Diskussion:Hanna-Maria Zippelius

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Formulierungen[Quelltext bearbeiten]

  • In den zahlreichen Ausführungen des Textes wird meines Erachtens zu wenig deutlich gemacht, dass es sich hierbei um die wissenschaftliche Meinung von Zippelius handelt. Diese werden mithin gleich als erwiesene Tatsachen hingestellt. (Zitat: "Als nicht länger haltbar erwiesen sich ferner etliche (gleichwohl noch immer in deutschen Schulbüchern aufgeführte) Deutungen zum Verhalten von Stichlingen, die gleichfalls auf Nikolaas Tinbergen zurückgehen.") Meiner Meinung nach eine eindeutige Kollision mit dem NPOV-Kriterium der Wikipedia. Ich habe obigen Textteil einmal etwas stärker mit Bezug auf Zippelius umformuliert [versehentlich leider nur unter der IP 217.252.79.117] und ein Kontra von Eibl-Eibesfeldt eingefügt. Es müsste an dem Artikel jedoch noch mehr Derartiges geschehen. --J.-H. Janßen 13:49, 17. Dez 2005 (CET)

?-Auf dem Prüfstand: die Instinkttheorie-?[Quelltext bearbeiten]

Dieser Abschnitt bezieht sich in weiten Teilen auf eine wissenschaftliche Kontroverse, die in den 19-hundert-90-ziger Jahren unter Schulbiologen und in den öffentlichen Medien über die Tragfähigkeit des ethologischen Schlüsselreiz-Konzeptes ausgetragen wurde. Ausgelöst wurde diese Diskussion durch einen Bericht von Zippelius, die in sog. "Revisionsversuchen" frühere Ergebnisse von Tinbergen (1951) nicht bestätigen konnte. Dabei ist sie aber von der alten, in der Ethologie nicht mehr gültigen, Vorstellung des "angeborenen Schemas" ausgegangen. Konrad Lorenz schreibt 1978 in diesem Zusammenhang: "Man hat den Ausdruck angeborenes Schema deshalb verlassen, weil er immer noch die Vorstellung von einem, wenn auch vereinfachten, Bild der Gesamtsituation nahe legt. Man spricht jetzt von einem angeborenen Auslösemechanismus (AAM)". Damit sollte die "neuere" Vorstellung ausgedrückt werden, dass Schlüsselreize immer nur für die Auslösung einer ganz bestimmten Reaktion zuständig sind, aber nicht für ein bildliches Erkennen des Sozialpartners (Schema), der ja sehr unterschiedliche Reaktionen beim Versuchstier hervorrufen kann.

Da offensichtlich auch der Autor des Beitrags immer noch von der alten Schema-Vorstellung ausgeht,und da er die Argumente von Zippelius blind übernimmt, soll hier an einem Beispiel kurz erläutert werden, dass hier ein grundsätzlicher Unterschied besteht, den man beachten muss, wenn man Kritik an früheren Untersuchungen üben will.

Die unterschiedlichen theoretischen Vorgaben (Tinbergen: AAM - Auslösung einer bestimmten Verhaltensweise; Zippelius: Erkennen eines angeborenen Schemas) zeigen sich deutlich, wenn man die Versuchsplanungen bei beiden Autoren vergleicht: Tinbergen hat seine Untersuchungen in Möwen-Kolonien durchgeführt, und dabei die Versuchstiere in einer möglichst beruhigten Nest-Situation belassen; in den Versuchen wurden den Kücken in unmittelbarer Nähe unterschiedliche Schnabelattrappen vorgehalten und dabei bewegt. Registriert wurde die Intensität der Reaktion "Anpicken des Schnabels". Dagegen wurden die Tiere bei Zippelius künstlich aufgezogen und vor den Versuchen in einem Dunkelaufenthalt belassen; in den Laborversuchen wurden ihnen zwei unbewegte Möwen-Attrappen in einer grösseren Entfernung gezeigt, auf die sie zulaufen mussten. Da die Tiere in den jeweiligen Versuchen unter ganz verschiedenen Bedingungen getestet und da zwei verschiedene Reaktionen (Anpicken des Schnabels bzw. Zulaufen auf Attrappen) untersucht wurden, kann - bei einer richtigen Anwendung des AAM-Konzeptes - von einer Widerlegung der alten Ergebnisse durch die "Revisionsversuche" keine Rede sein.

