Cyber (Jugendkultur)

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Ein männlicher Cyber in Schwarz-Rot; inkl. Falls, Goggles und Gasmaske.

Cyber ist eine jugendkulturelle Modeströmung,[1] die sich nach 2000 entwickelte und als ein derzeit wichtiger Bestandteil des Club-Geschehens der Schwarzen Szene zu sehen ist. Aufgrund der Nähe zur Schwarzen Szene, für die oft simplifizierend der Ausdruck Gothic synonym verwendet wird, ist auch die Bezeichnung Cybergoth geläufig, obgleich ein kultureller Bezug zur Gothic-Szene zumeist fehlt und sich – etwa vergleichbar mit Visual Kei – nur auf wenige modische Elemente beschränkt.[1] Außerhalb der szenetypischen Treffpunkte lässt sich die aufwendig gestaltete Modeerscheinung nur selten antreffen.

Patchwork-Mode

Cybers legen Wert auf einen futuristischen Kleidungsstil. Zugleich spiegeln sich in der Cyber-Mode Elemente vieler anderer Szenen und Modestile wider. Insbesondere Stilkomponenten der Rave- und frühen Techno-Szene[1] werden mit Elementen der Schwarzen Szene (schwarz als Hauptfarbe bei den meisten Kleidungsstücken) verknüpft. Wie stark diese einzelnen Komponenten hervorgehoben werden, ist von Person zu Person unterschiedlich, auch Fetischbekleidung[1] (bspw. Vinyl-Pants, -Tops und -Korsetts) oder die asiatische Visual-Kei-Mode[1] nehmen auf die Cybermode Einfluss. Androgynie ist oft ein Merkmal der Mode, aber nicht maßgeblich.[2]

Eine weibliche Cyber in Schwarz-Grün; inkl. Falls, Goggles und Netz.

Kleidung und Farbwahl

Der Stil zeigt zum Teil stark kontrastierende, grelle und neon-reaktive Farbschemata,[1] wie beispielsweise Rot, Blau, Neongrün, Chrom oder Pink, kombiniert mit Schwarz oder Weiß als Kontrastton, dabei behält jedoch meist eine Farbe die Oberhand, da es sowohl komplett neonfarben gekleidete, als auch fast komplett schwarze/weiße Cyber gibt.[3] Matte oder glänzend schwarze Materialien wie Gummi und leuchtend schwarzes PVC können beim Versuch, einen künstlicheren Eindruck zu vermitteln, gemischt und zusammengesetzt werden.[4]

Beliebte Clubausrüstung für Cybers beinhaltet entweder enge schwarze Hosen und Westen oder weite, farbige Techno-/Raverhosen und Brustpanzer, Shirts, geschneidert zu durchlöcherten, ganzen oder netzartigen Textilteilen. Auch Bondage-Accessoires werden gern verwendet. Als Fußbekleidung finden unter anderem schwere, große Stiefel (beispielsweise „Transformerboots“ oder „Springerstiefel“) und Plateauschuhe Verwendung,[1] oft werden aber auch Sportschuhe aufgrund des Komforts beim Tanzen getragen.[4]

Haare und Applikationen

Die schwarz-und-monochromatische Nebeneinanderstellung kann zahlreiche Formen annehmen – zum Beispiel helltönige Haare, künstliche Schminke, LEDs, Leiterplatten, Körpermodifikationen, Gasmasken, Mundschutze und Schutzbrillen („Goggles“), üblicherweise auf der Stirn, am Arm oder um den Nacken herum getragen, statt auf den Augen.[4][5][1] Als Muster werden häufig Gefahrensymbole wie das Radioaktiv- oder Biohazardzeichen verwendet, mittlerweile sind aber selbst entworfene Logos sehr beliebt geworden. Der häufigste Gebrauch von Themenfarben besteht in der Frisur oder der Augenschminke. Die Frisur wird für gewöhnlich durch spezielle Haarteile, sogenannter „Falls“ erweitert, um den „Hinzufügungseffekt“ hervorzuheben. Bei Damen werden meist seitlich zwei Haarteile, bei Herren meist eines hinten als Zopf verwendet. „Falls“ können aus verschiedenen Materialien sein, von Garn über fluoreszente Schläuche bis hin zu elektrischer Verkabelung; die am häufigsten vorzufindenden Bestandteile sind jedoch synthetische Dreadlocks, die „Cyberlox“, und die „Foamies“.

