Das Hohe Lied (Hermann Sudermann)

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Das Hohe Lied ist ein Roman von Hermann Sudermann von 1908. Er wurde das meistgelesene Buch des Erscheinungsjahres und erschien später in über 100.000 Exemplaren.

Die junge Lilly Czepanek verliert ihren Vater, der Kapellmeister ist und die Familie heimlich verlässt. Die Mutter kümmert sich um den Lebensunterhalt und wird später irrsinnig. Lilly wird von einem Rechtsanwalt als Vormund in eine Leihbibliothek als Ausgabemitarbeiterin geschickt. Dort lernt sie verschiedene Männer kennen, darunter einen Leutnant, mit dem sie ein Liebesverhältnis hat, und dessen Vorgesetzten, einen Oberst, den sie dann heiratet. Als dieser die beiden ertappt, als sie sich weiter heimlich treffen, lässt er sich scheiden und verletzt den Leutnant beim Duell. Dieser verschwindet danach nach Amerika.

Lilly zieht im zweiten Teil nach Berlin, wo sie die Geliebte eines Fabrikbesitzers wird, aber außerdem Verhältnisse mit weiteren Männern hat. Danach heiratet sie den Fabrikbesitzer, der die attraktive junge Frau stolz in der vornehmen Gesellschaft präsentiert ...[1]

Der Buchtitel Das Hohe Lied bezieht sich auf eine Komposition des Vaters, die Lilly bei sich behält und hütet. Diese basierte auf dem alttestamentlichen Hohelied, das die Liebe zum Thema hat.

Hermann Sudermann war einer der bekanntesten Schriftsteller seiner Zeit. Er verfasste einige Romane und zahlreiche Theaterstücke, die häufig aufgeführt wurden. Das Hohe Lied war sein erster Roman nach fünfzehn Jahren und wurde ein großer Erfolg. Der Verlag brachte im ersten Jahr 1908 bereits etwa 40.000 Exemplare heraus. Bei einer Umfrage in Bibliotheken wurde er als das meistgefragte Buch des Erscheinungsjahres festgestellt.[2] Dagegen waren die meisten Literaturkritiker in Rezensionen entsetzt über die mangelnde inhaltliche, sprachliche und konzeptionelle Qualität des Werkes.[3]

Der Roman wurde dennoch auch in den folgenden Jahren viel gekauft. 1929 gab der Verlag Cotta das 106. bis 110. Tausend heraus.[4] Damit gehörte es zu den erfolgreichsten Werken des Autors. Nach 1930 sind keine Neuausgaben mehr bekannt.

The song of songs, 1914, Theaterstück Broadway
The Song of songs, englische Übersetzung (pdf)

Es gab zwei Übersetzungen in das Englische 1909 und 1913. Nach diesen entstanden ein Theaterstück, drei Kinofilme, ein Hörspiel und eine BBC-Fernsehproduktion.[5] Dabei wurde der Inhalt allerdings stark verändert, sodass nur noch der Vorname der Hauptperson Lily und deren Wechsel zwischen mehreren Männern erhalten blieb. Ein Hauptmotiv dieser Bearbeitungen war eine Freizügigkeit der Beziehungen, die in literarischen Texten im puritanischen englischsprachigen Raum zu dieser Zeit noch relativ selten war. Am bekanntesten wurde eine US-Verfilmung von 1933 mit Marlene Dietrich in der Hauptrolle.

Außerdem gab es Übersetzungen in das Französische und in das Lettische.[6][7]

Der konservative Literaturkritiker Otto Hindrichs äußerte seine Unzufriedenheit mit diesem Roman mit teils deutlichen Worten.

„(...) Aber leider haben wir es schon zu oft erleben müssen, dass äußerer Erfolg und künstlerischer Wert zueinander in umgekehrtem Verhältnis standen. Und leider gilt das auch wieder von Sudermanns neuestem Werk. (...) Den dritten und weitere Teile [des Romans] hat Sudermann uns glücklicherweise erspart. (...) Vergebens wird man nach dem Problem [Sinn] des Romans fragen. Er hat überhaupt keins oder es ist doch nur so schwächlich herausgearbeitet, daß es nicht ins Bewußtsein tritt. (...) der ganze Sudermann taugt eben nichts.“[8]