Bei der Formulierung "Instinkttheorie auf dem Prüfstand" sollte man bedenken, dass es sich hier inzwischen schon fast um ein historisches Thema handelt; vor allem kann man die theoretischen Grundlagen und die Terminologie der klassischen Ethologie heute sicher nicht mehr unreflektiert verwenden. Auf der anderen Seite hat sich aber gerade das (von Zippelius kritisierte) Schlüsselreiz-Konzept der Ethologie als tragfähig erwiesen, zumal es auch bei neurophysiologischen Untersuchungen als Arbeitshypothese gedient und zu Resultaten geführt hat, die man auch heute noch am besten mit der alten ethologischen Formel: Auslösung von Verhaltensweisen durch Schlüsselreize beschreiben kann.

Lit.: Ewert, JP. (1998): Neurobiologie des Verhaltens, Verlag Hans Huber. Kuenzer, P. (1993): Doch noch einmal: Schlüsselreize - ja oder nein. VDBiol.Nr.408, Biologen in unserer Zeit 5, 65-66. Kuenzer, P. (1994): Das Schlüsselreizkonzept der klassischen Ethologie aus heutiger Sicht. In Neumann und Scharf (Hg.) Verhaltensbiologie in Forschung und Unterricht. Aulis, Köln. S. 36-62. Lorenz, K. (1978): Vergleichende Verhaltensforschung. Springer, Wien,New York. --145.254.151.145 14:37, 6. Feb. 2007 (CET)[Beantworten]

  • Diese Argumente sind im Anschluss an Zippelius' Publikationen immer wieder vorgetragen worden. Dabei wurde systematisch ignoriert, dass es gerade die frühen Ethologen waren (nicht ohne Grund allesamt aus der Ornithologie hervorgegangen), die mit erfahrungslos aufgezogenen Jungtieren arbeiteten (d.h. mit gerade aus Eiern geschlüpften Jungvögeln), da deren Verhalten rein genetisch bedingt ist. Insofern waren die Experimente von Zippelius' Doktoranden und Diplomanden geschickter angelegt als die Beobachtungen am Nest wilder Tiere. Die AG Zippelius führte die Kontrollen zudem statistisch analysierend durch und nicht bloß anekdotisch-beobachtend. Auch Tinbergen-Schüler Hans Kruuk schreibt in seinem Standardwerk über Tinbergen zur Freilandanalyse der Farbflecken (S. 140): there were no statistical evaluations. Und er fügt hinzu: what worries me about these experiments, is that all models were presented and moved by hand, by observers who had certain ideas about what sort of result to expect. - Zu den Stichlingsexperimenten schreibt Kruuk übrigens: looking back at the stickleback story...one can see that vital details were wrong. (S. 88) Auch in Bezug auf diese Problematik war Zippelius' Ansatz angemessen. Tinbergen hat übrigens, als The Study of Instinct 20 Jahre nach der Erstveröffentlichung neu aufgelegt werden sollte, bewusst auf eine Revision des Werkes verzichtet, weil er selber um diese Probleme wusste und es nur noch als historisches Werk ansah. (Hans Kruuk: Niko's Nature. Oxford University Press, 2003) --Gerbil 11:32, 7. Feb. 2007 (CET)[Beantworten]

Auf dem Prüfstand: Die Kritik von Zippelius am Schlüsselreiz-Konzept der Ethologie[Quelltext bearbeiten]

Da in dem vorstehenden Diskussions-Kommentar nur auf einem Nebenschauplatz argumentiert wird (nach 60 Jahren wird es wohl bei den meisten Untersuchungen Einwände zur methodischen Durchführung geben), muss ich doch noch einmal zum Kern meiner Ausführungen zurückkehren. Mein zentraler Einwand ist: Zippelius ist bei ihrer Kritik von einer falschen Vorstellung über die Wirkungsweise von Schlüsselreizen- bzw. von einem diametral anderen Konzept als Tinbergen - ausgegangen; daher tangieren die Ergebnisse ihrer "Revisionsversuche" die Befunde von Tinbergen in keiner Weise, sondern sie zeigen eindrücklich, dass Zippelius das ethologische Konzept von der Auslösung von Verhaltensweisen durch Schlüsselreize gründlich missverstanden hat. Um dieses Missverständnis noch einmal aufzuzeigen, möchte ich die beiden unterschiedlichen Konzepte und die jeweiligen Ergebnisse von Tinbergen und Zippelius noch einmal kurz erläutern und die unterschiedlichen Standpunkte einander gegenüberstellen.