Schwarz-Rote Dreads aus Kunsthaar & rote Wooldreads

Synthetische Dreadlocks

Meist einfach nur „Dreads“ genannt. Diese Dreadlocks sind in der Regel aus Kunsthaar gefertigt und sind in verschiedenen Farben vorzufinden. Meist werden hauptsächlich schwarze Dreads in Kombination mit einzelnen farbigen Dreads benutzt, allerdings gibt es auch zweifarbige Dreads, meist eine Kombination aus Schwarz und einer beliebigen, zum Gesamtoutfit passenden Farbe. Es gibt außerdem zwei weitere Dread-Varianten, zum einen die sogenannten „Wooldreads“, zum anderen die „Flimsies“. Bei dem Ersten handelt es sich um Dreads aus gefilzter Wolle, die „Flimsies“ hingegen sind genähte Schläuche aus Stoff, welche ebenso wie Dreads aussehen. Der Vorteil dieser beiden Varianten ist, dass sie zum einen bedeutend leichter, zum anderen viel stabiler als ihre Kunsthaar-Variante sind, jedoch ist das Herstellungsverfahren dieser beiden Varianten bedeutend aufwändiger, bzw. komplizierter. Flimsies tendieren außerdem eher dazu, bei richtiger Materialwahl unter UV-Licht zu leuchten, was sie sehr beliebt macht

Cyberlox

Neongrüne UV-Cyberlox, Schwarz-Grüne Metallic-Lox & Limettengrün-Silberne Mini-Lox

Die sogenannten Cyberlox waren ursprünglich schlauchförmiges Geschenkband aus den USA. Durch ihre gedrehte Webform sind sie bis auf ein Vielfaches dehnbar und springen in die alte Form zurück, sobald man sie los lässt. Ihr Vorteil gegenüber synthetischen Dreads ist ihr bedeutend geringeres Gewicht und ihr künstlicheres Aussehen. Es gibt sie in allen Farben, sowohl einfarbig als auch zweifarbig gestreift, in metallic sowie matt als auch uv-aktiv. Bei DiY-Haarteilen werden die Lox meist in Meterware gekauft, auf die gewünschte Länge geschnitten und meist an einem Band oder einer Haarklammer befestigt. Lox gibt es in unterschiedlichen Größen, meist werden die normal großen Cyberlox mit einem Durchmesser von ~2 cm und die kleinen Mini-Lox mit einem Durchmesser von ~0,75 cm genutzt.

Foamies

Foamies sind geschichtete Streifen aus Moosgummi. Meist wird dafür schwarzes und farbiges Moosgummi zeitgleich verwendet, die Streifen haben dabei eine Breite von durchschnittlich 1-4cm und eine Gesamtlänge von 20 bis 40 cm. Das Material für Foamies ist sehr günstig und die Herstellung ist recht einfach, daher werden diese Streifen sehr gern genutzt. Entlang der Streifen wird häufig weitere Dekoration aus Moosgummi aufgeklebt oder aufgemalt.

Firmen

Firmen, die sich in diesem Stil spezialisieren, sind zum Beispiel Cyberdog und DANE in London, Lip Service in Südkalifornien, Diabolik, ein Laden in Montreal, und Robotic Kitty Fashions in Chicago.[6] Neben den internationalen Unternehmen gibt es auch einige deutsche Firmen, die den hiesigen Markt bedienen. Im Bekleidungsbereich ist dies die Firma Deecom e.K. mit Sitz in Kehl. Die Firma produziert und vertreibt die Marke „Amok“. Von der Firma Mode Wichtig mit Sitz in Duisburg werden Textilien unter dem Label Sektor1 hergestellt und vertrieben. Im Bereich Accessoires hat sich die Firma Cyberloxx, ebenfalls aus Duisburg, mit ihrer gleichnamigen Marke etabliert. Die Firma, die neben einem Groß- und Versandhandel auch ein Ladenlokal in Duisburg betreibt, wurde bekannt durch ihre Haarteile. In Essen befindet sich im „Leo Store“ ein Cybershop namens „Cyber City“. Dieser über 150 m² große Cyberladen realisiert in seinem Ladenkonzept neue Formen des Event-Shoppings. Auf einer großen fest installierten Bühne treten regelmäßig Liveacts auf. Jeden Samstag gibt es Musik von szenebekannten DJs.[7]

Musik und Tanz

Die Cyberkultur ist überwiegend eine Tanzclubkultur. Sie präferiert schwerpunktmäßig techno-/trance- (und speziell von Hardstyle) inspirierte Musikformen wie Future Pop, Aggrotech (Hellectro) und Rhythm ’n’ Noise.[8][9] Eine eigenständige, musikkulturelle Basis besitzt sie nicht.[1] Im Vordergrund stehen Tanzbarkeit[1] und zumeist bassdrum-betonte Trackstrukturen im 4/4-Takt.

