Diskussion:Christ lag in Todes Banden, BWV 4

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„Todes Banden“ oder „Todesbanden“?[Quelltext bearbeiten]

Luther hin und Semantik her, hier geht es um Bach und der hat sich für eine der Schreibweisen entschieden. Ich hab leider noch kein Autograph ausfindig machen können, wo man Bachs orginale Schreibweise draus entnehmen könnte - und nur diese sollte gelten. Die Bachforscher wissen da sicher Bescheid. Ein Standardwerk ist für Bachs Werke ist nachwievor noch Schmieders "Thematisch-systematisches Verzeichnis der Werke Johann Sebastian Bachs" und dort steht "Todesbanden". Wir haben nicht das Recht aus heutiger Sicht die Rechtschreibung der damaligen Zeit zu korrigieren!No-bi 00:02, 7. Jul. 2008 (CEST)[Beantworten]

Ich ergänze: Philipp Spitta, Albert Schweizer und vor allem die Bachausgabe der Bachgesellschaft zu Leipzig 1851-1899 schreiben alle "Todesbanden". Man sollte doch die Alten respektieren und nicht ohne triftigen Grund von der Tradition abgehen. Der englische Sprachraum sollte für den Deutschen Bach nicht maßgeblich seinNo-bi 07:47, 7. Jul. 2008 (CEST)[Beantworten]

Niemand will hier aus heutiger Sicht die Rechtschreibung irgendeiner "damaligen Zeit" korrigieren. Bei Luther heisst es ausdrücklich "todes banden" und auch Bach selbst schrieb "Todes Banden" und nicht "Todesbanden". Schmieder, Spitta und Schweitzer liegen, was die Schreibung in den originalen Quellen von BWV 4 betrifft, somit falsch. Ich denke, aufgrund der folgenden Quelle kann die Diskussion hier beendet werden. NEUE Bach Ausgabe (NBA), Kritischer Bericht zu BWV 4, S. 22: "Da Bach Komposita in der Regel getrennt schreibt, besteht im Schriftbild zwischen der Bedeutung "Todes Banden" und "Todesbanden" kein Unterschied (NBA folgt der Getrenntschreibung Bachs)."

Alain Gehring

Quellen, man bringe mir Quellen ;-) --Qpaly/Christian () 07:59, 19. Apr 2006 (CEST)

Hallo Qpaly, Alfred Dürr in die "Kantaten von Johann Sebastian Bach" (dtv/Bärenreiter)verwendet die Schreibweise in Todes Banden. Desgleichen die Complete Bach Edition von Teldec im Beiheft zu der entsprechenden CD Box und der englische Wikipedia-Artikel. Daran habe ich mich orientiert.

Im evangelischen Gesangsbuch meiner Großmutter von 1927 findet sich aber für das aber Lutherlied "Todesbanden". Der Google-Vergleich zeigt für letzteren Suchbegriff auch eine höhere Trefferquote, etwa im Verhältnis 3:8.

Soweit ich des den Treffern entnehmen konnte scheint für die Bachkantate die Schreibweise "Todes Banden" vorzuherrschen während das Lutherlied typischerweise "Todesbanden" lautet. Warum weiss ich nicht. Ich vermute mal, das Bach im Orginal "Todes Banden" schrieb (kenne aber keine Abdruck davon). Im 18 Jahrhundert haben die Menschen eben noch nach Gefühl geschrieben. Gruss Montaigne 22:31, 19. Apr 2006 (CEST)

Danke für die Antwort. Ich kannte es bislang nur zusammen geschrieben*. Die Auseinanderschreibung* bringt ja ein sehr poetisches Genitiv-Feeling hinein... --Qpaly/Christian () 23:15, 19. Apr 2006 (CEST)
*) Lustige Seiteneffekte der Orthografie, siehst Du's ;-) ?

Die Schreibung "Todes Banden" läßt im Gegensatz zu "Todesbanden" eine Personifizierung des Todes entstehen, wohingegen die zweitgenannte lediglich beschreibt, von welcher Art die Banden sind, die auf diese Weise in den Mittelpunkt gerückt werden. Das hat weniger etwas mit irgendeinem "poetischem Genitiv" zu tun, als vielmehr mit einer sehr bildlich-konkreten Vorstellung des Todes, die uns heute meistens fremd erscheint. Zur unterschiedlichen Schreibung bei Luther und Bach: Dies ist eigentlich nicht der Fall! Auch Luther schreibt: "Todes Banden" (vgl. Weimarer Ausgabe, habe ich gerade nicht zur Hand...). Allerdings hat das Evangelische Gesangbuch dies nicht übernommen und meinte, ändern zu müssen. Das damit die Personifizierung des Todes zerstört wurde, war offensichtlich nebensächlich. Dies ist zu korrigieren, denn inkonsequenterweise schreibt das Evangelische Gesangbuch in der 3. Strophe auch "Tods Gestalt" und nicht "Todsgestalt", was bei der Schreibung "Todesbanden" eigentlich zu erwarten wäre. Resümee: Die Schreibung "Todes Banden" ist nach Bach und Luther die einzig richtige. Das Evangelische Gesangbuch ist zu korrigieren.