Tinbergen ist von dem ethologischen Konzept der Auslösung von Verhaltensweisen durch Schlüsselreize ausgegangen. Dieser Ansatz wird im Titel seiner Arbeit klar ausgedrückt: "on the stimulus situation releasing the begging response in the newly hatched herring gull chick". Dabei war für ihn die innere Handlungsbereitschaft zur Ausführung der Bettelreaktion (also eine beruhigte Neststimmung und Futtererwartung) die wichtigste Voraussetzung zur Durchführung seiner Attrappenversuche. Da er daher die natürlichen Bedingungen so weit wie möglich erhalten wollte, fuhr er mit seiner Arbeitsgruppe in mehreren aufanderfolgenden Jahren in eine Möwen-Kolonie. Zu den Versuchen wurden gerade geschlüpfte, noch nasse Kücken vorsichtig aus dem Nest geholt und bekamen unterschiedliche Schnabelattrappen in Pickdistanz vorgehalten. Um die natürliche Situation der Futterübergabe möglichst genau zu imitieren, wurde vor jeder Attrappendarbietung der Eltern-(Katzen-) Ruf nachgeahmt. Registriert wurde die Reaktion "Anpicken des Schnabels" und dabei die Anzahl der Pickschläge innerhalb von 30 Sekunden gezählt. Der "Reizwert" einer Attrappe wurde nicht durch einen einzelnen Messwert ermittelt, sondern durch einen Vergleich der Pickraten, die unterschiedliche, nacheinander gebotene Attrappen erhielten; dabei wurden auch die Schwankungen der Reaktionsbereitschaft, die in den Versuchsreihen auftraten, berücksichtigt. Weil die Situation der Futterübergabe möglichst genau nachgeahmt werden sollte, wurden die Attrappen mit der Hand langsam bewegt, wobei hier Fehlerquellen nicht auszuschliessen waren. Hier haben aber die weiterführenden Versuche von Hailman mit mechanisch bewegten Attrappen die Ergebnisse von Tinbergen bestätigt und darüber hinaus gezeigt, dass der rote Fleck nur im Zusammenhang mit der Bewegung des Schnabels wirksam ist.

Tinbergen hat die auslösende Reizsituation für die Bettelreaktion entsprechend den damaligen Vorstellungen zunächst in Form von einzelnen Merkmalen beschrieben, wie: roter Schnabelfleck, Bewegung, längliche Form, Niedrigkeit, Nähe usw., die unabhängig (nach dem Prinzip einer sog. Reizsummenregel) zusammenwirken sollten. Diese anfänglichen Vorstellungen mussten inzwischen korrigiert werden, denn man konnte in Verhaltens- und neurophysiologischen Untersuchungen zeigen, dass der Auslösevorgang immer auf ganz einfache Reizgestalten anspricht: die jeweilige Verhaltensweise tritt nur dann auf, wenn alle relevanten Schlüsselreizparameter zusammentreffen (Gestaltcharakter der Schlüsselreize). Bei der Beschreibung der Schlüsselreize hat der rote Schnabelfleck immer einer besondere Rolle gespielt, wobei schon Tinbergen in einigen Versuchen eine Gleichrangigkeit mit Schwarz gefunden hat. Dieser Befund hat ihn zu der Vermutung geführt, dass schon allein der Faktor "Auffälligkeit" eine Rolle spielen könnte, was sich dann auch in weiteren Versuchen bestätigen ließ. Dass die auslösende Schlüsselreiz-Situation viel einfacher ist, als zunächst angenommen, hat Tinbergen mit seiner übernormalen Schnabel-Attrappe gezeigt: Mit einem bewegten, schmalen, rot-weißen Holzstab konnte er die Bettelreaktion besser auslösen als mit einem möglichst naturgetreu nachgebildeten Möwenkopf. Der rote Schnabelfleck der Silbermöwe ist ein sozialer Auslöser, der aber nur bei der Futterübergabe und im Zusammenhang mit der Bewegung des Schnabels wirksam wird. (Entsprechendes dürfte auch für den oft zitierten roten Bauch des Stichlings gelten, der wohl auch nur im Zusammenhang mit der besonderen Bewegungsweise des Droh- bzw. Balzverhaltens eine Signalwirkung hat).

