Diskussion:Jenische Sprache/Archiv/2

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Die Wortliste und ihr Inhalt

Das "technische" vorneweg: Es würde viel Arbeit ersparen, wenn Leute, die Einträge in einer Tabelle hinzufügen, verändern oder löschen wollen, zunächst einmal in der Hilfe:Tabellen nachlesen würden, wie sowas funktioniert....! Nun zum wichtigeren, inhaltlichen: Auch diejenigen, die die jenische Sprache nur als eine Form des Rotwelschen betrachten und ihr ziemlich jede Eigenständigkeit absprechen, zählen zumindest einige Hundert Vokabeln als "jenische Ausdrücke". Eine Liste mit dem Namen Wortbeispiele der jenischen Sprache kann und will nicht mehr sein, als ein kleines Schmankerl, das den Leuten einen Eindruck gibt, wie die Sprache tönen könnte.... Der momentane Umfang der Liste reicht dafür völlig aus. Wikipedia.de ist schliesslich eine Enzyklopädie und nicht ein "jenisches Wörterbuch". Die Auswahl der Wörter entbehrt nicht einer gewissen Zufälligkeit. Jedoch ist eine Anhäufung von Fäkal- und Vulgär-Wörtern in einer solchen Liste ein offenbarer Versuch, die Sprecher der Sprache, also die jenischen Leute, zu diskreditieren. Es ist eine Beleidigung des jenischen Volkes, wenn die Wortliste als wichtigste Wörter nichts besseres als Sachen wie Fotze u.ä. zu bieten hat. Oder würden diejenigen, die immer wieder solche Einträge verfassen, es gerne sehen, wenn ihre (vermutlich deutsche) Muttersprache in einem Lexikon auf eine Anhäufung solcher Ausdrücke reduziert würde? --Fäberer 22:34, 17. Jan. 2007 (CET)Beantworten

Lieber Faeberer, wer das Jenische als eine Variante des Rotwelschen betrachtet, spricht ihm darum keineswegs "jede Eigenstaendigkeit" ab. Es waere schoen, wenn man diese terminologische Frage diskutieren koennte, ohne sie mit moeglichen Empfindlichkeiten der Sprecher des Jenischen zu verknuepfen, und das unabhaengig davon, dass jede Herabsetzung dieser Sprecher oder ihrer Nachfahren natuerlich zu vermeiden ist. Rotwelsch ist im Unterschied zu "Gaunersprache" m.E. hinreichend neutral, um in diesem Zusammenhang ohne Emotionen betrachtet werden zu koennen.
Im uebrigen hast Du, was die Erweiterungen der Wortliste angeht, vollkommen recht. Leider fokussiert sich bei bei bestimmten Nutzern das sprachliche Interesse auf Faekal- und Sexualwoerter, und solche Nutzer koennen sich schwer vorstellen, das andere Wortschatzsegmente von groesserem Interesse sein koennten. Das sagt aber mehr ueber uns in der Wikipedia als ueber die Jenischen aus. Im uebrigen sind solche Erweiterungen der Wortliste aber vor allem darum problematisch, weil keine (brauchbaren) Quellen zugrundeliegen oder angegeben werden. Und dieses Problem besteht ja nicht anders auch bei der Liste bzw. Tabelle "Jenische Dörfer und Lebensräume in Europa" im ARtikel Jenische, an der Du, wenn ich recht sehe, wesentlichen Anteil hast: auch diese Tabelle stuetzt sich nicht ersichtlich auf irgendetwas anderes als Deine Überzeugung (und die einiger anderer Beitraeger), dass es sich tatsaechlich um "Jenische Doerfer und Lebensraeume" handele, oder um solche, die in der Geschichte der Jenischen einmal eine Rolle gespielt haben. Und das ist angesichts des Unfugs, den der Artikel ueber die Geschichte der Jenischen verbreitet, ein ziemlich unsolide bereitetes Terrain.
Sowohl die Beispielliste zur jenischen Sprache wie auch die Liste zu jenischen Siedlungsorten koennen WP-konform nur dann gehandhabt werden, wenn sie strikt und explizit auf die Angaben einer (oder mehrerer) wissenschaftlichen Quelle(n) beschraenkt werden und fuer jede Hinzufuegung der Nachweis einer solchen Quelle eingefordert wird. Alles andere fuehrt im besten Fall zu "Original Research", oder laedt die Liebhaber von Faekalausdruecken ein, staendig neue Proben ihrer Geistesart im Artikel zu hinterlassen.--Otfried Lieberknecht 17:16, 31. Jan. 2007 (CET)Beantworten

Linguistische Klassifikation

Was soll dieser Begriff „Mischsprache“ im Artikel und auf ethnologue.com? Gibt es denn keine seriöse Quelle, die das Jenische as (west-)germanische Sprache ausweist und sich hier zitieren ließe?

Im Artikel Englische Sprache steht doch auch „Westgermanische Sprachen“ und nicht „Mischsprache“, bloß weil es einen großen romanischen Lehnwortschatz gibt und die Grammatik sich von denen der Kontaktsprachen etwas unterscheidet. Warum nicht auch hier? Wikipeditor 16:43, 31. Jan. 2007 (CET)Beantworten

Die Bezeichnung als "Mischsprache" halte ich ebenfalls fuer falsch, weil es sich nach meinem bisherigen Verstaendnis um einen oder mehrere Soziolekte des Deutschen handelt, auf Basis des Deutschen (bzw. deutscher od. schweizer Dialekte) mit Wortschatzanteilen aus Romani, Westjiddisch u. anderen (romanischen) Kontaktsprachen. Wobei ich nicht weiss, wieweit das auch noch auf Jenisch ausserhalb des deutschen Sprachraums (Frankreich) zutrifft.
"Westgermanisch" waere demnach wohl etwas zu unspezifisch. Wenn nicht sprachwissenschaftliche Untersuchungen vorliegen, die so etwas wie eine eigenstaendige Syntax und/oder Morphologie nachweisen.--Otfried Lieberknecht 17:45, 31. Jan. 2007 (CET)Beantworten
Stünde eigenständige Syntax und Morphologie einer Klassifikation als „Deutsch“ denn entgegen (kenne mich nicht so aus)? Die Beispielsätze sehen nämlich nicht gerade wie deutsche Schulgrammatik aus, aber darüber haben wir ja sowieso nicht zu urteilen. Ansonsten stimme ich dir zu – „westgermanisch“ habe ich bloß erstmal geschrieben, da ich nicht weiß, ob die Unterschiede zwischen Hochdeutsch und Jenisch größer oder kleiner sind als die zwischen Hochdeutsch und Jiddisch. Der deutsche Artikel behauptet aber, diese Kategorie sei umstritten oder überholt (ich habe ihn aber in verläßlicheren Quellen gesehen). Zu guter Letzt unterscheidet sich auch noch der „Stammbaum“ auf en:High German languages#Family tree von dem auf Hochdeutsche Sprachen#Gliederung. Und solange nicht einmal Ethnologue die Sprache vernünftig einordnet, dürfte jede Klassifikation der jenischen Sprache(n?) auf Widerstand stoßen. Schade. Wikipeditor 05:35, 1. Feb. 2007 (CET)Beantworten
Wenn es sich nicht nur um einen Sonderwortschatz handelt, sondern auch Syntax u. Morphologie von einer oder mehreren Kontaktsprachen wesentlich gepraegt sind, dann kann man in der Tat nicht mehr bloss von einem Soziolekt des Deutschen sprechen. Die Satzbeispiele im Artikel sind schwer zu beurteilen, dazu muesste man wissen, woher sie stammen u. welcher deutsche oder schweizerische Dialekt zugrundeliegt. Du hast im uebrigen recht, wir haben hier nicht zu urteilen, schon garnicht auf solcher Grundlage. Aber auch auf Ethnologue sollte man sich in solchen Fragen moeglichst nicht stuetzen muessen, da gibt die im Artikel angefuehrte Literatur sicherlich mehr her.--Otfried Lieberknecht 10:11, 1. Feb. 2007 (CET)Beantworten

Ist jenisch Deine Muttersprache? Kannst Du ein bisserl jenisch?

verschoben nach: Diskussion:Jenische Sprache/Diskussionen Mitwirkende und Randtexte


Problematischer Artikel II

Der ganze Artikel ist leider nur ein Beleg dafür, was dabei herauskommt, wenn das leitende Bedürfnis der Wunsch ist, sich eine schöne und öffentlichkeitswirksame Geschichts- und Herkunftsmythologie zusammenzubasteln, und zu solchem Zweck unterschiedliche Grade des Dilettantismus am Werk sind. Das Ergebnis schürt nur die bekannte Meinung über die zweifelhafte Qualität der Schwarmintelligenz. Jemand, der fachmännischen Ansprüchen gerecht werden möchte, wird es sich dreimal überlegen, hier irgend etwas beizutragen.

Für eine geschichtliche Kontinuität - und sei es eine nur sprachgeschichtliche – von „den“ Kelten (wer auch immer damit gemeint sei) zu „den“ Jenischen (wer das nun immer sein soll) der Frühen Neuzeit und der Folgezeiten gibt es keine Belege. Ein paar Rothaarige beweisen nichts. Gezählt hat sie ja nun auch noch keiner, wie überhaupt dieser Ansatz, nämlich Rothaarige unter erbbiologischem Aspekt zu erforschen, bis hierhin eine Idee der NS-Rasseforschung, genauer von Robert Ritter, blieb, wo sie hervorragend hinpaßte (Robert Ritter, Rothaarigkeit als rassenhygienisches Problem, in: Volk und Rasse, 10 [1935], S. 385-390; Erich Schmidt, Die Entdeckung der weißen Zigeuner. Robert Ritter und die Zigeunerforschung als Rassenhygiene, in: Wolf D. Hund (Hrsg.), Zigeuner. Geschichte und Struktur einer rassistischen Konstruktion, Duisburg 1996, S. 129-153). „Gewisse Wörter“ würden von „manchen“ auf „das“ Keltische zurückgeführt. Wer ist über den Autor des Satzes hinaus „manche“? Im weiteren wird aus „manche“ „man“: „Man“ vermute einen keltischen Ursprung der „jenischen Sprache“. Hier nun überschreitet die Verallgemeinerungsbereitschaft alle Grenzen. Skurril. Wie die These. Dort, wo man fachlichen Ansprüchen gerecht werden möchte, vertritt niemand sie.

Gut, behaupten kann jeder alles. Interessant wird es dann im Anschluß: wenn die Belege auf den Tisch müssen und es vom Meinen zum Verifizieren geht. Hier bleibt der Tisch leer. Alle Hinweise auf keltische Ursprünge sollten also ersatzlos gestrichen werden. Dann hätte man mal einen Anfang.

Ich habe mir erlaubt, die Literaturliste etwas zu erweitern. Mitteleuropäisches Jenisch aus unterschiedlichen Orten und Regionen ist ganz gut erforscht, es gibt eine Menge Literatur. Interessant wäre einmal ein Blick über die Grenze nach Innerfrankreich, wo französische Yeniches „Taitch“ sprechen – wie sie es nennen. Kommt dem Kern der Sache näher als die Behauptung von einer „jenischen Sprache“, der Syntax und Grammatik fehlen, wie „Sprachen“ sie haben, und die naturgemäß vor allem aus Relikten besteht. M. E. ist schon der Titel des Artikels irreführend.

Erinnert sei daran, daß die Literaturliste nicht nennt, was gelesen wurde, sondern was zu lesen wäre. Es geht eben darum, daß sich aus dem hohlen Bauch schlecht argumentieren läßt. Literaturkenntnis wäre eine gute Grundlage für den weiteren Fortgang an diesem Artikel. Sie läßt sich durch ethnische Zugehörigkeiten nicht ersetzen. Auch nicht, wenn man sich den „Wissenden“ zurechnet. Es führt ja nicht weiter.--Kiwiv 11:04, 6. Aug. 2007 (CEST)Beantworten


Nun denn, vor einer Überarbeitung die folgenden Überlegungen:

Zur Charakteristik des Jenischen

Das Jenische basiert auf dem Deutschen. Es hat - sieht man von lokalen Besonderheiten einmal ab - einen in hohem Maße deutschen Wortbestand, der allerdings semantisch abweicht. Es hat weder eine eigene Grammatik noch eine eigene Syntax. Sein Lexikon folgt mit Bildung neuer Komposita, Affigierung, Suffigierung und Permutation oder der Bildung von Metonymen der deutschen Systematik der Wortbildung. Charakteristisch sind Umdeutungen gemeinsprachlich bekannter Wörter durch Bedeutungsübertragung und Bedeutungsverschiebung. Es handelt sich also nur sehr eingeschränkt um eine eigenständige Sprache, weshalb die Linguisten von einer Sondersprache des Deutschen sprechen. Die Bestimmungsmerkmale einer "Mischsprache" treffen nicht zu. Das Jenische ist nicht "gemischt" aus den Komponenten Hebräisch und Deutsch. Wie sollte es auch? Mitteleuropäische Juden,zu denen Jenische Kontakt haben konnten, sprachen das westgermanische Jiddisch.

Inwieweit der jenische Wortschatz je so alltagstauglich war bzw. es heute noch ist, daß alle relevanten Gesprächssituationen aus dem eigenen Bestand gestaltet werden konnten oder können, ist unbekannt. Das historische Jenisch ist durch eine begrenzte Zahl von Glossaren belegt, deren Sprachmaterial vor allem aus einer kriminalpolizeilichen, justiziellen und also verfolgungsorientierten Perspektive gesammelt wurde. Soweit jüngere Listen nicht immer noch diesen selektiven Blick vertreten, sind sie zumindest doch ebenfalls eng ausschnitthaft.

Historisch gehen die jenischen Dialekte auf das ältere Rotwelsch zurück. Ein erster Beleg der „jenischen Sprach“ liegt aus dem Jahre 1714 vor (Kluge). Er könnte die Anfänge der Herausbildung von so etwas wie einer jenischen Ethnizität um die Wende vom 17. auf das 18. Jahrhundert anzeigen. Bis weit in das 18. Jahrhundert hinein bleiben die Belege für das Ethnonym vereinzelt. Daneben tritt „jaunerisch“ in Ableitung von „Jauner“ auf. Die große vielbändige Enzyklopädie des 18. Jahrhundert von Zedler führt „Jenisch“ und „Jenische“ nicht auf. Unter dem Lemma „Jauner-Gesindel“ aber findet sich ein „in Schwaben ... herumschweiffendes Gesindel, welches denen Zigeunern nicht ungleich, aber doch von denenselben unterschieden ist, ... haben ihre eigene Sprache“. Demgegenüber unterscheidet der Jurist Weissenbruch 1727, der sowohl mit Sinti als auch mit Jenischen Kontakt hatte zwischen deren Sprachen mit hergebrachten Begriffen: „Als zum Exempel eine Ganß heißet auf Ziegeunerisch Papin, auf Rotwelsch aber Breytfuß.“

Wie häufig bei Etymologien ist auch bei „Jenisch“ die Erklärung nicht unbedingt zwingend. Matras jedenfalls leitet in kritischem Anschluß an Wolf von Sintikanes „džin“ = „wissen“ ab. Das wiederum paßte gut in die Zeit, in der die Präsenz von Sinti im westlichen Mitteleuropa innerhalb der vagierenden Bevölkerung zunahm und Rotwelsch/Jenisch begannen , Romanes-Elemente aufzunehmen.

Neben „Jenisch“ gibt es für lokale und regionale Ausformungen zahlreiche Fremdbezeichnungen und konkurrierende Eigenbezeichnungen (Kochum, Masematte, Pleisle, ...).

Der Wortbestand der Varietäten des Jenischen unterscheidet sich oft beträchtlich. Sie enthalten in unterschiedlichen Anteilen Beimischungen aus dem Hebräischen, dem Romanes und z. T. Romanismen aus dem Französischen und Italienischen. Das Jenische ist nicht einheitlich. Es hat keine schriftliche Tradition und nie eine Normierung/Standardisierung erfahren wie die deutsche Gemeinsprache. Es hat sich in sozial, regional und zeitlich sehr unterschiedlichen Varianten entwickelt. Viele jenische Worte und Wendungen sind in die deutsche Alltagssprache eingegangen.

Die Wahrnehmungsgeschichte des Jenischen ist ein wesentlicher Teil seiner Geschichte und muß quellenkritisch miteinbezogen werden.

Es geht dabei um die Wahrnehmung einer Minderheit durch die Mehrheitsgesellschaft, vor allem aber zunächst durch staatliche Instanzen und „gebildete“ Betrachter. Am Beginn der Rezeption des Rotwelschen und dann des Jenischen steht deren Stigmatisierung als Geheim- und als Gaunersprachen. Damit einher geht die Kriminalisierung der Sprecher. Dieser ordnungs- und sicherheitspolizeiliche Blick auf Sprache und Sprecher verstetigte und verfestigte sich und blieb beherrschend bis in unsere Zeit. Der nahezu autistische Charakter dieser Sichtweise spiegelt sich in dem vollständigen Fehlen von zwei schlichten Überlegungen: Würde sich nicht krimineller Machenschaften verdächtig machen, wer diese Sprache im Beisein von Nichtsprechern spräche? Warum sprechen die Sprecher die Sprache überhaupt, wenn sie unter sich sind?

Mit dem Aufkommen eines folkloristischen Interesses an regionaler Geschichte („Heimatkunde“, „Heimatliteratur“) seit etwa dem Ende des 19. Jahrhunderts mischte sich ein Rezeptionsinteresse unter, das mit dem Stoff vergleichsweise willkürlich umging. Man bemühte sich, ihm vor allem Heiteres und Besinnliches abzugewinnen, idealisierte sein Objekt und verwendete es als Requisit für eine heile Heimatwelt. Seit neuestem nun gibt es an zwei gesellschaftlichen Orten ein Bestreben, der Thematik besser gerecht zu werden. Zum einen wissenschaftlich in der Sprachforschung und zum anderen politisch in der Minderheit selbst, wo man bestrebt ist, sich auch im politischen Raum als solche zu konstituieren und wahrgenommen zu werden. Die Angehörigen der Minderheit haben naturgemäß ihre eigene Sicht der Dinge. Zum ersten Mal artikulieren ihre Sprecher sie auf einer eigenen, selbstorganisierten Grundlage. Was bis hierhin weitgehend fehlt, ist die „Normalisierung“ des Blicks: durch den Einbezug z. B. sozialgeschichtlicher, migrationsgeschichtlicher oder identitätsgeschichtlicher Perspektiven.

Zu den Aussagen im Artikel im einzelnen:

Das Lemma: „Jenische Sprache“

Aus den weiter unten erläuterten Gründen heißt es besser „Jenisch“. Die Hinzufügung „Sprache“ akzentuiert ein Defizit. Sie ist auch unüblich. Es heißt „Deutsch“, „Englisch“ usw.

Kasten:

„0,5 Millionen Sprecher“

Inwieweit das Jenische heute von Menschen, die sich als Jenische bezeichnen, tatsächlich als Primärsprache vor der deutschen Standardsprache oder als Sekundärsprache neben der Standardsprache oder in Restbeständen und mit nur situativem Gebrauch gesprochen wird, ist unbekannt (Der Einwurf in der Diskussion weiter oben ergibt keine bessere Erkenntnis). Das alltagssprachliche und ideologiebehaftete "Muttersprache" sollte in diesem Zusammenhang nicht verwendet werden.

"Mischsprache":

siehe Diskussionsbeiträge oben, zu streichen

„Entlehnungen aus dem Hebräischen und anderen europäischen Sprachen“

Das Hebräische ist keine europäische Sprache. Es fehlt das Romanes, das für einige jenische Varietäten eine große Bedeutung hat. Nicht aus einer Vielzahl von „anderen europäischen Sprachen“ gibt es Übernahmen, sondern in überhaupt nennenswerter Zahl nur aus der einen oder anderen Nachbarsprache, wie dem Französischen oder Italienischen.

„Herkunft der Sprache

Das Jenische enthält Elemente des Deutschen, Hebräischen, Keltischen und wenige Lehnwörter aus dem Romani.“

Das Jenische enthält nicht Elemente des Deutschen, es ist eine Varietät des Deutschen. Es hat lokal und regional unterschiedlich starke Entlehnungen aus dem Hebräischen und aus dem Romanes. Es besteht kein Zusammenhang mit der keltischen Sprachgruppe.

„Das Begriffsfeld „Rotwelsch“ ist nicht deckungsgleich mit Jenisch. Als Rotwelsch wird eine Anzahl Soziolekte bezeichnet, die untereinander nah, mit der jenischen und der westjiddischen Sprache aber nur entfernt verwandt sind.“

Die Linguistik bestimmt das Verhältnis des Jenischen zum Rotwelsch unterschiedlich:

  • Es wird als eine Untergruppe des Rotwelsch betrachtet.
  • Es wird in engste sprachliche Nachbarschaft gesetzt, jedoch als durch sozial unterschiedlich einzuordnende Sprachträger separierte Sondersprache gesehen.
  • Rotwelsch wird nur mehr als linguistische Kategorie genommen, das Jenische aber als die gesprochene Sprache gesehen.

Die Auffassung, das Jenische sei – wie das Westjiddische – „nur entfernt verwandt“ mit dem Rotwelsch wird nirgendwo ernsthaft vertreten.

„Die hebräische Prägung des Jenischen bewegt sich lautlich und lexikalisch im gleichen zeitlichen und geographischen Raum wie die Entwicklungsgeschichte des Westjiddischen. Sie geht offensichtlich auf die seit dem 18. Jahrhundert einsetzenden innigen Kontakte der Jenischen mit jüdischen Wanderhändlern zurück. Die Hebraismen sind im Jenischen viel zahlreicher als im Rotwelsch und zudem direkt aus dem Hebräischen entlehnt (z.B. laufen - holeche, Weg – derech, Küche - Sicheri). Hebraismen fanden ihren Weg ins Rotwelsch zumeist über die jiddischen Dialekte (z.B: Hebräisch chochem = gescheit wird über jiddisch gekochert und zigeunerisch Kochano = Lügner zu Rotwelsch Ausgekochter, im Jenischen bleibt es aber bei chochem = gescheit).“

Kontakte von jenischen mit jüdischen Vagierenden wird es zwar selbstverständlich gegeben haben, wie „innig“ sie aber waren, muß mangels Quellen offenbleiben. Nicht anders als die Minderheit der Sinti bildeten die jüdischen Vagierenden („Schnorr“- oder „Betteljuden“) eine sprachlich, kulturell, ethnisch, gruppengeschichtlich und nach ihrem Selbstverständnis geschlossene Minderheit, die sich zudem religiös von der Mehrheitsgesellschaft und von anderen Minderheiten absetzte.

Hebraismen gibt es im Rotwelsch schon vor dem 18. Jahrhundert. Romanes-Elemente, von denen trotz ihrer Bedeutung hier mit keinem Wort die Rede ist, kommen in den Rotwelsch-Varietäten mit dem 18. Jahrhundert auf.

„Im Jenischen vollzieht sich also der Bedeutungswandel wie auch in den jiddischen Sprachen ohne das Begriffsfeld zu verlassen (z.B jenisch Galach - Mönch aus hebräisch Galach = Geschorener). Friedrich Kluge verbindet in seinem Rotwelschen Quellenbuch etymologisch das jenische kefahr = Dorf mit dem zigeunerisch gav, dem rotwelschen Gefahr und dem umgangssprachlichen Kaff. Angesichts der zahlreichen Hebraismen im Jenischen und der offenbaren Lautverwandtschaft drängt sich aber die direkte Herleitung des jenischen Kefahr vom Hebräischen Kefar = Dorf auf. Ein weiteres Beispiel ist das jenische Wort medineholcher = Hausierer, das aus dem hebräischen Medina = Land und holech = Läufer den „Überlandläufer“ bildet.“

Hier gilt, was generell für isolierte Beispiele gilt: zur Verifizierung einer Annahme reichen sie nicht. Und als Illustration einer Verallgemeinerung taugen sie mitunter auch nicht. So ist es leider zu sagen für den Komplex kefahr/gav/kefar. Suggeriert werden (wie durchgängig in dem Artikel) eine große Distanz zwischen dem Jenischen und dem Romanes und eine große Nähe zum Jiddischen. Das Beispiel nun findet sich genau so bei Matras, der in dem betreffenden Aufsatz den Einfluß des Romanes auf das Jenische nachweist. Kefahr/gav/kefar dient ihm natürlich nicht als Beleg seiner These. Er betont damit die Notwendigkeit eines behutsamen Vorgehens bei der Sprachanalyse.

„Das Jenische weist auch eine kleine Anzahl modifizierter romanischer Lexeme auf (z. B. Straße: Stradi - Strada). Gewisse Wörter aus dem Grundwortschatz (z.B. Hand - feme, Kopf - kibes, Milch - glis) werden von manchen auf Wörter aus dem Keltischen zurückgeführt.“

Daß das Jenische bzw. dessen Grundwortschatz oder auch nur ein Teil davon auf das Keltische zurückzuführen sei, wird in der umfangreichen Literatur zum Thema nirgendwo und außerhalb ausschließlich von wenigen, meist jenischen Sprachlaien vertreten.

„Eigene jenische Wortschöpfungen haben oft einen hebräischen Hintergrund (Arbeit: Schinagel aus hebr. Schin-gole gebildet). Auch germanisch-romanische Hintergründe sind feststellbar (z. B. endlich: schlußement aus germ. schluss / rom.sufix -ment gebildet). Entgegen weit verbreiteten Meinungen ist das Jenische nicht nur kein Dialekt des Romani sondern enthält auch nur sehr wenige aus dem Romani adaptierte Wörter (z.B. flüchten: nasche - naschel).“

Meist haben jenische Wortschöpfungen einen deutschen Hintergrund. Daß das Jenische kein Romanes-Dialekt ist, dagegen muß man sich deshalb nicht wenden, weil diese Meinung seit mehr als hundert Jahren niemand mehr vertritt. Im übrigen, daß es „das“ Jenische nicht gibt, zeigt sich auch in den Romanesanteilen. Der Romaneseinfluß ist hoch in den südwestdeutschen Jenisch-Varianten, und er ist sehr hoch im Gießener „Manisch“, das von den Sprechern als „Jenisch“ bezeichnet wird (Lerch), während er z. B. im Pfedelbacher Jenisch minimal ist.

„Die Syntax des Jenischen folgt heute hauptsächlich der deutschen. Das Jenische weist zudem Rudimente älterer Sprachsysteme sowie eigentümliche Wortstellungen auf. Bei in frankophonen Ländern lebenden Jenischen überwiegt eine Aussprache des Jenischen, die sich an das Französische anlehnt. Regionale Dialekte des Jenischen in Österreich, der Schweiz, Deutschland, den Benelux-Staaten und Frankreich lassen auf unterschiedlich enge Kontakte zwischen Jenischen und jüdischen Leuten oder Angehörigen der Sinti und Roma schließen.“

Nicht nur die Syntax folgt dem Deutschen, s. o.

Was sollen denn die „Rudimente älterer Sprachsysteme“ sein? Noch wieder das Keltische? „Angehörigen der Sinti und Roma“: ein bißchen gespreizt. „Sinti und Roma“.

„Verwandte Sprachen und Idiome

Nicht zu verwechseln ist das Jenische mit dem Soziolekt der Schausteller und Zirkusleute, welcher sich vor allem aus Wörtern des Deutschen, Jenischen und Romani zusammensetzt. Die spanischen Quinqui, die mit den Jenischen ethnisch-soziologisch verwandt sind, haben Elemente in ihrer Sprache, dem sogenannten Germania Argot, die auf das Jenische zurückgehen.“

„Die spanischen Quinqui ... ethnisch-soziologisch verwandt“? Worauf stützt sich diese Behauptung? Auf die Sprachforschung zum Jenischen jedenfalls nicht. Solange keine Belege beigebracht worden sind, wird man so etwas hier nicht vertreten können. Auf jeden Fall stehen die mitteleuropäischen Schausteller und Zirkusleute, soweit sie sich nicht selbst der Gruppe zurechnen, Jenischen näher als die genannten Spanier.

Das Jenische, das ja nach Meinung des Autors partout kein Soziolekt sein soll, hat genau dies mit dem „Manisch“ der Schausteller und Zirkusleute gemeinsam: „Wörter des Deutschen, Jenischen und Romani“.

„Die Sprecher des Jenischen" usw.

Die Behauptung einer Sprachgenese aus dem Keltischen tritt hier in verabsolutierter Form auf. Sie ist ersatzlos zu streichen.

„Nomadisch“ (das sich durchgängig in dem Artikel vorfindet) ist begrifflich verfehlt. Die Konnotationen gehen daneben. Man denkt an Menschen in Asien oder Afrika, die mit ihren Viehherden von Wasserloch zu Wasserloch ziehen. Es geht hier um Migration, nicht um "Nomaden" im Sinn und im Stil der alten "Völkerkunde".

Es müßte dieser Abschnitt, der eher die Allgemeingeschichte der Jenischen als Thema hat, noch einmal gründlich betrachtet werden.--Kiwiv 14:46, 7. Aug. 2007 (CEST), geringfügig ergänzt und sprachlich geglättet--Kiwiv 22:09, 7. Aug. 2007 (CEST)Beantworten

Ich habe mir mal erlaubt, Deine Beitraege unter neuer Ueberschrift an den Schluss der Seite zu verschieben (und meine Bemerkungen zum Verhaeltnis von "Jenisch" zu Jiddisch und Hebraeisch gleich mit), damit sie in der teilweise etwas unuebersichtlich gewordenen Diskussion nicht verloren gehen.
Einige Deiner Einwaende waren ja bereits oben und auf der Diskussionseite des Artikels Jenische vorgebracht worden, sind aber weitgehend ohne Einfluss auf die Gestaltung der Artikel geblieben. Ich selbst hatte mich nicht mit Kritik, aber mit Aenderungen zurueckgehalten (ausser in der frz. WP, wo ich den Artikel Langue yéniche kuerzlich notduerftig ersetzt habe), weil nach meiner Einschaetzung nur eine komplette Neufassung infrage kommt, ich bisher aber keine Moeglichkeit hatte, mich in die einschlaegige Literatur etwas umfassender einzulesen. Du scheinst Dir da bereits mehr Uebersicht verschafft zu haben, insofern bin ich zuversichtlich, dass hier doch noch ein akzeptabler Artikel entstehen kann. Ich melde mich spaeter noch einmal mit einigen Anmerkungen, bin im Augenblick anderweitig eingespannt. --Otfried Lieberknecht 17:28, 7. Aug. 2007 (CEST)Beantworten
Hier meine Anmerkungen:
  • Lemma: In der WP wird im Lemma von Sprachartikeln der Zusatz "Sprache" zur Vereindeutigung immer dann gebraucht, wenn ohne ihn die Bezeichnung mehrdeutig ist und etwa auch die Zugehoerigkeit zu Land & Leuten gemeint sein koennte, also Französische Sprache, Russische Sprache, etc, aber ohne Zusatz Latein, Jiddisch, Romani, wo solche Mehrdeutigkeit nicht besteht. Deshalb auch Jenische Sprache im Unterschied zu Jenische (= Leute). Wenn Du keinen besseren Vorschlag hast, sollten wir das also erst einmal beibehalten, auch wenn der Status als Sprache problematisch ist.
  • Der Beleg von 1714: Es handelt sich um den ersten Beleg des Wortes "Jenisch", und zwar als Bezeichnung einer Gaunersprache (der Sache nach zumindest so beschrieben) Wiener Kellner, die den uebrigen (wenigen) Wortbelegen zufolge im wesentlichen nur eine Varietaet des aelteren Rotwelsch war. Einen Einschnitt in der Entwicklung des Rotwelschen oder von Rotwelsch zu Jenisch indiziert der Beleg insofern noch nicht.
  • Gaunersprache: man kann meinetwegen auch einen neutraleren Begriff waehlen, Kryptolekt oder was sonst zur Zeit in der Sondersprachforschung en vogue ist, aber die aelteren, eher kriminologisch orientierten Beschreibungen sind in dieser Hinsicht nicht falsch oder "autistisch", sondern beschreiben einseitig nur eine einzelne Funktion, waehrend Deine "schlichten Ueberlegungen" als Einwaende etwas zu schlicht erscheinen. Soziolekte dieses Typs haben mehr als eine Funktion. Nicht nur eine exklusive, die mit dem Begriff Gaunersprache primaer gemeint ist und den Aussenstehenden ausschliesst, sondern auch eine inklusive, die den Insidern die Zugehoerigkeit zur Gruppe signalisiert, zur Ausbildung einer Identitaet dieser Gruppe beitraegt und ihre eigene Rolle bei der Initiation neuer Mitglieder spielt. Dem Aussenstehenden signalisiert der Gebrauch des Rotwelschen zunaechst nur Fremdheit und Unverstaendlichkeit, wie sie bei nichtsesshaften Sprechern ohnehin zu erwarten ist, aber um auch den kriminellen Charakter zu identifizieren, bedarf es jener Wortlisten und kriminalistischen Bemuehungen, denen wir die aeltere Dokumentation des Rotwelschen verdanken. Dass die Insider den Kryptolekt auch untereinander, und dann als Verstaendigungsmittel gebrauchen, hat neben der gruppenbildenden Funktion wohl auch damit zu tun, dass er eine Art Fachsprache mit eindeutigen Denotaten und eine Art Verkehrssprache fuer Sprecher verschiedenster regionaler und sozialer Provenienz bereitstellt. In einem konkreten Fall (Beleg habe ich gerade nicht parat) ist fuer eine fruehneuzeitliche Raeuberbande sogar dokumentiert, dass sich ein innerer Kreis durch ein eigenes, fuer die uebrigen Mitglieder nicht verstaendliches Rotwelsch abgegrenzt haben soll. Interner Gebrauch spricht jedenfalls nicht gegen kryptolektale Funktion. Eine andere Frage ist, welche Funktionen ein solcher Kryptolekt bewahrt oder uebernimmt, wenn die Sprecher ihn auch unter sozial veraenderten Bedingungen wie Sesshaftwerdung und (teilweiser) Integration nicht oder nicht vollstaendig aufgeben.
  • Verhaeltnis von Jenisch und Rotwelsch: Deine Unterscheidung der drei linguistischen Positionen ist einer der Punkte, zu denen mir bisher ausreichende Informationen fehlen, im Artikel sollte das moeglichst praezise und unter Angabe von Ross und Reiter dargestellt werden. Jenisch als "Untergruppe" von Rotwelsch verstehe ich noch nicht, ist das diachron gemeint, oder nach welchen Kriterien und in Abgrenzung von welchen anderen "Untergruppen" wird Jenisch nach diesem Ansatz bestimmt? Sprachlich eng verwandte aber sozial separierte Sondersprache: wo liegen dann die sprachlichen Unterschiede, oder gibt es nach diesem Ansatz keine wesentlichen? Rotwelsch als "linguistische Kategorie" vs. Jenisch als "die gesprochene Sprache" verstehe ich auch nicht so ganz: was faellt denn dann ausser Jenisch in diese Kategorie?
  • Verhaeltnis zu Jiddisch/Hebraeisch: Dazu hatte ich mich oben unter "Problematischer Artikel I" schon geaeussert. Bisher sehe ich keinen Anlass, von "hebraeischen" statt "jiddischen" Wortschatzanteilen des Rotwelschen oder Jenischen zu sprechen. Die ueberhaupt identifizierbaren sind zwar in der Regel letztlich Entlehnungen aus dem Hebraeischen (weil die nicht-hebraeischen deutschen Wortschatzanteile des Jiddischen vom nicht-jiddischen Deutsch nur schwer, wenn ueberhaupt, abgrenzbar sind, ihre Uebernahme ins Rotwelsch oder Jenische also auch schwer identifizierbar ist), aber diese Entlehnungen aus dem Hebraeischen sind dann entweder erkennbar vermittelt durch das Jiddische oder aber zumindest nicht eindeutig einem anderen Weg der Entlehnung zuzuordnen. Ich wuesste auch keinen, der infrage kaeme. Ich stuetze mich allerdings nur auf stichprobenartige eigene Beobachtungen vorwiegend anhand von Wolfs Woerterbuch des Rotwelschen, ohne zureichende eigene Kompetenz fuer Jiddisch oder Hebraeisch. Sehe ich da etwas grundsaetzlich falsch?
  • Verhaeltnis zu Romani: volle Zustimmung zu Deiner Kritik, dass der Artikel das herunterspielt. Auch zu Deinem Hinweis, dass die regionalen Varietaeten des Rotwelschen/Jenischen sich im Grad der Anteile aus Romani stark unterscheiden. Die diachrone Aussage, dass solche Entlehnung erst seit dem 18. Jh. stattfindet, ist so pauschal aber unzutreffend. Belege (wenige) finden sich schon im Liber vagatorum.
  • Nomaden: nun ja, wenn Du den Begriff auf Hirtennomaden eingrenzen willst, dann ist er hier natuerlich verfehlt, aber bei den Roma spricht man z.B. von Handelsnomaden (Handwerksnomaden oder Dienstleistungsnomaden waere vermutlich richtiger). Entscheidend fuer unser Thema ist jedenfalls, dass es sich nicht um Obdachlosigkeit, sondern um ueber mehrere Generationen praktizierte Lebensformen der Nicht- oder Halbsesshaftigkeit mit spezfischen oekeonomischen Grundlagen (und dabei nicht bloss krinminellen) handelt.
--Otfried Lieberknecht 00:36, 8. Aug. 2007 (CEST)Beantworten
Aha Lieberknecht,
dann also haben die Jenischen um dich mal kurz zu zitieren "spezfischen oekeonomischen Grundlagen und dabei nicht bloss krinminelle", flexible wie sie sind nimm ich mal an.--Gamlo 10:25, 8. Aug. 2007 (CEST)Beantworten
Nein, so war es nicht gemeint, und so war es nicht geschrieben. Lass uns bitte vernuenftig und gutwillig, ohne solche Unterstellungen, diskutieren. --Otfried Lieberknecht 18:28, 8. Aug. 2007 (CEST)Beantworten

Problematische Argumentation I

Hallo Kiwiv, deiner Argumentation folgend wäre dann wohl Jiddisch noch viel qualifizierter keine Sprache zu sein, sondern eine Sondersprache und/oder Soziolekt. Konsequenterweise solltest du dann deine Einwände im Artikel "Jiddisch" anbringen. Ich habe mal in deine Ausführungen nur das Wort Jenisch durch Jiddisch ersetzt. Und siehe da, es trifft alles noch viel besser auf das Jiddische zu (siehe auch Links,fett sind Erläuterungen von mir)

Das Jiddische basiert auf dem Deutschen. Es hat einen in weiten Teilen eigenständigen, und zwar weitgehend deutschen Wortbestand. Es hat keine eigene Grammatik und Syntax. Das Lexikon folgt mit Bildung neuer Komposita, Affigierung, Suffigierung und Permutation oder der Bildung von Metonymen der deutschen Systematik der Wortbildung. Charakteristisch sind Umdeutungen gemeinsprachlich bekannter Wörter durch Bedeutungsübertragung und Bedeutungsverschiebung(z.B. bei mir biste scheen= bei mir geht es dir gut, ich kon(kann) nischt= ich darf nicht etc.), Es handelt sich also nur sehr eingeschränkt um eine eigenständige Sprache, weshalb die Linguisten von einer Sondersprache des Deutschen sprechen. Die Bestimmungsmerkmale einer "Mischsprache" treffen nicht zu.