Alain Gehring

Liebe Diskutanten, der Unterschied ist semantisch 0. Mit Luther wurden Substantivkomposita häufig zusammengeschrieben. Vgl. dazu etliche Lutherbibeln seiner Zeit. A.G.s Interpretation ist interessant. Wären wir Poeten, müssten wir natürlich „Todes Banden“ schreiben. Sind wir aber net (Oder doch?). Herzliche Grüße Penta Erklärbär 16:20, 22. Jan. 2007 (CET)[Beantworten]
Also mir ist der Unterschied > 0 und wichtig. In Bezug darauf hat A. G. im Gegensatz zu mir treffende Worte für das gefunden, was ich empfinde*. Wobei ich nach wie vor völlig ergebnis-offen bin, nicht dass mir jemand nachsagt, ich würde einzig die Getrenntschreibung durchsetzen wollen. Doch (weil mir der Unterschied groß erscheint) will ich „das Richtige“ herausfinden und bat daher um Quellen. --Qpaly/Christian () 07:45, 23. Jan. 2007 (CET)[Beantworten]
*) Nicht zustimmen würde ich der These, das Gesangbuch sei zu korrigieren, denn dieses ist in fortdauerndem Wandel begriffen, während die Bach-Kantate abgeschlossen ist.

Hallo, liebe Diskussionsrunde! Nachfolgend möchte ich (Alain Gehring) meine oben gegebenen Argumente differenzieren und schärfen:

Dass Substantivkomposita bei Luther häufig zusammengeschrieben werden ist klar. Aber im Lied "Christ lag" ist die Schreibweise "Todes Banden" äußerst wichtig und die einzig richtige, denn sie personifiziert den Tod, wohingegen die Schreibweise "Todesbanden" lediglich beschreibt, von welcher Art die Banden sind, die auf diese Weise in den Mittelpunkt gerückt werden. Um zu dieser Ansicht zu gelangen, muss man das Lied näher untersuchen und einiges über die poetische Konzeption des Liedes wissen. Nur wer "Christ lag in Todes Banden" einmal analysiert und nicht nur grob drübergeschaut hat, wird zu den Schlüssen kommen, die ich dargelegt habe.

Hier eine Kurzanalyse (keineswegs vollständig!):

1. Luther bezieht sich in seinem Lied sowohl auf das älteste deutschsprachige Kirchenlied "Christ ist erstanden" als auch auf die Ostersequenz "Victimae paschali laudes". Auf letztere komme ich später nocheinmal zurück. Bitte lest zunächst diese Sequenz.