Dagegen ist Zippelius von einer ganz anderen theoretischen Vorstellung ausgegangen, denn sie spricht von einer "angeborenen Bewertung der zu prüfenden Umweltsituation durch das Tier" und meint die "Reizwertbestimmung unabhängig von der Bereitschaft" durchführen zu können. Von diesen Überlegungen ausgehend entwirft sie eine - einem Lernversuch entsprechende - Versuchsanordnung, mit der sie prüfen will, ob Möwenkücken Kopfattrappen mit einem roten Schnabelfleck vor anders aussehenden spontan bevorzugen. In ihren sog. "Revisionsversuchen" hat sie in simultanen Zweifach-Wahlen jungen Silbermöwen (die unter exakten Bedingungen aufgezogen worden waren, aber erst im Alter von 2 Tagen untersucht und vorher im Dunklen mit der Hand gestopft wurden!) im Abstand von 55 cm zwei unbewegte Attrappen der Elternvögel gezeigt, die sich in den oben genannten Merkmalen (aber auch noch in anderen Zeichnungsmustern) unterschieden. Am Startpunkt wurden die Tiere in einen Drahtkäfig gesetzt, aus dem sie nach 30 Sekunden starten durften. Es wurde auf eine exakte Versuchsdurchführung, aber nicht auf die innere Stimmung der Versuchstiere geachtet (man kann vermuten, dass die Küken nach der Vorbehandlung am Startpunkt ängstlich waren, und dass in dieser Situation wohl eher eine Flucht- oder Schutzreaktion hervorgerufen wurde). In den Versuchen, in denen registriert wurde, auf welche Attrappe die Tiere zuliefen, konnten keine eindeutigen Bevorzugungen für bestimmten Attrappen, und vor allem keine Sonderstellung für das Merkmal "roter Schnabelfleck", gefunden werden. Zippelius interpretiert ihre Befunde richtig, indem sie schreibt: "Demnach scheinen junge Silbermöwen kein "angeborenes" Bild des Bild des Elterntieres zu besitzen, das sich mit Hilfe von Merkmalen, den Schlüsselreizen, beschreiben ließe"(Zippelius, Biologie Heute, Mai 1992). In dieser kurzen Schlussfolgerung zeigt sich deutlich, dass Zippelius von der Vorstellung eines "angeborenen Schemas" (= angeborenes Bild des Elterntiers), und von einem eigenen (für mich nicht nachvollziehbaren) Konzept über die Wirkungsweise von Schlüsselreizen ausgegangen ist.

Die beiden Versuchsansätze und die daraus resultierenden Ergebnisse sind so unterschiedlich, dass sie eigentlich keinen Vergleich zulassen; jedenfalls fehlen in den sog. "Revisionsversuchen" von Zippelius alle Faktoren, die bei Tinbergen wichtig waren: Eine innere Handlungsbereitschaft zur Auslösung der Bettelreaktion war nicht vorhanden; die Bettelreaktion (wie Tinbergen sie beschreibt) wurde in keinen Versuch ausgelöst; dagegen wurde eine unspezifische Zulauf-Reaktion auf Attrappen registriert; die Attrappen wurden nicht in Pickdistanz gezeigt, sondern waren weit entfernt und wurden nicht bewegt. Die Küken mussten auf die Attrappen zulaufen und konnten somit erst nach 2 Tagren untersucht werden. Da sie vorher im Dunklen gestopft worden waren, waren in den Versuchen - im Funktionskreis der Fütterung - nicht mehr unerfahren.

Die jungen, frisch geschlüpften Silbermöwen haben sicher keine bildliche Vorstellung ihrer Eltern, richten aber, wenn sie in beruhigter Stimmung im Nest sitzen, eine Serie von gezielten Pickschlägen auf den - durch Bewegung und roten Fleck auffällig präsentierten - Elternschnabel. Das ist die Vorstellung, wenn in der Ethologie von angeborenen Erkennen gesprochen wird. Erkannt wird aber nicht ein Bild oder Schema der Gesamtsituation, sondern eine reaktionsauslösende Schlüssel-Reizsituation. Dabei kann aber die Reaktion (also die durch den Schlüsselreiz ausgelöste Verhaltensweise) nur dann hervorgerufen werden, wenn beim Tier die zugehörige innere Handlungsbereitschaft aktiviert ist.