Neben „Jiddisch“ gibt es für lokale und regionale Ausformungen zahlreiche Fremdbezeichnungen und konkurrierende Eigenbezeichnungen (Lachoudisch, Weiber-Deutsch, Mameloschen, Jargon)

Viele jiddische Worte und Wendungen sind in die deutsche Alltagssprache eingegangen. Die Wahrnehmungsgeschichte des Jiddischen ist ein wesentlicher Teil seiner Geschichte und muß quellenkritisch miteinbezogen werden.

Es geht dabei um die Wahrnehmung einer Minderheit durch die Mehrheitsgesellschaft, vor allem aber zunächst durch staatliche Instanzen und „gebildete“ Betrachter. Am Beginn der Rezeption des Jiddischen steht deren Stigmatisierung als Geheim- und als Gaunersprachen . Damit einher geht die Kriminalisierung der Sprecher.

Mit Aufkommen des schlechten Gewissens der deutschen AkademikerInnen, hervorgerufen durch die jüngere deutsche Vergangenheit seit etwa Mitte des 20. Jahrhunderts mischte sich ein Rezeptionsinteresse unter, das mit dem Stoff vergleichsweise willkürlich umging. Man bemühte sich, ihm vor allem Melancholisches, Frömmelndes und Bedeutungsschwangeres abzugewinnen, idealisierte sein Objekt und verwendete es als Requisit für die heile Welt des jiddischen Schtetl (siehe jenische Siedlungen) ... Das Jiddische enthält nicht Elemente des Deutschen, es ist eine Varietät des Deutschen. Es hat lokal und regional unterschiedlich starke Entlehnungen aus dem Hebräischen...

Die Linguistik bestimmt das Verhältnis des Jiddischen zum Rotwelsch unterschiedlich:

  • Es wird als mit dem Rotwelsch verwandt betrachtet.
  • Es wird in engste sprachliche Nachbarschaft gesetzt, jedoch als durch sozial unterschiedlich einzuordnende Sprachträger separierte Sondersprache gesehen.
  • Rotwelsch wird nur mehr als linguistische Kategorie genommen, das Jiddische aber als die gesprochene Sprache gesehen.

Kontakte von Juden mit jenisch Vagierenden wird es zwar selbstverständlich gegeben haben, wie „innig“ sie aber waren, muß mangels Quellen offenbleiben. Nicht anders als die Minderheit der Sinti bildeten die jenisch Vagierenden (Hausierer und Wanderarbeiter) eine sprachlich, kulturell, ethnisch, gruppengeschichtlich und nach ihrem Selbstverständnis geschlossene Minderheit, die sich zudem von anderen Minderheiten absetzte.

Es müßte dieser Abschnitt, in dem es eher um die Allgemeingeschichte des Jiddischen geht, noch einmal gründlich betrachtet werde.

Gruss --Gamlo 23:40, 7. Aug. 2007 (CEST)Beantworten

Lieber Gamlo, Deine Uebertragung von Kiwivs Argumentation von Rotwelsch auf Jiddisch entspricht in ihrem ersten Teil, der das Verhaeltnis zum Deutschen und den Status als Varietät des Deutschen betrifft, im Ergebnis in etwa einer Position, die in der Jiddistik speziell fuer das Westjiddische massgeblich von Bettina Simon begruendet wurde. Und diese Position braucht Kiwiv entgegen Deiner Empfehlung nicht mehr in den Artikel Jiddisch einzubringen, weil ich sie dort bereits vor einiger Zeit untergebracht habe. Herzlich, --Otfried Lieberknecht 00:55, 8. Aug. 2007 (CEST)Beantworten
Hallo Otfried Lieberknecht und Kiwivs,
meine Übertragung bezieht sich auf das eigentliche Jiddisch, Ostjiddisch. Sonst hätte ich ja Westjiddisch geschrieben und gemeint. Im entsprechenden Artikel Jiddisch hat noch niemand zu diesem so Stellung bezogen, wie Kiwiv hier zum Jenischen. Daher auch meine Empfehlung. Gruss --Gamlo 10:11, 8. Aug. 2007 (CEST)Beantworten
Schade, in Bezug auf Westjiddisch haette Deine Aktion wenigstens noch einen gewissen Sinn ergeben. Aber ich schlage vor, dass wir diese schnurrige Ebene dar Auseinandersetzung verlassen u. uns lieber wieder der sachlichen Diskussion zuwenden, zu der Benutzer Kiwiv schliesslich einen substantiellen, also sicher diskussionswuerdigen Beitrag geleistet hat, zu dem Du -- wie ich von frueheren Gelegenheiten her annehme -- auch sachlich etwas Erhellendes zu sagen haben koenntest.--Otfried Lieberknecht 18:26, 8. Aug. 2007 (CEST)Beantworten

Also, zur dir, lieber Otfried Lieberknecht (und selbstverständlich zu allen anderen interessierten Lesern) und deinem letzten Beitrag:

„Lemma: In der WP wird im Lemma von Sprachartikeln der Zusatz "Sprache" zur Vereindeutigung immer dann gebraucht, wenn ohne ihn die Bezeichnung mehrdeutig ist und etwa auch die Zugehoerigkeit zu Land & Leuten gemeint sein koennte, also Französische Sprache, Russische Sprache, etc, aber ohne Zusatz Latein, Jiddisch, Romani, wo solche Mehrdeutigkeit nicht besteht. Deshalb auch Jenische Sprache im Unterschied zu Jenische (= Leute). Wenn Du keinen besseren Vorschlag hast, sollten wir das also erst einmal beibehalten, auch wenn der Status als Sprache problematisch ist.“

Was Beiträge hier angeht, bin ich neu (was Beiträge zum Thema angeht nicht): fälschlich ging ich nach dem Lesen der zwei Artikel zu Jenischem davon aus, daß sich bereits im Lemma ein Wunsch äußert, wie er dann im Text sehr vehement in der Gestalt einer Tatsachenbehauptung vorgetragen wird, die m. E. korrigiert werden sollte.

Es bleibt also doch wohl besser bei dem derzeitigen Lemma. Die Einwände werden ja anschließend formuliert.

„Der Beleg von 1714: Es handelt sich um den ersten Beleg des Wortes "Jenisch", und zwar als Bezeichnung einer Gaunersprache (der Sache nach zumindest so beschrieben) Wiener Kellner, die den uebrigen (wenigen) Wortbelegen zufolge im wesentlichen nur eine Varietaet des aelteren Rotwelsch war. Einen Einschnitt in der Entwicklung des Rotwelschen oder von Rotwelsch zu Jenisch indiziert der Beleg insofern noch nicht.“

Der Sachverhalt war mir bekannt. Besonders deinem letzten Satz ist unbedingt zuzustimmen. Hinzuzufügen wäre höchstens, daß die Belegstelle keine Aussagen über die Reichweite der offenkundig neuen und bis tief ins 18. Jahrhundert hinein seltenen Bezeichnung erlaubt (Eine allgemeine Verbreitung läßt sich ja überhaupt erst für das 19. Jahrhundert feststellen).

„Gaunersprache: man kann meinetwegen auch einen neutraleren Begriff waehlen, Kryptolekt oder was sonst zur Zeit in der Sondersprachforschung en vogue ist, aber die aelteren, eher kriminologisch orientierten Beschreibungen sind in dieser Hinsicht nicht falsch oder "autistisch", sondern beschreiben einseitig nur eine einzelne Funktion, waehrend Deine "schlichten Ueberlegungen" als Einwaende etwas zu schlicht erscheinen. Soziolekte dieses Typs haben mehr als eine Funktion. Nicht nur eine exklusive, die mit dem Begriff Gaunersprache primaer gemeint ist und den Aussenstehenden ausschliesst, sondern auch eine inklusive, die den Insidern die Zugehoerigkeit zur Gruppe signalisiert, zur Ausbildung einer Identitaet dieser Gruppe beitraegt und ihre eigene Rolle bei der Initiation neuer Mitglieder spielt. Dem Aussenstehenden signalisiert der Gebrauch des Rotwelschen zunaechst nur Fremdheit und Unverstaendlichkeit, wie sie bei nichtsesshaften Sprechern ohnehin zu erwarten ist, aber um auch den kriminellen Charakter zu identifizieren, bedarf es jener Wortlisten und kriminalistischen Bemuehungen, denen wir die aeltere Dokumentation des Rotwelschen verdanken. Dass die Insider den Kryptolekt auch untereinander, und dann als Verstaendigungsmittel gebrauchen, hat neben der gruppenbildenden Funktion wohl auch damit zu tun, dass er eine Art Fachsprache mit eindeutigen Denotaten und eine Art Verkehrssprache fuer Sprecher verschiedenster regionaler und sozialer Provenienz bereitstellt. In einem konkreten Fall (Beleg habe ich gerade nicht parat) ist fuer eine fruehneuzeitliche Raeuberbande sogar dokumentiert, dass sich ein innerer Kreis durch ein eigenes, fuer die uebrigen Mitglieder nicht verstaendliches Rotwelsch abgegrenzt haben soll. Interner Gebrauch spricht jedenfalls nicht gegen kryptolektale Funktion. Eine andere Frage ist, welche Funktionen ein solcher Kryptolekt bewahrt oder uebernimmt, wenn die Sprecher ihn auch unter sozial veraenderten Bedingungen wie Sesshaftwerdung und (teilweiser) Integration nicht oder nicht vollstaendig aufgeben.“

Die Kennzeichnung als „Gaunersprache“ ist m. E. mehr als problematisch. Sie unterstellt eine Population, die in toto aus „Gaunern“ – was immer damit im Detail gemeint sei, jedenfalls aber doch wohl Kriminelle – bestehe.

Die Kennzeichnung als „Geheimsprache“ reduziert das Jenische auf eine seiner Funktionen, von der nun aber einmal zu sagen ist, daß jede Sprache in Kommunikationssituationen außerhalb der eigenen Sprachgemeinschaft in dieser Funktion eingesetzt werden kann und eingesetzt wird. Inwieweit diese Verwendungsweise im 18. oder 19. Jahrhundert in der konkreten Sprachpraxis der von uns hier als „Jenische“ bezeichneten Sprecher von Bedeutung war, darüber läßt sich nur spekulieren. Das Etikett „Geheimsprache“ hat erhebliche Folgen. Es heftet dem Jenischen einen grundsätzlich betrügerischen Charakter an, und zwar als das Spezifische, das Unterscheidende gegenüber z. B. deutschen Dialekten oder dem Jiddischen. Es läßt die anderen Seiten des Jenischen, die von dir sehr schön benannt sind (Verständigung, Identitätsstärkung, Gruppenbildung, ...), ganz dahinter zurücktreten.

„Autistisch“ war ein bißchen zugespitzt. Es ging darum, die Besonderheit der Perspektive der Autoren der Glossare, „Diebslisten“ oder sonstiger behördlicher Texte vor allem der Frühen Neuzeit und der Folgezeiten zu betonen. Die Besonderheit liegt in der Enge des Blicks. Die eine sehr lange Zeit beibehalten wurde: Leo Lucassen ist ein niederländischer Sozial- und Wirtschaftshistoriker. In seinem Aufsatz „A Blind Spot: Migratory and Travellling Groups in Western European Historiography“ (in: International Review of Social History 38 [1993], S. 209) zitiert er Uwe Danker, einen einflußreichen Verfasser von Schriften zu „Räuberbanden“ der Frühen Neuzeit, stellvertretend für eine bis heute anhaltende Rezeption der Migration der außerständischen Armut und der „Zigeuner“ als Geschichte der Kriminalität, nämlich als Geschichte eines „Gaunerwesens“ und von „Räuberbanden“, mit dem folgenden Kommentar: man erkenne daran, „how little the negative image of travelling groups among professional historians has changed during the last decades. It is not strange to see that ... this image is repeated time and again. Travelling people are depicted as aimless wanderers, whose criminal behaviour forced authorities to cruel repression.” Dankers „Geschichte der Räuber und Gauner“ von 2001 (Düsseldorf/Zürich) bewegt sich nur wieder in genau diesem Fahrwasser. Ausgebildet hat sich eine „Tradition einer fortwährenden Reproduktion desselben Quellenmaterials und derselben Sätze“ (Wim Willems, Außenbilder von Sinti und Roma in der frühen Zigeunerforschung, in: Jacqueline Giere, Die gesellschaftliche Konstruktion des Zigeuners. Zur Genese eines Vorurteils (Wissenschaftliche Reihe des Fritz Bauer Instituts, Bd. 2), Frankfurt [Main]/New York 1996, S. 102), die erst langsam unter dem Einfluß von labor migration approach und labelling approach, aber auch neuer Feststellungen zur Kriminalitätsgeschichte bzw. unter dem Einfluß eines veränderten Kriminalitätskonzepts aufzuweichen beginnt. Es empfiehlt sich in diesem Zusammenhang, in die jüngere Literatur zum Thema Sinti/Roma zu schauen, vor allem aber in: Leo Lucassen, Zigeuner. Die Geschichte eines polizeilichen Ordnungsbegriffs in Deutschland 1700-1945, Köln/Weimar 1996.

Eine bessere Klärung an diesem Punkt wäre auch deshalb wichtig, weil sich Konsequenzen für den ja ebenfalls überarbeitungsbedürftigen Artikel „Jenische“ ergeben. Um politische Korrektheit geht es selbstverständlich hier nicht.

„Verhaeltnis von Jenisch und Rotwelsch: Deine Unterscheidung der drei linguistischen Positionen ist einer der Punkte, zu denen mir bisher ausreichende Informationen fehlen, im Artikel sollte das moeglichst praezise und unter Angabe von Ross und Reiter dargestellt werden. Jenisch als "Untergruppe" von Rotwelsch verstehe ich noch nicht, ist das diachron gemeint, oder nach welchen Kriterien und in Abgrenzung von welchen anderen "Untergruppen" wird Jenisch nach diesem Ansatz bestimmt? Sprachlich eng verwandte aber sozial separierte Sondersprache: wo liegen dann die sprachlichen Unterschiede, oder gibt es nach diesem Ansatz keine wesentlichen? Rotwelsch als "linguistische Kategorie" vs. Jenisch als "die gesprochene Sprache" verstehe ich auch nicht so ganz: was faellt denn dann ausser Jenisch in diese Kategorie?“

Ich habe es mir einfach gemacht, ich gab wieder, was ich vor allem dort fand: Yaron Matras, The Romani element in German secret languages: Jenisch and Rotwelsch, in: ders. (Hrsg.), The Romani element in non-standard speech, Wiesbaden 1998, S. 193-230. Matras ist als Linguist ein ausgewiesener Kenner des Romanes und des Jenischen. Er ist Herausgeber der Romani Studies, der Zeitschrift der Gypsy Lore Society. Die Kenntnis seiner Aussagen scheint mir für die Diskussion hier unverzichtbar.

„Verhaeltnis zu Jiddisch/Hebraeisch: Dazu hatte ich mich oben unter "Problematischer Artikel I" schon geaeussert. Bisher sehe ich keinen Anlass, von "hebraeischen" statt "jiddischen" Wortschatzanteilen des Rotwelschen oder Jenischen zu sprechen. Die ueberhaupt identifizierbaren sind zwar in der Regel letztlich Entlehnungen aus dem Hebraeischen (weil die nicht-hebraeischen deutschen Wortschatzanteile des Jiddischen vom nicht-jiddischen Deutsch nur schwer, wenn ueberhaupt, abgrenzbar sind, ihre Uebernahme ins Rotwelsch oder Jenische also auch schwer identifizierbar ist), aber diese Entlehnungen aus dem Hebraeischen sind dann entweder erkennbar vermittelt durch das Jiddische oder aber zumindest nicht eindeutig einem anderen Weg der Entlehnung zuzuordnen. Ich wuesste auch keinen, der infrage kaeme. Ich stuetze mich allerdings nur auf stichprobenartige eigene Beobachtungen vorwiegend anhand von Wolfs Woerterbuch des Rotwelschen, ohne zureichende eigene Kompetenz fuer Jiddisch oder Hebraeisch. Sehe ich da etwas grundsaetzlich falsch?

„Letztlich Entlehnung“: so war es gemeint, leider nicht klar genug gesagt. Kein Widerspruch, sehe das Verhältnis Jenisch – Jiddisch – Hebräisch nicht anders.

„Verhaeltnis zu Romani: volle Zustimmung zu Deiner Kritik, dass der Artikel das herunterspielt. Auch zu Deinem Hinweis, dass die regionalen Varietaeten des Rotwelschen/Jenischen sich im Grad der Anteile aus Romani stark unterscheiden. Die diachrone Aussage, dass solche Entlehnung erst seit dem 18. Jh. stattfindet, ist so pauschal aber unzutreffend. Belege (wenige) finden sich schon im Liber vagatorum.“

Seit dem 18. Jahrhundert bietet sich für das „herrenlose Gesindel“, d. h. für die Angehörigen des nicht in Untertanenverbände inkorporierten, illegalisierten nicht ortsfesten gesellschaftlichen Rands, verstärkt die Möglichkeit, sich ortsfest zu machen. Mancher greift zu dieser Möglichkeit, seine Lebenssituation zu legalisieren und zu stabilisieren, und Sinti schließen sich mancherorts an (Thomas Fricke, „Zigeuner“ im Zeitalter des Absolutismus. Bilanz einer einseitigen Überlieferung. Eine sozialgeschichtliche Untersuchung anhand südwestdeutscher Quellen, Pfaffenweiler 1996; Ulrich Friedrich Opfermann, „Seye kein Ziegeuner, sondern kayserlicher Cornet“. Sinti im 17. und 18. Jahrhundert. Eine Untersuchung anhand archivalischer Quellen, Berlin 2007). Die ursprüngliche Abgeschlossenheit der Herkunftsgruppen geht dort verloren, vermehrt können Romanes-Elemente in die Umgangssprache der Hausierdörfer usw. übernommen werden und sich von dort ausbreiten. So vor allem in Südwestdeutschland und im Elsaß. Ähnliche Prozesse ereignen sich noch wieder im 19. Jahrhundert mit der Reformierung des Heimatrechts. Hierfür ist das Gießener Manisch ein gutes Beispiel.

„Nomaden: nun ja, wenn Du den Begriff auf Hirtennomaden eingrenzen willst, dann ist er hier natuerlich verfehlt, aber bei den Roma spricht man z.B. von Handelsnomaden (Handwerksnomaden oder Dienstleistungsnomaden waere vermutlich richtiger). Entscheidend fuer unser Thema ist jedenfalls, dass es sich nicht um Obdachlosigkeit, sondern um ueber mehrere Generationen praktizierte Lebensformen der Nicht- oder Halbsesshaftigkeit mit spezfischen oekeonomischen Grundlagen (und dabei nicht bloss krinminellen) handelt.“

Die Kategorie „Nomaden“ ist insofern inzwischen obsolet, als Migration als ein universales Phänomen betrachtet wird, das es zu allen Zeiten quer durch die sozialen Schichten gab und gibt. Zur Geschichte der Verwendung dieses Begriffs gehören die unbegründeten Annahmen, daß „Nomaden“ nicht anders könnten – sei es aus kulturellen, sei es aus erbgenetischen Ursachen – und daß sie eine „primitive“ Stufe der Menschheitsentwicklung repräsentierten. Im Alltagsdiskurs sind diese Vorstellungen leider immer noch lebendig. „Nomade“ exotisiert auch. „Jenische“ zu exotisieren, sollte hier kein Anliegen sein.


Ich denke, es geht voran. Hm? --Kiwiv 19:36, 8. Aug. 2007 (CEST)Beantworten

Hallo Kiwiv,
hast du keine Gegenargumente wenn ich behaupte deine Ausführungen zu Jenisch passen besser zur Ostjiddischen Sprache. Oder meinst du durch stillschweigen meine Einwände aus der Welt geschafft zu haben. Es gibt keine plausiblen Gründe die es erlauben würden Ostjiddisch als Sprache zu qualifizieren, während man mit den selben Massstäben Jenisch als Sondersprache bestimmt. Und es ist auch nicht obsolet, die Jenischen als Gruppe darzustellen die sich konstituierte weil sich Menschen der jenischen Sprache bedienten. Auch die Entstehungsgeschichte von Jenischen so darzustellen das sie sich in ihrer Hauptströmung durch Gauner generierte ist nicht politisch korrekt. Desweiteren gibt es den Begriff des peripatetischen Nomaden.Kennzeichnend für peripatetische Nomaden sind räumliche Mobilität und berufliche Flexibilität in wirtschaftlicher Hinsicht sowie Endogamie (Heirat innerhalb der eigenen Gruppe) in kultureller und sozialer Hinsicht. Im Unterschied zu abhängigen Lohnarbeitern bieten sie der jeweiligen Mehrheitsgesellschaft Dienstleistungen und Gewerbe, die vor allem zu den Nischenberufen zu zählen sind (Händler, mobile Handwerker etc.), an.
RAO, Aparna 2003: "Peripatetische Gruppen zwischen Kalkutta und Istanbul: Ähnlichkeiten und Unterschiede", In: Matras, Y. / Winterberg, H. / Zimmermann, M. (eds.): Sinti, Roma, Gypsies. Berlin: Metropol, S. 11-39. S.13 „Der Begriff „Peripatetiker“ und die Logik des Nomadismus“…Die Begriffe, die in den letzten zwanzig Jahren häufig benutzt werden, um solche Gesellschaften zu bezeichnen, sind „Handelsnomaden“,“Dienstleistungsnomaden“,,“Symbiotische Nomaden“, „Nicht-Nahrungsproduzierende Nomaden“ zunehmend auch „Peripatetiker“. Nomadismus wird hier nicht nur als Begriff für miggrierende Viehzüchter gebraucht, wie in der deutschen Ethnologie allgemein üblich, sondern als Hinweis auf regelmäßiges, überwiegend saisonales Wanderungsverhalten. Der Verkauf von Güter und Dienstleistungen) S.15 „Um diese Art von Gesellschaft zu bezeichnen, wird heute vielfach der Begriff“Peripatetiker“ verwendet. In Anlehnung an die Postsokratischen Philosophenschule wurde dieser Begrifff 1986 in der Ethnologie zum ersten Mal von Josph Berland und Matt Salo und dann 1987 von mir verwendet. Berland stellte für Pakistan fest, dass diese Gesellschaften sich dort mit dem Sammelbegriff „Paryatan“ bezeichnen. Der Begriff leitet sich von der Sanskritwurzel pari ab, die „herum“ bedeutet. Daher kam er auf die Idee, den griechischen Begriff Peripatoi zu verwenden.“Peripathetiker“ bezeichnet daher endogame, nomadische Gesellschaften, die sich in den meisten Teilen der Welt finden und deren Wirtschaft überwiegend auf der Herstellung und/oder Verkauf von Gütern und dem erbringen von Dienstleistungen beruht. Diese Fähigkeiten sind in der Regel über viele Generationen tradiert, und obwohl jede der Gruppen auf bestimmte Berufe spezialisiert ist, haben sie zumeist zahlreiche andere Fähigkeiten, die sie nutzen können, um ihrer Wirtschaft auf breite Basis zu stellen. Dadurch sind sie sehr flexible und können rasch auf veränderte wirtschaftliche, sozialpolitische und ökologische Verhältnisse reagieren.“
Also sind Jenische sowie Roma und Sinti ihrer ursprünglichen Lebensweise gemäß peripathetische Nomaden. Das hat nichts mit Exotisierung zu tun, sondern nur mit einem verengten Begriff von Kultur. Es gibt so wenig einen Wandertrieb bei Menschen wie es einen Trieb zur Sesshaftigkeit gibt. Siehe Neolithische Revolution.
Auch zeichnet sich das Jenische das gerade im alemannischen Raum gesprochen wird dadurch aus das es sehr wenig Romanes Lehnwörter hat. siehe Roth, Jenisches Wörterbuch 2001
Die oben getroffene Feststellung zum Romanesanteil im Schweizer Jenisch wird von dir in unserer Diskussion an verschiedenen Stellen eingebracht. Ich ergänze einmal hier. Roth rechnete 8,1% der Grundwörter dem Romanes zu, wobei er beim Lehnwörteranteil aus den romanischen Sprachen (9%) anfügte, die entsprechenden Grundwörter stammten "aus dem Französischen, Italienischen und Rätoromanischen ... oder - vermutlich über die Vermittlung der Sinti und Roma - aus dem Rumänischen". Den Anteil der Grundwörter aus dem Jiddischen bestimmte er mit 13,7%. Der für das Jenische wenig repräsentative hohe Anteil an Romanismen erklärt sich natürlich durch die drei romanischen Spendersprachen der Schweiz. Das ist ja auch eine der Besonderheiten des Schweizer Jenisch und dürfte untypisch im allemannischen Raum sein. Selbst wenn man den Nachsatz zu den Romanismen ignorierte, sind 8,1% Romanesanteil nicht wenig. Ich vergleiche mit dem Standarddeutsch: gerade einmal fünf Wörter aus dem Romanes - Bock (haben) - Schund, Zaster, Kaschemme und Kaff, wobei das letzte umstritten ist - lassen sich hier dingfest machen. (Hansjörg Roth, Jenisches Wörterbuch. Aus dem Sprachschatz Jenischer in der Schweiz, Frauenfeld 2001, S. 162ff.)--Kiwiv 22:16, 7. Sep. 2007 (CEST)Beantworten
Auch deine Literaturangaben haben grössten teils nichts mit dem Jenischen zu tun und betreffen Hauptsächlich Sondersprache wie, Manische in Gießen, das Hundeshagener Kochum, Geheimsprache von Sensenhändlern etc. diese Einträge gehören in den Artikel Rotwelsch.
Ich glaube auch nicht das du der Jenischen Sprache mächtig bist, wenn ich deinen Ausführungen hier folge. Darum kannst du auch nicht textkritsch urteilen.
ich hoffe das du hierzu Stellung beziehst. Gruss --Gamlo 21:57, 8. Aug. 2007 (CEST)Beantworten


Hallo Gamlo,

auch wenn die Zeit schon ein wenig fortgeschritten ist, ich gehe gerne auf deine Einwände ein:


„hast du keine Gegenargumente wenn ich behaupte deine Ausführungen zu Jenisch passen besser zur Ostjiddischen Sprache. Oder meinst du durch stillschweigen meine Einwände aus der Welt geschafft zu haben. Es gibt keine plausiblen Gründe die es erlauben würden Ostjiddisch als Sprache zu qualifizieren, während man mit den selben Massstäben Jenisch als Sondersprache bestimmt.“


Mein Thema ist Jenisch, nicht Jiddisch. Was auch immer zu Jiddisch zu sagen ist, Jenisch ist eine Varietät des Deutschen. So die Ansicht jedenfalls der Fachlinguisten, die ich so detailliert wie nötig wiedergab. Mehr nicht. Des Jenischen oder irgendeiner anderen Sprache mächtig zu sein (was immer das nun konkret heißen mag), scheint mir die fachliche Kompetenz von Linguisten nicht ersetzen zu können.


„Die Entstehungsgeschichte von Jenischen so darzustellen das sie sich in ihrer Hauptströmung durch Gauner generierte ist nicht politisch korrekt.“


Wie im Beitrag oben zum Ausdruck gebracht, betrachte ich politische Korrektheit nicht als Kriterium sachlicher Richtigkeit. Davon ab, ich schrieb nicht, was du gelesen hast, sondern das Gegenteil: daß es erforderlich ist, von der Geschichte der „Fahrenden“ als einer Kriminalitätsgeschichte wegzukommen. Eine paar flotte, treffende Formulierungen von Venanz Nobel zur traditionellen Forschungshaltung, mit der ich mich kritisch auseinandersetze, habe ich übrigens auf der Seite von Schäft qwant gefunden.


„Peripatetiker“/“Nomadismus“


Aparna Rao, eine Erfinderin der „Peripatetiker“, steht mit diesem Terminus ziemlich allein. Sie ist eine Ethnologin. Innerhalb der historischen Migrationsforschung wird ihr Konzept nicht aufgegriffen. Was sie betont sind die Gemeinsamkeiten zwischen den verschiedenen „peripatetischen“ Gruppen. Übernimmt man ihr Konzept, müßte man vor allem die kulturellen Gemeinsamkeiten zwischen den verschiedenen Gruppen mit „fahrender“ Geschichte sehen, wie sie hier in der Diskussion fortlaufend in Frage gestellt werden. Sie ist sich andererseits der Historizität der von ihr beschriebenen (vornehmlich vorderasiatischen) Gruppen bewußt: „Wir wissen, dass wir es bei vielen dieser [Gruppen charakterisierenden und differenzierenden] Kategorien mit Kontinua zu tun haben, und weiterhin, dass zu bestimmten Zeitpunkten und unter gegebenen Umständen einzelne Merkmale eine verbindende oder trennende Funktion bzw. Wirkung haben können. Die Bedeutung der Merkmale ist also immer kontextabhängig.“ (So in dem von dir zitierten Aufsatz, S. 12). Diese Einsicht wird hier zu wenig beherzigt.

Wenn manche jenische Sprecher auf "Nomade" und "Nomadismus" beharren, dann übernehmen sie Raos Konzept nicht. Ihre Vorstellungen stehen in einem anderen Kontext. Hier geht es - und dein Stichwort "Neolithikum" deutet es an - um die Idee, Jenische stellten den Restbestand einer nomadisierenden Urbevölkerung vor dem Übergang vom Jäger und Sammler zum Pflanzer und Tierhalter in Europa dar. "Bauer" möchte man ja bis heute nicht gerne sein, ist ja ein Schimpfwort in den jenischen Dialekten, werfe ich an dieser Stelle mal scherzhaft ein. Ernsthaft wäre zu sagen, daß dieses Konstrukt sich natürlich mit dem von der keltischen Herkunft beißt. Und das es ebenso abstrus ist, wenngleich schön mythologisch.


„Also sind Jenische sowie Roma und Sinti ihrer ursprünglichen Lebensweise gemäß peripathetische Nomaden.“


Über die „ursprüngliche“ Lebensweise der Roma wissen wir nichts. Über die Lebensweise der illegalisierten, mindestens rechtlich und ökonomisch an einem ortsfesten Leben gehinderten Nicht-Rom-Gruppen der Frühen Neuzeit machen wir uns u. a. hier Gedanken. Offene Fragen! Dabei fällt auf, daß viele dieser Menschen/Familien in die Ortsfestigkeit wechselten, sobald das rechtlich und ökonomisch möglich wurde. Die Einführung der Freizügigkeit bei der Wahl des Aufenthaltsortes und die Industrialisierung bzw. die damit einhergehende Verallgemeinerung der Lohnarbeit im 19. Jahrhundert schufen diese Möglichkeit. Schaut man genau hin, beobachtet man, wie in vielen Familien der Ehemann nun in die Fabrik ging, die Ehefrau weiterhin mit Kram oder Weißzeug auf den Handel. Er Ex-Peripatetiker, sie weiterhin Peripatetikerin? Sind jenische Schrott- oder Antiquitätenhändler Nomaden? Ich muß sagen, ich finde diese Vorstellung schon eher witzig.


