japanische Offiziere aßen dann Körperteile von vier der Männer.[4][5]

Gerichtsverfahren[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Urteile aus den Kriegsverbrecherprozesse von Guam

Tachibana und 11 weitere Japaner wurden im August 1946 im Zusammenhang mit der Hinrichtung von US-Marinefliegern und Kannibalismus von mindestens einem von ihnen im August 1944 vor Gericht gestellt. Da das Militär- und das Völkerrecht Kannibalismus nicht speziell behandelten, wurden sie wegen Mordes und "Verhinderung eines ehrenvollen Begräbnisses" verurteilt.[6]

Dieser Fall wurde 1947 auch in den Kriegsverbrecherprozessen von Guam untersucht, und von den 30 angeklagten japanischen Soldaten wurden vier Offiziere (darunter Generalleutnant Tachibana,[6] Major Matoba und Hauptmann Yoshii) für schuldig befunden und gehängt.[7] Alle anderen Soldaten und der Sanitätsoffizier auf Probe Teraki Tadashi wurden nach acht Jahren freigelassen.

Vizeadmiral Kunizo Mori, der zum Zeitpunkt des Vorfalls den Luftwaffenstützpunkt Chichi-jima befehligte, war der Ansicht, dass der Verzehr von menschlicher Leber medizinische Vorteile habe. Für seine Beteiligung an dem Vorfall wurde er zunächst zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Nachdem seine Untergebenen jedoch des Essen von Körperteilen von Gefangenen während ihrer Zeit an der Südfront überführt worden waren, wurde er in einem separaten, von den Niederlanden organisierten Prozess wegen Kriegsverbrechen in Niederländisch-Ostindien zum Tode verurteilt und anschließend gehängt.[8]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In dem Sachbuch Flyboys: A True Story of Courage, erschienen 2003 bei Little, Brown and Company, beschreibt der amerikanische Autor James Bradley mehrere Fälle von Kannibalismus an alliierten Gefangenen des Zweiten Weltkriegs durch japanische Soldaten.[9] Bradley behauptet, dass dazu nicht nur das rituelle Essen der Lebern frisch getöteter Gefangener gehörte, sondern auch die Kannibalisierung lebender Gefangener über mehrere Tage hinweg, wobei Gliedmaßen nur bei Bedarf amputiert wurden, um das Fleisch frisch zu halten.[9]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Chichi-jima-Vorfall – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Charles Laurence: George Bush's comrades eaten by their Japanese PoW guards. 26. Oktober 2003, abgerufen am 8. Oktober 2023 (englisch).
  2. 13 erstaunliche historische Fakten, von denen du (vielleicht) noch nie gehört hast. watson.ch, 11. Oktober 2020: 9. US-Präsident George H. W. Bush fiel fast Kannibalen zum Opfer.
  3. Mark Felton: The Final Betrayal: Mountbatten, MacArthur and the Tragedy of Japanese POWs. 2010, ISBN 978-1-84884-094-2.
  4. Nick Pearson: The Chichijima incident: George HW Bush's extraordinary WWII survival story. 4. Oktober 2018, abgerufen am 8. Oktober 2023 (englisch).
  5. Kenneth V. Iserson: Death to Dust: What Happens to Dead Bodies? 2001, ISBN 978-1-883620-22-6.
  6. a b Law Reports of Trials of War Criminals. Selected and Prepared by the United Nations War Crimes Commission. Volume IV. London: HMSO, 1948. Archiviert vom Original am 8. Dezember 2006; abgerufen am 10. August 2023 (englisch).
  7. Charles Laurence: George Bush's comrades eaten by their Japanese PoW guards. 26. Oktober 2003, abgerufen am 10. Oktober 2023 (englisch).
  8. Table of Contents Next: Mori Shigeki Mori Kunizo (1890-1949). Abgerufen am 8. Oktober 2023 (englisch).
  9. a b James Bradley: Flyboys: A True Story of Courage. 2003, ISBN 0-316-10584-8.