Diese Gegebenheit, dass Schlüsselreizuntersuchungen immer nur mit handlungsbereiten Versuchtstieren durchgeführt werden können, muss bei der Forderung der Kritiker nach einer exakten, laborgemäßen Versuchsdurchführung berücksichtigt werden. Die Pionieruntersuchung von Tinbergen an der Silbermöwe war ein erster Schritt in die richtige Richtung, sie hat uns Mut gemacht, Schlüsselreizanalysen auch bei anderen Tieren vorzunehmen. Auch wenn wir Einzelheiten der Schlüsselreizwirkung inzwischen anders sehen, kann das Schlüsselreizkonzept der Ethologie - wenn es richtig verstanden wird - weiterhin volle Gültigkeit beanspruchen.

Wenn man das Andenken an Frau Zippelius ehren möchte, sollte man das mit ihren frühen Arbeiten tun; ich habe sie als ältere Kollegin immer sehr geschätzt. Mit ihrem Buch "die vermessene Theorie", in dem sie ganz generell eine strenge exakte Messlatte an frühere Verhaltensuntersuchungen legt, aber keine konstruktiven Verbesserungsvorschläge macht, hat sie sich und der Ethologie keinen Gefallen getan. Vor allem war die unqualifizierte Diskussion über die Tragfähigkeit des Schlüsselreizkonzeptes, die duch ihre Aufsätze ausgelöst und unter Schulbiologen und in den öffentlichen Medien besserwissentlich ausgetragen wurde und die - wie die vorliegende Artikel zeigt - auch heute noch Nachwirkungen hat, eine unwürdige Darbietung, die kein positives Andenken verdient.---P.Kuenzer (Göttingen) ---145.254.151.182 16:04, 1. Mär. 2007 (CET)[Beantworten]

Die jungen Silbermöwen wurden von den Tinbergen-Studenten morgens dem Nest entnommen, Stunden nach dem Schlüpfen; sie waren bis dahin also schon stundenlang ungestört mit ihren Eltern zusammen, als keinesfalls noch in der nötigen Weise unerfahren. --Gerbil 11:36, 12. Mär. 2007 (CET)[Beantworten]

Diese Diskussionsbemerkung ist ja wohl Witz: Die Kücken wurden bei Zippelius nach dem Schlüpfen 2 Tage im Dunkeln gehalten und hier gefüttert (oder gar gestopft!) und dann erst untersucht, wobei das Stadium der ersten Fütterung ja garantiert überschritten war. So konnten also in dieser Zeit viele - wenn auch negative - Erfahrungen sammeln. Aber die Bettelreaktion - wie bei Tinbergen - wurde ja gar nicht untersucht!!! P.Kuenzer (Göttimgen).--145.254.152.165 19:10, 11. Mär. 2008 (CET)[Beantworten]

"dass Schlüsselreizuntersuchungen immer nur mit handlungsbereiten Versuchtstieren durchgeführt werden können, muss bei der Forderung der Kritiker nach einer exakten, laborgemäßen Versuchsdurchführung berücksichtigt werden.": Hier wird genau das Problem der Tinbergen'schen Annahmen benannt, nämlich, dass der Versuchsleiter zunächst das Verhalten der Testtiere interpretiert ("Bereitschaft vorhanden") und erst danach seine Experimente ausführt. Es widerspricht aber jeder heute geforderten, guten wissenschaftlichen Praxis, Tests nur in Situationen durchzuführen, in denen der Versuchsleiter subjektiv überzeugt ist, dass sie zu einem Ergebnis führen. Man könnte auch sagen: Er befördert das von ihm erwartete Ergebnis durch geschickte Auswahl der Randbedingungen. --Gerbil 12:01, 12. Mär. 2008 (CET)[Beantworten]