„Auch zeichnet sich das Jenische das gerade im alemannischen Raum gesprochen wird dadurch aus das es sehr wenig Romanes Lehnwörter hat. siehe Roth, Jenisches Wörterbuch 2001“


Roths Wörterbuch beschäftigt sich mit dem Schweizer Jenischen, m. E. ein ausgesprochener Sonderfall. Geringe Romanes-Anteile in diesem Wörterbuch sind keine Aussage über Romanesanteile in Jenischvarianten aus dem Elsaß oder in Baden-Württemberg oder sonstwo. Zur Qualifizierung des Buchs von Roth siehe aber Venanz Nobel, der ja auch hier als Beiträger gut zu hören ist, auf der Seite von Schäft qwant: ein vernichtendes Urteil. Was auch immer davon zu halten ist, ich verweise noch wieder auf Matras, der nicht den Sonderfall abhandelt, sondern den Überblick gibt.


„Auch deine Literaturangaben haben grössten teils nichts mit dem Jenischen zu tun und betreffen Hauptsächlich Sondersprache wie, Manische in Gießen, das Hundeshagener Kochum, Geheimsprache von Sensenhändlern etc. diese Einträge gehören in den Artikel Rotwelsch.“


Was die von mir und Otfried Lieberknecht empfohlene Literatur mit dem Jenischen und den Jenischen zu tun hat, dazu kann natürlich jeder sagen, was er will. Möglichst sollte man aber wissen, was drinsteht, bevor man etwas sagt. Statt auch ohne das den Inhalt kurz mal in die ungeliebte Rotwelsch-Kiste wegzupacken.


Was mich ein bißchen stört, ist der aufgebrachte und fordernde Ton des Vortrags. Ruhig Blut!


Freundliche Grüße--Kiwiv 00:08, 9. Aug. 2007 (CEST), geringfügig ergänzt--Kiwiv 09:52, 9. Aug. 2007 (CEST)Beantworten


Guten Morgen,

nochmal nachgeschoben ein Gedanke, der in die Reaktion auf Gamlos Einwände schlecht hineinpaßte:

M. E. ist es erforderlich in dem Artikel deutlich zu machen, daß "Jenisch" alles andere als eine Einheitssprache ist, daß es vielmehr in zahlreiche "Dialekte" zerfällt, die wie alle Dialekte unter den gegenwärtigen Bedingungen schwer um ihre Existenz zu ringen haben, soweit sie sich nicht bereits in Agonie befinden - mit allem, was bei Sprachen dazugehört.--Kiwiv 09:58, 9. Aug. 2007 (CEST)Beantworten

Problematische Argumentation II

Hallo Otfried und Kiwiv,

was mich an eurer Argumentation (nicht an euch) stört ist das ihr hier aus dem Puzzel von Quellinformationen, dass ihr dem Thema zuordnet, aus den ältesten(Wiener Kellner 1714 ) bis zu den jüngsten(z.B.Seidenspinner),euch im Elfenbeinturm des Akademikers ein Bild macht. Ihr würfelt dabei ganz unbefangen Rotwelschdialekte, Räubergeschichten, und Ansichten über die Fahrenden des Mittelalter zusammen. Bereinigt es dann durch den Kulturrelativismus und kommt zum Urteil was soll das sein "DIE Jenische Sprache", "DAS Jenische Volk". Ja selbst von "DEN Jenischen" wollte ihr nichts wissen, die in der Schweiz und Deutschland, Benelux-Staaten und Mitteleuropa reisen. Und seit Generationen über diese nationalen Grenzen hinweg verwandt und verschwägert sind. Die Korbmacher, Scherenschleifer und Kesselschmiede waren und heute fahrende Händler sind, ihre eigenen Stand- und Durchgangsplätze haben. Die aus ihrer Familiengeschichte berichten das ihre Vorfahren es schon immer so gehalten haben. Ihr fokussiert euch auf eine Sozialgeschichte die eurerer konditionierter Wahrnehmung entspricht, von einer niedrigen sozialen Schicht die aus der Not eine Tugend machend bestenfalls gewandert seih. "Was schon exotisch genug ist". Sehr frühe Informationen über Jenische wie die folgende von Johann Ulrich Schöll aus Ludwigsburg 1793, werden gar nicht gewichtet. In der von Handwerk(Schleifen), familiärem Kontext, Identität etc. die Rede ist.

Johann Ulrich Schöll aus Ludwigsburg 1793, der zahlreiche Genealogien über Jenische, insbesondere des halb-jenischen „Konstanzer Hanses“ und dessen Lebensgefährtin, der jenischen „Schleifer-Bärbel“, erstellte [2]: „Sie heissen in ihrer Gesellschaftssprache Jenische, d.i. Leute, die nirgends keine Niederlassung haben; so wie sie in der Canzley- und Volkssprache den Namen von Vaganten oder Vagabunden und Strolchen führen. Sie machen auch im Grunde nur Eine Gesellschaft aus. Denn so sehr sie in Ansehen des ErwerbMitels, dessen sie sich bedienen, oder des Handwerks, das sie treiben, von einander unterscheiden, indem die einen nehmen, die anderen sich geben lassen, so sehr stimmen sie in ihrer übrigen Lebensart, in ihren Sitten und anderen Verhältnissen überein.“[3]. Schöll ging davon aus, dass das Räuber- und Gaunerwesen in Schwaben von den nichtsesshaften Jenischen des 16. Jahrhunderts begründet wurde. Er referiert zudem von den während des Dreißigjährigen Krieg „verwilderten Menschen“, die sich mit „herumziehenden Keßlern(Jenische), und Bettelnden Landfahrern“ verbanden.

↑ Schöll, Johann Ulrich, Abriß des Jauner und Bettelwesens in Schwaben nach Akten und anderen sicheren Quellen von dem Verfasser des Konstanzer Hanß, Stuttgart 1793

Die Ethnogenese setz ihr zeitlich ins Umfeld des Jahres, der ersten "nachweislichen" Erwähnung des Jenischen. Das wäre etwa so als würde man die Entstehung der Apachen mit der ersten Erwähnung dieses Wortes Apache durch die Europäer ansetzen. Solange sie Indianer sagte gab es keine Apachen?

Ihr verwechselt kategorisch sogenannt "jenischsprechende Gruppen" mit Jenischen. Das ist so wie wenn man Creolsprecher mit Spaniern verwechselte. Also die Schaustellersprache(eigentlich "Reisende-Sprache", "Manische in Giessen", "Kochumer Loschen" mit Jenisch. Das Prädikat "Jenisch Sprecher" kommt nicht von den "Jenisch-Spechenden-Gruppen" sondern ist die Verallgemeinerung von Sondersprachen in den Begriff "Jenisch" durch Sprachforscher. Genauso wie Linguisten den Kunstbegriff "Sintitikes" kreierten, sie implizierten damit anschaulich die Einordnung der Sinti als Roma-Untergruppe, die von den meisten Sinti kategorisch abgelehnt wird. Das Wort Sintikes gibt es so wenig im Romanes, wie Reisende(Schausteller) sich darauf berufen "jenisch" zu sprechen. Sie sehen sich in der Tradition der mittelalterlichen "Gaukler und Komödianten" wenn sie nach ihrer Herkunft befragt werden( fragt mal einen Hochseilartist Traber der die "Reisenden Sprache" spricht). Sie sind eigenständig und wollen nicht mit den Jenischen(Volk) verquickt werden. In diesen Sprachen finden sich die Romanes Anteile die ihr auf das Jenische projiziert. Auch befinden sich im Jenischen viele Frühneuhochdeutsch Wörter die im Hochdeutschen ausgestorben sind. Wie z.B. Walch (Italiener) das auch im jenischen Italiener bedeutet. Also nichts von Geheimsprache. Oder stakern für stehen.

So wie jeder Sinto alle Gruppen die reisen als Jenische bezeichnet(Schausteller,Artisten,Jenische) colportieren unbedarften Wissenschaftler dies nach, und bezeichnen alle als "jenisch-Sprechenden" mangels eigener Sprachkenntnisse. Die Linguisten sind gar nicht in der Lage zu einer Textkritischen Analyse von Quellenmaterial zu gelangen oder zur Unterscheidung von Rotwelsch und Jenisch. Weil viele Jenische und Sinti haben Einwände gegen die Erforschung ihrer Sprache, mit der Begründung, dass in der NS-Zeit die Rassenforscher Eva Justin und Robert Ritter ihre angeeigneten Sprachkenntnis dafür nutzten, Genealogien über sie zu erstellen, um sie effektiver ermorden zu können. Also müssen sie auf Quelle aus der Vergangenheit zurückgreifen die einem wissenschaftlichen Anspruch nicht gerecht werden können. Und zudem Textkritisch nicht bewerten werden können, mangels eigener Sprachkenntnisse. Oder müssen Feldforschung betreiben über Dritte, ihre Gewährsleute (Nicht-Jenische), mit dem selben wissenschaftlich wertlosem Ergebnis. Über die Probleme der Feldforschung wurde auch schon seitenweise geschrieben von Train bis Siewert. Hätten Linguisten die selben rudimentären Kenntnisse über das Jiddisch, sie würde Jiddisch als Rotwelsch-Dialekt qualifizieren. Was sie in der Vergangenheit mangels Wissen ja auch taten.

Das Jenische ist für einen Außenstehenden gänzlich unverständlich im Gegensatz zum Jiddisch das jedem Deutschsprachigen beim genauem hinhören verständlich wird. Da Jiddisch zu Dreiviertel aus deutschen Wörtern besteht. Das Jenisch aber besteht unter einem Drittel aus deutschstämmigen Wörtern. Das hat aber nichts mit seinem Geheim-Charakter zu tun, da ja seine deutschstämmigen Wörter ihre Bedeutung nicht ändern, sondern wegen seinem Eigenwortschatz. Verballhornungen des Deutschen wie Trittling für Schuhe (Jenisch richtig "Nuschen") oder Härtling für Messer (Jenisch richtig "Gurti") kann man als Sondersprachen sehen haben aber nichts mit Jenischen zu tun sondern fallen unter das Konglomerat und Konstrukt Rotwelsch.

Das jenische Wörterbuch (1791) von Johann Baptista Herrenberger mit jenischen Texten und Dialoge entspricht dem jenischen Texten, den Hermann Kurz (Pfarrer in Reutlingen)in seinem 1854 erschienenem Roman "der Sonnenwirt" wiedergibt, als auch der Mundart des schweizerischen "Jenischen Wörterbuchs" das 1997 herausgegeben wurde von der Radgenossenschaft der Landstraße(Interessenverbandes des Jenischen Volkes in der Schweiz). Als auch dem Jenischen Wörterbuch von Roth. Es hat in diesen Werken keine Romanes Wörter. Hier ist die Kontinuität ablesbar der eigentlich Jenischen Sprache. Das Jenische aus Graubünden versteht ein Jenischer aus dem Elsass ohne Problem.


hier eine vergleichende Wortliste

Deutsch Romanes(Sinti) Jenisch Schaustellersprache(Reisende)
Hund Tschuklo Kib dschugele
reden rakrau/penau dibern ragere/pene
Milch Thud Glis Milch
Hand Wast Fema Wast
Mädchen Tschai Schiga Model/Tschai
Bauer Hacho/Gatscho Rucha Bur/Gatsch
Katze Margotscha Ginkis Matschge
verstecken gatrau schabra vergatern

die Angaben lassen sich verifizieren in Wolfs Zigeunerwörterbuch, Roths oder Johann Baptista Herrenberger "Jenischem Wörterbuch" und aus dem sogenanntem "Jenischen" der Schausteller von Efing


Und warum gibt es im 1844 von T.J Train herausgegebenem Jenischen Wörterbuch für jedes Deutsche Wort im durchschnitt zwei bis fünf jenische Entsprechungen. Ist das Jenische so variantenreich? Das nicht! aber Train stellt bereits in seinem dreiseitigem Vorwort klar, dass viele Worte bereits nicht mehr in Gebrauch seihen und zudem sich aus aller Herrenlander und von Zigeuner,Dieben,Bettlern und Gaunerjuden(seine Wortschöpfung)rekrutieren. Der des Jenischen kundige kann aber die für seihe Sprache relevanten Lexem sofort erkennen und trennt somit die Spreu(das Rotwelsch) vom Weizen(Jenisch) der Lachoudisch Sprechende Jude kann auch seinen Weizen daraus sieben. Was übrig bleibt ist das was ein Gewährsmann(Krimineller) übers Trains Wortliste meinte: manch Bekanntes, vieles veraltetes, fremdländisches. Aus der Rezensionen zum Jenischen Wörterbuch von Train

Das Ergebnis dieser wunderbaren Sprachvermengung: Viele angebliche Rotwelsch-Ausdrücke sind ganz normale, unbescholtene Vokabeln und stammen aus verschiedenen deutschen Dialekten, Soziolekten und aus dem Jiddischen -- bei letzterem wurden vor allem der Wortschatz-Teil hebräischen Ursprungs verdächtigt. Was nun dieses Wörterbuch angeht: Auch viele Gewährsleute des Herausgebers waren wohl von ihren "Informanten" gelinkt worden, denn auf einen Großteil des enthaltenen "Gaunersprachen"-Vokabulars trifft das soeben Gesagte zu.

Was die geschichtliche Kontinuität von peripathetischen Nomaden betrifft, die endogam Gesellschaften bilden und tradieren. Und die Ethnogenesefähigkeit die sich aus dieser Zeitspanne ergibt möchte ich anhand von drei Beispiele nennen:

Die Hapiru transnationale perpatetischen Nomaden die zwischen dem 19. bis 12.Jahrhundert im ganzen Gebiet des goldenen Halbmond belegt sind. Und genauso wie unsere Jenischen mal mehr mal weniger dargestellt werden. Und im Verdacht stehen eine der Gruppen zu sein aus der sich das spätere Jüdische Volk entwickelt (sie Link)

Die Soloba sogenannte "Wüstenzigeuner"( siehe C.M Doughty des berühmten Erforscher der arabischen Wüste) die von der Jagd und fahrenden Arbeit leben, als Waffenschmiede und Kesselflicker, Haushaltsgeräte für Beduinen herstellen und musizieren. Die aber nicht ethnisch verwandt mit den Roma sind. Sie gehorchen der Lehre ihres Patriarchen der es ihnen auferlegt hat, sich von der Jagd und der wandernden Arbeit zu ernähren und keinen Ackerbau zu betreiben(Mythos).Sie werden gleichermaßen verachtet von sesshaften Arabern, Beduinen,anderen Viehnomaden und Doma(Roma-Gruppe). Ähnliche peripatetische Gruppen sind seit fast 4000 Jahren im gesamten vorderen Orient belegt. Vergleiche auch die Rekabiter die in der Bibel erwähnt werden Jer 38.

Die Pavee die in ihrem ganzen Habitus schon von Shakespeare in "the taming of the screw" 1594 beschrieben werden und deren Sprache von Kuno Meyer bis ins 13.Jh. dokumentiert wird.

Die deutschsprachige Wissenschaft kann sich kein Urteil bilden über die Jenischen als peripatetische Nomaden und Ethnie da sie die Begrifflichkeiten und Gedankengebäude der angelsächsischen/französischen Wissenschaft auf dem Gebiet ihrer Ethnologie und Linguistik nicht anwendet und einen "marginalen Gruppen" betreffenden Kulturrelativismus betreibt, der diese Gruppen diskriminiert(warsten Wort sinn"trennt"!)siehe z.B. Eberhard Jäckel´s Polemik zum Begriff des "Zigeuners". Dem überall versteckt lauerndem Schreckgespenst "Antiziganismus, Antisemitismus in der Wissenschaft" versucht man im Nachkriegsdeutschland vorsorglich zu begegnen indem alles nomadische was Roma, Jenischen, Juden und Arabern anhaftet Tod zu schweigen oder aber kulturbereinigt durch ökonomischen Begriffen zu erklären. Man geht von der abendländischen Maxime aus, dass das sesshaftes Leben normal ist. Und nomadisches Leben primitiv. Und impliziert, die Unterstellung, das kriminelles Verhalten Gruppen zur Wanderschaft zwingt durch das Interaktionsmuster Armut/Heimatlos/Wanderarbeiter/Gelegenheitsdieb. Diese Unterstellung zieht sich wie ein roter Faden mal sichtbar, subtil und latent durch die vorangegangenen Diskussionen, im Artikel Jenische und Jenische Sprache. Oder wie soll man diesen Beitrag hier verstehen?(mit der Bitte um Antwort) Zitat:

"Entscheidend fuer unser Thema ist jedenfalls, dass es sich nicht um Obdachlosigkeit, sondern um ueber mehrere Generationen praktizierte Lebensformen der Nicht- oder Halbsesshaftigkeit mit spezfischen oekeonomischen Grundlagen (und dabei nicht bloss krinminellen) handelt."

ich will hier auf der Sachebene diskutieren, wenn dich Kiwiv der fordernden "Ton" in meinem Vortrag stört, so ist das fordernde in diesem die unterschwellige Kriminalisierung von Menschen zu überdenken. Denn nichts anderes ist es wenn man ganze kulturellen Bereiche ausklammert und über geht, wie bewusst das gemacht wird mass ich mir nicht an zu sagen, da es ja im Wesen der abendländischen Rezeption des Nomadismus liegt, ihn als etwas anrüchiges(exotisches) zu sehen. Gruss --Gamlo 20:40, 9. Aug. 2007 (CEST)Beantworten


Guten Morgen Gamlo,

"ich will hier auf der Sachebene diskutieren, wenn dich Kiwiv der fordernden "Ton" in meinem Vortrag stört, so ist das fordernde in diesem die unterschwellige Kriminalisierung von Menschen zu überdenken."

Wie du auf die Idee kommst, hier würden "Jenische" unter- oder oberschwellig kriminalisiert - und zwar von Otfried Lieberknecht und von mir, denn niemand sonst diskutiert hier mit dir - ist mir absolut schleierhaft. Völliger Quatsch und m. E., um das klar zu sagen, eine reine Phrase, mit der du die "Sachebene" definitiv verläßt.

Ich habe im Moment nur diese eine Bitte: Nachdem die Geschichte der "Jenischen" inzwischen ja nun deiner Ansicht nach ins dritte, wenn nicht vielleicht auch achte Jahrtausend geht, nenne bitte einmal aus dieser Geschichte ein beliebiges, aber quellenbelegtes konkretes Ereignis vor dem sagenhaften Sprachbeleg von 1714, bei dem zu den Akteuren mindestens ein Jenischer gehörte. Mit freundlichen Grüßen--Kiwiv 09:47, 10. Aug. 2007 (CEST)Beantworten

Lieber Gamlo, wenn ich recht verstehe, gibt es zwei wesentliche Meinungsverschiedenheiten:
  • Die Bestimmung der Jenischen als "Migranten" oder "Nomaden": Migranten ist aus meiner Sicht der weitere, nicht unbedingt schon hinreichend spezifische Begriff, aber entgegen Deiner Meinung reduziert er (ebensowenig wie "Nomaden") die Bestimmung auf Oekonomisches unter Ausschluss der Kultur. Die Auffassung von Kiwiv, dass der Begriff "Nomaden" wissenschaftlich obsolet sei, halte ich im uebrigen fuer uebertrieben. Mir ist es im Prinzip wurscht, welchen Begriff wir verwenden, so lange wir die gemeinte Bedeutung hinreichend klar explizieren. Und ich lege allerdings Wert darauf, dass wir die Frage hier bzw. im Artikel nur insoweit behandeln, wie sie in der sprachwissenschaftlichen Forschung zu "Jenisch" (oder Rotwelsch) fuer relevant befunden wird, und dass wir uns dann auf die in dieser Forschung verwendete Begrifflichkeit konzentrieren.
  • Die Extension der Sprachbezeichnung "Jenisch". Du bist davon ueberzeugt, dass Rotwelsch eine Sammelbezeichnung fuer einerseits Sonderwortschaetze und andererseits eine nur irrtuemlich dem Rotwelsch zugeordnete eigenstaendige Sprache sei und postulierst dafuer eine Bezeichnung die 1714 erstmals und dort mit der Bedeutung Rotwelsch im Sinne von Gaunersprache sowie mit Bezug auf Woerter des aelteren Rotwelschen belegt ist. Das koennte in Hinsicht auf die Sprachbezeichnung so stimmen, denn das Wort Jenisch kann (und wird) schon laengere Zeit existiert haben und kann in diesem Fall bereits von seiner von Dir angenommenen richtigen Bedeutung auf die unrichtige Bedeutung "Rotwelsch" verschoben worden sein. Es koennte auch in Hinsicht auf die eigentlich "Jenische" Sprache so stimmen, weil ja in der Tat Rotwelsch keine einheitliche Sprache oder kein einheitlicher Sonderwortschatz ist, sondern diachrone und synchrone Varietaeten aufweist, deren zeitliche und regionale oder soziale Zuordnung durch das Nebeneinander aelterer und juengerer Woerter in den aufgezeichneten Listen und durch die Mobilitaet der Sprecher erheblich erschwert ist. Von daher ist ja nicht auszuschliessen, dass sich in der Ueberlieferung (und in der heutigen Sprachpraxis) eine bestimmte Varietaet verbirgt, auf die Deine Annahmen zutreffen. Die Frage ist nur, ob das anhand der sprachlichen und kontexutellen Daten irgendwie plausibel zu machen ist. Woher weisst Du z.B., dass Wortschatzanteile von Romani speziell das Rotwelsche oder die "Schaustellersprache" charakterisieren und ein Unterscheidungsmerkmal gegenueber echtem "Jenisch" darstellen? Weil die Jenischen Deiner Meinung nach aelter sind als der Einfluss von Romani, oder aus irgendeinem triftigen Grund? Weil Du Zeugnisse findest, die als "Jenisch" eine Sprache ohne nennenswerten Anteil von Romani bezeugen? Woher weisst Du dann von diesen Zeugnissen, dass sie die Sprachbezeichnung "Jenisch" (die ja selbst aus dem Romani stammt) noch in der urspruenglichen, richtigen und nicht vielmehr mit einer bereits verschobenen Bedeutung verwenden? Ich fuerchte, dass Du alles das nur darum weisst, weil Du es a priori so sehen willst.
Wikipedia kann "Jenisch" nur als das darstellen, was es nach Auffassung der Sprachwissenschaft ist, und kann ansonsten abweichende Meinungen z.B. von "Jenischen" referieren, wenn dafuer brauchbare Quellen vorhanden sind. Auch die sprachwissenschaftliche Auffassung, was "Jenisch" sei, konstruieren wir hier nicht nach eigenem Vermoegen selbst, sondern haben die publizierten Auffassungen wiederzugeben. Deshalb hilft es fuer die Bearbeitung des Artikels nicht viel, Sprachwissenschaftlern die Zustaendigkeit abzusprechen oder eigene und bessere sprachwissenschaftliche Argumente zu finden (auch wenn sie mich persoenlich interessieren), sondern wir muessen mal allmaehlich dahin kommen, den Artikel auf den Stand der publizierten Forschung (und abweichenden Meinungen) zu bringen. --Otfried Lieberknecht 11:03, 10. Aug. 2007 (CEST)Beantworten


Um von einer unsinnigen Gegenüberstellung wegzukommen - hier die originäre jenische orale Sprachkompetenz (repräsentiert durch Gamlo), dort eine in ihrem Kriminalisierungsbestreben einige Sprachwissenschaft, die hinter dem Rücken einer (freilich ebenfalls einigen) jenischen Gemeinschaft (repräsentiert durch Gamlo) mit bösartigen Schriften die Wahrheit manipuliert und verfälscht, im folgenden einige Zitate aus einem längeren Briefwechsel mit einer älteren jenischen Dame aus Baden-Württemberg:


„Ich muß sagen, es gibt viele Unterschiede bei den Reisenden oder Fahrenden, zum Beispiel hier wohnen ... . Diese Familien kamen früher vom Odenwald, die haben viele ganz andere Ausdrücke für bestimmte Sachen wie „Hauz“ sagen die zum „Mann“ u. so sind viele Unterschiede, denn oft haben die Fahrenden ihre Gegenden beibehalten. Entweder sind sie in Württemberg oder im Badischen oder Schwarzwälder Jenische haben wir oft noch gehört sagen u. dann die Bayerischen.“
„Mein Mann hat gleich gesagt, ob sie [Schweizer] Jenische seien, was sie bejahten. Sie hatten auch gleiche jenische Worte, aber auch andere, die wir nicht verstanden.“
„Mir fällt gerade noch ein, daß die in der Schweiz die Zigeuner u. Jenische über einen Kamm streichen, das stört mich immer. Die Jenischen haben ja keine vollständige Sprache u. nur angenommen, was bei den Zigeunern nicht der Fall ist. Wenn die sprechen, verstehen wir nichts oder nicht viel bis auf ein paar Worte.“
„Wir haben auch in den letzten Jahren viele jenische Wörter aufgeschrieben. Wir mußten oft lachen, weil wir selber die Wörter schon lange nicht mehr gesprochen haben. Wir fragten alle Verwandten u. Bekannten nach alten Wörtern. Das Jenische ist ja keine vollständige Sprache. Sie haben viele Wörter angenommen. Zum Beispiel haben wir ein paar französische Wörter oder Jüdische, auch ein paar sindische Wörter drin. Es ist einfach eine Händlersprache. Dagegen die Zigeuner können sich über alles unterhalten mit ihrer Sprache. Wir haben früher Zigeuner getroffen, die konnten sehr schlecht Deutsch sprechen, obwohl sie schon lange in Deutschland waren. ... unter sich (raggerten sie) ... nur Romenis (sprachen Sindisch) ... .“--Kiwiv 19:13, 10. Aug. 2007 (CEST)Beantworten


„Jenische“ hinterließen Spuren VON CHRISTINE BADKE,

aus dem "Kölner Stadtanzeiger" vom 08.08.07

Euskirchen-Stotzheim - Wahrscheinlich, so steht es in der „Geschichte der Pfarreien der Erzdiözese Köln“ aus dem Jahr 1900, hätten sich die „Wannläpper“ in der Mitte des vorigen Jahrhunderts in Stotzheim niedergelassen. Das sei eine besondere „Merkwürdigkeit“ dieser Pfarrei am „Ausgange des Erftthales“. Eine ältere Quelle, die „Topographisch-statistischen Beschreibungen der Königlichen Rheinprovinzen aus dem Jahr 1830“, datiert die Ansiedlung gar 70 Jahre zurück auf die Mitte des 18. Jahrhunderts. Man nahm an, es handele sich bei diesen „Wannenflickern“ um „Abkömmlinge getaufter Zigeuner“. Tatsächlich gehörten Korbflechter, Kesselflicker und Wanderhändler lange zum alltäglichen Dorfbild. Der Stotzheimer Hans Habeth kann sich noch gut daran erinnern. Er bezeichnet sich selbst stolz als einen dieser Stotzheimer „Dynastie“ der „Jenischen“, denen in Deutschland insgesamt noch etwa 200 000 Menschen angehören. So genau kann das niemand sagen - schließlich gibt es jene, die sich auf ihre Familiengeschichte und den Reisehandel berufen. Andere dagegen sind vollständig „bürgerlich“ geworden.

Rest könnt ihr weiterlesen auf dem Link zum Stadtanzeiger Gruss--Gamlo 20:41, 10. Aug. 2007 (CEST)Beantworten

Ich bin ein bißchen zwischen Tür und Angel, aber einen Gedanken möchte ich an dieser Stelle noch gerne betonen. Wir sollten uns bewußt sein,

  • daß „Jenisch“ als Sprachbezeichnung uns die ersten beiden Male erst im zweiten bzw. dritten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts begegnet („Wiener Kellnersprache“, 1714, „Dillinger Liste“, 1721)
  • daß wir zur Validität dieser beiden Aussagen keine Angaben machen können
  • daß wir nichts über die soziale und räumliche Verwendung des Begriffs wissen
  • daß wir nicht wissen, ob bzw. inwieweit es sich hier um eine Eigen- oder eine Fremdetikettierung oder um beides handelt
  • daß der Terminus selten bleibt
  • daß mindestens im weiteren Verlauf konkurrierende Bezeichnung daneben stehen (wobei ich von „Rotwelsch“ hier einmal absehe)
  • daß seine häufigere Anwendung als Ethnonym bzw. als Eigenbezeichnung von so etwas wie vielleicht einem ethnischen Kollektiv erst im 19. Jahrhundert zu beobachten ist.

Erst seit den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts wird es mit dem Anspruch verwendet, die einzig „richtige“ Sammelbezeichnung für eine Vielzahl von Sprachvarietäten von Tirol und die Schweiz über Westdeutschland bis Frankreich und für deren Sprecher zu sein, die eine eigenständige Ethnie – ein „Volk“ im Sinne von „Ethnos“ – darstellen würden.

Was auch immer an diesem Anspruch dran sein mag, soweit er auf die Situation heute bezogen ist, so kann man doch nicht auf die Frühe Neuzeit, schon gar nicht auf die Zeiten davor rückschließen. Belege müssen her! Wenn es sie für die ältere Zeit nicht gibt, mag das damit zu tun haben, daß erst mit der Herausbildung einer modernen Staatlichkeit (also seit dem 17./18. Jahrhundert) die Papierflut in den Verwaltungen zu wachsen beginnt, aber das ändert nichts. Belege müssen her. Dienlich ist hier ein Blick über den Zaun. Belege für die Eigenbezeichnungen der „Zigeuner“ sind ebenfalls sehr selten, und „Zigeuner“ ist nicht in jedem Fall ein verläßlicher Begriff. Nur, es gibt Eigenaussagen. Es gibt Verhörprotokolle, Wohlverhaltensbescheinigungen, Pässe, Kirchenbucheintragungen usw. mit klarem Beweischarakter. Dort sprechen „Zigeuner“ von „ihrem Volk“, von „unsere Sprach“, nennen ihre Romanes-Namen (Lolli, Baro, Galo, Rackli, ...), erzählen den Herkunftsmythos von „Kleinägypten“ usw. Das alles fehlt im Falle der Jenischen.

Um es abzukürzen: eine Enzyklopädie ist nicht der Ort, an dem die Re- oder Neuethnisierung einer Bevölkerungsgruppe zu betreiben wäre, die vielleicht so richtig nie „ethnisiert“ war. Weshalb hier an die Frage der Ethnizität mit großer Zurückhaltung heranzutreten wäre. Bei allem Verständnis ...

Ich werde leider (Denn ich habe hier durchaus Feuer gefangen. Es dient alles sehr auch der Klärung eigener Auffassungen.) ab heute und bis mindestens ans Ende der kommenden Woche keinen Zugang zu meinem PC haben und hier nichts beitragen können, werde aber den Fortgang der Debatte mit großem Interesse verfolgen.--Kiwiv 11:02, 11. Aug. 2007 (CEST)Beantworten

  • daß wir zur Validität dieser beiden Aussagen keine Angaben machen können: Die Aussage verstehe ich nicht. Willst Du sagen, dass wir anhand der beiden Belege noch keine zuverlaessigen Aussagen treffen koennen, wie lange das Wort schon vorher existierte? Oder willst Du Zweifel an der inhaltlichen Validitaet der beiden Quellenaussagen begruenden?
  • daß wir nicht wissen, ob bzw. inwieweit es sich hier um eine Eigen- oder eine Fremdetikettierung oder um beides handelt: Ganz so agnostisch brauchen wir da wohl nicht zu sein. Nach der weithin akzeptierten Etymologie von Romani džan "wissen, kennen" > dt. rotw. Jenischer "Wissender, Eingeweihter" > Jenische Sprach "Sprache der Wissenden, Eingeweihten" (analog zu Kochemerloschen) kann man wohl von einer Genese als Eigenbezeichnung ausgehen. Die anschliessende Adaptierung als Fremdbezeichnung in Koppelungen wie Jaunerische oder Jenische ist erst recht breit dokumentiert. --Otfried Lieberknecht 10:22, 14. Aug. 2007 (CEST)Beantworten

Extrapolation der Jenischen Geschichte

Hallo Kiwiv und Otfried , wenn wir die Frühe Neuzeit zwischen 1500-1800 ansetzen, dann trifft der Pfarrer Johann Ulrich Schöll aus Ludwigsburg , der zahlreiche Genealogien über Jenische, insbesondere des „Konstanzer Hanses“ und dessen Lebensgefährtin, der jenischen „Schleifer-Bärbel“, erstellte, gegen Ende dieser Epoche(1793) folgende Aussage über die Jenischen [1]. Zitat Schöll „Sie heissen in ihrer Gesellschaftssprache Jenische, d.i. Leute, die nirgends keine Niederlassung haben; so wie sie in der Canzley- und Volkssprache den Namen von Vaganten oder Vagabunden und Strolchen führen. Sie machen auch im Grunde nur Eine Gesellschaft aus. Denn so sehr sie in Ansehen des ErwerbMitels, dessen sie sich bedienen, oder des Handwerks, das sie treiben, von einander unterscheiden, indem die einen nehmen, die anderen sich geben lassen, so sehr stimmen sie in ihrer übrigen Lebensart, in ihren Sitten und anderen Verhältnissen überein.“ Schöll ging davon aus, dass das Räuber- und Gaunerwesen in Schwaben von den nichtsesshaften Jenischen des 16. Jahrhunderts begründet wurde. Er referiert zudem von den während des Dreißigjährigen Krieg „verwilderten Menschen“, die sich mit „herumziehenden Keßlern(Jenische), und Bettelnden Landfahrern“ verbanden"2.

1.Boehncke/Sarkowicz Die deutschen Räuberbanden. In Originaldokumenten“,Bd. I, S. 167.