2. Luthers Lied besteht aus 7 Strophen zu je 7 Zeilen. Jede Zeile hat zudem meistens 7 Silben. Vgl. http://de.wikisource.org/wiki/Christ_lag_in_Todesbanden (Die Fassung, die Bach übernommen hat und die zu seiner Zeit üblich war, zerstört gelegentlich die ursprüngliche Siebensilbigkeit bestimmter Zeilen Luthers, nicht aber die Schreibweise "Todes Banden", vgl. z. B. "Es war ein wunderlichER Krieg" bei Bach statt "Es war eyn wunderlich Krieg" bei Luther.) Schon an dieser Stelle merken wir: Bei Luther nicht genau hinzuschauen, ist nicht ratsam! Den Mittelpunkt des 7strophigen Liedes bildet somit Strophe 4: "Es war eyn wunderlich krieg / da tod vnd leben rungen / Das leben behielt den sieg / es hat den tod verschlungen / Die schrifft hat verkundet das / wie eyn tod den andern fras / Eyn spott aus dem tod ist worden." Im Zentrum des Liedes stehen sich also PERSONIFIZIERT Tod und Leben im Kampf gegenüber - eine typisch mittelalterliche Vorstellung, wie sie in der Ostersequenz "Victimae paschali laudes" ebenfalls vorkommt. Auf dieses Zentrum kam es Luther also in seinem Lied an. (Und Bach wohl auch, denn er vertont den Satz als Chor. Chorsätze, die in der Mitte stehen, sind in Bachs Kantaten selten.) Luther scheint diese Worte direkt aus der Sequenz übernommen zu haben: "Mors et vita duello conflixere mirando." Weiterhin heisst es bei Luther: "(...) wie eyn Tod den andern fras" - personifizierter geht es wohl nicht: Das Leben als des Todes Tod tötet den Tod. Die vierte Strophe ist auch sonst ein besonderes Zentrum. Während in der ersten Hälfte (Strophen 1-3) 5 mal vom Tod und nur 1 mal vom Leben gesprochen wird, erscheint in der zweiten Hälfte (Strophen 5-7) der Tod lediglich 1 mal, wohingegen das Verb "leben" 2 mal als deutliches Resümee der letzten Strophe auftaucht. Gar nichts ist hier mehr vom Tod zu hören, der ja zuvor die Strophen ziemlich dominierte. Das Lied entwickelt sich also von der Vorherrschaft des Todes (Strophen 1-3) über den entscheidenden Kampf zwischen Tod und Leben (Strophe 4) hin zur Vorherrschaft des Lebens (Strophe 7). So sehr die Todesthematik zuvor überwog, so abfallend ist die Tendenz ihres Auftauchens im weiteren Verlauf des Liedes. Und am Ende erscheint als Schlusspunkt das Leben. Ich hoffe, dass nun klar geworden ist, wie wichtig diese beiden Worte für Luther in diesem Lied waren. (Vgl. z. B. auch seine Osterpredigten!) Vor diesem Hintergrund kann ich die Schreibweise "Todesbanden" nicht akzeptieren, denn sie bringt lediglich zum Ausdruck, von welcher Art die Banden sind, die auf diese Weise in den Mittelpunkt gerückt werden. Sie zerstört die Personifikation des Todes und damit das integrale poetische Konzept des Liedes.

3. Wenn uns selber der Unterschied zwischen "Todes Banden" oder "Todesbanden "gleich Null" vorkommt, dann zeigen wir damit nur, wie fremd uns Luthers Bilderwelt erscheint. In unseren Reaktionen enthüllen wir nur uns selbst. Das bedeutet aber nicht, dass wir damit Luther verstanden haben. Er schreibt "Tods Gestalt" und "Todes Banden" konsequent auseinander - das Evangelische Gesangbuch tut dies nicht. In Strophe 1 heißt es im EG "Todesbanden" und in Strope 3 heißt es "Tods Gestalt". Nennt mir bitte einen vernünftigen Grund für diese Inkonsequenz! Die Getrenntschreibung von "Todes Banden" und "Tods Gestalt" hat in einem so kunst- und planvoll gearbeiteten Lied (7 Strophen zu je 7 Zeilen überwiegend zu je 7 Silben + Halleluja) schon Sinn und Zweck, Hand und Fuß. Von den vielen kunstvoll eingearbeiteten Bezügen zum Alten und Neuen Testament habe ich bisher noch abgesehen. Luther liest das Alte Testament vor dem Hintergrund des Neuen, weil laut Luther "alle Schrifft Christum treiben muss". Und in dieser Manier ist auch das Lied gearbeitet: Vgl. in diesem Zusammenhang z. B. Jesaja 25, 8 und Hosea 13, 14 mit 1. Korinther 15, 54 und mit der 4. Zeile der besprochenen 4. Strophe des Liedes! Diese Zeile steht zudem fast genau in der Mitte des Liedes: Das Leben hat den Tod verschlungen. Das ist Luthers Ostertheologie in Knappheit auf den Punkt gebracht! Resümee: In einem so komplex gearbeiteten Lied kommt es auf jedes Wort an!

4. Luthers Welt war erfüllt von sehr konkreten Bildern: "Engel und Teufel waren für Luther gefühlsträchtige Vorstellungen, die Schauer der Ehrfurcht oder des Grauens über den Rücken jagen konnten. Für uns heute sind es abgeblaßte Lob- oder Schimpfwörter bzw. Flüche." (Birgit Stolt: Martin Luthers Rhetorik des Herzens, Mohr Siebeck: 2000, S. 2). Demjenigen, dem die Welt Luthers fremd ist, empfehle ich die Lektüre des genannten Buches von der bekannten Lutherfoscherin Birgit Stolt.

5. Die Schreibweise "Todes Banden" ist die einzig richtige, autorisierte und dem poetischen Konzept des Liedes entsprechende.

Ich hoffe, ich habe weiterhelfen können.

Alain Gehring

Diskussion hin, Diskussion her: Beide Schreibweisen werden verwendet. Ich habe im Artikel darauf hingewiesen. Groogle 05:14, 12. Apr. 2009 (CEST)[Beantworten]