Und der sozialdemokratische Literaturkritiker Karl Korn beklagte

„Sudermann – das ist ja auf dem literarischen Warenmarkt eine Sorte (...), die keiner Anpreisung, nicht einmal eines Begleitwortes bedarf. (...) Nicht dass Sudermann den Lebenslauf einer modernen Kurtisane zum Thema seines neuesten Romans genommen, wird ihm ein halbwegs moderner Zeitgenosse übelnehmen (...). Aber daß er diese Kurtisane so papieren konstruiert, wie er es tut, daß er uns weismachen will, es sei irgendein Fonds hohes Lied in dieser Gassenhauerseele, daß er uns fortwährend in Spannung hält nach dieser intelligiblen, dieser wahren Lilly, und ebenso hartnäckig diese Spannung äfft; (...) macht die Lektüre zu einer sehr fatalen Angelegenheit für Leute, die auch in der schönen Literatur mehr suchen als Zeitvertreib für verlorene Stunden.“[9]

Der Literaturhistoriker Walter T. Rix versuchte später zu besänftigen

„In Das hohe Lied (1908), bislang als seichter Kurtisanenroman mißverstanden, behandelt Sudermann das Thema der weiblichen Individualität in durchaus moderner Form. Die Heldin Lilly Czepanek durchlebt eine kompositorisch äußerst kunstvoll aufgebaute Sequenz von Erkenntnissphären. In dem Widerstreit von sozialer Norm und Anspruch auf Individualität muß sie als Frau schließlich, teilweise durch eigene Schuld, unterliegen.“[10]

Fachliteratur
  • Walter T. Rix: Hermann Sudermann. Werk und Wirkung. 1980. S. 182, 324, und öfter, mit einigen Erwähnungen
  • Gerhard Bock: Sudermanns episches Schaffen im Spiegel der Kritik. Dissertation. Universität Jena, 1935
  • Heinrich Spiero: Deutsche Geister. Studien und. Essays zur Literatur der Gegenwart, 1910
Rezensionen
  • Eckart, 3, 1909, S. 227
  • Der Türmer, 1909, S. 566
  • Westermanns Monatshefte, 105, S. 804
  • Velhagen & Klasings Monatshefte, 1909, 2, 23, S. 295; 1911, 3, 25, S. 631
  • Karl Korn, Der neue Sudermann. In Feuilleton der Neuen Zeit (Wochenschrift der deutschen Sozialdemokratie), 1909. Nr. 13. S. 776–778 PDF
  • The Forum and Column Review, 43, 1910, p. 667

Einzelnachweise

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  1. h., Sudermann, Hermann. Das hohe Lied, in Blätter für Bücherfreunde, 1909, S. 205; mit detaillierter Inhaltsangabe; auch in Rezensionen in Der Kunstwart, 1909, S. 91 und in Hochland, 1908, S. 637
  2. Das literarische Echo, 1908/1909, Die meistgelesenen Bücher; in dieser Zeitschrift auch eine Rezension und weitere Erwähnungen des Buches
  3. Rezensionen zu Das Hohe Lied DLA
  4. Börsenblatt für den deutschen Buchhandel vom 27. April 1929, S. 17, mit ganzseitiger Verlagsanzeige über die Romane mit mindestens 100.000 Exemplaren, darin von Hermann Sudermann noch Frau Sorge, Katzensteg und Es war
  5. The song of songs (novel), in der englischen Wikipedia
  6. Maurice Muret, Le nouveau roman de M. Sudermann, in Journal des débats, 1909 p. 260–263, mit einer ausführlichen Buchbesprechung, die wohlwollender als die meisten deutschen Rezensionen war
  7. Literatur zu Das Hohe Lied WorldCat
  8. Dr. Otto Hindrichs, Hermann Sudermann. Das Hohe Lied, in Hochland, 1908, S. 636–638; mit einer sehr kritischen Rezension in einer liberalen katholischen Kulturzeitschrift, er beklagte vor allem den moralischen Morast, in dem sich die Handlung bewege
  9. Karl Korn, Der neueste Sudermann. In Feuilleton der Neuen Zeit (Wochenschrift der deutschen Sozialdemokratie), 1909. Nr. 13. S. 776–778 PDF , sehr lesenswerte und scharfsinnige Rezension
  10. Walter T. Rix, Hermann Sudermann. Werk und Wirkung. 1980, S. 324; der vorherige Kritiker Karl Korn bemerkte, dass alle diese scheinbaren Strukturen künstlich und literarisch unzureichend dargestellt wurden