2.Schöll, Johann Ulrich, Abriß des Jauner und Bettelwesens in Schwaben nach Akten und anderen sicheren Quellen von dem Verfasser des Konstanzer Hanß, Stuttgart 1793

Wenn man die materielle Kultur und Habitus von gewissen "fahrenden Bettler",die mit Frau Kind und Kegel reisen, eine eigene Sprache sprechen und sich mit Verwandten am Kohleberg in Basel zur eigenen Gerichtsbarkeit treffen im Spätmittelalter,(siehe Liber Vagatorum und Sebastian Brandts Narrenschiff Kap.Bettler), mit der sozialen Norm der Jenischen, die von Schöll 1793 geschildert, vergleicht. Und die gewollt und ungewollte Sesshaftwerdung eines Teiles der Jenischen in der Mitte des 19.Jahrhunderts, die uns von Deutschland(NRW), der Schweiz und Österreich dokumentiert ist, in ihrer räumlichen Dimension betrachten. Und es einen Synaptischen Wortschatz aller dieser dokumentierten Gruppen gibt und zwar aus den Quellbelegen. Dann sind es unsere heutigen Jenischen die den grösste Gemeinsamen Nenner haben in ihrer Sprache und Lebenswandel mit diesen fremdbezeichneten Menschen aus der Vergangenheit. Dann ist eine zeit- und räumliche Kontinuität vom Mittelalter bis heute unübersehbar. Das Medium (die Jenischen) dieser materiellen und Geistigen Kultur muss sich ausserhalb der Gesellschaft bewegt haben, weil nur so konnte es sich über die Zeiten erkennbar tradieren. Währe das Medium "viele verwandter Soziolekte randständiger Gruppen innerhalb der Gesellschaft"(Rotwelsch)wie hätte es sich tradieren können durch wechselnde Einzelsprecher/Sprechergruppen ohne ins unerkennbare zersplittert zu werden? Auch wäre es beim ersten Gesellschaftlichen Bruch ausgestorben? Wir kennen den Vergleich anhand der Sozialgeschichte Frankreichs in der sich immer neue immer andere Soziolekte, im Milieu dieser Randständigen Bettler, Vaganten, Deserteure und Scholaren, bildeten ohne das sich daraus eine über die Jahrhunderte erkennbaren Kontinuität ergeben würde. Andere Gruppen andere Zeiten andere Verhältnisse ergeben immer wieder neue Soziolekte, wenn diese Gruppen nicht biologisch verwandt sind. Wie denn bitteschön, sollen sich die Rotwelschdialekte und/oder "Rotwelsch in seiner Hauptströmung" überliefert haben? zudem Unter der Annahme das sie/es geheim waren ? Rotwelsch wie ihr es versteht kann also nur ein Konstrukt sein und ein Konglomerat von Soziolekten die nichts miteinander zu tun haben(über die Generationen). Das Zeitlich überdauernde im "Konstrukt Rotwelsch" ist die Jenische Sprache. Die nur durch die Jenische Ethnie getragen werden konnte. Als man dieses erkannte in der Sprachwissenschaft wurde oh Wunder das "Jenische" Synonym für Rotwelsch gebraucht.

Die Jenischen haben wie die Roma und Juden als Randständige Gruppen natürlich auch prägend auf andere Randständig gewirkt. Das Wort Sinti wird erstmalig 1784 in Stallupönen namentlich erwähnt, wer aber wollte behaupten das es davor nur Roma in Deutschland gab. Überhaupt wurden die Roma und Sinti bis in die Neuzeit ethnisch nur als "Zigeuner" bezeichnet. Und die erste Erwähnung des Wortes Rom oder Roma als Ethnische Eigenbezeichnung der Roma ist erst seit 1783 durch Grellmann(3)belegt. Genauso wie man Roma als Zigeuner, Fahrende, Ägypter, Tataren etc. bezeichnete nannten man die Jenischen Fahrende, Kochemer, Vaganten, Bettler. Die Roma sind u.a. durch ihre orientalische Herkunft identifizierbar die Jenischen durch ihren Lebenswandel und Sprache.

3.Heinrich Moritz Gottlieb Grellmann (1756-1804) Die Zigeuner. Ein historischer Versuch über die Lebensart und Verfassung, Sitten und Schicksale dieses Volkes in Europa, nebst ihrem Ursprunge (Dessau/Leipzig 1783))

Gruss --Gamlo 20:18, 11. Aug. 2007 (CEST)Beantworten

Lieber Gamlo, die Aussagen Schoells beziehen sich auf sozio-kulturelle Faktoren (keine Niederlassung, einheitliche Lebensart u. Sitten), mir ist insofern nicht recht klar, wass Du aus dieser Quelle fuer Deine Argumentation ableiten willst. Was den Basler Kohleberg betrifft, so war der ein Sammelpunkt staedtischer und fremder Bettler u. Fahrender, die Regelung ihres dortigen Lebens und ihrer eigenen Gerichtsbarkeit lag urspruenglich beim Reich und ging dann ueber an die Stadt Basel (die bestrebt war, den Anteil u. Aufenthalt von Fremden zu begrenzen). Es handelt sich um eine sozial definierte (Rand-) Gruppe, keinem Wissenschaftler kaeme es in den Sinn, dort eine eigenstaendige Ethnie zu postulieren. Was schliesslich die historische Kontinuitaet von Rotwelsch angeht, so sehe ich keinen wesentlichen Unterschied gegenueber dem frz. Argot im 15.-19. Jahrhundert. --Otfried Lieberknecht 10:52, 14. Aug. 2007 (CEST)Beantworten
Hallo Otfried,
dann können wir uns darauf einigen, dass die Jenischen bereits 1793 eine sozio-kulturelle Gruppe waren, gemäß den Angaben Schölls? Gruss--Gamlo 11:17, 14. Aug. 2007 (CEST)Beantworten
Ich kenne die Schrift von Schoell nicht und weiss nicht, wie gut und repraesentativ seine Informationen waren, aber jedenfalls besass er solche Informationen ueber Fahrende ("Vaganten oder Vagabunden und Strolchen") in Schwaben, die sich "Jenische" nannten, und die zwar unterschiedliche Gewerbe und Handwerke praktizierten, aber seiner Ansicht nach "in ihrer übrigen Lebensart, in ihren Sitten und anderen Verhältnissen" eine einheitliche Gruppe ("Gesellschaft") bildeten. Ich gehe mal davon aus, dass das eine geeignete Quelle ist, um sich ein Bild von der Situation in Schwaben um 1793 zu machen, aber fuer die Abgrenzung von Jenisch und Rotwelsch und fuer die Frage der Herkunft von heutigen Jenischen (und auch fuer die Herkunft der von Schoell beschriebenen Jenischen) ergibt sich aus den von Dir zitierten Passagen fuer mich noch nichts. --Otfried Lieberknecht 16:43, 14. Aug. 2007 (CEST)Beantworten

Sprachbezeichnung, Sprachgeschichte, Sprecher

„Das Wort Sinti wird erstmalig 1784 in Stallupönen namentlich erwähnt, wer aber wollte behaupten das es davor nur Roma in Deutschland gab.“


1755 spricht in einem „Brief eines Zigeuners an seine Frau“ der Schreiber die Adressatin als „Romni“ und die Angehörigen seiner Gruppe als „Manush“ an (Fricke, „Zigeuner“, S. 544). Für 1753 ist aus dem englischen Sprachraum „romney“ als die Sprache belegt, die „Gypsies“ sprächen. (E. O. Winstedt, An earley mention of the language ‚Romney’, in: JGLS, New Series, Band V., Nr. 1, Liverpool 1911–1912, S. 78-79).

1787 erscheint die „Sulzer Zigeunerliste des Oberamtmanns Schäffer. Der Verfasser unterscheidet zwischen der „Sprache der Jauner, die Jenische Sprache genannt“ und der „Zigeuner-Sprache“. Das macht er anhand einer Reihe von Beispielen. Als jenische Bezeichnung der „Zigeuner“ gibt er „Sende“ an, ins Romanes übersetzt er mit „galen“ u. ä., also „Schwarze“ (Kluge, S. 252). Besonders „kale“ war eine quer durch Europa verbreitete Eigenbezeichnung der Roma, so auch in Mittel- und Westeuropa.

1793 stellt Johann Erich Biester „die Frage, wie nennt ein Volk sich selbst.“ Das sei „bei historisch-etymologischen Untersuchungen wichtig. Wie also nennen sich die Zigeuner? Mit Recht antwortet man: Roma oder Romma in der mehreren Zahl, Rom in der einfachen.“ Daneben ist ihm „Sinte“ bekannt. Sein Wissen hat er von einem Pfarrer im Amt Stallupönen in Preußisch-Litauen, der wiederum einen guten Kontakt zu Angehörigen der Minderheit hatte (Johann Erich Biester, Ueber die Zigeuner; besonders im Königreich Preußen, in: Berlinische Monatsschrift, Bd. 21, 1793, S. 108–165, 360-393, hier: S. 364 f. )

Matras geht davon aus, Sinto/Sinti sei ein jüngeres Lehnwort. Es habe „sich erst ab dem 18.-19. Jahrhundert als Eigenbezeichnung ... eingebürgert“. Es sei verfehlt, es auf „Sindh“ als indischer Herkunftslandschaft zurückführen, wie es herrschende Meinung in der Etymologie ist. Tatsächlich gibt es außer einer gewissen Übereinstimmung in der Lautung und dem Wunsch nach einem möglichst weit zurückreichenden Herkunftsmythos nichts, was „Sinti“ und „Sindh“ miteinander verbinden würde (Yaron Matras, Die Sprache der Roma: ein historischer Umriß, in: ders./Hans Winterberg/Michael Zimmermann, Sinti, Roma, Gypsies. Sprache – Geschichte – Gegenwart, Berlin 2003, S. 231–261, hier: S. 233).


„Willst Du sagen, dass wir anhand der beiden Belege [„Kellnersprache“, „Dillinger Liste“] noch keine zuverlaessigen Aussagen treffen koennen, wie lange das Wort schon vorher existierte? Oder willst Du Zweifel an der inhaltlichen Validitaet der beiden Quellenaussagen begruenden?“


„Wiener Kellnersprache“:

Kluge schreibt, er „habe den Originaldruck“ seiner Quelle „nirgends auftreiben können“. Er zitiert aus Herrigs Archiv (1846ff.) und Wagners Bibliographie (1861). Demnach seien es Wiener „Kellner“ gewesen, die sich auf „eine gewisse Redens-Arth“ verlegt hätten, „welche sie die jenische Sprach nennen.“ Der von Kluge zitierte Auszug aus Wagner, den dieser aus einer auf das Jahr 1714 datierten Schrift abschrieb, nennt gerade einmal acht sowohl als „jenisch“ als auch zugleich als „rotwelsch“ qualifizierte Wörter. Der Auszug enthält keine Hinweise auf „Fahrende“ oder darauf, daß es „Fahrende seien, die „die jenische Sprach“ sprechen würden. Mit Wiener „Kellnern“ – das geht aus dem Kontext klar hervor – sind die Bediensteten in der residenzstädtischen Gastronomie gemeint, die durchweg ortsfest gelebt haben dürften und als „Fahrende“ ja auch bis hierhin nirgendwo auftauchen.

„Dillinger Liste“:

Sie besteht aus drei Sublisten. In der zweiten Liste ist an einer Stelle – bei der Übertragung von „Speicher“/“Kornboden“ zu „Kopper“ – als von einer Übertragung in die „Jenische Sprach“ die Rede. „Kopper“ findet sich bei Wolf nicht. Eine Zuordnung, die „Jenisch“ als Sprache der wie auch immer „Fahrenden“ ausweisen würde, geschieht in der „Dillinger Liste“ nicht.

Kluge datiert die Liste auf 1721. Das scheint falsch zu sein (oder es gibt – eher unwahrscheinlich – mehrere Drucke), denn bei Fricke und Lucassen wird die Dillinger Liste auf 1716 datiert. Verfasser mogeln ja schon einmal bei der Angaben dessen, was sie angeblich alles lasen, aber Lucassen hat definitiv die Liste vor Augen gehabt, denn er gibt den Standort des von ihm verwendeten Exemplars an. Als Lieferanten des verzeichneten Wortmaterials sind „Rauber, Dieb, Beitel-Schneider und andere Jauners-Bursch“ genannt. Es werden also nicht ethnische, sondern soziale, genauer, kriminologische Kategorien verwendet.

Soweit zum Hintergrund meiner Zweifel an der Verwendbarkeit der Aussagen für eine proethnische Argumentation. Wie lange das Wort vor seinem ersten gedruckten Auftreten bereits mündlich existierte, dazu läßt sich naturgemäß gar nichts sagen.


„Nach der weithin akzeptierten Etymologie von Romani džan "wissen, kennen" > dt. rotw. Jenischer "Wissender, Eingeweihter" > Jenische Sprach "Sprache der Wissenden, Eingeweihten" (analog zu Kochemer loschen) kann man wohl von einer Genese als Eigenbezeichnung ausgehen.“


Ich widerspreche dem nicht, ich ergänze. Statt auf Wolf komme ich dabei noch wieder auf Matras zurück, der darauf hinweist, daß im Romanes der Sinti „wissen“ nicht „džan“, sondern „džin“ heißt, was die Ableitung besser erklärt (Matras, S. 196). Was aber interessanter ist als die Details der Ableitung, das ist die Frage, warum nun ausgerechnet die Jenischvarianten mit geringen Romanesanteilen die besonders „Jenischen“ sein sollen (wie, wenn ich es richtig sehe, Gamlo es sieht): warum wird hier zwar der Sprachname aus dem Romanes entlehnt, nicht aber die sprachliche Substanz? Bzw. warum setzen sich Alternativen ohne Romanesbezug wie Koochem oder Masematte nur lokal, aber nicht großräumig durch?

Sowohl die Eigenbezeichnungen der mittel- und westeuropäischen „Zigeuner“ als auch Eigenbezeichnungen für diejenigen Menschen in der vagierenden Bevölkerung Mitteleuropas, die weder der Minderheit der Roma noch der der Juden angehörten, sind sowohl in der gedruckten Literatur wie auch in den handschriftlichen Quellen sehr selten. Dabei ist zu berücksichtigen, daß Kategorisierungen in einem klaren Verständnis von „ethnos“, also in der Vorstellung einer Art großen Verwandtschaftsverbands, den Menschen der Frühen Neuzeit eher fremd waren.

Einerseits sprach man zwar von einem „Volk“ der „Zigeuner“, andererseits aber bestimmte man den Inhalt soziographisch. „Zigeunern“ konnte man beitreten und sie wieder verlassen, auch wenn man als „Zigeuner“ geboren war. Erst Grellmann entwickelt gegen Ende des 18. Jahrhunderts das „moderne“ Konzept eines in allen Details beschriebenen angeblichen „Nationalcharakters“ dieser Gruppe, der angeboren und nicht ablegbar, höchstens durch Erziehung begrenzt modifizierbar sei. Dabei konnte er darauf gründen, daß „Zigeuner“ – wie Juden – seit langem als eine konturierte, sich deutlich von der Mehrheitsgesellschaft absetzende Gruppe wahrgenommen wurden. Das gilt für Rotwelsch- oder Jenischsprecher nicht. Der Blick in die Kirchenbücher zeigt es uns: „Zigeuner“ sind dort als solche, als „Heiden“, als „Ägypter“, als „Tatern“, als „gens nigra“ ausgewiesen. Deutlich findet sich hier das ethnische Moment. Die große Mehrheit der Vagierenden dagegen firmiert unter „vagi“ oder „vagabundi“, mitunter auch als „pauperi“, „mendici“ oder „peregrini“. Ähnlich in den sog. Diebslisten des späten 17. und des 18. Jahrhunderts, in denen die mehrheitsgesellschaftliche vagierende Armut gehäuft auftritt. Es werden in den Kirchenbüchern und in den Namenslisten Erwerbsweisen („Zunderhändler“, „handelt mit Töpfen“, „mit Zwiebeln handelnde arme Leuthe“) und eine landschaftliche und lokale Herkunft benannt. Es werden soziale, ökonomische und geografische Bestimmungsmerkmale genannt, die eine Zugehörigkeit zu einem eigenständigen ethnischen Kollektiv von „Jenischen“ nicht erkennen lassen. Das ist anders als bei „Zigeunern“ oder Juden, die in der Regel durch Sprache, Namen und Ethnonym entsprechend ausgewiesen sind („welcher uf Teutsch Johann Jacob, uf ihre Heydensprach Galanton heiße“). Hinweise auf ein abweichendes Idiom im Sinne von Rotwelsch/Jenisch sind selten, obwohl die Zahl der potentiellen Sprecher hoch ist („unter der Diebs-Bande würde die ordinaire unter ihnen sogenannte Jenaische [so!] Sprache ... gebrauchet“, 1754; „redet die platte oder Spitzbuben-Sprache“, 1770). Sie sind viel seltener als Hinweise auf das Romanes, obwohl dessen Sprecher eine nur kleine Minderheit innerhalb der vagierenden Gesamtpopulation ausmachen. Aussagen wie über „Zigeuner“ als einem eigenständigen „Volck“ nach „Ursprung, Lebens-Art, Sprache“ (Weissenbruch, 1727) finden sich über „Jenische“ bis ans Ende des Jahrhunderts (Schöll) nicht.--Kiwiv 19:44, 17. Aug. 2007 (CEST)Beantworten

Danke fuer diese eindrucksvollen Erlaeuterungen! Auch wenn diese Diskussion laengst um Meilen ergiebiger und vergnueglicher ist, als der aktuelle Artikel, moechte ich den doch nicht ganz aus den Augen verlieren. Wie fangen wir's an, dass dort ein brauchbarer Artikel entsteht? Waerst Du bereit, auf einer Unterseite Deiner Benutzerseite einen Neuanfang zur Diskussion zu stellen, oder haeltst Du es fuer besser, den aktuellen Artikel Stueck fuer Stueck zu ueberarbeiten, wie Du es beim Artikel Jenische bereits angefangen hast? --Otfried Lieberknecht 00:30, 18. Aug. 2007 (CEST)Beantworten

Ich halte den zweiten Vorschlag ("Stück für Stück") für besser und werde in den nächsten Tagen an die Arbeit gehen, möchte aber als WP-Neuling doch gerne wissen, wie "auf einer Unterseite Deiner Benutzerseite " zu verstehen ist. Es wäre vielleicht ganz hilfreich, abseits dieses Konfliktfelds hier vor einer schrittweisen Veränderung die einzelnen Schritte vorstellen zu können. In dem Artikel "Jenische" hatte ich mich auf einen Punkt beschränkt, der mir besonders wichtig erschien und der leicht zu verbessern war. Ich denke mal, man wird an diese Baustelle ebenfalls herantreten müssen, wenn man diese Enzyklopädie ernst nimmt und möchte, daß sie ernst genommen wird. Die Klärung und Überarbeitung des Sprachkapitels sollte m. E. davor liegen.--Kiwiv 11:41, 18. Aug. 2007 (CEST)ergänzt --Kiwiv 19:08, 18. Aug. 2007 (CEST)Beantworten

Hallo,
die sozio-kulturelle Identität der Jenischen wurde bereits unter sozialgeschichtlichen und sprachhistorischen Gesichtspunkten wissenschaftlich bei Roth, als auch bei Arcangelis dargestellt. Gruss--Gamlo 15:26, 20. Aug. 2007 (CEST)Beantworten
Vielen Dank fuer den Hinweis auf den Kurzartikel von Roth im Historischen Lexikon der Schweiz -- er ist allerdings fuer eine "wissenschaftliche" Behandlung ein bischen sehr kurz und ausserdem auf die Schweiz fokussiert. Von soziokulturellere Identitaet ist dort nicht viel zu finden, zum Stichwort Kultur nur der Hinweis auf die als solche bezeichnete "Sondersprache", "eng mit dem spätma. Rotwelsch verwandt und (...) in der Regel nach dem regional vorherrschenden Dialekt als Zweitsprache erlernt". Wie einheitlich oder diversifiziert diese Sondersprache ist, und wie genau das Verhaeltnis zu Rotwelsch zu bestimmen ist, waere wohl noch naeher zu spezifizieren, aber ansonsten ist dagegen aus meiner Sicht nichts einzuwenden. Zur Herkunft, die "unklar" sei, bietet Roth zwei alternative Deutungen, einerseits "als Nachfahren verarmter einheim. Volksschichten (Heimatlose , Bettelwesen ) und Randgruppen", was aus meiner Sicht keine Probleme aufwirft, sofern man die von Roth dann spaeter nachgetragenen "Wanderhaendler und -handwerker" hinzunimmt; andererseits erwaehnt er eine mir bisher so noch nicht bekannt gewesene Selbstdeutung, wonach "manche Jenische" wegen eines 'gewissen Anteils an Sinti- und Roma-Vorfahren in vielen jen. Familien' "für sich dieselbe aussereurop. Herkunft wie diejenige der Roma vermuten und sich als eigenen Stamm innerhalb der Roma verstehen". Ich hatte bisher den Eindruck, dass die Zuordnung zu den Roma von Jenischen eher abgelehnt wird. Beide Sichtweisen schliessen sich jedenfalls nicht aus -- Soziogenese aus einheimischen Bevoelkerungsanteilen und zugewanderten Roma, auch wenn letzteres wohl noch keine Annahme eines eigenen Stamms innerhalb der Roma begruenden kann -- und ergibt wohl auch noch kein ganz vollstaendiges Gesamtbild (sofern man aus jiddischen Wortschatzanteilen mehr als nur sprachlichen Kontakt abzuleiten hat), aber im grossen und ganzen entspricht das doch wohl der herrschenden Auffassung. Von einem eigenstaendigen, weder von Roma noch Deutschen (noch Juden) abstammenden Volk mit weit zurueckreichender, gar keltischer Abstammung und einer eigenstaendigen Sprache in Deinem Verstaendnis ist bei Roth hingegen nichts zu finden. Und bei D'Arcangelis auch nicht. --Otfried Lieberknecht 17:49, 20. Aug. 2007 (CEST)Beantworten

Neubeginn

Ich habe auf meiner Benutzerseite eine Unterseite eingerichtet und zunächst dort mit der Überarbeitung des Artikels begonnen.--Kiwiv 17:58, 20. Aug. 2007 (CEST)Beantworten

Das Ergebnis liegt vor.--Kiwiv 19:09, 24. Aug. 2007 (CEST)Beantworten

Das ist ein eindrucksvoller Neubeginn (ich habe deshalb eine neue Zwischenueberschrift eingefuegt)! Ich werde etwas Zeit brauchen, mir dazu meine Gedanken zu machen. Auf den ersten Blick faellt mir (neben nachrangigem "Wikifizierungs"-Bedarf) auf, dass die detaillierten Beschreibung derjenigen Periode, in der das Wort "Jenisch" nur sporadisch erscheint, mit Grimm 1854 abbricht. Darueber, ab wann und wie das Wort sich ueberhaupt einigermassen etablierte und ab wann es mit "ethnischer" Bedeutung verwendet wurde, erfaehrt man dagegen nichts. Generell sehe ich das Problem, dass zwar Deine durch Auswertung der Forschung erarbeitete Auffassung der Sache dargestellt und manches aus unseren Kontroversen beruecksichtigt ist, aber der Anschein eines massiven Verstosses gegen WP:TF und WP:NPOV entstehen muss, da keine Forschungspositionen ausdruecklich referiert u. durch Belege nachgewiesen werden u. der Text auch manche urteilende Aussagen enthaelt. Ich nehme an, dass sich dieser Anschein in weiten Teilen durch Quellenreferenzen u. durch Modifizierung einzelner Formulierungen beseitigen laesst u. moechte deshalb moegliche Kritiker bitten, jetzt nicht sofort mit Reverts oder Aenderungen ueber den Artikel herzufallen, sondern zuzulassen, dass der Artikel in Ruhe diskutiert u. verbessert werden kann.--Otfried Lieberknecht 20:52, 24. Aug. 2007 (CEST)Beantworten

"Darueber, ab wann und wie das Wort sich ueberhaupt einigermassen etablierte und ab wann es mit "ethnischer" Bedeutung verwendet wurde, erfaehrt man dagegen nichts."
Nur kurz dazu: Ich bin mir dieses Defizits durchaus bewußt. Es ist ein Forschungsdefizit. Ich wüßte nicht, wer über ein paar lokale und regionale Ansätze hinaus zur Geschichte der "Jenischen" und insbesondere zur Entwicklung von so etwas wie einer jenischen Identität im 19. und im 20. Jahrhundert je geforscht hätte, lasse mich aber gerne überraschen.--Kiwiv 22:04, 24. Aug. 2007 (CEST)Beantworten

Ich habe noch einmal bei den Links nachgetragen und um die Seite des österreichischen Verbands ergänzt, so daß nun ein, wie ich denke, guter Überblick über die Ansichten der verschiedenen Organisationen mit jenischem Selbstverständnis möglich ist. Die alte Auflistung war doch sehr ausschnitthaft und auch hier vor Ort sind ja - was in der Natur der Sache liegt - nur Einzelstimmen zu hören. Das mindert oder erhöht den Wert einer Aussage nicht, aber es sollte auf kurzem Weg möglich sein, abseits einer Enzyklopädie die programmatischen, verbandspolitischen usw. Auffassungen von Selbstvertretungsorganisationen im jenischen Raum kennenzulernen, wie sie hier nicht hingehören. Und das Netz bietet ja diesen kurzen Weg.--Kiwiv 10:15, 25. Aug. 2007 (CEST)Beantworten

Die nationalsozialistische Forschung – also vor allem Ritter und die Rassenhygienischen Forschungsstelle im Reichsgesundheitsamt – behauptete, sie könne mit Tausenden von Kirchenbucheintragungen die Entstehung krimineller „Mischlingssippschaften“ und „Bastardpopulationen“ aus „Zigeunern“ und Jenischen im 18. Jahrhundert nachweisen. Überprüfbare und hinreichend beweiskräftige Belege auch in kleinerer Größenordnung hat bis heute niemals jemand gesehen (Ich kenne die Ritterschen Bestände im Bundesarchiv). Für das 19. Jahrhundert liegt der Fall etwas anders, nur wird man nicht nur die Ergebnisse, sondern auch die Quellengrundlagen dieser Art von „Forschung“ nicht so ohne weiteres übernehmen können, weil sie zutiefst kontaminiert sind. Das gilt mit Abstrichen übrigens auch für die völkisch und erbbiologistisch orientierten Vorgänger und Zeitgenossen der NS-Forschung. Aus diesem Blickwinkel wären auch Block (seit 1941 Beauftragter für Völkerpsychologie im Oberkommando der Wehrmacht) und Wittich zu betrachten. Joachim S. Hohmann erfuhr seinerzeit von Seiten der Sinti heftige Kritik, als er Wittich neu herausgab: wegen dessen ideologischer Nähe zum NS und einer zweifelhaften Publikationspraxis in gleichgeschalteten Zeitschriften, wenn ich mich recht erinnere.--Kiwiv 10:55, 25. Aug. 2007 (CEST)Beantworten

Die Links sollten sich m.E. auf diejenigen beschraenken, die Informationen zur Sprache bieten. Dieses Thema geraet hier leider immer wieder etwas aus dem Focus. Was schwerpunktmaessig nicht die Sprache, sondern die Sprecher betrifft, gehoert in den Artikel Jenische und auf dessen Diskussionsseite. --Otfried Lieberknecht 11:26, 25. Aug. 2007 (CEST)Beantworten

Sozio-kulturelle und erbbiologische Identitaet

Ueberschrift von Otfried Lieberknecht am 07:43, 25. Aug. 2007. nachträglich eingefügt und nach meiner Verschiebung zur Antwort von Otfried abermals am 11:21, 25. Aug. 2007 eingefügt( Anmerk. von --Gamlo 11:58, 25. Aug. 2007 (CEST))Beantworten

Hallo,

es ist schon pervers wenn man bedenkt, dass Jenische ihrer sozio-kulturellen Identität wegen mit aller Nachhaltigkeit und Härte im Dritten Reich und von dem sogenannten schweizerischen "Hilfswerk Kinder der Landstrasse" verfolgt wurden und nun postum ihre Identität in Frage gestellt wird. Hier eine kleine Liste von Personen und deren Zitaten, die zur Geschichte und der Identität der Jenischen "geforscht" haben im Dritten Reich und in der Schweiz zu Beginn des 20.Jahrhunderts.

Ferdinand v. Neureiter Kriminalbiologie "Handbücherrei für den öffentlichen Gesundheitsdienst" Bd. 14 Berlin 1940 Zitat S.43 : "Ferner bewies Ritter klar und eindringlich, dass es sich bei den Vagabunden und Jenischen 1)nicht um einzelne verarmte, ins Unglück geratene oder entgleiste Mitbürger, sondern um die Vertreter eines eigenen Menschenschlages handelt, der sich als solcher dank seiner blutmässigen Prägung jahrhundertelang durch die verschiedensten wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse hindurch in einer gewissen Selbständigkeit, fernab von jeder Bindung an irgendwelch andere Gemeinschaft erhalten hat."

Franz Exner, Kriminologie, 3. Aufl., Berlin-Göttingen-Heidelberg 1949, S. 115 Exner bezeichnete "die Jenischen" noch 1949 als „herumirrende Taugenichtse und Vagabunden“, die „in ihrer Asozialität selbst bei Blutsvermischung ihren ‚SCHLAG‘ nicht zu verleugnen“ wüssten.[41]


Der Graubündner Psychiater und schweizerische Pionier der sogenannten „Rassenhygiene“Josef Jörger (1860-1937) hatte schon 1905 behauptet, die Jenischen seien grösstenteils „erblich minderwertig“. Eine jenische Familie bezeichnete er in seinen erbbiologischen Stammbaumforschungen als „Familie Zero“, Familie Null.

http://www.laprairiebern.ch/doku/Huonker.pdf


„Wer die Landfahrerei wirksam bekämpfen will, muss versuchen, die Gemeinschaft der Fahrenden zu sprengen. Auch wenn das hart klingen mag - er muss der familiären Gemeinschaft ein Ende setzen. Eine andere Lösung gibt es nicht“, schrieb Dr. Alfred Siegfried, der das „Hilfswerk“ von der Gründung 1926 bis zu seiner Pensionierung 1959 leitete.

Martin Block "vermutet" in seinem Werk "Die Zigeuner. Ihr Leben und ihre Seele" (1936), dass die Jenischen eine keltische Herkunft haben, auch wollte er ein Buch über sie schreiben mit dem Titel "die weissen Zigeuner" - es ist also nicht so, dass aus neuerem minderheitspolitischem Kalkül die Jenischen dieses für sich proklamiert hätten.

Zur "Forschunggeschichte über Jenische" als auch der "Geschichte der Jenischen" siehe:

Wissenschaft und Jenische in der Schweiz

von Historiker Thomas Huonker

Zitate: Der Polizeimann J. Krapf von Reding äusserte sich 1864 zur Geschichte der Fahrenden in der Schweiz und vertrat die Meinung, beim Fahrenden Volk der Mitte des 19. Jahrhunderts handle es sich um die Nachfahren jener „mangones“, „cotiones“ und „ioculatores“, denen schon die Kapitulare Karls des Grossen Vagieren, Wahrsagen, Gaukelspiele und Schaustellerei gezähmter Tiere verbieten wollte. Er zieht die Linie weiter über Pamphilus von Gengenbach, der einem ähnlichen Personenkreis des 15. und 16. Jahrhunderts die Sprache „rotwälsch“ oder „mängisch“ zuschreibt. Texte des 17., 18. und 19. Jahrhunderts nannten diese Sprache dann Kochemer Sprache, jenisch, lussenkaudisch, kauderwelsch oder pomperlusisch; die Namen der Nichtsesshaften lauteten im 18. Jahrhundert in der Schweiz, immer laut Krapf von Reding, „Korbmacher, Kessler, Spengler, Gewürz-, Pulver-, Krätzen-, Schleifsteinträger, Schwumkrämer, Bürstenbinder, Schaubhuter, Sterzer, Liederkrämer, Meermannen, Legner, fremde Marktschreier Quacksalber, Musikanten und Spielleute“.

Die von Erblichkeitstheorien ausgehenden Forschungen über und an Fahrenden gingen in der Schweiz auch nach 1945 weiter. So schrieb der Mediziner Constant Wieser 1952 seine Dissertation „Erbbiologische Bestandesaufnahme einer Unterengadiner Gemeinde mit tirolischem Einschlag“ und stiess dabei auf Menschen, von denen er schrieb: „Rückblickend muss diese Familie biologisch von anderen eingewanderten Tirolern unterschieden und bei den fahrenden Familien eingereiht werden.“

...aber noch in den achtziger und neunziger Jahren finanzierte der Nationalfonds, die schweizerische Vergabezentrale für Forschungsgelder, die Arbeit des Linguisten Robert Schläpfer, der im Rahmen des „Hilfswerks“ eine jenische Familie als Vormund „betreut“ hatte. Die Arbeit bestand im Wesentlichen aus der Herausgabe des selbstverfassten Lebenslaufs eines anderen Mündels, der im Gefängnis von jenischen Mitgefangenen einige jenische Wörter erlernt hatte. Dieses Werk erschien unter dem Titel „Allein auf dieser Welt“.

http://www.thata.ch/thatalandeckwissenschaft.html

Belegstellen siehe: Thomas Huonker: Fahrendes Volk – verfolgt und verfemt. Jenische Lebensläufe. Herausgegeben von der Radgenossenschaft der Landstrasse. Zürich 1987

Thomas Huonker / Regula Ludi: Roma, Sinti, Jenische. Schweizerische Zigeunerpolitik zur Zeit des Nationalsozialismus. Herausgegeben von der Unabhängigen Expertenkommission Schweiz – Zweiter Weltkrieg. Bern / Zürich 2000 / 2001

Abgesehen davon lassen sich die heutigen Jenischen genealogisch bis zu den geschilderten Jenischen bei Schöll 1793 zurückführen. Finden sich doch bei den Vorfahren der heutigen Jenischen in deren Geburtsurkunden und Taufscheinen aus dem 18. und 19. Jahrhundert der Vermerk "Korbmacher", "Vannier", "Remouleur", "Scherenschleifer".

Gruss --Gamlo 03:01, 25. Aug. 2007 (CEST)Beantworten

Lieber Gamlo, wenn ich unsere bisherigen Kontroversen ueber die Sozio- oder Ethnogenese der Jenischen betrachte, dann muss ich feststellen, dass Dein Postulat einer eigenstaendigen und einheitlichen, durch Endogamie konsistenten und kontinuierlich bis ins Mittelalter oder darueber hinaus auf keltische Urspruenge zurueckgehenden Ethnie erheblich engere Beruehrungspunkte aufweist mit den Positionen der von Dir zitierten Rasseforschung: tatsaechlich vertrittst (und verlaengerst Du in der zeitlichen Extension) unter umgekehrt wertendem Vorzeichen ziemlich genau diejenige Position, die Neureiter Ritter zuschreibt. "Sozialbiologische" Forschung dieser Art stuetzte sich auf schriftliche u. muendliche Informationen, um Genealogien zu erstellen und die Abstammungsverhaeltnisse mit dem Sozialverhalten der Mitglieder der untersuchten Gruppe in Beziehung zu setzen, und zwar im Rueckgriff auf deterministische Erklaerungsmuster, die Verhalten aus erblichen Anlagen herleiten (u. bei Ritter auch habituelle Mischung mit Mitgliedern anderer "minderwertiger" Gruppen zu den die Verhaltenskontinuitaet der untersuchten Gruppe determinierenden Faktoren zaehlen). Das Sozialverhalten ist aus dieser Sicht genetisch bedingt (und sorgt durch rekurrente endo- oder exogramen Praktiken zugleich fuer die Kontinuierung des genetisch einheitlichen oder sich immer wieder auf gleiche Weie mischenden "Menschenschlages"), damit auch schicksalhaft unentrinnbar, was dann als Begruendung dafuer dienen sollte, dass dem als Asozialitaet bewerteten Sozialverhalten der untersuchten "Jenischen", "Zigeunermischlinge" und "Zigeuner" in der Konsequenz mit Zwangssterilisierung, Zerschlagung der Familienverbaende und letztlich physischer Ausrottung entgegengetreten werden sollte. Ich gehe mal davon aus, dass Du keinen solchen Determinismus, sondern nur eine Koinzidenz von erbbiologischer und sozio-kultureller Kontinuitaet und Identitaet behaupten willst, und statt Gegenmassnahmen forderst Du Anerkennung dieser Identitaet, Achtung und Verzicht auf Bevormundung bei der Selbstdeutung.
Es liegt mir fern, Deinen Ansatz als "pervers" zu bewerten, aber ich bitte mir doch aus, dass Du es auch Deinerseits nicht als "pervers" bewertest, wenn Kiwiv und ich unsere Ansaetze nicht der rassebiologischen Forschung der Nazizeit entnehmen moegen und wir die von dieser Forschung konstruierte Einheitlichkeit und Kontinuitaet nicht schon darum fuer sakrosankt halten, weil zu ihrer Bekaempfung Menschen verfolgt und ermordet wurden. Die genealogischen Forschungen Ritters, die ich nur aus zweiter Hand kenne, sollen im uebrigen in Hinsicht auf die verwendeten Quellen ziemlich wenig transparent u. ueberpruefbar sein, so dass man auch unter Absehung von ihrer rassistischen Zielsetzung nur mit einiger Zurueckhaltung weiteren wissenschaftlichen Gebrauch davon machen koennen wird.
Es geht im aktuellen Artikel um die Sprache Jenisch, und wenn der Befund der sprachwissenschaftlichen Forschung eine Diversitaet von Dialekten und eher Sonderwortschaetze als eigenstaendige Sprachen ergibt, dann haben wir das hier so darzustellen und brauchen uns kein schlechtes Gewissen zu machen, wenn dies die Konstruktionen nationalsozialistischer Rasseforschung oder die damit kongruente Selbsteinschaetzung einiger Jenischer nicht stuetzt. --Otfried Lieberknecht 07:43, 25. Aug. 2007 (CEST)Beantworten

"Forschungsgeschichte über Jenische" versus "Geschichte der Jenischen"

Hallo,

Zitat Otfried Lieberknecht "Ich gehe mal davon aus, dass Du keinen solchen Determinismus, sondern nur eine Koinzidenz von erbbiologischer und sozio-kultureller Kontinuitaet und Identitaet behaupten willst, und statt Gegenmassnahmen forderst Du Anerkennung dieser Identitaet, Achtung und Verzicht auf Bevormundung bei der Selbstdeutung."