Eine Diskussion mit dieser Methode und auf diesem Niveau ist vollkommen sinnlos: Hier wird keinen Bezug den gemachten Diskussionseinwand genommen, sondern einfach ein anderer Punkt angesprochen, an dem man eine Schwachstelle vermutet, wobei hier aber gerade das Problem der Annahmen von Frau Zippelius benannt wird: Man hält die Tiere 2 Tage isoliert und füttert sie in Dunkeln, und sagt: „die Tiere sind erfahrungslos“. Und dann setzt man das Versuchstier nach 2 Tagen einer sehr unnatürlichen Isolationshaft für 30 Sekunden in einen Drahtkäfig, aus dem es dann starten soll. Und wenn es hier nicht losläuft (am Startpunkt 50 cm vor den Attrappen), setzt man das Tier eben an neuen Startpunkt, nur 20 cm von den Attrappen entfernt. Und wenn die Tiere hier immer noch nicht loslaufen wollen und „Laute des Verlassenseins“ (die wie die Versuchsleiterin schreibt: „besonders in fremder Umgebung, bei Alleinsein, Frieren und Hunger auftreten“) hören lassen, wiederholt man eben den Versuch bis zu 4 mal, hält aber weiter an der Aussage fest: „bei den Versuchstieren war keine Bereitschaft vorhanden“. Auch die Protokollierung der Ergebnisse ist ähnlich ungenau: Das Versuchstier „musste zur Attrappe seiner Wahl hingehen und diese bepicken oder mindestens 30 Sekunden in unmittelbarer Nähe verweilen“. Alles spricht hier somit dafür, dass in diesen Versuchen eine Flucht- oder Schutzreaktionen auslöst wurde, bei der die ängstlichen Möwenkücken vor Gegenständen Schutz suchen, wobei hier aber keine besondere Selektivität des Ansprechens zu erwarten ist. Zu der Schlüsselreizanalyse von Tinbergen zur Auslösung der Bettelrektion kann ich beim besten Willen keinen Bezug herstellen. P. Kuenzer (Göttigen).--84.132.240.39 16:52, 16. Mär. 2008 (CET)[Beantworten]

Ich vermute keine Schwachstelle bei Tinbergen, sondern ich zitierte bloß seinen Schüler & Biografen Hans Kruuk: "Niko tried to fit the results into a pre-conceived idea (...) What worried me about these experiments, is that all modells were presented and moved by hand, by observers who had certain ideas about what sort of result to expect." (S. 140) Kruuk beschreibt übrigens auch, dass Tinbergen die Schwäche dieser Experimente durchaus bekannt war, da er 1953 Ernst Mayr glatt anlog, als dieser ihn auf einer Konferenz fragte, ob Tinbergen die Kücken erfahrungslos aufgezogen hatte: Tinbergen sagte "ja", was Kruuk kommentiert, dies sei "far from the truth" gewesen. (S. 181) Mir leuchtet übrigens Ihre Kritik an den ganz andersartigen Experimenten der Zippelius-Schüler vor allem deswegen nicht ein, weil ein angeborener Auslöser der Theorie zufolge grade dann besonders gut aktivieren sollte, wenn er lange nicht vorhanden gewesen war. --Gerbil 18:00, 16. Mär. 2008 (CET)[Beantworten]

