Cohors I Tungrorum

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Die Cohors I Tungrorum [milliaria] (deutsch 1. Kohorte der Tungerer [1000 Mann], im Folgenden als C1T abgekürzt) war eine römische Auxiliareinheit. Sie ist durch mehrere Militärdiplome, durch die Vindolanda-Tafeln sowie durch Inschriften auf Grabsteinen oder ähnlichem belegt.[1]

Namensbestandteile

  • Tungrorum: Die Soldaten der Kohorte wurden bei Aufstellung der Einheit aus dem germanischen Stamm der Tungerer rekrutiert.[2]
  • milliaria: Die Sollstärke der Kohorte lag bei 800 Mann.[3][A 1] Der Zusatz kommt nicht in allen Inschriften vor. Erwähnt wird er u. a. auf einem Altar, der dem Hercules geweiht wurde:[4]

Herculi
coh(ors) I Tungror(um)
mil(liaria)
cui praeest P(ublius) Ael(ius)
Modestus prae(fectus)

Ursprünglich war die C1T eine Cohors quingenaria, d. h. 480 Mann stark. Zu welchem Zeitpunkt genau sie zu einer Cohors milliaria wurde, ist unbekannt. Da es keine Hinweise auf den Namenszusatz equitata (teilberitten) gibt, ist davon auszugehen, dass es sich um eine reine Infanterie-Kohorte (peditata) handelt.[2]

Geschichte

Die Einheit wurde in julisch-claudischer Zeit vor dem Jahr 69 n. Chr. auf dem Gebiet der civitas Tungrorum (heutiges Belgien) aufgestellt und war zunächst in der Provinz Germania inferior stationiert. Im Bürgerkrieg zwischen Otho und Vitellius kämpfte die Kohorte auf Seite des Vitellius. Nach dem Bataveraufstand wurden die C1T sowie eine weitere Kohorte der Tungerer, die Cohors II Tungrorum unter dem Befehl des Quintus Petillius Cerialis nach Britannien verlegt. Zu diesem Zeitpunkt war die C1T noch eine Cohors quingenaria.[2]

Die beiden Kohorten der Tungerer nahmen 83 n. Chr. an der Schlacht am Mons Graupius teil und wurden dafür ausgezeichnet. Wo genau in Britannien der erste Standort der C1T war, ist nicht bekannt. Ab 90 n. Chr. war sie zunächst in Vindolanda stationiert. Danach war die C1T an verschiedenen Orten im Norden Britanniens stationiert.[2] Letztmals erwähnt wird die Einheit in der Notitia dignitatum unter der Leitung eines Tribuns für den Standort Vercovicium.[5]

Standorte

Die Anwesenheit der Kohorte ist an den folgenden Orten in Britannien nachgewiesen:[1][2]

  • Vindolanda (Chesterholm): Die Einheit war in Vindolanda von etwa 90 n. Chr. bis 122 (möglicherweise bis 140) n. Chr. stationiert. Dies ist durch mehrere Vindolanda-Tafeln belegt.[2]
  • Brocolitia (Carrawburgh): Eine Inschrift weist die Anwesenheit (von Teilen) der Kohorte in der Zeit zwischen 122 und 138 n. Chr. in Brocolitia nach.[6]
  • Castlecary und Cramond: Inschriften belegen die Anwesenheit (von Teilen) der Kohorte am Antoninuswall in der Zeit zwischen 139 und 161 n. Chr. in Castlecary[7][8] und Cramond[9].
  • Vercovicium (Housesteads): Die Kohorte wird auf mehreren Inschriften erwähnt, die in der Umgebung von Vercovicium gefunden wurden; die zeitlich letzte wird auf 205 bis 208 n. Chr. datiert.[10] Die C1T wird z. B. auf dem Grabstein des Anicius Ingenuus angeführt:[11]

D(is) M(anibus)
Anicio
Ingenuo
medico
ord(inario) coh(ortis)
I Tungr(orum) vix(it) an(nos) XXV

Kommandeure

Die folgenden Kommandeure der Einheit sind durch Inschriften bekannt. Sie alle waren im Range eines Präfekten.