Du musst davon Ausgehen, weil:

  • ich habe die "Forschung" von Ritter und Konsorten oben im Text in Anführungszeichen gesetzt.
  • ich fordere nicht die Anerkennung der Jenischen Identität auf diesem Weg des Determinismus wie du ihn mir unterstellst, sondern vielmehr dass ihr euch mit den Erkenntnisse von Thomas Huonker,Rolf Wolfensberger und Walter Leimgruber in der jüngeren schweizerischen Forschung über die Jenischen auseinandersetzt.
  • ich scheue die "Bevormundung" und Diskussion nicht weil sie, wie du oben schon richtig Kiwiv entgegenhälst, Zitat "keine Forschungspositionen ausdruecklich referiert u. durch Belege nachgewiesen werden u. der Text auch manche urteilende Aussagen enthaelt"

Zitat Kiwiv: Nur kurz dazu: Ich bin mir dieses Defizits durchaus bewußt. Es ist ein Forschungsdefizit. Ich wüßte nicht, wer über ein paar lokale und regionale Ansätze hinaus zur Geschichte der "Jenischen" und insbesondere zur Entwicklung von so etwas wie einer jenischen Identität im 19. und im 20. Jahrhundert je geforscht hätte, lasse mich aber gerne überraschen

Dazu stelle ich folgendes fest: in der Schweiz haben im 20. Jahrhundert über die Jenische geforscht:

Zitat Thomas Huonker: Erst 1998 erschien die vom Bund finanzierte kritische Studie „Das Hilfswerk für die Kinder der Landstrasse“ von Professor Roger Sablonier, der selber jenischer Herkunft ist und die Arbeit zusammen mit Walter Leimgruber und Thomas Meier anhand der Pro-Juventute-Akten schrieb. Ebenfalls 1998 erschien die gründliche Doppeldissertation von Thomas Dominik Meier und Rolf Wolfensberger (“Eine Heimat und doch keine“). Sie schildert die Lage der Fahrenden in der Schweiz des 19. Jahrhunderts aufgrund amtlicher Akten. http://www.thata.ch/thatalandeckwissenschaft.html

Desweitern wurde nicht in ein paar lokale und regionale Ansätze hinaus zur Geschichte der "Jenischen" geforscht sondern in sehr vielen Regionen und Gemeinden, die eine Kontinuität und Eigenständigkeit der Jenischen wiederspiegelt. Dieses wird in der schweizerischen Forschung entsprechend gewichtet. Zudem sind alle Jenischen ausnahmslos katholisch was sich auch beweisen lässt und im schweizerischen Jenisch giebt es fast keine Romanes Lehnworte (siehe Roth). All diese verifizierbaren Tatsachen wiedersprechen den Theorien wie sie in der Diskussion und neuerdings im Eintrag verbreitet werden. Gruss--Gamlo 11:45, 25. Aug. 2007 (CEST)Beantworten

Hallo Kiwiv und Otfried, wenn man den Argumentationslinien und Mustern von dir Otfried und Kiwiv konsequent zu Ende denkt gibt es keine eigenständige Jenische Sprache sondern vielmehr ist Jenisch mit dem Manischen in Giessen und anderen Lokalen Rowelschdialekten( z.B. Massematten) nur Varietäten des Rotwelschen aber das Rowelsch ist ja gerade die Summe dieser Soziolekte also wäre es logischer alle die lokalen Soziolekte unter den Eintrag Rotwelsch zu thematisieren. Es giebt aber einen entscheidenden Unterschied das Jenische ist kein lokale Sprache sondern ein transnationale schreibt doch Klaus Siwert:

"Ihre althergebrachte Sprache und Kultur pflegen sie wie seit jeher unter sich, "Gadschi", also Nicht-Jenische, sind weitgehend ausgeschlossen. "Dunkel ist die Herkunft der so genannten Jenischen, vergessen ihr Schicksal, mysteriös ihre Ausdrucksweise", meinte etwa der Münsteraner Germanist Klaus Siewert, der sich der nicht gerade einfachen Erforschung eines Idioms widmet, das zweifellos die unbekannteste europäische Sprache darstellt und zahlreiche Lehnwörter aus dem Hebräischen und Jiddischen, dem Roma und Sinti und aus vielen weiteren Sprachen, auch dem Deutschen enthält." http://www.wienerzeitung.at/Desktopdefault.aspx?TabID=3946&Alias=wzo&lexikon=Sprache&letter=S&cob=3953

Zu den wenigen Orten und regionen wo Jenisch gesprochen wird siehe:

Etwa 150 «verdächtige» Orte hat der Sprachwissenschaftler Klaus Siewert von der Universität Münster im deutschsprachigen Raum ausgemacht, in denen das Jenische, jeweils stark gefärbt vom regionalen Dialekt, http://www.jenisch.name/jenische__die_jenischen_sind_ein.htm

Gruss --Gamlo 12:35, 25. Aug. 2007 (CEST)Beantworten

Lieber Gamlo, wenn ich richtig informiert bin, verwenden auch Siewert u. seine Schueler "Rotwelsch" generell als Oberbegriff u. subsumieren unter diesen Begriff auch die oberdeutschen lokalen Varianten wie Schillingsfuerster oder Luetzenhardter Jenisch. Online findest Du dazu z.B. die Karte "Rotwelsch-Dialekte" im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland" aus Siewerts Sammelband Rotwelsch-Dialekte (1996) wiedergegeben als Anhang 2 zur Dissertation von D'Arcangelis, oder die Einleitung von Siewerts Schueler Christian Efing zu dessen Dissertation ueber das Luetzenhardter Jenisch [1].
Dass sowohl ich selbst als auch Kiwivs aktuelle Artikelfassung noch einer Klaerung des Verhaetlnisses der Begriffe Rotwelsch u. Jenisch beduerfen, gestehe ich Dir gerne zu, und ich habe das inzwischen unten naeher erlaeutert. Wobei es mir zunaechst mal um die Begriffsverwendung in der Sprachwissenschaft geht, von der ich annehme, dass Kiwiv sie besser ueberblickt als ich. Aber Rotwelsch, auch das des 18. und 19. Jh., war sicher nicht -- weder der Sache nach, noch im sprachwissenschaftlichen Verstaendnis -- die Summe nur lokal gebraeuchlicher Rotwelschdialekte, sondern diese Dialekte haben als Sondersprachen "fahrender" Gruppen auch dann, wenn diese an bestimmten Orten (halb-) sesshaft geworden sind, mehr als nur lokale Verbreitung gehabt, und sind sowohl unterwegs wie auch am Ort im Kontakt mit ortsfremden Sprechern anderer Varianten gebraucht worden und dann aufgrund der Ueberschneidungen des Wortschatzes ganz oder teilweise untereinander verstaendlich gewesen (dass auch aussenstehende Juden Rotwelsch aufgrund der jiddischen Anteile teilweise verstehen konnten ist nach meiner vagen Erinnerung irgendwo belegt). Ich sehe da keinen grossen Unterschied gegenueber dem, was Du als "transnationale" Reichweite des Dir bekannten heutigen Jenisch bezeichnest. --Otfried Lieberknecht 01:40, 27. Aug. 2007 (CEST)Beantworten

Literaturliste und Weblinks

Habe Literaturliste entwirrt und Werke zu ihren eigentlichen Einträgen überführt, damit der sich Informierende nicht verwirrt wird. Wenn diese Werke wo hingehören dann zu ihrem Thema oder höchstens noch zum "Ueberbegriff" Rotwelsch. Mann kann nicht in alle Soziolekte(Massematten, Manisch etc.) die Literaturliste aller anderen Sondersprachen auflisten. Was die Weblinks bertrifft haben Links zur Bürgerrechtsbewegung und Vereinen der Jenischen thematisch in den Eintrag Jenische zu gehören. Eine Aussnahme bildet Andrew Rocco Merlino D'Arcangelis, Die Verfolgung der sozio-linguistischen Gruppe der Jenischen, da hier "die Sprache der Jenische" im linguistischen Prozess dargestellt wird und somit auch und vortallem in den Eintrag Jenische Sprache gehört. Gruss--Gamlo 10:38, 26. Aug. 2007 (CEST)Beantworten

Die Bereinigung der Weblinks war ja verdienstlich, aber bei Deiner Loeschaktion in der Literaturliste hast Du allen Ernstes auch die Bibliographie zur Sondersprachenforschung, Siewerts Sammelband "Rotwelsch-Dialekte" und Luehr/Matzels Aufsatz zum Weiterleben der Rotwelschdialekte geloescht! Ausserdem, na klar, Kluges Quellenbuch zum Rotwelschen und Wolfs Woerterbuch des Rotwelschen, die beiden wichtigsten Instrumente zur Erforschung der Geschichte auch dessen, was Du unter "Jenisch" verstehst! Zudem die hier eventuell tatsaechlich entbehrlichen Publikationen zu Giessener Manisch und Hundshagener Kochum, obwohl der Artikel beide Dialekte derzeit noch als Varianten des Jenischen anfuehrt (und obwohl Lerch das Giessener Manisch auch selbst als Jenisch gegen aelteres Rotwelsch abgrenzt!): dass der Leser anhand dieser Arbeiten die fraglichen Aussagen des Artikels pruefen kann, scheint Dir demnach kein Anliegen zu sein. So kann die Literaturliste sicher nicht bleiben, aber wir wollen mal abwarten, was die Diskussion zur Darstellung des Verhaeltnisses von Rotwelsch u. Jenisch noch ergibt. --Otfried Lieberknecht 02:49, 27. Aug. 2007 (CEST)Beantworten

In das, was im nachfolgenden Absatz "Anmerkungen" ... kommt, habe ich noch nicht reingesehen, und ich werde es erst tun, wenn ich wieder vor Ort bin und nicht in einem Düsseldorfer Internetcafé.

Gamlos Streichungen finde ich nun freilich absolut anmaßend. Es ist eine unmittelbare Anwort notwendig. Er vertritt eine Wunschvorstellung von "Jernisch", der nur folgen kann, wer die zahlreiche Literatur zum Thema weitgehend ignoriert und sich auf das spitzt, was ihm irgendwie in seine Idee hineinzu passen scheint. Bezeichnend, daß hier nun wieder die unsägliche Diss von Merlino auftaucht. Ich bitte ganz herzlich, sie sich einmal anzuschauen. Sie bringt nichts, NICHTS Eigenständiges und Neues zum Thema. Weder zur Sprache noch - man fragt sich, wie das zusammengefügt ist - zum Thema "Jenische im NS". Auf die oberflächlichste Weise wird dort ein wenig aus den bekannten Schriften referiert, an wichtigen Punkte auch falsch (wenn dort beispielsweise der Begriff "jaunisch" als Zitat auftaucht, obwohl er nirgendwo in der Literatur des 18. Jahrhunderts vorkommt), was für die nichtfachlichen Gutachter in Hamburg, dann vielleicht was Neues und Überraschendes war, es aber real keineswgs ist. Seitenweise exzerpiert dieser Verfasser z. T. fehlerhaft Kluge: dort allerdings findet man es besser, er ist das Original, Merlino ein Abschreiber. Und Gamlo meint, Kluge streichen und Merlino hinsetzen zu können. Er scheint das, was er da so empfiehlt - meine Annahme wäre: weil schlicht "jenisch" im Titel vorkommt und von einer "soziolingusitischen Gruppe" die Rede ist - selbst nicht gelesen zu haben, sonst müßte ihm das aufgefallen sein. Gamlo streicht Wolf!!! Es kommt bei Wolf "Rotwelsch" im Titel vor! Also, es geht hier nicht darum, dogmatisch auf ein paar Schriften zu reduzieren, die den begrenzten Bedürfnissen eines eingeengten Begriffs von "Jenisch" entsprechen, sondern Lesern/Nutzern die Möglichkeit zu bieten, sich umfassend ein eigenes Bild zu machen, wenn sie mehr wissen wollen, als im Artikel steht. Zugegeben, man muß nicht jede Abhandlung zu jeder Lokalvariante nennen, aber sicher ist die Diss zum Hundeshagener Kochum oder die zum Gießener "Manisch", dessen Sprecher - es ist hier wohl inzwischen wieder untergegangen - sich als Jenische bezeichnen so wie Gamlo sich als ein solcher sieht, sehr viel ergiebiger als ältere Literatur zum Schillingsfürster Jenisch. Es geht doch nicht an, die Nutzer nur auf das hinzuweisen, was einem gerade gut in den Kram paßt. Ähnliches ist zu der Linkliste zu sagen. Man kann fragen, ob der bessere Platz dafür nicht der Artikel "Jenische" wäre, sollte dann hier einen Hinweis bringen, denn alle diese Links führen zu Hinweisen zur Sprache, weil denen, die sich als "Jenische" betrachten vor allem diese Sprache mal wichtig ist, nachdem sie eben daran ihre Konstruktion vom "jenischen Volk" irgendwie aufhängen können. Nun denn, ich habe Gamlos Rückführungen auf den alten schlechten Stand des Artikels wieder rückgängig gemacht.--Kiwiv 12:16, 27. Aug. 2007 (CEST), nach tiefem Luftholen geringfügig verändert, --Kiwiv 18:03, 27. Aug. 2007 (CEST)Beantworten

Ja klar, das war eine schraege Aktion (wenn auch in Bezug auf die Weblinks durchaus in meinem Sinn). Wenn Gamlo mit im Boot sitzt, dann schaukelt es halt ein bisschen, aber schliesslich bringt er ja auch so einiges mit. --Otfried Lieberknecht 02:42, 28. Aug. 2007 (CEST)Beantworten

Anmerkungen zur Neufassung

Ich habe unterdessen ein wenig (aus familiaeren Gruenden nicht ganz ungestoert) nachdenken u. nachlesen koennen. Hier einige Kommentare, ich bitte vorab um Entschuldigung fuer die Laenge:

1) Jenisch und Rotwelsch

Entscheidend scheint mir fuer die Weiterarbeit, dass wir uns noch einmal Klarheit ueber das Verhaeltnis der Begriffe "Rotwelsch" und "Jenisch" verschaffen. Im Artikel wird dieser Punkt zuerst im vorletzten Absatz des zweiten Abschnitts ("Charakteristik") angesprochen, und dort nur en passant:

Jenisch firmiert lokal und regional auch unter anderen Sprachnamen wie „Kochum“ (z. B. Hundeshagen im Eichsfeld), „Masematte“ (Münster in Westfalen), „Manisch“ (z. B. Gießen), „Lakerschmus“ (Weimerskirchen in Luxemburg) oder Pleisle (Killertal). Wortbestände und Sprechergruppen der lokalen und regionalen Jenischvarianten sind in ihrer Genese wie nach der sozialen Zuordnung nicht kongruent. Schwer fällt sowohl Linguisten als auch Sprechern mit jenischem Selbstverständnis die Abgrenzung vom Rotwelsch. Gesichert läßt sich sagen, daß die Sprachbezeichnung Rotwelsch älter ist, eine Fremdetikett darstellt und nicht zugleich als Ethnonym verwendet wird.

Dass die Abgrenzung Linguisten schwerfiele, setzt voraus, dass sie in der Sprachwissenschaft ueberhaupt ein kontroverses Thema waere. Mir scheint das eher nicht der Fall zu sein. Rotwelsch ist in der Sprachwissenschaft der Oberbegriff, der diachron die gesamte Entwicklung von der spaetmittelalterlichen Zeit bis heute umfasst, geographisch den ober-, mittel- und niederdeutschen Sprachraum u. soziologisch die Sonderwortschaetze der Bettler, Fahrenden, in der Zeit nach dem Ende des 30jaehr. Krieges sesshaft oder halbsesshaft gewordenen, ehemals Fahrenden sowie aller moeglicher sich mit diesen Gruppen ueberschneidender krimineller Milieus. "Jenisch" als metasprachlicher Terminus ist in der Sprachwissenschaft seltener und in der Bedeutung diffuser weil hauptsaechlich usuell gepraegt, ist aber im sprachwissenschaftlichen Gebrauch auf jeden Fall ein Unterbegriff zu Rotwelsch, der in der Extension enger gefasst ist als Rotwelsch:

  • Jenisch ist in der Diachronie enger begrenzt, da der Begriff m.W. nicht fuer die Zeit vor der Mitte des 17. Jh. verwendet wird. Als Synonym oder Quasisynonym zu Rotwelsch erscheint der Begriff nur dann, wenn sich von selbst versteht, dass nur Rotwelsch dieser juengeren Periode das Thema ist.
  • Auch in der geographischen oder sprachgeographischen Extension bezieht der Begriff sich vorwiegend auf oberdeutsches und allenfalls noch mitteldeutsches Rotwelsch, entweder als Sammelbezeichnung solcher Rotwelschdialekte (westfaelisches Masematte faellt also eigentlich nicht darunter), oder aber -- und dann jeweils mit eingrenzendem Ortsnamenzusatz -- als Name einzelner lokaler Rotwelschdialekte wie Schillingsfuerster, Luetzenhardter, Schlossberger, Leinzeller, Morbacher Jenisch, die dann in der Regel auch schon von ihren Sprechern in Abgrenzung zur deutschen Alltagssprache (nicht in Abgrenzung zu anderen Rotwelschdialekten) als "Jenisch" bezeichnet werden (hiervon abweichend bezeichnet allerdings Lerch -- dessen Arbeit ich noch nicht naeher kenne -- auch das Giessener Manisch als "Giessener Jenisch").
  • Ausserdem gibt es in der Sprachwissenschaft wohl auch noch Verwendungsweisen, die zusaetzlich auf einen bestimmten sozialen Typus der Sprechergruppe abheben, z.B. bei Matras ("Jenisch is the term employed for a variety of secret and in-group lexicons used by peripatetic groups (sedentary with itinerant occupations) in south-western Germany, and Switzerland", im Wortschatz charakterisiert als teilweise schon sehr altes Rotwelsch u. durch Entlehnungen, die zu ca. 30% aus Romani, zu ca. 15% aus Hebraeisch u. in einigen Faellen aus Frz. stammen)

Inwiefern die verschiedenen Gruppen eine "Ethnie" oder sogar eine durch Verwandtschaftsbeziehungen und Abstammung einheitliche Gruppe bilden ist im Unterschied zur reziproken Verstaendlichkeit ihrer Dialekte keine sprachwissenschaftliche Fragestellung, und ebensowenig die Frage, ob in der Zeit nach dem 30jaehr. Krieg sesshaft oder halbsesshaft gewordene Gruppen sich der Abstammung nach auf Fahrende der aelteren Zeit zurueckverfolgen lassen (wie es in Einzelfaellen Ritter gelungen sein soll), waehrend die sprachliche Herleitung oder Abgrenzung ihrer Dialekte im Verhaeltnis zum aelteren Rotwelsch selbstverstaendlich in den Bereich der Sprachwissenschaft faellt.

Frage an Kiwiv: kannst Du aus Deiner erheblich besseren Kenntnis der Forschungsliteratur meine Darstellung des sprachwissenschaftlichen Gebrauchs korrigieren oder ergaenzen? In der obigen Diskussion bezogst Du Dich hierfuer speziell auf Matras in dessen Aufsatz The Romani element in German secret languages: Jenisch and Rotwelsch, den ich leider noch nicht kenne, und dessen Darstellung der Forschungspositionen mir auch durch Nachfragen nicht so recht verstaendlich geworden ist.

In Deiner aktuellen Fassung weist der Artikel zwar darauf hin, dass Rotwelsch und Jenisch irgendwie abgrenzbar sein koennte -- wenn's den Linguisten und Sprechern des Jenischen nicht so schwer fiele --, er grenzt die Begriffe auch ausfuehrlich als Fremd- und Eigenbezeichnung voneinander ab und laesst in der Kommentierung der aelteren Belege fuer "Jenisch" zudem erahnen (wenn man's eh schon weiss), dass diese sich nicht unbedingt auf die aeltere Periode beziehn u. womoeglich (Schoell, Grimm) besonders auf oberdeutsches Jenisch zu beziehen sind, aber er laesst das alles doch sehr unbestimmt und verwendet "Jenisch" tendenziell eher als ein Synonym zu "Rotwelsch". Meine oben schon geaeusserte Kritik, dass diese Kommentierung mit Grimms Woerterbuch abbricht, bezog sich also nicht darauf, dass jenische Verwendungsweisen des Begriffs nicht weiter nachgezeichnet werden, sondern vielmehr darauf, dass die Aussensicht der modernen Sprachwissenschaft, ihr Verstaendnis des Begriffs, fehlt.

Das begriffliche Verhaeltnis von "Rotwelsch" u. "Jenisch" ist keine fuer uns unerhebliche Frage. Aus meiner Sicht muessen wir uns bei der Eingrenzung, Strukturierung und Darstellung des Themas an der sprachwissenschaftlichen Sicht orientieren (was nicht ausschliesst, dass abweichende Auffassungen "Jenischer" zusaetzlich dargestellt werden koennen), und mit Thema meine ich dabei nicht nur den Artikel "Jenische Sprache", sondern auch den Artikel Rotwelsch. Mir stellt sich die Frage, ob nicht beides in einem einzigen Artikel im Zusammenhang darzustellen ist -- der in dem Fall unter dem Oberbegriff "Rotwelsch" zu stehen haette --, oder ob Jenisch als Sprachbezeichnung wirklich genug fuer einen eigenen Artikel hergibt, der dann aber zur Vermeidung von Redundanzen und Konfusionen umso genauer in seinem Verhaeltnis zum Artikel Rotwelsch abgegrenzt sein muss. Diesen letzeren habe ich im vergangenen November in einer Hauruckaktion neugeschrieben, den kann man gerne ersetzen oder umschreiben, viel Qualitaet verloren gehen kann dabei nicht.

2) Funktionsbestimmung

Aussagen zur Funktion des Jenischen tauchen erst irgendwo ganz unten im langen Abschnitt "Sprachbezeichnung, Sprachgeschichte" auf und werden dort als Rezeptions- oder Forschungskritik formuliert, was den unrichtigen Eindruck nahelegen koennte, dass diese Kritik "Theoriefindung" eines vorwitzigen Wikipedianers sei:

Am Beginn der Rezeption des Rotwelschen und dann des Jenischen stand deren Stigmatisierung als Gauner- und als Geheimsprachen. Dieses Sprachverständnis korrespondierte mit der Kriminalisierung der Sprecher. Es blieb beherrschend bis in die jüngste Zeit. Der von ordnungspolitischen und justiziellen Interessen geleitete Blick von vor allem Verfolgungsinstanzen machte diese eine Funktion, die jede Sprache haben kann, nämlich die Kommunikation gegenüber Nichtsprechern zu verhüllen, zum hauptsächlichen Merkmal. Er vernachlässigte so die besonders bei sozial ausgegrenzten Gruppen gemischter sozialer, regionaler und sprachlicher Herkunft wichtige identitätsbildende und integrative, den Zusammenhalt fördernde Bedeutung vollständig.

Das breitere funktionale Spektrum aus Sicht der heutigen Forschung gehoert sicher nicht erst an diese Stelle, sondern z.B. in den Abschnitt Charakteristik, und es ist zweitens auch in der Forschungs- oder Rezeptionskritik teilweise schief, wie ich schon in unserer frueheren Diskussion bemerkt hatte. Die Beschreibung des Rotwelschen "und dann des Jenischen" als "Gaunersprache" mag stigmatisierend sein, und die traditionelle Fixierung auf den geheimsprachlichen Charakters -- der an sich noch nichts Stigmatisierendes hat und nicht notwendig mit Gaunertum einhergeht -- war sicherlich einseitig, aber dieser bleibt eine Tatsache, die den Wortschatz sehr wesentlich gepraegt hat: anders sind die Abweichungen von der deutschen Alltagssprache durch "Bildung neuer Komposita, Affigierung und Permutation", "Umdeutungen gemeinsprachlich bekannter Wörter durch Bedeutungsübertragung und Bedeutungsverschiebung", ferner auch ein Grossteil der Entlehnungen u. jiddsch-deutschen oder romani-deutschen Hybridbildungen nun einmal nicht zu erklaerenm, mal ganz abgesehen von den sekundaeren und Selbstaussagen, die den geheimsprachlichen Gebrauch bestaetigen. Deshalb ist die Aussage, dass "jede Sprache" die "Funktion haben kann, ... die Kommunikation gegenüber Nichtsprechern zu verhüllen", auch nicht wirklich erhellend, weil eben nicht jede Sprache diesem moeglichen Zweck die Entstehung ihres Lexikons (oder eines wesentlichen Teils davon) ueberhaupt erst verdankt. Von mir aus kann man in Anlehnung an Matras von "geheim- oder insidersprachlicher Funktion" sprechen, aber sie gehoert an der richtigen Stelle und mit der richtigen Gewichtung thematisiert, waehrend Du sie eher herunterspielst. Etwas anderes ist es mit der in aelterer Literatur gelegentlich begegnenden Behauptung einer "betruegerischen" Funktion: sofern damit nicht nur Taeuschung durch Verschleierung der Bedeutung oder "Double Talk" gemeint ist, ist das sicherlich Quatsch und weder konkret belegt noch real vorstellbar.

3) Sprachbeispiele

Die aus der frueheren Artikelversion uebrig gebliebene Tabelle mit den (jetzt) als schweizerisches Jenisch ausgewiesenen Sprachbeispielen sollte m.E. ersetzt werden durch Beispiele aus nachgewiesener Forschungsliteratur, mit genauer Zuordnung u. idealerweise mit dort bereits gegebener sprachlicher Erlaeuterung u. Gegenueberstellung unterschiedlicher Varianten, falls es letzteres gibt. Auch die sprachliche Charakterisierung von "Jenisch" (Wortbildungstypen, Bedeutungsverschiebungen etc) und Aussagen ueber Entlehnungen ins Jenische u. aus dem Jenischen in die Gemeinsprache oder andere subkulturelle Sondersprachen sollten der besseren Anschaulichkeit halber moeglichst durch Beispiele (quellenmaessig belegte Beispiele) illustriert werden. Wenn Du dazu nichts Passendes zur Hand hast, will ich mich gerne -- und das auch sonst -- nach Vermoegen beteiligen, nur weiss ich einstweilen noch nicht, wie es weitergehen soll, solange nicht mehr Klarheit darueber besteht, welche Bedeutung von "Jenisch" in Bezug auf "Rotwelsch" fuer den Artikel leitend sein soll. --Otfried Lieberknecht 00:32, 27. Aug. 2007 (CEST)Beantworten

Bedeutung des Jenischen

Zur Bedeutung des Jenischen stellt Ethnologue fest, dass es von einer eindeutig ethnischen Gruppe gesprochen wird und eine eigenständige Sprache ist. Dieses ist Rotwelsch nicht. http://www.ethnologue.com/14/show_language.asp?code=YEC

Zur Abgrenzung des Jenischen zu anderen Sprechergruppen und zum Rotwelschen stellt Christian Efing in "Jenisch unter Schaustellern Mit einem Glossar aus schriftlichen Quellen" folgendes fest Zitat Rezeption:

Die Sondersprache der Schausteller entpuppt sich dabei entgegen bisheriger Annahmen nicht als einheitlich, sondern als heterogenes Konglomerat verschiedener, ähnlicher Rotwelsch-Dialekte. Der Begriff "Schausteller--Jenisch" erhält seine Berechtigung als Ordnungsbegriff angesichts einer lexikalischen Schnittmenge, die die unterschiedlichen Jenisch--Ausprägungen zusammenhält. Noch heute sprechen einige Schausteller aktiv Jenisch, das allerdings nur noch selten an die Kinder weitergegeben wird und auch aufgrund der veränderten Lebensweise und Lebensumstände der Schausteller vom Untergang bedroht ist. Christian Efing verbindet die Dokumentation dieser untergehenden Geheimsprache mit Querverweisen auf die Sozialgeschichte; nebenbei gelingt es ihm, die Qualifikation von Schaustellern als Jenische zu widerlegen.

http://www.abebooks.de/servlet/BookDetailsPL?bi=590741646

Christian Efing als auch Klaus Siewert sprechen konkret von den Jenischen und der Jenischen Sprache und konstruieren nicht ein diffuses Gebilde das sich ohne Kontinuität einer Sprachträgergruppe über die Zeiten transformiert und nicht wesentlich in diesem Erklärungsmuster vom Rotwelschen unterscheidet. Du Kiwiv und Otfried konstruieren hier eine akademische Kopfgeburt die sich auf nichts stützt als auf eure vermeintlichen Annahmen. Bringt mal endlich verifizierbare Quellenbelege für eure Theoriefindungen die auch so von Sondersprachforschern referiert werden. Mit Zitaten und Seitenangaben. Gruss--Gamlo 01:33, 27. Aug. 2007 (CEST)Beantworten

Zu Siewert und Efing siehe inzwischen oben: ja, sie nennen einzelne Rotwelschdialekte auch "Jenisch", bezeichnen sie aber nichtsdestoweniger als Rotwelschdialekte, weil Rotwelsch eben der Oberbegriff ist. Was Du aus dem Klappentext von Efings Buch Jenisch unter Schaustellern zitierst, bestaetigt das nur. Efing weist nach, dass das angebliche Schaustellerjenisch ein "Konglomerat" verschiedener Rotwelschdialekte (bezeichnet sowohl als "Rotwelsch-Dialekte" wie auch als "Jenisch-Ausprägungen"), also kein eigener Rotwelschdialekt (kein "einheitliches" Jenisch) ist. --Otfried Lieberknecht 02:07, 27. Aug. 2007 (CEST)Beantworten