Endlich war hier mal (bei Ihrer letzten Zuschrift) ein Zeichen von Gesprächsbereitschaft zu erkennen, wofür ich Ihnen danke; wobei ich allerdings den Sinn Ihres letzten Satzes nicht nachvollziehen kann (oder gehen Sie am Ende immer noch von „Energiestau-Phänomenen“ aus??). Beim Schlüsselreiz-Problem geht es um die Fähigkeit des „angeborenen Erkennens“, wobei Frau Zippelius nach meinem Dafürhalten den ethologischen Ansatz von Tinbergen völlig missverstanden hat. Ihr Kritikansatz war ja wohl vor allem, dass sie die methodische Durchführung der frühen ethologischen Untersuchungen vom heutigen Standpunkt aus betrachtete, und dabei begreiflicherweise viele Fehler fand. Wenn man sich dann allerdings mit dem Versuchsplan, den sie für ihre „Revisionsversuche“ entwirft, näher befasst, muss man feststellen, dass sie eine ganz andere Vorstellung über die Wirkungsweise von Schüsselreizen hatte, als Tinbergen. Denn sie ist nicht wie Tinbergen von der Auslösung von Verhaltensweisen durch Schlüsselreize ausgegangen, sondern von einem bildlichen Erkennen des Reaktionspartners. Denn sie schreibt, dass es sich beim Erkennen „um eine angeborene Bewertung der zu prüfenden Umweltsituation durch das Tier handelt“ und dass man die „Reizwertbestimmung unabhängig von der Bereitschaft“ durchführen müsse. Diese ihre Vorstellung „von einem bildlichen Erkennen des Reaktionspartners“ wird ja noch einmal deutlich bei der Interpretation ihrer Versuchsergebnisse geäußert: „Demnach scheinen junge Silbermöwen kein „angeborenes“ Bild des Elterntieres zu besitzen, das sich mit Hilfe von Merkmalen, den Schlüsselreizen, beschreiben ließe“. In dieser kurzen Schlussfolgerung zeigt sich deutlich, dass Zippelius beim „Erkennungsvorgang“ von einem „bildlichen Erkennen des Reaktionspartners“ ausgegangen ist (wobei sie aber ihre Vorstellung über die Wirkungsweise von Schlüsselreizen nicht näher erläutert). Der ethologische Begriff „Schlüsselreiz“ bezieht sich aber nicht auf eine „Bilderkennung“ (wobei diese dann ja für die Auslösung von vielen Reaktionen zuständig sein könnte), sondern nur auf die Auslösung einer ganz bestimmten Reaktion. Im Fall des Möwenkükens also auf die Auslösung der Bettelreaktion. Von dieser Reaktion ist aber in den sog. „Revisions“ -Versuchen gar nicht mehr die Rede (sie wird bei Tinbergen nämlich nicht als ein einfaches „Anpicken“ beschrieben, sondern: „das Kücken breitet die Flügel aus und pickt in rascher Folge auf den Schnabel und stößt dabei Bettel-piep-Laute aus“). Diese Reaktion kann aber am 50 cm entfernten Startpunkt gar nicht ausgelöst werden. Bei Zippelius wurde ja auch nur nach einer „Wahlentscheidung“ aber nicht wie bei Tinbergen nach der „Auslösung der Bettelreaktion“ gefragt. Die beiden Versuchsansätze und die daraus resultierenden Ergebnisse sind daher so unterschiedlich, dass sie keinen Vergleich zulassen. Aber Zippelius hat dabei leider auch nicht berücksichtigt, dass auch die Außenfaktoren auf die innere Stimmung einwirken, und dass die Kücken (wie die Versuchsleiterin ja richtig bemerkt hat) nach der restriktiven und sehr unnatürlichen Vorbehandlung ängstlich waren wohl zunächst Schutz suchen wollten wobei sie sicher vorerst gar nicht bereit waren, Bettelverhalten zu zeigen. Da Tinbergen von der „Auslösung von Verhaltensweisen durch Schlüsselreize“ ausgegangen ist, und da Verhaltensweisen immer von inneren (einer Handlungsbereitschaft) und äußeren (also einem Schlüsselreiz) Faktoren abhängig sind, wollte er die natürlichen Bedingungen so weit wie möglich erhalten, und hat seine Versuche daher in einer Möwenkolonie durchgeführt. Um die Bereitschaft zur Nahrungsaufnahme anzuregen hat entsprechend wie in der natürlichen Situation vor jeder Darbietung der Attrappen den Katzenruf (cat call) nachgeahmt. Um nach Möglichkeit „unerfahrene“ Kücken zu testen, hat er diese – wie er schreibt – gleich nach dem Schlüpfen, noch nass, aus dem Nest geholt. Hier treten natürlich die Fragen auf, über die ja Kruuk in seiner Tinbergen- Biographie ausführlich spricht. Ein weiteres methodisches Problem bei Tinbergen ist bekanntlich, dass die Attrappen mit Hand bewegt wurden; auch davon spricht Kruuk. Aber schon 1967 hat Hailman entsprechende Versuche an Möwen mit mechanisch bewegten Attrappen durchgeführt, und dabei gezeigt, dass rote Fleck nur in Zusammenhang mit der Schnabelbewegung wirksam ist und dass sich damit auch der Frage nach der „richtigen“ Position des Schnabelflecks klären lässt. Der rote Schnabelfleck der Silbermöwe hat – wie Tinbergen schon 1952 gezeigt hat - eine wichtige Bedeutung bei der Auslösung des Bettelverhaltens des frisch geschlüpften Kükens. Dieses erkennt den Futterbringenden Elternvogel jedoch nicht bildlich an dieser Schnabelzeichnung, sondern der rote Schnabelfleck hat die Funktion die Bewegung des Schnabels bei der Futterübergabe deutlicher hervorzuheben. Entsprechend können wir heute auch nicht mehr unkritisch an den alten (mechanischen) Vorstellungen vom einem Auslöse-„Mechanismus“ festhalten, der durch mehrere Schlüsselreize in gleicher Weise in Gang gesetzt werden kann. Denn inzwischen hat sich gezeigt, dass die Auslösung einer Verhaltensreaktion eine ja/nein–Antwort ist, für die jeweils nur ein Reiz bzw. eine Reizsituation mit Gestalteigenschaften (im Fall der Silbermöwe die BewegungsgestaltSchnabelbewegung“) zuständig ist. Neuroethologische Untersuchungen weisen darauf hin, dass man die Fähigkeit des selektiven Ansprechens auf bestimmte „Schlüsselreizsituationen“ sehr gut mit der Arbeitsweise von „neurosensorischen Reizfiltersystemen“ erklären kann, auf die Tinbergen schon in seiner „Instinktlehre“ hingewiesen hat. P.Kuenzer (Göttingen).--84.132.211.200 14:36, 17. Mär. 2008 (CET)[Beantworten]