Cybers finden sich vor allem auf Veranstaltungen der Schwarzen Szene, aber auch vereinzelt auf diversen Techno-Events zusammen. Hierbei sind deutliche Unterschiede bezüglich des Tanzstils anderer Gruppierungen innerhalb der Schwarzen Szene zu erkennen: Cybers legen vor allem Wert auf schnelle, rhythmische, dem Takt nachempfundene Armbewegungen (d. h. das Ausstrecken, Drehen oder Schlagen des Arms weg vom Körper oder zum Körper hin), zum Teil kombiniert mit rhythmischen Beinbewegungen, wobei die Beinarbeit nur eine nebensächliche Rolle einnimmt. Häufig erfolgt die Ausführung des Tanzes in den Clubs unter Einsatz von Accessoires wie Leuchtstäben und LED-Ringen.

Kontroverse

Die zunehmende Entfaltung der oft als „Cybergoth“ bezeichneten Szene stößt vor allem bei Anhängern und Subszenen der Gothic-Bewegung auf Ablehnung[9] und rief in den vergangenen Jahren zahlreiche Diskussionen hervor.[1] Anders als diese Subszenen, die sich stufenweise aus dem Gothic-Rock- und Dark-Wave-Umfeld entwickelten und somit untrennbar mit der Gothic-/Wave-Musik verwoben sind, werden die Cybers häufig als eine der Techno-Szene nahestehende Patchwork-Kultur (Mischkultur) wahrgenommen,[1] die sich vorrangig über modische Aspekte definiert. Der tatsächliche Gothic-Anteil wird hierbei, sowohl outfit-bezogen als auch musikkulturell, als gering eingeschätzt.[1]

Zum weiteren Zerwürfnis trug die Verwendung der Bezeichnung Industrial im Zusammenhang mit der favorisierten Musik und dem Tanzstil der Cybers bei, da ein direkter Bezug zur „Industrial Culture“ nicht besteht.[10] Bei Industrial handelt es sich – ähnlich wie beim Ambient – um ein avantgardistisches, audio-visuelles Konzept, nicht um eine Form technoider Tanzmusik. Im Gegensatz zu letzterer sind die meisten Substile der Industrial-Musik experimenteller Natur und für den herkömmlichen Club-Einsatz ungeeignet.[9]

Weblinks

Commons: Cyberkultur – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b c d e f g h i j k l m Alexander Nym: Schillerndes Dunkel. Musikunabhängige Strömungen, S. 180, Plöttner Verlag, 2010, ISBN 3-86211-006-0
  2. Nancy Kilpatrick: The Goth Bible: A Compendium for the Darkly Inclined. Plexus, UK 2005, ISBN 0-85965-365-X, S. 55.
  3. The Age: Dead fashionable. 13. September 2002 (abgerufen am 12. Juni 2007)
  4. a b c Valerie Steele, Gothic: Dark Glamour, Yale Universitäts-Presse, 2008, S. 49–50
  5. Nancy Kilpatrick: The Goth Bible: A Compendium for the Darkly Inclined. St. Martin's Griffin, New York 2004, ISBN 0-312-30696-2, S. 35–36.
  6. Kilpatrick (U.S. edition), S. 34–35.
  7. Stefan Koberg: Künstliche Welten im Cyber-Shop. Der Westen, 1. Februar 2011, abgerufen am 3. Februar 2011.
  8. Stefan Gnad: Schillerndes Dunkel, S. 199, Plöttner Verlag, 2010, ISBN 3-86211-006-0
  9. a b c Stefan Lederer: Schillerndes Dunkel. Industrial, S. 244, Plöttner Verlag, 2010, ISBN 3-86211-006-0
  10. Stefan Lederer: Schillerndes Dunkel. Industrial, S. 245, Plöttner Verlag, 2010, ISBN 3-86211-006-0