Hallo,
ja was ist den dann bitteschön eurer Theorie zufolge einheitliches Jenisch? Und was meint Efing wenn er feststellt das die Schausteller keine Jenische sind? Weil die Jenischen das eigentliche Jenisch sprechen! Das ist doch alles ein Geschwurbel par excellence. Ihr jagt einem Phantom nach. Eurer erstes Phantom ist die Vorstellung das es soetwas wie einen Rotwelschdialekt gebe, wenn man euch dann aber fragt was das genau ist, relativiert ihr diesen wiederum. Geschweige den wenn man auf das eigentlichen Rotwelsch zu sprechen kommt. Ein Dialekt ist immer eine Variante einer Sprache. Sowohl Rotwelsch als auch deren sogenannten Dialekte sind allesamt Konglomerate. Rotwelsch ist nichts anderes als eine Fiktion die noch heute weiter kultiviert wird. Es hat nie ein Rotwelsch gegeben. Ihr seht ja selber wie eure Theorien an die Grenzen eurer sprachlichen Erklärbarkeit kommen da sie in sich falsch sind. Kein Mensch hat sich je als Rotwelschsprecher bezeichnet oder als Rotwelscher. Genausowenig wie sich ein Franzose in seiner Muttersprache als Welscher bezeichnet hätte oder als Welschsprecher. Welsch ist dem Deutschsprachigen die unverständliche Sprache des romanischsprachigen Nachbars. Wenn ein des Französischen nicht mächtiger Deutscher aus dem was er dem Französischen Lautmalerisch aus seinem Auditiven Gedächtniss zuordnet ein Wörterbuch konstruieren würde und mit den entsprechenden Vorstellungen von Bedeutungen dieser "Worte" eines Gewährsmannes, der mit Franzosen zu tun hatte, üebersetzen würde. Ja dann hättet ihr die Fiktion des Welschen. Ihr würdet sagen nachdem ihr einen echten Franzosen kennengelernt hättet, das sein sogenanntes "Französisch" eine Variante des Welschen ist. Und da die Forschungsgeschichte eures Welschen älter ist, sagen das "Französische" ist eine Weiterentwicklung des Welschen. Ihr macht eure Milchmädchen Rechnung ohne den Wirt(Jenische). Eure Ansätze sind egozentrisch zum Jenischen. Ist deswegen Französisch eine Geheimsprache? Ist, weil es zu einem Bedeutungswandel des Lateinischen Erbes im Französischen gekommen ist, das Französische ein Kryptolekt? Oder das Jiddische eine Gauner und Geheimsprache der Hebräer, weil sie aus Galach was wörtlich Geschorener bedeutet, im Hebräischen, der Pfarrer gemeint ist im Jiddischen? Gruss--Gamlo 09:39, 27. Aug. 2007 (CEST)Beantworten
Lieber Gamlo, es geht (mir) hier nicht um "unsere Theorie", sondern um die Auffassungen der Sache in der Sprachwissenschaft. Efing anhand eines Klappentextes zu seinem Buch zu diskutieren, hat wenig Sinn, ich habe Dich darauf hingewiesen, dass die Terminologie dieses Klappentextes meinem oben unter Anmerkung 1 geschilderten Befund entspricht, und ihm nicht widerspricht, dass einzelne Rotwelschdialekte sprachwissenschaftlich zugleich als "Jenisch" bezeichnet werden, weil diese Begriffe in der Sprachwissenschaft nun mal keine Gegenbegriffe sind, sondern im Verhaeltnis von Ober- und Unterbegriff stehen. Mehr kann ich zu diesem Klappentext beim besten Willen nicht sagen.
Ihr jagt einem Phantom nach. Eurer erstes Phantom ist die Vorstellung das es soetwas wie einen Rotwelschdialekt gebe, wenn man euch dann aber fragt was das genau ist, relativiert ihr diesen wiederum: Eine von Siewert gegebene, heuristische Definition von "Rotwelsch-Dialekt" findest Du zitiert in der Einleitung Efings in dessen Buch ueber Luetzenhardter Jenisch, deren PDF-Version ich Dir oben bereits verlinkt hatte [2]:
Mit Rotwelsch-Dialekten sind diejenigen Sprachvarianten gemeint, die sich auf der geheimsprachlichen Basis des Rotwelschen (das ist die auf der Grundlage der mittelhochdeutschen Mundarten ab dem 12./13. Jahrhundert entwickelte und durch die Jahrhunderte weiter tradierte Geheimsprache des sogenannten „fünften Standes“) unter Hereinnahme von Wörtern aus anderen Spendersprachen, hauptsächlich dem Jüdischdeutschen und dem Sintes/Romanes, und unter Einflußnahme der jeweiligen Ortsmundart zu Kontrasprachen mit geheimsprachlicher Tendenz entwickelt haben, wobei sich die (freiwillige oder unfreiwillige) Ansiedlung vormals Vagierender wie die Zugehörigkeit zur jeweiligen sozialen Unterschicht im Kontext der Sozialgeschichte der jeweiligen Sprechergemeinschaft von Rotwelsch-Dialekten als typische historische Rahmenbedingung für die Ausbildung von Rotwelsch-Dialekten herausstellt.
Ein Dialekt ist immer eine Variante einer Sprache: Richtig. Sprachwissenschaftliche Diskussionen darueber, ob etwas eine Sprache im vollen Sinn sei oder nicht, gehoeren nicht unbedingt zu meiner bevorzugten Lektuere. In Bezug auf Rotwelsch (und Jenisch) spricht man ueblicherweise von Sondersprachen oder Sonderwortschaetzen. Wenn Aussprache, Grammatik, Wortbildung und ein Grossteil des Wortschatzes zweier Sprachen sich nicht wesentlich unterscheiden, dann handelt es sich im sprachwissenschaftlichen Verstaendnis bei einer von beiden nicht um eine selbstaendige Sprache, sondern um eine Variante der anderen (oder um zwei Varianten einer dritten). Wenn obendrein der distinktive Wortschatz lexikalisch auf einige wenige Wirklichkeitsbereiche beschraenkt ist, wie im Fall von Rotwelsch, dann ist ee gerechtfertigt, von einer Variante mit einem Sonderwortschatz zu sprechen. Insoweit sind Rotwelschdialekte genaugenommen oder primaer nicht Dialektvarianten von Rotwelsch, sondern sondersprachliche, durch einen Sonderwortschatz charakterisierte Dialektvarianten des Deutschen. Ob verschiedene Rotwelsch-Dialekte des Deutschen auch zueinander im Verhaeltnis von Varianten stehen, haengt aus meiner Sicht hauptsaechlich von der Klaerbarkeit ihrer sprachlichen Verwandtschaftsbeziehungen ab. Ich stecke da bisher nicht tief genug drin, um sagen zu koennen, welche bisher erforschten Rotwelschdialekte aus anderen abgeleitet, und welche als unabhaengig entstanden gelten koennen. So weit ich weiss, verhaelt es sich aber in der sprachwissenschaftlichen Begriffsverwendung bisher nicht so, dass eine solche moegliche interne Differenzierung im Bereich der Rotwelschdialekte terminologisch mit einer Unterscheidung von "jenischen" und "nicht-jenischen" Rotwelschdialekten zusammenfiele.
Rotwelsch ist nichts anderes als eine Fiktion die noch heute weiter kultiviert wird. Es hat nie ein Rotwelsch gegeben. Ihr seht ja selber wie eure Theorien an die Grenzen eurer sprachlichen Erklärbarkeit kommen da sie in sich falsch sind. Kein Mensch hat sich je als Rotwelschsprecher bezeichnet oder als Rotwelscher. Was Du "Fiktion" nennst, ist die normale Vorgehensweise wissenschaftlicher Modellbildung. Modelle muessen sich durch ihren Erklaerungswert rechtfertigen, wenn es ein besseres gibt, werden wir es im Artikel verzeichnen. Aus sprachwissenschaftlicher Sicht ist die Eigenbezeichnung von Sprechern ein wichtiges Datum, aber keine fuer die sprachwissenschaftliche Terminologie oder fuer die Aufgliederung von Sprachen zwingende Vorgabe.
Ist, weil es zu einem Bedeutungswandel des Lateinischen Erbes im Französischen gekommen ist, das Französische ein Kryptolekt?: Nein, denn dieser Bedeutungswandel vom Sprechlateinischen zum Altfranzoesischen hat sich diachron entwickelt, waehrend die Alltagssprache u. deren kryptolektale Variante synchron nebeneinanderstehen u. die letztere sich nicht einfach durch neue oder abweichende Bedeutungen, sondern (aehnlich wie poetischer Code) auch durch Vermeidungsregeln fuer das alltagssprachliche Verbum proprium auszeichnet.
Noch eine Bemerkung zu Deiner obigen Formulierung "ein diffuses Gebilde das sich ohne Kontinuität einer Sprachträgergruppe über die Zeiten transformiert". Speziell biologische Kontinuitaet der Sprecher ist weder eine sprachwissenschaftliche Erfordernis, um sprachgeschichtliche Kontinuitaet zu erklaeren, noch ist das etwas, was man aus dem Befund sprachgeschichtlicher Kontinuitaet ablesen koennte. Wir haben es in den Quellen anfangs mit Listen von Berufsbezeichnungen fuer Bettler oder Bettelbetrueger zu tun, die zunaechst noch nicht besonders als vagierende Bettler ausgewiesen werden, dann mit Listen, in denen einige von ihnen so ausgewiesen und mit Bezeichnugnen anderer Vaganten zusammengefuegt werden, dann auch mit Bezeichnungen aus dem Bereich von Gluecksspiel u. mit Bezeichnungen unehrlicher, teils ambulanter, teils nicht-ambulanter Berufe (auch bei nicht-ambulanten Berufen muessen die Traeger nicht unbedingt ortsfest sein), dann auch mit Landsern, Mordbrenner, Raeubern etc -- es gibt also eine Reihe von Hinweisen auf die soziale Zusammensetzung der Sprecher u. bedingt auch auf deren Entwicklung, sofern man Luecken u. Verzoegerungen der Ueberlieferung in Rechnung stellt u. nicht aus dem sprachlichen Beleg eines sozialen Faktums mechanisch auf das Datum dieses Faktums schliesst. Zu den (moeglichen) Hinweisen auf die soziale Entwicklung gehoert auch der Zeitpunkt, ab dem rotwelsche Woerter fuer Verwandtschaftsbeziehungen in den Listen auftauchen, als moeglicher Terminus ante quem fuer die Zugehoerigkeit von Familienverbaenden zur Sprechergruppe. Da laesst sich vieles erforschen u. ist schon viel erforscht worden, aber die Art von Kontinuitaet, die Dir vorzuschweben scheint, wird sich aus sprachlichen Befunden als historische Tatsache nicht ableiten lassen und ist auch, wie schon gesagt, keine Erfordernis zur Erklaerung sprachlicher Befunde. Die Frage gehoert, wenn ueberhaupt, in die Diskussion des Artikels Jenische. --Otfried Lieberknecht 12:23, 27. Aug. 2007 (CEST)Beantworten

Abgrenzungen

Ich habe einmal aus den begrenzten Literaturbeständen, zu denen ich Zugang habe, zusammengetragen und hoffe auf Wahrnehmung und konstruktive Verarbeitung. Um hier einordnen zu können, habe ich den Titel des Abschnitts leicht verändert.

Sprachpraxis:

„Sie [die Sprecher des Gießener „Manisch“] sehen sich ... durchaus nicht als Manische; dieses Wort kennen sie zwar, aber sie verwenden es nur zur Charakterisierung von Zigeunern, deren direkten Abkömmlingen und deren Sprache, des Romani, das ihnen als manische Sprache bekannt ist. ... Sie nennen sich selber viel eher ‚fahrendes Volk’, ‚Fahrende’, ‚Reisende’, ‚reisende Händler’, ‚Händler’, ‚Hausierer’ oder auch ‚Jenische’. Dementsprechend betrachteten sie ihre Sprache als das ‚Jenische’. ... Die Gießener originalen Manisch-Sprecher benutzen dagegen das Wort ‚manisch’ als eine aus ihrer Sicht abwertende Vokabel für die Zigeuner, gegen die sie sich ... abgrenzen möchten. ... die ambivalente Anwendung des Begriffs (erfolgt) von zwei verschiedenen Lagern aus: a. vom Standpunkt der bürgerlichen Bevölkerung aus, die sowohl Originalsprecher als auch Teile der sozialen Grundschicht (die ‚Asozialen’) als Manische ansieht und diese Bezeichnung auch auf die Sprache der ambulanten Gruppen anwendet; b. vom Standpunkt jenes weitaus größten Teiles der ambulanten Gruppen, die als Jenische zu betrachten sind, zur (überwiegend abwertenden) Charakterisierung von Zigeunern und deren Sprache.“

(Hans-Günther Lerch, „Tschü lowi ...“. Das Manische in Gießen. Die Geheimsprache einer gesellschaftlichen Randgruppe, ihre Geschichte und ihre soziologischen Hintergründe, Gießen 1976, S. 13)

Es „ergibt sich, daß von 574 Wortstämmen endgültig 402 (70%) zigeunersprachlichen, 84 (14,6% deutschen, 65 (11,3% jiddischen, 10 (1,7%) anderssprachlichen und 13 (2,3%) ungeklärten Ursprungs sind.“

(ebenda, S. 149)

„... eine Bewertung des Berleburger Manisch durch einen niederrheinischen [= Wickrath bei Mönchengladbach] Korbmacher, dessen Familie seit Jahrzehnten Wittgenstein bereist und der mit der Situation dort gut vertraut ist: die Kompetenz der Wittgensteiner Sprecher sei nur noch gering, weil sie ‚verbauert’ seien. Es sei im übrigen falsch, von Manisch zu sprechen, in Wirklichkeit handle es sich um Jenisch, wenn es sich auch von seinem (Selfkant-)Jenisch stark unterscheide.“

(Ulrich Friedrich Opfermann, Relikte des Manischen und des Jenischen in Wittgenstein und im Siegerland, in: Klaus Siewert [Hrsg.], Aspekte und Ergebnisse der Sondersprachenforschung. II. Internationales Symposion 28. bis 31. Mai 1997 in Brüssel [Sondersprachenforschung, Bd. 4], Wiesbaden 1999, S. 111–134, hier: S. 121)

„Wenn die was zu bereden hatten, das wir nicht hören sollten, hieß es: ‚Hegel, kannste Kochum massern?’ und dann ging’s los auf Jenisch.“

(Kerstin Mey, Jenisch und Manisch in Wittgenstein, in: Klaus Siewert [Hrsg.], Aspekte und Ergebnisse der Sondersprachenforschung II. III. und IV. Internationales Symposion 17. bis 19. März 1999 in Rothenberge/6. bis 8. April 2000 in Münster [Sondersprachenforschung, Bd. 7], Wiesbaden 2002, S. 43-46, hier: S. 44)

„Da hier [Speicher] noch ehemalige Heimarbeiter leben und ihr ‚Jenisch’ offensichtlich noch sprechen können, bot sich eine Dokumentation dieser Sondersprache geradezu an.“

(Peter Honnen, Geheimsprachen im Rheinland. Ein Werkstattbericht aus einem Dokumentationsprojekt im Amt für rheinische Landeskunde Bonn, in: Klaus Siewert [Hrsg.], Rotwelsch-Dialekte. Symposion Münster, 10. bis 12. März 1995, S. 66-72, hier: S. 67)

„Der Haupterwerbszweig in Speicher war wie in Breyell ebenfalls lange der Hausierhandel. ... Speicher war und ist bekannt für sein Steinzeug. In diesem Jahrhundert wurde die Angebotspalette ergänzt durch niederländischen Käse, Porzellan, Schwämme, Wachstücher und spezielle Bilder, die unter der Bezeichnung Studenten Eingang in das Jenische der Händler gefunden haben. Die Geheimsprache ist eine klassische rotwelsche Händlersprache mit moselfränkischen Prägungen.“

(ebenda, S. 72)

„Die Speicherer Händler nannten ihr Krämerlatein ‚Jenisch’, wie in der Eifel und im Hunsrück allgemein üblich.. Das Wort war eine vollkommen neutrale Bezeichnung, die, frei von abwertenden Untertönen, sowohl von den Hausierern als auch von den übrigen Bewohnern Speichers verwendet wurde.“

(Heimatmuseum Speicher [Bearb.: Werner P. Streit], „Jenisch“. Die Geheimsprache der Speicherer Händler, Speicher o. J., S. 9, übernommen aus: Peter Honnen, Geheimsprachen im Rheinland. - 2. Aufl. - Köln, 2000, S. 194-213)--Kiwiv 23:38, 29. Aug. 2007 (CEST)Beantworten

Aussagen aus der Sondersprachenforschung:

Wolf unterscheidet drei Entwicklungsphasen („Schichten“) des Rotwelsch, das er auch als „Gaunersprache“ bezeichnet: eine mittelalterlich-frühneuzeitliche, die bis ins 17. Jahrhundert reiche, eine zweite „vom Ende des Dreißigjährigen Kriegs bis zum Ausgang des Napoleonischen Zeitalters“ und eine dritte, „der auch das lebende Rotwelsch angehört“, in der sich als „Eigenentwicklung“ spezielle Soziolekte herausgebildet hätten. Räumlich unterscheidet er „zwischen der nieder- und oberdeutschen Gaunersprache“ und ohne Eindeutigkeit der Zuordnung spricht er von „dem oberdeutschen Jenisch“, dessen „hervorstechendes Kennzeichen ... das Eindeutschen von zahlreichen Zigeunerwörtern“ sei. Es bleibt offen, ob er es gleichsetzt mit der „oberdeutschen Gaunersprache“ oder ob er es als eine ihrer Ausformungen sieht (wobei er aber keine weitere nennt).

(Siegmund A. Wolf, Wörterbuch des Rotwelschen: Deutsche Gaunersprache, 2. durchges. Aufl., Hamburg 1985, S. 12f.)

„Der Begriff ‘Rotwelsch’ bezeichnet nach der Definition von Siewert zunächst allgemein das mittelalterliche Rotwelsch I, das vom Sprachnamen der Rotwelsch-Dialekte späterer Zeit zu unterscheiden ist. Rosemarie Lühr gibt als ursprüngliche Bedeutung für ‚Rotwelsch’ ‚betrügerische Rede’, ‚schmutzige, betrügerische Sprache’ an. Dies erklärt, warum ‚Rotwelsch’ immer nur als externer Sprachname und nie von den Sprechern selbst für ihre Sprache verwendet wird. Der Begriff ‚Jenisch’ wird in der Forschung in dreifachem Sinne gebraucht und ist daher schwer abzugrenzen. Nach Siewert findet er sich erstens als Teil des internen Sprachnamens für zahlreiche Rotwelsch-Dialekte, zum Beispiel Leinzeller Jenisch, Schloßberger Jenisch, Pfedelbacher Jenisch. ... Zweitens wird er für die Personengruppe der Fahrenden verwendet, die als Nachfahren der Vaganten des 18. und 19. Jahrhunderts zu sehen und von den Sinti und Roma zu unterscheiden sind. Schließlich bezeichnet es drittens die Standardsprache der Jenischen, die heute noch auf Jahrmärkten, Rummelplätzen und in Zirkusunternehmen gesprochen wird, und die im Gegensatz zu Rotwelsch-Dialekten für den deutschen Sprachraum einheitlich ist.“

(Jutta Middelberg, Romanismen in deutschen Rotwelsch-Dialekten [Sondersprachenforschung, Bd. 5], Wiesbaden 2001, S. 5)

„Rotwelsch ... is often used as an umbrella designation for German secret or special ‚languages’. Its use in earlier sources reflects the existence of special vocabularies which drew mainly on archaic dialectal items and deliberate cryptolectal formations within the inherited German lexicon and morphology.” (Yaron Matras, The Romani element in German secret languages: Jenisch and Rotwelsch, in: ders. [Hrsg.], The Romani element in non-standard speech, Wiesbaden 1998, S. 193-230, hier: S. 193)

“The relation between Rotwelsch and Jenisch has been subject to some debate. Wolf (1985: 11, 13) regards Jenisch as a particular variety or type of Rotwelsch, which in Southern Germany typically shows strong Romani influence. Franke (1991 [= Hartwig Franke, Zur inneren und äußeren Differenzierung deutscher Sondersprachen, in: Zeitschrift für Dialektologie und LinguistikH. 1, 58 [1991], S. 56-62]) on the other hand proposes a general distinction between Rotwelsch and Jenisch. The social context of usage of the former underwent significant changes towards the 19th century, when speakers of Rotwelsch became sedentary. Sedentarisation, Franke argues, led to the differentiation of Rotwelsch, to the adoption of local designations for the various dialects, and ultimately, during the past several generations, to its gradual loss. Jenisch on the other hand, enjoys according to Franke relative uniformity in its composition. Moreover, it retains its function as the language of an itinerant population and continues to play a major role in the socio-cultural consolidation of groups of travellers who refer to themselves as Jenische (‘Jenisch people’) and whose language often shows a significant Romani influence. Jenisch according to Franke (1991: 59) must therefore be considered a linguistic entity independent of Rotwelsch, and its speakers deserve recognition as a particular social group.” (ebenda, S. 194f.) Matras folgt dann Franke nicht. Er referiert ihn, um ihn zu widerlegen.

“As for Rotwelsch, there appears to be no community of speakers which actually uses the term as a designation for their language. Rotwelsch in contemporary usage is thus primarily an analytical, descriptive term for special vocabularies that are used not only for professional communication, but also to help consolidate group identity by allowing group-particular linguistic interaction in a variety of domains. … Rotwelsch is thus a specific type of a broader class of functionally-constructed vocabularies which in German linguistics are now reffered to collectively as ‘special languages’ (Sondersprachen; cf. Möhn 1980; Jütte 1978; Siewert 1996). Jenisch varieties, whatever their social context or lexical composition, qualify as secret languages of this Rotwelsch type. But in addition, numerous dialects called Jenisch can be classified as a particular subtype, their speakers sharing both linguistic and social features and, above all, being conscious of a distinct, super-regional group identity.” (ebenda, S. 197)

„Es läßt sich festhalten, daß alle diese Gruppen [„Gauner, ... wandernde Handwerker und Hausierer, Schausteller, Bader und Zahnbrecher sowie – in späterer Zeit – Zirkuspersonal“] nicht ortsfest waren und daß ihre Sondersprache bis ins 19. Jahrhundert hinein von Außenstehenden einheitlich als Rotwelsch bezeichnet wurde, wenn auch die Eigenbezeichnungen schon früher differierten.“

(Hartwig Franke, Zur inneren und äußeren Differenzierung deutscher Sondersprachen, in: Zeitschrift für Dialektologie und LinguistikH. 1, 58 [1991], S. 56-62, S. 57)

„Es ist nicht zu übersehen, daß sich das Rotwelsche in seiner modernen (also erst in unseren Tagen ausgestorbenen) Form in einem wesentlichen Punkt anders verhält als das Jenische. Rotwelsch ist ... seit dem Anfang des 19. Jahrhunderts ortsfest und bildet seitdem eigene dialektale Varietäten aus. Jenisch dagegen wird überall gesprochen, wo Jenische sich aufhalten, also auf Jahrmärkten, Rummelplätzen und in Zirkusunternehmen im gesamten deutschen Sprachraum und weit darüber hinaus.“ (ebenda, S. 59)

Zum Thema Entlehnungen/Jüdisch-deutsch vs. Jiddisch: „Das sogenannte Westjüdische wurde dagegen [im Vergleich mit der ostjiddischen Mundart] nie vom Deutschen ganz abgetrennt. Man muß davon ausgehen, daß seine Sprecher stets Anlaß zur Verständigung mit Sprechern anderer deutscher Mundarten hatten, so daß zumindest in bezug auf die Mündlichkeit eher von einer jüdischdeutschen Mundart oder von einem jüdischen Ethnolekt des Deutschen gesprochen werden kann.“

(Yaron Matras, Sondersprachliche Hebraismen: Zum semantischen Wandel in der hebräischen Komponente der südwestdeutschen Viehhändlersprache, in: Klaus Siewert [Hrsg.], Rotwelsch-Dialekte. Symposion Münster, 10. bis 12. März 1995 [Sondersprachenforschung, Bd. 1], S. 43-58, hier: S. 45)

Auch Franke lehnt es ab, „die semitischen Entlehnungen des Rotwelschen und Jenischen“ dem Jiddischen zuzurechnen, das osteuropäisch sei. Sie entstammten der „jüdisch-deutschen“ Sprache. (ebenda, 60f.)

"Jiddisch" ist mir bei meinem Durchgang als "Spendersprache" (Siewert) nicht begegnet. Durchgängig spricht man von Hebraismen aus dem Jüdischdeutschen.--Kiwiv 19:21, 29. Aug. 2007 (CEST)Beantworten

Enzyklopädie oder linguistisches Fachbuch?

Hallo Ihr Wikipedianerinnen aller Ansichten! Lange habe ich nicht mehr mitgewirkt. Persönliche und berufliche Gründe sind ein Teil der Wahrheit. Ein anderer, mindestens ebenso gewichtiger, ist der Zeitaufwand, der für mich nötig wäre, um auch nur der Spur nach Euren Diskussionen folgen zu können, geschweige denn aktiv daran teilzunehmen.... Ich bin heillos überfordert!

Was mir auffällt:

- Wikipedia, die freie Enzyklopädie: Enzyklopädien, oder volkstümlicher: Lexika, haben meines Wissens die Aufgabe, eine ÜBERSICHT und LEICHT VERSTÄNDLICHE EINFÜHRUNG zu verschiedensten Themen zu geben. Egal, ob ich Meyers Lexikon, die Enzyklopaedia Britannica oder Wikipedia zur Hand nehme: Üblicherweise schaffe ich es mit diesen Hilfsmitteln, ein Stichwort erklärt zu bekommen, ohne mir 10 Fachbücher zu Gemüte führen zu müssen, nur damit ich die im Lexikon-Artikel verwendeten Wörter und Wortzusammenstellungen verstehen kann.....

- In der aktuellen Version ist der Artikel "Jenische Sprache" für mich punktuell historisch interessant, jedoch vermisse ich jegliche Bezüge zur aktuellen Lage und zur Selbstwahrnehmung der Jenischen in Bezug auf ihre Sprache. Der Artikel scheint von Linguisten für angehende Linguisten verfasst zu sein, das "gemeine Volk", das üblicherweise Zielpublikum eines Lexikons ist, ging schlicht vergessen. Das im Wiki-Zusammenhang gerne diskutierte "Schwarmwissen" wurde durch Fachsimpelei Einzelner ersetzt. Das kann ja wohl nicht der Sinn der Sache sein!

- "yec" ist der ISO-Sprachcode für Jenisch. Wie lautet der Sprachcode für Rotwelsch? Meines Wissens existiert er nicht! Was leite ich daraus ab: Die INTERNATIONALE Gemeinschaft setzt andere Massstäbe an "Sprache"/"Sprachen" als deutsche Linguisten. Erstere verbinden wohl ethnische Gruppen und ihre Gruppensprachen zur Festlegung, ob eine Sprache "iso-Code-würdig" ist. Wo keine Gruppe, da keine Sprache.... Die Zweiten hingegen scheinen ihrer innerdeutschen wissenschaftlichen Tradition verhaftet zu sein: Was vor Jahrhunderten wisschenschaftlich als "rotwelsch" erkannt wurde, wird unter diesem Namen weiter klassifiziert und als "Subsprache" bearbeitet, ungeachtet dessen, wie sich die Welt ausserhalb des Elfenbeinturms inzwischen veränderte.

- Ich kenne "jenische Leute" aber niemanden, der sich als "ich bein ein Rotwelscher, ein Masematter, ein..." vorstellt. Mag sein, dass die Ethnogenese des jenischen Volkes (noch) nicht vollständig abgeschlossen ist.... oder dass eine von den entsprechenden Leuten längst vollzogene Ethnogenese bisher nicht bis in den Elfenbeinturm vordrang, wohl nicht zuletzt deshalb, weil die meisten Jenischen einschlägige Erfahrungen (Nazizeit, Kinder der Landstrasse,....) haben und deshalb ihre Volkszugehörigkeit als "interne Sache" behandeln, die keinem Verhörrichter, Wissenschafter, ..... anvertraut wird. Trotzdem ist die Ethnogenese weit genug fortgeschritten, dass die Schweiz die Jenischen als kulturelle UND sprachliche Minderheit in den entsprechenden Europa-Chartas anerkannt hat. Es dünkt mich daher an der Zeit, dass deutsche Linguisten zumindest soweit ihren Horizont der Lebenswirklichkeit anpassen, dass auch sie diese Zusammenhänge nicht mehr aus öffentlichen Enzyklopädien tilgen oder soweit relativieren und verwässern, dass er für den Durchschnittsleser nicht mehr erkennbar ist.....

- Eine Synthese aus dem "alten" Artikel, dem "aktuellen" Artikel und GEMEINSAME Weiterentwicklungen daraus könnte zu einem "noch aktuelleren" Artikel führen, der das sprachhistorische Wissen der Linguisten mit dem Engagement eines Gamlos und der transnationalen Wirklichkeit der jenischen Sprache in Oesterreich, der Schweiz, Deutschland, Luxemburg, Frankreich (ich kenne in Frankreich sowohl "voyageurs" (Fahrende) als auch "Yéniches" (Jenische), jedoch keine "Daitschen", schriftliche Quelle dazu: "Les voyageurs d'Auvergne: nos familles yéniches" von Joseph Valet, Selbstverlag, o.O. o.J. ).... verbindet. Dazu braucht es aber eine Dialogbereitschaft, die ich auf dieser Diskussionsseite und bei den Erstellern des aktuellen Artikels bisher schmerzlich vermisse.

- Zu meinen aktuellen Edits: Ich habe unter "Weblinks zur jenischen Sprache" diejenigen Links gelöscht, die keinen inhaltlichen Beitrag zur jenischen Sprache beinhalten sondern "nur" jenische Seiten sind. Diese gehören, sofern Wiki-relevant, eher in den Artikel "jenisches Volk". Unter "siehe auch" habe ich gelöscht: Mattenenglisch: Diese Sprache wird nirgends als "rotwelsch" bezeichnet und hat lediglich einzelne Wörter aus dem Jenischen übernommen. Die Matte-Leute (von denen ich etliche kenne) würden sich bedanken, als "Fahrende" tituliert zu werden....: Radgenossenschaft der Landstrasse: Eine jenische Organisation in der Schweiz, weder der Wiki-Eintrag noch ihre Homepage haben konkrete Sprachbezüge, die andern jenischen Organisationen werden hier ja auch nicht gelistet; Romani: Ausser der Tatsache, dass jenische Leute in Deutschland in ihrem heutigen Jenisch vielleicht grössere Anteile an Romani-Wörtern haben als früher, gibt es keinen sichtbaren Zusammenhang zu diesem Lemma, wenn "Romani", dann müsste man auch "Deutsch", "Jiddisch", "Französisch", usw. hier verlinken; Sintitikes: dasselbe Argument nochmals.... Für mich als "nativen Sprecher" ist Gamlos Edit des "siehe auch" nachvollziehbar: "Rotwelsch" als "Über-" oder "Sammel-"Begriff der Wissenschafter soll, zumindest in sprachhistorischem Kontext, im Artikel wie auch bei "siehe unter" seinen Platz haben. Steht aber im Lemma "Bayrisch" unter siehe auch "Platt"? Ist doch beides deutsch... Steht im Lemma "Deutsch" unter siehe auch "Französisch"? Sind doch beides Sprachen.... Die Lemmas Lotegorisch, Manische Sprache, Masematte betrachte ich deshalb als analoge Sinnlosigkeiten. Sie sind ja über das Lemma "Rotwelsch" locker auffindbar und erscheinen angesichts der dortigen "siehe auch"-Liste reichlich willkürlich hier aufgeführt zu sein. Warum nicht gleich die ganze "Siehe auch" aus dem Rotwelsch-Artikel kopieren? Um der Diskussion aber nicht vorzugreifen, habe ich diese Verweise noch nicht gelöscht.