  • Iulius Verecundus (um 90 n. Chr.)[2]
  • Publius Aelius Modestus[4]
  • Quintus Florius Maternus (RIB 1591)
  • Quintus Julius Maximus (RIB 1584)
  • Quintus Verius Superstis (RIB 1586)

Vindolanda-Tafeln

Auf der Vindolanda-Tafel 88/841 (Maße 19,5 * 8,3 cm) findet sich für den 18. Mai eines unbestimmten Jahres (wahrscheinlich 90 n. Chr.) die folgende Aufstellung der Mannschaftsstärke der Einheit:[2]

  • Gesamtstärke der Einheit 752 Mann, davon 6 Centurionen; unter dem Kommando des Präfekten Iulius Verecundus
  • Abwesend 456 Mann, davon 5 Centurionen; eingeteilt für verschiedene Aufgaben
  • Am Standort anwesend 296 Mann (davon 1 Centurio); 265 Mann dienstfähig und 31 Mann dienstunfähig (krank oder verwundet)

Da die Kohorte zu diesem Zeitpunkt nur über 6 Centurionen verfügte, wäre sie eigentlich als eine Cohors quingenaria (bestehend aus 6 Kohorten) anzusehen. Möglicherweise fand aber zu diesem Zeitpunkt die Aufstockung zu einer Cohors milliaria statt, deren Einführung in die römische Armee allgemein für die flavische Epoche angenommen wird.[2]

Siehe auch

Weblinks

Anmerkungen

  1. Der Name milliaria würde eine Sollstärke der Kohorte von 1000 Mann nahelegen. Die tatsächliche Sollstärke lag aber nur bei 800 Mann (10 Centurien Infanterie mit jeweils 80 Mann).

Literatur

  • Peter Connolly: The Roman Fort, Oxford University Press, Oxford 1997, ISBN 0-19-910426-3.
  • Robert Nouwen: The Vindolanda tablet 88/841 and the cohors I Tungrorum milliaria,. In: M. Lodewijckx (Hrsg.): Archeological and Historical Aspects of West-European Societies. Album amicorum A. Van Doorselaer. 1995, S. 123–134.
  • Ders.: The Vexillationes of the Cohortes Tungrorum during the Second Century. In: W. Groenman-van Waateringe (Hrsg. et al.): Roman Frontier Studies 1995. Procedings of the XVIth International Congress. 1997, S. 461–465.
  • Ders.: Tongeren en het land van de Tungri. 1997 (Vollversion).

Einzelnachweise

  1. a b Cohors Primae Tungrorum milliaria. roman-britain.co.uk, abgerufen am 18. Oktober 2016 (englisch).
  2. a b c d e f g h i The Vindolandatablet 88/841 and the cohors I Tungrorum milliaria. www.academia.edu, abgerufen am 20. Oktober 2016 (englisch).
  3. David Benjamin Cuff: The auxilia in Roman Britain and the Two Germanies from Augustus to Caracalla: Family, Religion and „Romanization“. (PDF 3,1 MB, S.18(8)) University of Toronto Department of Classics, 2010, abgerufen am 26. Oktober 2016 (englisch).
  4. a b RIB 1580. Altar dedicated to Hercules. Roman Inscriptions of Britain, abgerufen am 20. Oktober 2016 (englisch).
  5. Notitia Dignatatum table and map. (PDF 1 MB) Newcastle University, abgerufen am 25. Oktober 2016 (englisch).
  6. Brocolitia. roman-britain.co.uk, abgerufen am 18. Oktober 2016 (englisch).
  7. Castlecary. roman-britain.co.uk, abgerufen am 18. Oktober 2016 (englisch).
  8. RIB 2155. Honorific Building Inscription of the First Cohort of Tungrians. Roman Inscriptions of Britain, abgerufen am 20. Oktober 2016 (englisch).
  9. Cramond. roman-britain.co.uk, abgerufen am 18. Oktober 2016 (englisch).
  10. Vercovicivm. roman-britain.co.uk, abgerufen am 18. Oktober 2016 (englisch).
  11. RIB 1618. Funerary inscription for Anicius Ingenuus. Roman Inscriptions of Britain, abgerufen am 20. Oktober 2016 (englisch).