Lorenz' Energiestau-Modell hatte immerhin den Charme, dass solch ein Stau grundsätzlich überprüfbar war, während Tinbergen ohne diese Hypothese eben die erwähnte Handlungsbereitschaft verstärkt ins Spiel bringen musste, also vor allem Experiment definieren musste, wann der geeignete Zeitpunkt für das Experiment sei; wenn ich das für meine Diss. so gehandhabt hätte (in der es u.a. um einen von Eibl 1953 definierten angeblichen Schlüsselreiz ging, den Frau Zippelius übrigens früher auch völlig falsch dargestellt hatte), wäre ich davon gejagt worden. Das halte ich nun wirklich für zwingend, die Experimente unabhängig von einer zuvor getroffenen Bewertung der Motivation von Testtieren durchzuführen, auch wenn mir die Problematik durchaus bewusst ist, dass im Verhalten grob gestörte Testtiere nicht grade optimale Testbedingungen garantieren. Außerdem ist es immer blöd, wenn man die Nicht-Existenz eines Phänomens zu belegen glaubt, weil der Einwand "methodischer Fehler" dann fast auf der Hand liegt; da hatte ich Glück, dass ich mich durch ca. 20 unabhängige experimentelle Varianten bei relativ ungestörten Testtieren absichern konnte. – Ich habe die Kernaussagen der Eypasch'schen Diss. anders in Erinnerung, aber ich finde mein Exemplar momentan nicht. Dass Frau Zippelius zuletzt sehr weitgehend das Schlüsselreiz-Konzept abgelehnt hat, ich mir aus Gesprächen mit ihr bekannt. Dass es angeborene verhaltensauslösende Reize gibt, ist andererseits wohl jedem Kaninchenbesitzer anekdotisch aufgefallen, wenn sein Tier (ohne jede frühere Vorerfahrung) auf den Besuch eines Hundes panisch reagiert. Mein tiefer reichender, wissenschaftstheoretischer Einwand gegen das ethologische Schlüsselreizkonzept besteht aber letztlich darin, dass ich es nicht für empirisch sauber überprüfbar (falsifizierbar) halte, da (wie oben zweifach erwähnt) der Versuchsleiter zunächst die Ausgangsbedingungen ("Handlungsbereitschaft" vorhanden oder nicht vorhanden) festlegen muss und daher solche Tests per se wertlos sind. Das ist schlicht tautologisch: Das Eintreten der Handlungsbereitschaft wird abgeleitet aus der Tatssache, dass eine Reaktion erfolgt, umgekehrt wird die Reaktion aber als Folge der Handlungsbereitschaft gedeutet. --Gerbil 17:23, 17. Mär. 2008 (CET)[Beantworten]

Eine Diskussion dieser Art und auf diesem Niveau über ein ethologisches Thema ist völlig sinnlos: "Wer will was Lebendiges erkennen und beschreiben, Sucht erst den Geist herauszutreiben, Dann hat er die Teile in der Hand, Fehlt leider! nur das geistige Band". Johann Wolfgang von Goethe --84.132.213.86 13:18, 21. Mär. 2008 (CET)[Beantworten]