--Fäberer 01:51, 29. Aug. 2007 (CEST)Beantworten

Nachtrag beim Nachlesen, ein paar Stunden später: Zwar wird das Mattenenglisch im Wiki-Artikel "Rotwelsch" gelistet. Google findet zur Verbindung von Mattenenglisch und Rotwelsch aber wenig Erhellendes. Offenbar eine, als online lesbare Arbeit zum Thema fast alleinstehende, wissenschaftliche Quelle dazu ist bei den Germanisten der Universität Bern zu finden: "Bekannt ist auch das Mattenenglische, eine Quartier- und Geheimsprache, die im ehemaligen Unterschichtsquartier der Matte gesprochen wurde. Die einen beträchtlichen (Rotwelsch, Jenisch, frz. Fremdwörter) enthaltende Quartiersprache wurde noch mit geheimsprachlichen Elementen wie Silbenvertauschung und Vokalersatz angereichert, damit die Obrigkeit einen nicht versteht, wie das im folgenden Beispiel dokumentiert wird." [3] Was fällt mir hier auf? Ein Wissenschafter (Germanist) schreibt, dass das Mattenenglisch, Wörter aus dem Rotwelsch, Jenisch usw. enthalte. Ich leite daraus ab, dass zumindest bei den Germanisten der Universität Bern als gesetzt gilt, dass:
a) Mattenenglisch NICHT Rotwelsch ist, sondern Wörter desselben enthält
b) Mattenenglisch eine "Geheimsprache" ist
c) somit in der Betrachtungsweise DIESER Wissenschafter nicht automatisch jede "deutsche Geheimsprache" dem Rotwelschen zugerechnet wird
d) und offenbar zumindest an der Universität Bern des weitern (und aus selbigem Grund?) zwischen Jenisch und Rotwelsch differenziert wird
Gerade auch an diesem Beispiel lässt sich zeigen, dass unterschiedliche Wahrnehmungen und Klassifizierungen des Jenischen nicht "nur" eine Frage der "wissenschaftlichen Korrektheit" oder der "dummen Volksmeinung" / "selbstgerechten Selbstwahrnehmung heutiger Jenischer".... sind, sondern auch ihren Grund in "lokalen" Unterschieden wissenschaftlichen Denkens in verschiedenen deutschsprachigen Ländern haben können, Germanisten der Universität Bern das Jenische eigenständig neben dem Rotwelschen auflisten, weil für sie offenbar eine breitere (Einbezug ethnologischer Kriterien?) oder andere (?) Grundlage der Klassifzierung gilt als für deutsche Wissenschafter.
Im Disput zwischen Otfried Lieberknecht, Kiwiv und Gamlo wird der ethnologische Aspekt nullifiziert respektive gar in die "braune Ecke" gestellt. Unbesehen der Einschätzung darüber, wie fortgeschritten die Ethnogenese des jenischen Volkes aktuell sei, gilt es dabei aber meines Erachtens folgendes zu Bedenken:
a) die Klassifikation einer Sprache oder Sprachvariante als "Soziolekt" hängt damit zusammen, dass die Sprecher dieser Sprache UNBESEHEN ihrer ethnischen Abstammung im Umgang mit sozial Gleichgestellten den Soziolekt ausbilden, erlernen und anwenden.
b) der Begriff "Ethnolekt" andererseits einer sich ethnisch definierenden Gruppe zugesteht, zumindest eine eigene SprachVARIANTE zu pflegen, auch wenn dieser Gruppe der Status einer eigenen Sprache aus wissenschaftlicher Sicht (noch) nicht zugestanden wird.
c) auch die sogenannten "exakten Wissenschaften" in Vergangenheit und Gegenwart immer wieder ihr Weltbild / ihre Erkenntnisse revidier(t)en. Die unbesehene Weiterführung (ver-)alter(-ter) Theorien mag manchmal einfach bequem sein, manchesmal auch politisch und gesellschaftlich wünschbar. Im Zeichen der globalen Anforderungen an das interdisziplinäre Denken und Arbeiten gerade auch der Geisteswissenschaften dünken mich die oben angeführten Abgrenzungen der Sprachwissenschafter von den Bereichen Volkskunde, Ethnologie, Geschichte, Soziologie als überholt und höchstens Politikern dienlich, die, sagen wir mal eher behutsam an ihrem Geschichts- und Weltbild arbeiten lassen wollen.
d) Ich kann weder bei Wikipedia, noch in Print- oder Internet-Medien, noch im Gespräch mit Leuten feststellen, dass andere Gruppen der sogenannten "Rotwelsch-Varietäten" für sich einen ethnischen Status reklamieren würden oder eine Ethnogenese stattgefunden hätte oder im Gange wäre.
e) dass dieser Prozess bei den Jenischen aber schon zumindest über 100 Jahre lang im Gange ist, wird wohl von keinem der hier beteiligten Disputanten ernsthaft bestritten. Ich verzichte deshalb hier darauf, diesen Vorgang weiter zu belegen und auszuführen.
f) Folge dieser Ethnogenese ist vielleicht in Deutschland unter anderem, dass einzelne Lokalsprachen oder Rotwelsch-Varianten von den Linguisten dem Begriffsfeld "jenisch" zugerechnet werden, während gleichzeitig weder die aktuellen Träger dieser Sprachvarianten sich selbst als Jenische definieren noch die Jenischen diese Leute als Teil ihrer Gemeinschaft begreifen. Wenn dem so ist, lässt sich daraus doch höchstens ein akuter Handlungsbedarf für die Sprachwissenschafter ableiten. Es kann doch aber nicht sein, dass in einem öffentlichen Lexikon, das auch Anspruch auf Aktualität erhebt, überlebte Denkmuster als "alleinige Wahrheit" zementiert werden und nicht im Kapitel "Sprachgeschichte / Entwicklung der Sprache" abgehandelt werden. Ich kann zum aktuellen Stand des wissenschaftlichen Disputs dieses Themas in Deutschland nicht Stellung nehmen, da ich mich nicht auskenne. Mir fällt lediglich auf, dass offenbar auch an zentraler Stelle des Disputs, wie z.B. bei Klaus Siewert, eine grössere Bereitschaft zur Differenzierung zwischen Jenischen und andern "Rotwelsch-Sprechern" besteht als bei den hier mitwirkenden Fachleuten. Der Gewährsmann Adolph K. führt in Robert Schläpfers Buch "Allein auf dieser verdammten Welt" zum Beispiel explizit immer wieder aus: "Dann haben wir Jenische angetroffen" u.ä. und grenzt sich selbst, den man in Deutschland auf Grund seiner sozialen Abstammung wohl als "nativen Rotwelschsprecher" bezeichnen würde, deutlich von "den Jenischen" ab. Das "Jenische Wörterbuch" wurde von H.J. Roth zu Ende geführt im Rahmen eines schweizerischen Nationalfonds-Projektes von Dr. Robert Schläpfer. Diese beiden Bücher sind die Veröffentlichungen dieses Projektes und deshalb in engem Kontext zu lesen. Wenn der mittlerweile verstorbene Gewährsmann aus seiner Kindheit erzählt, sind wir in der Zeit um 1920. Ohne jetzt hier die ethnologischen Aspekte detailliert abarbeiten zu wollen (womit ich dann wieder auf den Artikel "jenisches Volk" verwiesen würde), möchte ich mit diesem Beispiel lediglich darauf hinweisen, dass "jenisch" sowohl in den Augen des Gewährsmanns als auch seiner wissenschaftlichen Verarbeiter als Sprache oder zumindest als Ethnolekt behandelt wird. Die unbesehene und unkommentierte Zusammenfassung oder gar Vermischung des Ethnolekts mit diversen Soziolekten unter dem Titel "Rotwelsch" wird vor diesem Hintergrund m.E. immer problematischer. Alleine die Tatsache, dass es Gemeinsamkeiten im Wortschatz und der SprachGESCHICHTE gibt, kann nicht für das Festhalten an dieser Klassifizierung herhalten, ansonsten man zumindest wohl auch das Jiddisch, wenn nicht gar die deutsche Sprache, die ja auch eine nicht unerhebliche Gemeinsamkeit im aktuellen Wortschaft aufweist, zu Rotwelsch-Varietäten erklären müsste. Die Linguistik leistet sicher wertvolle Arbeit, wenn es um die Geschichte der Sprachen geht. Sie kann sich aber nicht als alleinige Besitzerin der Sprachen begreifen. Die aktiven Sprecher eilen wohl der Wissenschaft voraus, die ja immer erst abbilden kann, was schon existiert. Dass sich die Rotwelsch-Sprecher in den letzten 200 Jahren veränderten und zum Teil in der Mehrheitsgesellschaft auch sprachlich vollständig integrierten ist wohl unbestritten. Nicht zuletzt deshalb suchen ja die Leute von der Sondersprachen-Forschung immer wieder die letzten Überlebenden einer eigentümlichen Sprachvarietät. Dass sich das Jenische, wenn es nicht schon länger ein Ethnolekt ist, was ich nicht untersuchen kann, da ich weder Soziologe noch Linguist oder Ethnologe bin, zumindest in diesem Zeitraum parallel zum Aussterben anderer Rotwelsch-Varianten vom Soziolekt zum Ethnolekt wandelte, scheint mir offenkundig.
g) Als letztes Argument füge ich meine eigene Wenigkeit bei: Genauso wie z.B. die ohne Probleme öffentlich wahrnehmbaren Personen jenischen Kulturlebens (z.B. Mariella Mehr, Simone Schönett, Walter Wegmüller, um nur ein paar Beispiele zu nennen) bediene ich mich meiner eigenen Sprache, des Jenischen, im Kontakt mit meiner Verwandtschaft und meinem kulturellen jenischen Umfeld. Wir haben unterschiedlichste berufliche Werdegänge und soziale Lebenswirklichkeiten. Ob Scherenschleifer im Wohnwagen, Gelegenheitsarbeiter im städtischen Unterschicht-Milieu oder gar akademischer Würdenträger wie Prof. Roger Sablonier an der Universität Zürich: das Gemeinsame ist nicht die soziale Stellung, sondern die verwandtschaftliche, somit ethnologische, Bindung und die IN DIESEM ZUSAMMENHANG gepflegte jenische Sprache, was sie somit m.E. deutlich von Soziolekten und Rotwelsch-Varietäten abgrenzt, die sich in sozialen / beruflichen Umfeldern entwickeln und tradieren und (siehe die Aufrufe zum Sammeln der Sprachbelege) zusammen mit dem Verschwinden von Berufen wie Korbmacher auch wieder aussterben. Davon ist das Jenische weit entfernt. Im Gegenteil, es entwickelt sich weiter und hat inzwischen auch so moderne Errungenschaften wie das Handy oder die Kaffeemaschine (siehe Sprachbeispiele im Artikel!) integriert.
So, nun muss ich zurück zu meinem Broterwerb und hoffe, den Aktiven hier ein paar Impulse gegeben zu haben. --Fäberer 10:11, 29. Aug. 2007 (CEST)Beantworten
Waere schoen, wenn Du trotz allem weiter mitwirken koenntest. Ich kann im Augenblick nur auf Deinen ersten Beitrag antworten, noch ohne Beruecksichtigung Deines Nachtrags:
  • Verstaendlichkeit: Volle Zustimmung, dass der Artikel gemeinverstaendlicher werden muss. Ich bin erst einmal froh, dass Kiwiv seine Expertise einbringt, Formulierungen kann man immer noch aendern u. Erlaeuterungen einfuegen.
  • Selbstwahrnehmung der Jenischen in Bezug auf ihre Sprache: das gehoert, wie allgemein die gesellschaftliche Sicht des Themas, zum Gegenstandsbereich des Artikels, soweit es sich wirklich auf die Sprache bezieht, und ist gegen Ende des Abschnitts "Sprachbezeichnung, Sprachgeschichte" auch bereits angesprochen, sollte aber in der Darstellung (u. Gliederung) tatsaechlich noch verbessert werden.
  • YEC, Rotwelsch u. Ethnogenese: Die Zuweisung eines ISO-Codes u. sonstige Tendenzen oder Resultate gesellschaftlicher Anerkennung sind fuer die sprachwissenschaftliche Behandlung -- und das keineswegs nur in Deutschland -- in der Tat vollkommen unerheblich, soweit sie nicht bereits auf die Sprache selbst zurueckwirken. Die Aussage "Wo keine Gruppe, da keine Sprache..." ist genau so richtig wie falsch, denn gerade die Anerkennung und Promotion von Sprachen wird oft genug genau zu dem Zweck betrieben, um da, wo de facto keine Gruppe ist -- d.h. keine Gruppe mehr ist, oder viele isolierte Gruppen sind --, eine sich als solche identifizierende Gruppe ueberhaupt erst zu konstituieren. Sprachprogrammatik gehoert dazu, und wo sie in Bezug auf Jenisches existiert, ist sie einzubeziehen, aber die deskriptive und die normative Perspektive sind deshalb noch nicht zu vermengen: Die Sprache, ihre Geschichte und ihr Istzustand sind hier das Thema und auf dem Stand der dafuer zustaendigen Forschung -- eben der Sprachwissenschaft -- darzustellen, der Sollzustand dieser Sprache, soweit er von relevanten Instanzen propagiert wird, ist ebenfalls einzubeziehen, aber er ist nicht als Istzustand und sogar als historisch jahrhundertealte Tatsache auszugeben, sofern dafuer keine sprachwissenschaftliche Bestaetigung vorliegt. Richtig ist, dass die Rotwelschforschung bislang, bedingt auch durch die Quellensammlung Kluges und das Woerterbuch Wolfs, vorwiegend auf dias historische Rotwelsch bis zum Beginn des 20. Jh. fokussiert war. Auch neuere, besonders von Siewert ausgehende Arbeiten haben den Schwerpunkt in der Sicherung und Erschliessung der Restbestaende untergehender Dialekte, fuer die kaum noch lebende Sprecher oder gar intakte Sprachgemeinschaften aufzuspueren sind. Wenn solche Gemeinschaften trotzdem noch existieren oder im Zuge der vielbeschworenen Ethnogenese wieder entstehen und ihre Sprache auch sprachwissenschaftlich beschrieben ist, wird sie hier darzustellen sein, vorher aber nicht.
  • Dialogbereitschaft: dass sie auf dieser Diskussionsseite bei Kiwiv und mir nicht anzutreffen sei, kann nicht Dein Ernst sein.
  • Weblinks und "Siehe auch": ich halte das vorlaeufig fuer nachrangig gegenueber der Frage, wie der Gegenstand des Artikels ueberhaupt einzugrenzen und darzustellen ist.--Otfried Lieberknecht 12:33, 29. Aug. 2007 (CEST)Beantworten

Also, das folgende war in Arbeit und wurde abgeschlossen erst nachdem ein paar weitere Beiträge hier anlandeten. Es wurde hervorgerufen durch die m. E. ein bißchen überfallmäßige Bearbeitung der laufenden Fassung. Ich war im übrigen gerade dabei zur Frage Rotwelsch/Jenisch zu exzerpieren, frage mich jetzt, wen das über Otfried hinaus noch wirklich interessiert. Die folgenden Anmerkungen beziehen sich auf den Stand, bevor Fäberer zum erneuten Broterwerb überging (wie ich hoffe mit Lust und Laune!!!). Deshalb mache ich es mal auch so (s. u.) und quetsche meine Reaktion dazwischen.

’’Lexika, haben meines Wissens die Aufgabe, eine ÜBERSICHT und LEICHT VERSTÄNDLICHE EINFÜHRUNG zu verschiedensten Themen zu geben. Egal, ob ich Meyers Lexikon, die Enzyklopaedia Britannica oder Wikipedia zur Hand nehme: Üblicherweise schaffe ich es mit diesen Hilfsmitteln, ein Stichwort erklärt zu bekommen, ohne mir 10 Fachbücher zu Gemüte führen zu müssen, nur damit ich die im Lexikon-Artikel verwendeten Wörter und Wortzusammenstellungen verstehen kann.’’

Nicht der Leser des Artikels muß Fachbücher lesen – das will er ja gerade vermeiden. Aber er sollte doch das Ergebnis der Lektüre von Fachbüchern zur Verfügung haben, was leider ohne die Verwendung von Fachbegriffen nicht geht: weil man aus dem hohlen Bauch und unter Verzicht auf Fachliches fachlich verantwortbare seriöse Aussagen nicht zuwege bringt. Eine ganz andere Frage ist die nach der Lesbarkeit und nach der Verständlichkeit eines Textes. Die ist, bis nun Fäberer kam, an keiner Stelle dieser ja schon ewig langen Diskussion beklagt worden. Daß man zehn Fachbücher zum Verständnis des neuen Artikels – im Gegensatz zum alten – benötige, ist eine maßlose Übertreibung. Es ist Unsinn, den Artikel als Text von Linguisten für Linguisten darzustellen.

Fäberers pauschale Abwertung wissenschaftlicher Anstrengungen und seine Verherrlichung des hohlen Bauchs sind eine schlechte Voraussetzung für brauchbare Aussagen. Eine Sprache spricht jeder, daraus ergeben sich wie jedermann bekannt nicht sozusagen naturwüchsig besondere Kompetenzen bei der Sprachbetrachtung. So wie sich aus dem ISO-Sprachcode keine Erkenntnisse für die konkrete Sprachanalyse ergeben. Es handelt sich um eine vor allem sprachpolitisch motivierte Kodifizierung. Insofern für eine um Anerkennung ringende Gruppe sicher wichtig, sich auf diesem Feld insoweit durchgesetzt zu haben, dieser Erfolg wird hier aber nicht Maßgabe der Arbeit am Thema sein können.

’’Eine Synthese aus dem "alten" Artikel, dem "aktuellen" Artikel und GEMEINSAME Weiterentwicklungen daraus könnte zu einem "noch aktuelleren" Artikel führen, der das sprachhistorische Wissen der Linguisten mit dem Engagement eines Gamlos und der transnationalen Wirklichkeit der jenischen Sprache in Oesterreich, der Schweiz, Deutschland, Luxemburg, Frankreich.’’

Was nun auch immer von einer Ethnogenese des „jenischen Volkes“ zu halten ist, Aussagen dazu gehörten in den Artikel „Jenische“. Mir ist ein solches in den Quellen übrigens zumindest bis ans Ende des 18. Jahrhunderts noch nicht begegnet, es scheint doch sehr eine jüngere Erfindung zu sein. Wikipedia ist eine Enzyklopädie und kein Heimwerkerkeller für Ethnienbastler oder ein Marktplatz, auf dem das Hobbywerk der Öffentlichkeit vorzustellen wäre. Es kann also auch gar nicht darum gehen, zu einer Synthese von „Engagement“ mit dem „Wissen der Linguisten“ zu kommen, sondern nur darum richtige Aussagen zu treffen und keine falschen. Die Vertreter eines im europäischen Raum aufhältlichen „Volks“ mögen sich und ihr Idiom von den Eskimos und von Manitou ableiten: das kann man alles behaupten, nur hier ist nicht der Ort dafür.

’’ ... ich kenne in Frankreich sowohl "voyageurs" (Fahrende) als auch "Yéniches" (Jenische), jedoch keine "Daitschen", schriftliche Quelle dazu: "Les voyageurs d'Auvergne: nos familles yéniches" von Joseph Valet, Selbstverlag, o.O. o.J. ).... verbindet.’’

Es ist in Selbstverlagen ja schon viel erschienen. Für mich steht die Aussage von Joseph Valet (die ich in ihrem Kontext leider nicht übersehe) nicht über, sondern neben einer Aussage, die ein französischer Jenischer mir mitteilte: „Le Taïtch parlé par les Yeniches ayant quitté l'Alsace ( beaucoup d'alsacien et de patois rhénan déformé et une bonne quantité de mots manouche et des mots typiquement Yeniche , c'est la langue parlé dans ma famille ).“

Zu den von Fäberer vorgenommenen Streichungen und Säuberungen:

Zum Eingangsabschnitt: der alte Text enthielt die bei der Konstruktion einer Ethnie sicher wichtigen Schlüsselbegriffe „Muttersprache“ und „jenisches Volk“. Hier ist aber nicht der Ort der Konstruktion, die entsprechenden Aussagen gehören also nicht hierhin. Daß Linguisten Jenische beleidigen würden, wenn sie von Jenisch als von einer Geheimsprache oder einer Varietät des Deutschen sprechen, mag im Einzelfall aus jenischer Sicht einmal so sein. Persönliche Befindlichkeiten und – offen gesagt – Überempfindlichkeiten sollten aber hier nicht eingebracht werden. Kurz und gut, der Abschnitt enthielt Umstrittenes und Subjektives, das da nicht hinpaßte. Er enthält ferner eine Hypothese zum Entstehungsraum des „Jenischen“ (Frankreich, deutschsprachiges Europa), die wenn überhaupt weiter unten am Platz wäre („Sprachgeschichte“). Also zurück zur neuen Fassung.

Auf Grund der gerade auch von Fäberer benannten Nachbarschaft zu „Jenisch“ und „Rotwelsch“ gehört der Verweis auf „Mattenenglisch“ unbedingt in den Artikel, der (in noch zu klärender Weise und hoffentlicher besser als in der bisherigen vagen Form) auf das Verhältnis Rotwelsch – lokale jenische/rotwelsche Dialekte mit anderen Sprachnamen – Jenisch eingehen wird. Die Seite der „Radgenossenschaft der Landstraße“ bietet tatsächlich wenig zur Sprache. Da sie bereits unter „Jenische“ zu finden ist, kann sie wie die anderen Interessenorganisationen Jenischer dort hier also gestrichen werden. Anders verhält es sich mit http://www.jenische-welt.info/41127.html und http://membres.lycos.fr/yeniche/les_yeniches_en_europe.htm, die dort („Jenische“) zwar besser hinpassen, aber leider fehlen, so daß ich sie dort hinzusetzte.

Ebenfalls notwendig ist der von Fäberer entfernte Hinweis auf http://www.jenisch.name/uebersicht.htm, auch wenn der jenische Verfasser der Dogmatik von Fäberer nicht folgt, wenn auf dieser Seite z. B. zu lesen ist: „Die Hausierer, Kesselflicker, Scherenschleifer, Bürstenmacher, Schrotthändler, Schausteller und Artisten verständigten sich untereinander in einer Geheimsprache. Jenisch, was so viel wie klug, gescheit bedeutet, bot ihnen Schutz vor den «Gatschis», den Sesshaften. Im westfälischen Münster kennt man dieses Idiom unter der Bezeichnung «Masematte», im hessischen Gießen als das «Manische».“

Zu den Punkten a) bis g): eine Beschreibung der Arbeit am Mythos von einem jenischen „Volk“ und an einer jenischen „Sprache“, dem in diesem Fall Linguisten in die Quere kämen, insofern interessant. Zugehörig zu diesem „Volk“: wer die ungeschriebene Gründungserklärung, deren genauerer Inhalt nur Eingeweihten wie Fäberer bekannt ist, unterschrieben hat und also dann mit im Verein ist. Bemerkenswert, in welcher Offenheit und Klarheit Fäberer bekundet, an diesem Mythos (als an einem neuen statt „überlebten Denkmuster“, nur sarkastisch gesprochen leider in den Kategorien des deutschsprachigen 19. Jahrhunderts) zu stricken und zu diesem Zweck auch diese Enzyklopädie einspannen zu wollen.

Dazwischengequetscht, dieser Beitrag, wie gesagt, so daß der Leser den nachfolgenden Beitrag nicht auf diesen, sondern auf die letzten von Fäberer und Otfried Lieberknecht beziehen muß.--Kiwiv 15:30, 29. Aug. 2007 (CEST)Beantworten


(Du bist zu schnell fuer mich, ich quetsche deshalb meine Antwort auf Deinen obigen Nachtrag vor Deinen Folgebeitrag)
  • Dass jede "deutsche Geheimsprache" als Rotwelsch einzustufen sei, ist weder sprachwissenschaftliches Verstaendnis des Begriffs, noch hat es hier jemand behauptet. Mattenenglisch weist Wortgut u. weitere Merkmale (z.B. charakteristische Wortbildungstypen) des historischen Rotwelsch auf, aber auch anderweitig nicht dokumentierte, lokale Besonderheiten (wie vermutlich jeder ortsgebundene Rotwelschdialekt) und gilt in der Sprachwissenschaft deshalb m.W. als Rotwelschdialekt. Der Text von Siebenhaar, der an der fraglichen Stelle leider im Satz unvollstaendig ist, bezieht sich mit dem Ausdruck "Rotwelsch" offenbar in diesem Sinn auf die Anteile aus anderweitig bekanntem Rotwelsch, wie er hingegen dieses von "Jenisch" unterscheidet, ist dem Text nicht zu entnehmen, er kann sich aber jedenfalls (falls er halbwegs stringent formuliert) nicht auf juengeres "Jenisch" beziehen, da er entlehntes Wortgut in jener ausdruecklich vergangenen Periode meint, in der Mattenenglisch ueberhaupt noch als "Quartiersprache" in Gebrauch war. Aus einer solchen isolierten Bemerkung sind im uebrigen keine fundamentale Unterschiede zwischen Berner oder Schweizer und deutscher Sprachwissenschaft abzuleiten.
  • Im Disput zwischen Otfried Lieberknecht, Kiwiv und Gamlo wird der ethnologische Aspekt nullifiziert respektive gar in die "braune Ecke" gestellt: zu letzterem moechte ich mich nicht mehr aeussern muessen, so lange ich nicht erneut -- wie verschiedentlich in der Diskussion des Artikels "Jenische" -- selbst in diese Ecke gestellt werde, und so lange mir nicht noch einmal vorgeworfen wird, perverserweise ein ideologisches Konstrukt abzulehnen, in dessen Namen Jenische verfolgt und ermordet wurden.
  • Deinen Ausfuehrungen zum Verhaeltnis von Soziolekt und Ethnolekt kann ich folgen, aber ich kann nicht nachvollziehen, weshalb die Aussagen von Rohrs Gewaehrsmann belegen, dass dieser "Jenische" eher ethnisch als sozial definiert: nach dem, was Du anfuehrst, ist das moeglich, aber noch nicht ersichtlich. Die Bestimmung von Rotwelsch als Soziolekt besagt im uebrigen aber noch nicht, dass Verwandtschaftsbeziehungen der Sprechergemeinschaften keine Rolle spielten, sondern hebt darauf ab, dass die sprachliche Distinktion einer sozialen Distinktion (und sozial begruendeten Gebrauchsfunktion) entspricht und durch diese wesentlich bedingt ist. Es handelt sich bei Rotwelsch in vielen Faellen nicht um einen transitorischen Soziolekt wie etwa die Burschensprache, sondern um Soziolekte, die (auch) von Familienverbaenden u. dann oft ueber mehrere Generationen getragen wurden und trotz sozialer, durch Sesshhaftwerdung oder Industrialisierung bedingter Umbrueche weitergesprochen wurden, das ist wichtig, aber macht sie noch nicht unbedingt zu einem Ethnolekt. Ich selbst habe da fuer mich noch Klaerungsbedarf, ob und inwiefern der Begriff Etholekt fuer Rotwelsch und/oder Jenisch Anwendung finden kann u. in der Sprachwissenschaft eventuell schon Anwendung findet, bisher habe ich dazu nichts brauchbares gefunden.
  • Dass die Sprecher der Sprachwissenschaft "vorauseilen", ist unbedingt richtig, es gilt fuer jede Sprache, und ich habe kein Problem damit, wenn der Stand der sprachwissenschaftlichen Forschung im Artikel als Rueckstand beschrieben wird, zumal man sich dafuer m.W. auch auf Aussagen von Autoren wie Siewert und Efing beziehen kann. Es muss halt nur deutlich bleiben, was schon als gesichert und was erst noch als erforschugnsbeduerftig gelten kann. --Otfried Lieberknecht 14:47, 29. Aug. 2007 (CEST)Beantworten

Statt Brotzeit Schreibzeit: Ich habe soeben einen zaghaften Versuch unternommen, dem Artikel ein zumindest für meinesgleichen verständlicheres Gesicht zu geben.

Hallo Otfried. Die Aussage "Wo keine Gruppe, da keine Sprache..." bezog ich auf das Wirken der ISO-Kommission, in der Annahme, dass kein "Rotwelsch"-Code besteht, weil für die Kommission keine aktuelle "Rotwelsch-Gruppe" sichtbar ist.

Ist- und Soll-Zustand, isolierte Gruppen: Ich betrachte Deine verständlichen Überlegungen als "deutsche Perspektive". In der Schweiz gehen die amtlichen Schätzungen ja von 35'000 Jenischen aus, von denen 3-5'000 sogenannt "traditionell lebende Fahrende" sind. Auch wenn nicht jeder der 35'000 sich aktiv am jenischen kulturellen Leben beteiligt, kann doch zusammengefasst werden, dass es zweifellos die 5'000 andern tun und mit ihnen eine nicht genau bezifferbare Gruppe sogenannt "nicht traditionell lebender Fahrender". Ich schätze, dass nach meiner Beobachtung jeder der 5'000 zumindest zu drei andern Jenischen aktiven Kontakt pflegt und gehe deshalb davon aus, dass wohl um die 15'000 Jenische in der Schweiz ein jenisches Selbstverständnis pflegen, das mit unterschiedlich grosser aktiver Sprachkompetenz verknüpft ist. Im um doch etliches grösseren Deutschland sind die Zahlen entsprechend ebenfalls grösser. Die jenischen Vereine rechnen in Deutschland mit einer "jenischen Bevölkerung" (analog der schweizer Rechnung) von über 400'000 Menschen. Zwar ist das öffentliche Auftreten jenischer Vereine in Deutschland sehr neu und deshalb auch noch klein. Im privaten Rahmen aber ist das "jenische Glaubensbekenntnis" ebenso deutlich zu vernehmen wie in der Schweiz. Wenn ich nun für Deutschland meine obige Rechnung übertrage, komme ich auf rund 170'000 "aktive Jenische". Klar wird angesichts der Grösse Deutschlands diese Zahl als "versprengte isolierte Gruppen" wahrgenommen. Nichtsdestotrotz kann ich auch als "nicht fahrender Jenischer" mich aber in diesem sozialen Netz bewegen und mit 1-2 Telefonaten Kontakt knüpfen zu Jenischen in Hamburg, Berlin, wo auch immer... SO gesehen, vollziehen die aufkeimenden jenischen Vereine nur öffentlich wahrnehmbar nach, was im Sozialleben der Jenischen schon längst Alltag ist.

Dialog-Bereitschaft: Nun, auch hier spielen wohl "Mentalitätsunterschiede" Schweiz-Deutschland mit. Ich sehe durchaus, dass Ihr hier mit in Deutschland üblicheren, in der Schweiz weniger gewohnten "harten Bandagen" diskutiert. Trotzdem vermisse ich "auf beiden Seiten" (Gamlo versus Lieberknecht/Kiwiw, wenn ich die Positionen mal so zusammenfassen darf) eine Veränderung der Meinungen im Diskussionsverlauf. Ich bin mir gewohnt, dass sowohl mein Gegenüber wie auch ich nicht nur zuhören und das Gehörte mit Gegendarstellungen abtun, sondern die eigene Position am Gehörten prüfe und revidiere. Davon merke ich hier in letzter Zeit für meinen Geschmack ZU wenig. Vielmehr wurde mit dem "ausgelagerten Vorbereiten eines neuen Artikels" versucht, vollendete Tatsachen zu schaffen und die bisherigen Mitwirkenden kaltzustellen. Allerdings bin ich gerade angesichts der eingebrachten Version umso überzeugter, dass es für die öffentliche Wikipedia "Fussvolk" braucht, das mithilft, das Fach-Chinesisch in Grenzen zu halten. Dass ich in Deiner Antwort diesbezüglich Verständnis finde, freut mich natürlich. --Fäberer 13:28, 29. Aug. 2007 (CEST)Beantworten



Ich gebe meinen Senf zu obigen Einschüben in der Reihenfolge der Einschübe und möchte insofern "wertungsfrei" verstanden werden.

m. E. ein bißchen überfallmäßige Bearbeitung der laufenden Fassung: Ein Überfall war allenfalls die Aktion vom 24.8., als ein seit Mai 2003 unter Mitwirkung einer Vielzahl Wikipedianer gewachsener Artikel in einem Handstreich durch die Version eines einzelnen "Newcomers" (registriert seit 25.7.07) ersetzt wurde, ohne dass das eingebrachte "Schwarmwissen" auch nur noch in einer Fussnote erkennbar geblieben wäre. So funktioniert Wikipedia normalerweise nur in härtest umstrittenen Themen, wo Moderatoren Editwars mit Sperren bekämpfen. Die Version von heute vormittag war hingegen der friedliche Versuch, einer gemeinsamen Zukunft erste, verbesserungsfähige Impulse zu geben. Ich werde diesen Versuch noch einmal starten und hoffe darauf, dass eine konstruktive (Zusammen-)Arbeit doch noch möglich werde.

exzerpieren: Schön, dass Kiwiv exzerpieren kann. Dass allerdings ein paar, im Vergleich zu seiner "Artikel-Revolution" vom 24.8. geradezu lächerlich geringfügige Änderungen seines Artikels (wir arbeiten hier in Wikipedia und niemand kann seinen Artikel in Stein meisseln...) ihn dermassen aus der Bahn werfen, dass er am Sinn seines Tuns zweifelt, lässt vielleicht darauf schliessen, dass er eine noch grössere Mimose ist als ich. Es hat aber mit real existierendem Interesse am Ergebnis seiner Arbeit nicht das geringste zu tun, wenn andere Wiki-User gleichzeitig auch denken.....

was leider ohne die Verwendung von Fachbegriffen nicht geht: nicht die Verwendung von Fachbegriffen schlechthin steht in Frage, sondern die Allgemeinverständlichkeit von akademischem Text mit nicht-akademischem Zielpublikum. Dass Sprache und Sprachgeschichte auch anders "besprochen" werden kann als mit möglichst komplexen Anhäufungen von Fremdwörtern und Fachbegriffen, zeigt z.B. ein kurzer Querblick auf Deutsche Sprache, hier insbesonder auch der Abschnitt Geschichte.

weil man aus dem hohlen Bauch und unter Verzicht auf Fachliches fachlich verantwortbare seriöse Aussagen nicht zuwege bringt: Das ist eine Verdrehung meines Diskussionsansatzes. Nicht den INHALT, die FORM habe ich hier in Frage gestellt.

Die ist, bis nun Fäberer kam, an keiner Stelle dieser ja schon ewig langen Diskussion beklagt worden : Wieviele Leser wohl überhaupt den Artikel jenische Sprache täglich zu Gesicht bekommen, wäre schon die erste Frage. Doch ein Durchschnitts-User klickt doch von einer Seite, deren Text er mangelhaft versteht, gleich wieder weg, ohne die "Diskussionsseite" auch nur mit dem Mauszeiger zu berühren. Der von mir kritisierte Artikel-Text ist nun mal eben 3 Tage alt. Wie viele oder wenige haben ihn überhaupt besucht in dieser Zeit? Wundert es da jemanden, dass aussenstehende Kommentatoren sich noch nicht zu Wort meldeten? Die beklagt lange Vordiskussion findet ja in einem sehr geschlossenen Zirkel statt, der offenbar auf allen Seiten dieses Sprachgebahren gewohnt und mächtig ist.

seine Verherrlichung des hohlen Bauchs oder Kiwivs Verherrlichung herrschaftlich abgehobener Ansichten? Dies ist nicht mein Diskussionsniveau. Statt "aus dem hohlen Bauch" im Artikel herum zu wüten, habe ich hier ein paar inhaltliche Fragen gestellt und verbitte mir solche Verbalinjurien.

Was nun auch immer von einer Ethnogenese des „jenischen Volkes“ zu halten ist, Aussagen dazu gehörten in den Artikel „Jenische“: Der Artikel "jenische Sprache" macht in keiner seiner jüngsten Versionen diesbezügliche Aussagen. Jedoch ergibt sich eine lexikalische Relevanz daraus, dass es zwischen einer Ethnologischen Gruppe und ihrer Gruppensprache zwangsläufig Korrelationen gibt, die sie von andern Gruppensprachen, Soziolekten usw. unterscheidbar macht, wenn nicht primär im Wortschatz oder der Satzbildung, sodoch sicher in der Art der Sprachpflege und dem (zeitlichen, räumlichen, personenbezogenen) Kontext des Sprachgebrauchs.

Mir ist ein solches in den Quellen übrigens zumindest bis ans Ende des 18. Jahrhunderts noch nicht begegnet, es scheint doch sehr eine jüngere Erfindung zu sein. Seit spätestens der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, angefangen insbesondere bei den psychiatrischen und eugenischen Schriften von Josef Jörger et al. füllen wissenschaftliche Schriften, in denen mit grösster Selbstverständlichkeit der Ausdruck "jenisches Volk" verwendet wird, Bibliotheken. Dass also spätestens zu diesem Zeitpunkt eine Ethnogenese bereits im Gang gewesen sein muss, ist offenkundig, da die Autoren ja eher nicht dazu neigten, diesen Prozess selbst auszulösen oder herbeizuschreiben. Ich sage jetzt mal: Rund 200 Jahre dokumentierter Ethnogenese dürften lange genug sein, um auch in Wikipedia ihren Niederschlag zu finden.

Es kann also auch gar nicht darum gehen, zu einer Synthese von „Engagement“ mit dem „Wissen der Linguisten“ zu kommen, sondern nur darum richtige Aussagen zu treffen und keine falschen : Hier hat der Autor der Zeilen wohl den Unterschied zwischen Wikipedia und einem Forschungsauftrag nicht präsent. Richtige Aussagen rekrutieren sich nicht nur aus mittelalterlichen Bibliotheken sondern auch aus zeitgenössischem "Wahr-Nehmen". Wielange schon z.B. Jenische in der Auvergne leben und woher sie kamen, mag den Artikel "Jenisches Volk" berühren. Dass diese Leute ihre jenische Sprache in einer französischen Umgebung und daher französich beeinflusst pflegen und weiterentwickeln, ist kein Ergebnis einer Kellerbastelei, sondern eine Tatsache, die offenbar bislang nicht in den Fokus deutsch-orientierter Sondersprachenforscher geriet. Da diese Leute aber sich nicht nur selbst als Yéniches bezeichnen sondern auch in direktem Kulturaustausch mit deutschsprachigen Jenischen stehen, hat diese Erkenntnis direkten Einfluss auf die zeitgenössischen Teile des Artikels.

Es ist in Selbstverlagen ja schon viel erschienen.... : Mit der Aussage "Le Taïtch parlé par les Yeniches ayant quitté l'Alsace" grenzt sich der Briefschreiber von andern Yéniches in Frankreich ab. et des mots typiquement Yeniche , c'est la langue parlé dans ma famille: Der Autor erhebt offensichtlich keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit, sondern beschreibt seine Familiensprache. Im übrigen bezeichnet er seine Familiensprache als Gemisch aus Deutsch der Jenischen aus dem Elsass mit..... und (sic!) typisch jenischen Wörtern. Ohne zu wissen, ob diese Passage nicht ein Antwort auf eine allgemeine Frage nach seinen Sprachkenntnissen oder gar seinen Deutschkenntnissen war, kann man daraus durchaus ableiten, dass dieser Mann ein jenisches Selbstverständnis hat und Kenntnisse jenischer Wörter hat. Daraus nun ableiten zu wollen, dass die französischen Einflüsse in die jenischen Dialekte Frankreichs keinen Platz im Artikel jenische Sprache hätten, ist aber geradezu absurd, da der Mann ja mit der Aussage "de patois rhénan déformé" genau das dokumentiert, dass das Jenische in Frankreich starke französischstämmige Einflüsse hat!

Zum Eingangsabschnitt : Hier ist aber nicht der Ort der Konstruktion : Das ist auch gar nicht nötig, da diese "Konstruktion" ja längst stattfand.... datieren wir sie doch der Einfachheit halber (s.o.) mal ins 19. Jahrhundert, das ich hier als den kleinsten gemeinsamen Nenner betrachte. In der Zwischenzeit war das jenische Volk konstruiert genug, um ganz dekonstruvistisch in KZs zu landen oder von eugenischen "Programmen" zwecks "Umerziehung" behandelt zu werden. Die Kontinuität des "Konstrukts jenisches Volk" reicht von den ersten psychiatrischen "Familien-Fallsammlungen" mit umfangreichen Stammbäumen über die sozialhygienischen und fürsorgewissenschaftlichen Schriften des beginnenden 20. Jhdt. bis zu den Historiker-Arbeiten des ausgehenden 20. Jhdt. (Universität Zürich, Sablonier, Wolfensberger, Meier et al.; "Bergier-Kommission": Veröffentlichungen der UEK, Band 23, Roma, Sinti und Jenische. Schweizerische Zigeunerpolitik zur Zeit des Nationalsozialismus. Beitrag zur Forschung. Thomas Huonker, Regula Ludi; Historikerkommission der Republik Österreich [4]. Da Wikipedia eine Enzyklopädie ist und eben nicht ein linguistisches Fachbuch, kann auch ein Artikel über eine Sprache nicht auf die reine linguistische Ebene reduziert werden sondern hat der ganzen Bandbreite der Wahrnehmung einer Sprache Platz zu bieten, da ja auch auf wissenschaftlicher Ebene nicht nur Linguisten sondern eben auch Ethnologen, Soziologen, Historiker, Volkskundler, usw. ihre jeweils fachspezifischen Aspekte und Betrachtungsweisen einer Sprache und ihrer Sprecher entwickeln und publizieren und überdies die "nativen Sprecher" wiederum unter Umständen divergierende Wahrnehmungen entwickeln, deren Wahrheit vielleicht öfters different, jedoch nicht per se inexistent ist.

Persönliche Befindlichkeiten und – offen gesagt – Überempfindlichkeiten bringt hier m.E. vor allem der Verfasser selbst ein. Doch der von Kiwiv Verdächtigte ist es nicht, der die "Urversion der Linguisten-Beleidigung" einbrachte....: Version vom 16:24, 9. Mai 2005 (bearbeiten) (rückgängig) 84.73.6.250 Seither erfuhr die Seite etliche Änderungen durch verschiedenste Teilnehmer, die z.T. als Jenische verifiziert oder vermutet werden können, z.T. aber auch sich aus ganz andern Wiki-User-Kreisen rekrutieren. Dass aus genannter "Urversion" vom 9.5.05 die Version "bis 19.8.07" des Zitates wurde, spiegelt doch nur, dass diese Einschätzung nicht die Meinung eines Einzelnen ist. Im Gegenteil wurde ja auch an der Formulierung dieses Satzes solange gefeilt, bis er die Eigenart der üblichen Wikipediadarstellungen erreichte, ohne an verifizierbarem Wahrheitsgehalt zu verlieren. Dass viele Jenische die Qualifizierung ihres Idioms als Geheimsprache empfinden, ist als Feststellung in einem Wiki-Artikel keine Beleidigung der Linguisten sondern eine Abbildung des Empfindens dieser Menschen.

Die Formulierung Das Jenische ist eine im deutschsprachigen Raum und Frankreich entstandene... ist tatsächlich etwas unglücklich und verbesserungsbedürftig. Nichtsdestotrotz sind die ausserdeutschen Belege jenischen Lebens und jenischer Sprache nicht nullifizierbar und ein wichtiger Hinweis darauf, dass im deutschsprachigen Forschungsraum (inklusive der Schweiz!) hier einmal mehr (wie auch in vielen andern Bereichen) eine Selbstgenügsamkeit vorherrscht, die z.B. die frankophone Welt, ob akademisch oder nicht, kaum in ihre germanozentristischen Überlegungen einbezieht. Auch wenn der Fokus auf lokale Jenisch-Varianten vom Hunsrück zum Schwarzwald das kaum zulässt, wäre es trotzdem eine unhaltbare Simplifizierung, wenn die realexistierenden Jenisch-Varianten in nicht-deutschsprachigen Räumen aus der lexikalischen Darstellung ausgeblendet würden.

„Mattenenglisch“ unbedingt in den Artikel : Solange die hier in Aussicht gestellte vergleichende Darstellung der Zusammenhänge nicht real existiert, erscheint das "siehe auch" weiterhin zufällig gewählt zu sein. Wieso nicht Buttjersprache oder Schlausmen? Zudem erscheint es mir angesichts der Tatsache, dass es in Wikipedia nebst dem Artikel Rotwelsch eben auch verschiedene Einzelartikel zu rotwelschen Dialekten / Varietäten gibt (um mal die Klassifizierung der deutschen Linguistik so beizubehalten), wohl tatsächlich sinnvoller, das Lemma "Rotwelsch" als eine Art "Hauptartikel" zu behandeln, in welchem auch Platz für genau diese Darstellung von Verbindungen zwischen den Sprachvarianten ist. Ohne der Arbeit von Kiwiv vorgreifen zu wollen, möchte ich hier lediglich zu bedenken geben, dass so u.U. ein wichtiger Beitrag zur Gesamtschau auf dem "Nebenschauplatz" Jenisch zu versanden droht.

aber leider fehlen, so daß ich sie dort hinzusetzte : Danke, das stand bei mir noch auf der "To-do-Liste".

Ebenfalls notwendig ist der von Fäberer entfernte Hinweis : Der Link führt leider nicht, oder zumindest nicht direkt, zum hier von Kiwiv eingebrachten Zitat. Wenn der Link korrekt gesetzt gewesen wäre, wäre mir diese Löschung wohl nicht passiert, zumal ich den Verfasser kenne und der Versuch, von aussen mit Formulierungen wie Dogmatik von Fäberer einen Keil zwischen die jenischen Aktivisten zu treiben, schon im Keime erstickt, da wir am selben Stricke ziehen.

eine Beschreibung der Arbeit am Mythos von einem jenischen „Volk“ : Schon belustigend, dass ausgerechnet derjenige, der den Link zur (mir befreundeten) Radgenossenschaft, die eine Zeitschrift namens "Scharotl, Zeitung des jenischen Volkes" seit 1975 publiziert, hier selbst setzte, andererseits die Existenz des Volkes so hartnäckig leugnet, dass er es auf einen Mythos reduziert.

ungeschriebene Gründungserklärung : Wo bitte ist die geschriebene Gründungserklärung des deutschen Volkes und der deutschen Sprache? Und wer hat sie unterzeichnet? Die Ethnogenese ist ja nicht Subjekt des Artikels zur jenischen Sprache, jedoch in der Diskussionsgeschichte wichtiger Eckpunkt des Ringens um die Darstellungsweisen dieses Ethnolekts. Als kleine Randbemerkung sei hier nur noch angeführt, dass ebenfalls diese Radgenossenschaft, der ich nicht angehöre, schon seit Jahrzehnten schriftlich definiert, wer in ihren Augen' als Jenischer gilt. Zufälligerweise (oder auch nicht...) deckt sich diese schriftliche Definition der Radgenossenschaft mit den mündlich tradierten Definitionen, die ich aus verschiedensten Familien und Regionen so mitgeteilt bekomme. --Fäberer 01:35, 30. Aug. 2007 (CEST)Beantworten

Bitte

Liebe Leute, lasst es bitte ruhiger angehen. Faeberer hat Aenderungen am Artikel vorgenommen, die ich nur fluechtig geprueft und dabei problematisch gefunden habe, und Kiwiv hat sie revertiert, ohne bisher in der Versionsgeschichte oder hier eine Begruendung zu geben. Wenn das so noch oefter hin und her geht, haben wir einen Editwar, von dem ich sicher bin, dass ihn keiner will. Bitte lasst uns hier eine Einigung suchen; welche Version bis dahin im Artikel steht, ist mir wurscht, da jede Version in der Versionsgeschichte auffindbar bleibt. Ich muss mich jetzt erst einmal bis voraussichtlich heute abend ausklinken. --Otfried Lieberknecht 15:04, 29. Aug. 2007 (CEST)Beantworten

Hallo Otfried. Nein, einen Editwar WILL ich auch nicht. Allerdings sind unbegründete Total-Reverts wohl leider kaum anders denn als Fehdehandschuh zu interpretieren. Ich hoffe mal, dass ich da falsch liege. --Fäberer 16:54, 29. Aug. 2007 (CEST)Beantworten
Hallo,
also wir können hier noch lange weiter diskutieren es nützen auch nichts die andere Partei vom eigenen Verständnis überzeugen zu wollen/können. Daher werde ich mich darauf beschränken Veränderungen im Text mit Quellenangaben zu belegen(Seitenzahl, Werk, Zitat), bei weiter gehendem Klärungsbedarf werden ausführlichere Quellenzitaten auf der Diskussionseite folgen. Ich habe den Verdacht ,dass Kiwiv an einem Aufsatz über die Jenische Sprache am schreiben ist, und hier im Vorfeld in Wikipedia verifizierbare "Fakten" schaffen möchte. Mir ist dieses Vorgehen von anderen Artikel bekannt. Nun gut, einen edit war brauche wir nicht zu fürchten sprechen ja die Quellen für sich. Ein kleines Beispiel Kiwiv anerkennt keine Quellen die seine nicht belegten Argumentationen wiedersprechen(er belegt mit garnichts im Text). Schreibt doch Otfried Zitat (siehe Oben)"keine Forschungspositionen ausdruecklich referiert u. durch Belege nachgewiesen werden u. der Text auch manche urteilende Aussagen enthaelt" . Welche persönliche Meinung und Bewertung Kiwiv auch immer hat über Andrew Rocco Merlino D'Arcangelis "Die Verfolgung der sozio-linguistischen Gruppe der Jenischen" seih dahin gestellt, es ist aber eine wissenschaftlich publizierte Disertation und zitierbar. Auch seine unbegründet gesamte Löschung des Beitrages von Fäberer im Text, lassen nicht auf viel Kooperation zum Thema hoffen, sind doch alle gemachte Anmerkungen von Fäberer im Text belegbar. Auch Erklärungsmodelle müssen im wissenschaftlichen Diskurs einmal publiziert worden sein und können dann gerne hier referiert und im Lemma eingebracht werden. Die Intension und Extension einer wissenschaftlichen Arbeit lassen sich sicher in Sätzen finden in jedem Werk. Es kann nicht Angehen das hier die subjektive Meinung über ein Werk im Text referiert wird, sie muss von und aus dem Werk stammen. Auch sind Primärquellen oder Publikationen aus Eigenverlagen höher zu werten als aufgestellte Meinungen, sofern sie der verifizierbare wissenschaftlichen Quellenlage nicht wiederspricht. Auch muss berücksichtigt werden das wir hier im deutschsprachigen Wikipedia sind und nicht im deutschen Wikipedia.(siehe Löschung der französischen Jenischen im Text) Auch wenn wissenschaftliche Modelle einigen Menschen wichtiger sind wie menschliche Zeugen und Kulturträger müssen sie sich an die Wikiregel halten. Die deutschsprachigen Völker haben ein verbürgtes Hoheitsrecht auf ihre Sprache, den Jenischen wird von Kiwiv nicht mal ein Mitspracherecht als native Speaker zugestanden.
Er hat den Artikel Jenische Sprache ethnisch gesäubert und sorgt dafür, dass es so bleibt(siehe Löschung von Fäberers Beiträgen).
Die Jenischen sind eine anerkannte Minderheit und ihre Sprache ist anerkannt sowohl von iso als auch der Schweiz. Kiwiv kann ja mal versuchen dieses zu wiederlegen. Wir Jenischen können es belegen. Auch was die Begründungen angeht kann man hier ein Schaukelspiel der Beweislast betreiben das zu nichts führen wird. Auch der Beitrag, dass die Schausteller eine Mischung aus Romanes Jenisch und anderen Soziolekte sprechen das durch Efing gestützt und bestätigt wird wurden von Kiwiv abermals restlos gelöscht.Beitrag Fäberer Zitat"Nicht zu verwechseln ist das Jenische mit Soziolekten heutiger Schausteller und Zirkusleute, welcher sich vor allem aus Wörtern des Deutschen, Jenischen und Romani zusammensetzen. " Zitat Efing "Die Sondersprache der Schausteller entpuppt sich dabei entgegen bisheriger Annahmen nicht als einheitlich, sondern als heterogenes Konglomerat verschiedener, ähnlicher Rotwelsch-Dialekte. Der Begriff "Schausteller--Jenisch" erhält seine Berechtigung als Ordnungsbegriff angesichts einer lexikalischen Schnittmenge, die die unterschiedlichen Jenisch--Ausprägungen zusammenhält...Christian Efing verbindet die Dokumentation dieser untergehenden Geheimsprache mit Querverweisen auf die Sozialgeschichte; nebenbei gelingt es ihm, die Qualifikation von Schaustellern als Jenische zu widerlegen." Otfried hält entgegen das auch mit der Schaustellersprache "Jenisch" gemeint seih. Efing meint aber a) nicht das eigentlich Jenische und b)sind Schausteller keine Jenischen. Zitat "die Qualifikation von Schaustellern als Jenische zu widerlegen". Warum aber hat Kiwiv diese diskutierbare Feststellung von Fäberer die von Efing sinngemäss mitgetragen wird ersatzlos gestrichen- es passt nicht in sein Konzept und Modelentwicklung der Jenischen Sprache.
Ich werde mich auch bemühen die Wiedersprüche innerhalb der publizierten Forschung über das Jenische als Kritikpunkt im Lemma Jenische zu thematisieren um dem Leser aufzuzeigen, dass es zu der Entwicklung der Jenischen Sprache kein einheitliches Erklärungsmodel gibt und diese sich wiedersprechen und grob unterscheiden. Um den Fiktionscharakter dieser Forschungsarbeiten sichbar werden zu lassen. Ohne aber von Fiktionen zu reden der Leser kann sich sein eigenes Bild machen aufgrund der Quellenlage. Auch werde ich die Forschungs- und Wahrnehmungsgeschichte des Jenischen im Lemma einführen. Gruss --Gamlo 00:58, 30. Aug. 2007 (CEST)Beantworten

Artikel-Versionen vom 29.8.07

Hallo an Alle Nicht nur die Diskussionsseite war heute sehr aktiv. Auch der Artikel wurde mehrfach umgebaut. Dass nun schon wieder eine neue Variante des Artikels online ist, ist kein Ausdruck eines Editwars. Vielmehr wurden Rudimente des "alten" Artikels (vor 24.8.07) dazu verwendet, eine Synthese zwischen linguistischen und ethnografischen Betrachtungsweisen der jenischen Sprache sowie Bezüge zum aktuellen Sprachgebrauch zumindest ansatzweise herzustellen. Insbesondere habe ich diverse berechtigte Einwürfe von Kiwiv in diese nochmals aktualisierte Version einzubauen versucht. Im Bewusstsein, dass man aus jeglicher Perspektive grossen Handlungsbedarf ausmachen kann, übergebe ich diese Variante des Artikels der Leser- und Mitverfasserschaft in der Hoffnung, dass aus zwei Trümmerfeldern eine neue blühende Wiese erwachse. Mit einem Rundumgruss eile ich in andere Gefilde und harre der Dinge. --Fäberer 02:41, 30. Aug. 2007 (CEST)Beantworten

Nacharbeiten I

Um das vorweg zu sagen (und um in das ruhigere Fahrwasser zu kommen): im großen und im ganzen stimme ich den Ergebnissen der Nachtarbeit von Fäberer zu. Es sind aus meiner Sicht einige wesentliche Veränderungen vorgenommen worden und der Artikel ist in seinem Inhalt besser strukturiert, als er es bis dahin war. Er hat insgesamt gewonnen.
Dennoch komme ich nicht umhin, einige Rücknahmen vorzunehmen, die ich wie folgt begründe:
„Das Jenische ist die Sprache jenischer Menschen. Linguisten bezeichnen sie als eine „Geheim- oder Sondersprache“ und als Varietät der deutschen Sprache. Dies empfinden viele Jenischen als Beleidigung ihres Volkes und ihrer Sprache. Es gilt linguistisch als Sondersprache von „fahrenden“ Bevölkerungsgruppen bzw. von deren ortsfesten Nachfahren. Es ist nicht einheitlich. Es hat sich in sozial, regional und zeitlich unterschiedlichen Varianten entwickelt.“
  • Man schreibt auch nicht als Eingangssatz das Sorbische sei die Sprache der Sorben, das Finnische die der Finnen: das ist tautologisch.
  • Nicht nur Linguisten bezeichnen Jenisch als eine Geheimsprache, sondern ein breites Spektrum von Betrachtern, viele Sprecher miteingeschlossen. Übrigens bin ich selbst auf Abstand zu dieser Kategorisierung (s. o., Disput mit Otfried), die aber nun einmal herrschende Meinung ist und gute Gründe einbringen kann.
  • „Beleidigung des jenischen Volkes“: Es handelt sich hier um eine subjektive Beurteilung, um die Darstellung einer persönlichen privaten Befindlichkeit, die vielleicht auf die Diskussionsseite gehört, nicht aber in den Artikel, schon gar nicht in die einleitende Kurzfassung. Sie bringt die fachliche Aussage in die Nähe der Volksverhetzung, ein strafrechtlicher Tatbestand, ist also weit überzogen.
  • Dieses Medium hier ist ein allzu Flüchtiges. Das fördert die Wahrnehmung nicht. Auch deshalb also sei noch einmal das Zitat eines Sprechers der Schweizer Jenischen in Erinnerung gerufen, das weiter oben schon zu lesen war und deutlich macht, daß Fäberer hier keinesfalls für "die" Jenischen spricht, wenn er bekundet, beleidigt worden zu sein, den Vortrag dieser Feststellungen auf diese Weise tabuisierend: „Die Hausierer, Kesselflicker, Scherenschleifer, Bürstenmacher, Schrotthändler, Schausteller und Artisten verständigten sich untereinander in einer Geheimsprache. Jenisch, was so viel wie klug, gescheit bedeutet, bot ihnen Schutz vor den «Gatschis», den Sesshaften. Im westfälischen Münster kennt man dieses Idiom unter der Bezeichnung «Masematte», im hessischen Gießen als das «Manische».“
Zur Überschrift: Wahrnehmung einer jenischen Sprache
Wovon sonst, wenn nicht vom Jenischen ist hier die Rede? Das liest sich doch nur wieder wie eine Proklamation.
Die Sprecher des Jenischen heute
Sie sind auch Auto- und Antiquitätenhändler. Sie sind Industriekaufmann und Kfz.-Mechaniker usw.: sie üben nicht nur „traditionelle“ Berufe aus und sind in hohem Maße ortsfest. Daher eine Ergänzung.
... Soziolekten heutiger Schausteller und Zirkusleute, welcher sich vor allem aus Wörtern des Deutschen, Jenischen und Romani zusammensetzen.
Das wäre eine Kurzbeschreibung auch des Jenischen. Und Gamlo weist ja noch einmal ausdrücklich durch eine Zitat von Efing daraufhin, daß die Sprachen von Schaustellern und Zirkusleuten ja eben deshalb auch als "Jenisch" bezeichnet werden. Was ist denn nun eigentlich der Unterschied? Es sollte erst einmal erklärt werden, warum Efing sich irrt.
Die spanischen Quinqui, die mit den Jenischen ethnisch-soziologisch verwandt sind, haben Elemente in ihrer Sprache, dem sogenannten Germania Argot, die auf das Jenische zurückgehen.
Welcher Zusammenhang zwischen „spanischen Quinqui“ und deutschsprachigen Jenischen bestehen soll, erschließt sich immer noch nicht. Eine Behauptung, die mir ebenso weit hergeholt zu sein scheint, wie die von der keltischen Herkunft, weshalb ich sie sie noch wieder rückführte. Zumindest hier auf der Diskussionsseite sollte doch einmal ein Literaturhinweis gegeben werden können, denn aus der Literatur, die unten aufgelistet ist (und bis hierhin die Funktion der Anmerkungen hilfsweise übernahm) geht nichts Näheres hervor.--Kiwiv 10:11, 30. Aug. 2007 (CEST)Beantworten
Nachgeschoben zu "dass er eine noch grössere Mimose ist als ich": da mußte ich doch einmal ein bißchen in mich hineinglucksen, denn das wäre ja auch noch ein mögliches Streitfeld. Bin leider aber überzeugt, daß wir, die wir hier die letzten der Mohikaner in der Diskussion des Themas sind, es deshalb sind, weil wir über ziemlich dicke Felle verfügen. Was die Sache leider auch nicht einfacher macht.--Kiwiv 12:07, 30. Aug. 2007 (CEST)Beantworten

Hallo Kiwiv

Einleitend danke für die Blumen ;-)

Zum Einleitungstext des Artikels: Einleitungstexte, die für den neugierigen wie auch für den flüchtigen Leser mit prägnanten Sätzen Wichtiges sagen und vielleicht gar zum Weiterlesen animieren sollen, sind natürlich immer heiss umstrittene Orte. Meine aktuellste "Softvariante" habe ich unten bei "Nacharbeiten II" schon kommentiert.

„Beleidigung des jenischen Volkes“: Ich begreife nicht, woher Deine Vorurteile mir gegenüber kommen. Wir stehen ja seit 2-3 Tagen erst hier in direktem Diskussionskontakt. Dass ich nicht der Urheber dieses Satzes bin, habe ich vorgestern hier weiter oben deutlich dargelegt. Ich fühle mich aber dem Artikel, den bisherigen Mitwirkenden (egal welcher Herkunft und welchen Berufs...) genauso verpflichtet wie meinem Volk. AUS DIESEM GRUND habe ich an dieser Textpassage mehrmals mitgewirkt und sie auch in die neusten Versionen miteingebracht. Die Version "Dies empfinden die Jenischen" war natürlich unglücklich und unhaltbar, weshalb ich ja auch sofort, nachdem der Mangel erkannt war, auf "viele Jenischen" änderte. Der Satz "muss" auch nicht in der Einleitung stehenbleiben. Wenn im Artikel (desiderat?) das Verhältnis zwischen Wissenschaft und Sprechern thematisiert wird, ist diese Aussage aber ebenso gewichtig wie Dein aktuelles Lieblingszitat von Ueli Grass.

"daß Fäberer hier keinesfalls für "die" Jenischen spricht, wenn er bekundet, beleidigt worden zu sein": Nachdem Du in der Einleitung dieses Abschnitts schreibst, "um in das ruhigere Fahrwasser zu kommen", ist es umso befremdlicher, dass Du Aussagen, die ich ja kurz vorher und wenig weiter oben m.E. deutlich genug machte, absolut ignorierst und Dein Kampfschwert für eine weitere Runde in meine Richtung wirfst. Muss ich das so verstehen, dass Du gerne in ruhigeren Gewässern schwimmen würdest unter der Bedingung, dass sie "Fäbererfreie Zone" sind?

(Nur gut, daß ich ein Schwert nicht mit mir führe, hier, da erübrigt sich die Überlegung, ob ich es nicht besser wegwerfe, vielleicht gar in deine Richtung." ;-/ )--Kiwiv 11:35, 3. Sep. 2007 (CEST)Beantworten

Zur Überschrift: Wahrnehmung einer jenischen Sprache: Als ersten Schritt der Artikel-Versionen-Synthese bemühte ich mich, Teile des "alten" Artikels in den "neuen" Artikel als Ergänzung und Erweiterung einzubringen, ohne an Deinen Texten zu rühren. Allerdings zeigte sich, dass ohne Gliederung die Lesbarkeit schnell in Gefahr ist. Da ich nun auch in Deinen Textteilen Zwischentitel finden musste, ging ich behutsam vor und versuchte, Ausdrücke Deines Textes sinnvoll in Titeln zu verwenden. Der Titel sollte gerade mit dem Wort "einer" (NICHT "der"!) jenischen Sprache die Diffusionen zum Ausdruck bringen. Was DARAN wieder vom bösen Fäberer "proklamatorisch" sein soll, bleibt mir schleierhaft. Der aktuelle Titel "Wahrnehmungsgeschichte" ist natürlich nicht nur wissenschaftlicher sondern auch prägnanter und besser.

"Die Sprecher des Jenischen heute": siehe meine neue Variante und Diskubeitrag unten.

"Verwandte Sprachen und Idiome": Ebenfalls ja eine Übernahme aus dem "Liebgewonnenen". Da setze ich mal auf Gamlos Wissen und lasse vorderhand die Finger vom Abschnitt.

Des weitern empfehle ich uns, einen Wikiartikel die dickfellige Mimose zu gründen und unsere Gärtchen dort zu pflegen. Dies ist nämlich eine Sonderart der Mimosengattung, die der Wissenschaft bisher glatt durch die Lappen ging und ermöglicht wunderbare Theoriebildugen und -findungen.

Ein wikifreies Wochenende wünscht --Fäberer 11:46, 31. Aug. 2007 (CEST)Beantworten

Vorschlag zur Einleitung

Bloederweise bin ich immer noch nicht in der Lage, mich halbwegs konzentriert mit den letzten Edits u. Diskussionsbeitraegen zu befassen. Da sich bei der Einleitung die Positionen derzeit ziemlich schroff gegenueberstehen, hier ein schnellgestrickter Vorschlag von mir, der vielleicht einen Anstoss zur Konsensbildung geben kann:

Jenisch ist eine Varietät der deutschen Sprache. Es gilt linguistisch als Sondersprache von „fahrenden“ Bevölkerungsgruppen bzw. von deren ortsfesten Nachfahren, die sich in sozial, regional und zeitlich unterschiedlichen Varianten entwickelt hat und hauptsächlich in ihrem Wortschatz durch semantische Umdeutung deutschen Wortguts und durch Entlehnungen aus anderen Sprachen, insbesondere aus Romani und Jiddisch bzw. Hebräisch, von der deutschen Alltagssprache und ihrer jeweiligen regionalen Mundart unterscheidet.
Die Verwendungsweise des Begriffs und seine Abgrenzung gegenüber Rotwelsch, der seit dem Spätmittelalter belegten Sondersprache der Bettler, Fahrenden und diverser krimineller Milieus, sind dabei in der Linguistik nicht einheitlich, sondern der Begriff wird teils als Unterbegriff zu Rotwelsch für jüngere, mittel- und oberdeutsche Rotwelschdialekte (Wolf), teils auch im Rekurs auf soziale Merkmale der Sprechergruppen in Abgrenzung gegenüber Rotwelsch verwendet (Franke). Sprecher des Jenischen legen demgegenüber oft Wert darauf, dass es sich um eine eigenständige und vollwertige Sprache handele, deren Bezeichnung als Sondersprache, Rotwelsch oder "Gaunersprache" als in der Wertung diskriminierende und in der Sache unzutreffende Kategorisierungen abgelehnt werden.
In der Schweiz ist das Jenische seit 1998 als Minderheitensprache offiziell anerkannt.

--Otfried Lieberknecht 14:13, 30. Aug. 2007 (CEST)Beantworten

Leider ohne die gründliche Aufmerksamkeit, die erforderlich wäre, ein paar erste Überlegungen:

„krimineller Milieus“

So die Aussagen der Überlieferung. Nur, wessen Überlieferung? Hier müßten wir m. E. vorsichtiger herangehen und quellenkritisch die Wahrnehmungsgeschichte und ihre Überlieferungsträger ins Auge fassen. Eine bessere Formulierung will mir spontan leider auch nicht einfallen.

„mittel- und oberdeutsche Rotwelschdialekte (Wolf)“

Wolf unterscheidet m. E. nur „zwischen der nieder- und oberdeutschen Gaunersprache“ und spricht dann vom „oberdeutschen Jenisch“.

„und vollwertige Sprache“

"vollwertige": Das läßt sich angesichts des Fehlens einer eigenständiger Grammatik, einer eigenständigen Syntax, eines begrenzten Lexikons von im Schnitt 500 Worten (Franke) und der Notwendigkeit, Deutsch oder Französisch zu Hilfe zu nehmen, um sich innerhalb der eigenen Sprechergemeinschaft verständlich zu machen, kaum sagen. „Sprache“ ist Jenisch auch nur im alltagssprachlichen Gebrauch dieses Begriffs. (Es gibt hier m. E., bei Licht betrachtet, bereits ein großes Entgegenkommen gegenüber sprach- und ethnopolitischen Bedürfnissen und ein Abweichen von enzyklopädischen Notwendigkeiten. Aber bitte, ich will nicht beckmesserisch werden, meinetwegen "Sprache".)

„deren Bezeichnung ... abgelehnt werden“

„wird“--Kiwiv 21:00, 30. Aug. 2007 (CEST)Beantworten

"In der Schweiz ist das Jenische seit 1998 als Minderheitensprache offiziell anerkannt."

Je länger ich darüber nachdenke: gehörte unter die Überschrift "Aktuelle Situation der jenischen Sprache" (besser: "Aktuelle Situation", denn wovon sonst, wenn nicht von der jenischen Sprache wäre hier die Rede? Inzwischen weiß es der Leser ja doch! Und gerade noch das folgende: Wenn ein Ganzes in Teile zerlegt wird, sind es stets mindestens zwei, was bei der Systematik der Gliederung zu berücksichtigen wäre (eine solche Stelle habe ich ausgebügelt).--Kiwiv 23:37, 30. Aug. 2007 (CEST)geringfügig ergänzt, --Kiwiv 23:44, 30. Aug. 2007 (CEST)Beantworten

Neufassung des Vorschlags:
Jenisch ist eine Varietät der deutschen Sprache. Es gilt linguistisch als Sondersprache, die sich hauptsächlich in ihrem Wortschatz durch semantische Umdeutung deutschen Wortguts und durch Entlehnungen aus anderen Sprachen, insbesondere aus Romani und Jiddisch bzw. Hebräisch, von der deutschen Alltagssprache und ihrer jeweiligen regionalen Mundart unterscheidet. Die Träger dieser Sprache, die auch als Jenische bezeichnet werden, sind „fahrende“ Bevölkerungsgruppen bzw. deren ortsfeste Nachfahren, in ihren traditionellen Lebensformen und ihrer gesellschaftlichen Stellung den Roma und Sinti vergleichbar, aber von diesen ethnisch und sprachlich zu unterscheiden, weshalb sie herkömmlich auch manchmal als "Weisse Zigeuner" bezeichnet werden.
Die Verwendungsweise des Begriffs Jenisch als Sprachbezeichnung und seine Abgrenzung gegenüber Rotwelsch, der seit dem Spätmittelalter belegten Sondersprache der Bettler, Fahrenden und diverser krimineller Milieus, sind dabei in der Linguistik nicht einheitlich. Dort wird der Begriff teils als Unterbegriff zu Rotwelsch für oberdeutsche, besonders stark von Romani beeinflußte Rotwelschdialekte seit der Mitte des 18. Jahrhunderts (Wolf), teils auch als Gegenbegriff zu Rotwelsch gebraucht, wobei im letzteren Fall dann Rotwelsch als die regional seit dem 19. Jahrhundert stärker differenzierte, heute weitgehend ausgestorbenen Sprache ortsfest gewordener Gruppen, Jenisch hingegen als eine vergleichsweise einheitlich gebliebene, überregionale und heute noch lebendige Sprache weiterhin fahrender Gruppen, insbesondere der Schausteller, gilt (Franke).
Als Selbsbezeichnung der Sprache und ihrer Sprecher findet sich Jenisch, neben anderen Bezeichnungen, sowohl bei fahrenden als auch bei ortsfesten Gruppen, deren Vertreter ihrerseits oft Wert darauf legen, dass es sich bei Jenisch um eine eigenständige und vollwertige Sprache handele, deren Bezeichnung als Sondersprache, Rotwelsch oder "Gaunersprache" von ihnen als in der Wertung diskriminierende und in der Sache unzutreffende Kategorisierungen abgelehnt wird.
In der Schweiz ist Jenisch seit 1998 als Minderheitensprache offiziell anerkannt.
Ich habe den Textvorschlag noch einmal umgemodelt, unter Beruecksichtgigung Deiner Anmerkungen, allerdings unter Beibehaltung der Formulierung "krimineller Milieus": auch wenn wir die problematische Aussensicht der Quellen und die problematischen Bedingungen, unter denen Selbstaussagen zustandekamen und aufgezeichnet wurden, noch so sehr in Rechnung stellen, ist bei Rotwelsch die Tatsache schlechterdings nicht aus der Welt zu schaffen, dass dort geheim- oder fachsprachliche Bezeichnungen aus den Bereichen Ausspaehung, Einbruch, Raub, Betrug, Falschspiel, Prostitution etc u. Bezeichnungen der polizeilichen Obrigkeit einen ganz erheblichen Anteil des Wortschatzes bilden, dessen Signifikanz auch mit Ruecksicht auf den selektiven Charakter der Aufzeichnungen nicht ernsthaft zu bestreiten ist. Auch die Formulierung "vollwertige Sprache" habe ich beibehalten, weil an dieser Stelle ja nicht die sprachwissenschaftliche Auffassung wiedergegeben wird.
Ich halte meinen Vorschlag im uebrigen noch nicht fuer eine befriedigenden Ansatz zur Loesung unserer Probleme, sondern bestenfalls fuer einen vorlaeufig geeigneten Kompromiss, sofern ihm Faeberer u. Gamlo ueberhaupt etwas abgewinnen koennen. Die Darstellung der linguistischen Verwendungsweisen von "Rotwelsch" u. "Jenisch" ist anhand der von Dir dankenswerterweise gelieferten Exzerpte von mir jetzt staerker auf die Positionen von Wolf (der sich dazu m.W. nur eher beilaeufig geaeussert hat) und Franke (dessen von Dir zitierte Aussagen mir keine sprachwissenschaftlich schon sehr ernstzunehmende Diskussion der Frage zu belegen scheint) zugespitzt. Umso mehr stellt sich aber die Frage, wie der Gegenstandsbereich fuer unseren Artikel zu bestimmen und wie die dort getroffenen sprachwissenschaftlichen Aussagen den verschiedenen fachlichen Positionen zuzuordnen sind. Mir persoenlich widerstrebt es, einen Begriff, auf dessen genaue Bestimmung anscheinend noch wenig sprachwissenschaftliche Intelligenz verwendet wurde, und fuer den demnach wohl bisher noch kein grosser sprachwissenschaftlicher Bedarf besteht, der aber auch von den Sprechern selbst uneinheitlich und nach anderen als sprachlichen Kriterien verwendet wird, ueberhaupt zum Lemma eines Sprachartikels zu machen. Gehoert Dein Artikel wirklich unter das Lemma "Jenische Sprache", oder doch eher in einen historisch noch um die Darstllung der aelteren Perioden zu erweiternden Artikel ueber "Rotwelsch", dessen juengere Varianten seit dem 18. Jh. z.T. von ihren Sprechern und Chronisten u. z.T. von der Sprachwissenschaft -- von dieser nur teilweise deckungsgleich mit den Eigenbezeichnungen der Sprecher -- als "Jenisch" bezeichnet werden? Oder anders und konkreter gefragt, auf welche sprachwissenschaftliche Position stuetzt Du Dich z.B., wenn Du einen regional eng begrenzten und nicht oberdeutschen Rotwelschdialekt wie Masematte als Variante des Jenischen einstufst, der weder die Kriterien von Wolf oder Franke erfuellt, noch von seinen Sprechern als "Jenisch" bezeichnet wird? --Otfried Lieberknecht 00:06, 31. Aug. 2007 (CEST)Beantworten
Danke für den Einleitungsvorschlag. Die Diskussionsseite ist doch eine geeignetere "Spielwiese", wo an solchen Texten gemeinsam "gemodelt" werden kann, als versteckte "Geheimseiten". Wenn meine heute morgen gemachten kleinen Anpassungen an der aktuellen Einleitung für alle erträglich genug sind, um ein paar Tage lang damit leben zu können, würde ich gerne den doch grösseren und gewichtigeren Vorschlag von Otfried hier auf dieser Seite ein bisschen weiter austauschen und überarbeiten, bevor wir ihn im Artikel selbst "der Öffentlichkeit zum Frass vorwerfen". Leider muss ich mich nun wohl wieder für 2-3 Tage "ausklinken". Gerne würde ich die Zeit dazu nutzen, Ideen zu wälzen und hier anschliessend mit Euch auszutauschen und einzuarbeiten. Ein schönes Wochenende wünscht --Fäberer 12:18, 31. Aug. 2007 (CEST)Beantworten
Habe an der zweiten Fassung meines Textvorschlags jetzt noch einmal einige Aenderungen vorgenommen, um Deine Forderung staerker zu beruecksichtigen, dass die Verbindung zwischen der Sprachbezeichnung und den Jenischen als Gruppe besser und besser verlinkbar herausgestellt werden soll. --Otfried Lieberknecht 12:50, 31. Aug. 2007 (CEST)Beantworten

Es verhält sich ja so, daß die Auseinandersetzung hier dazu zwingt, das hierhin mitgebrachte Ordnungssystem zu überprüfen, und das hier tun zu können, ist ja für mich durchaus auch ein Motiv, mich hier aufzuhalten. Grund zur Freude. Also:

„Jenisch“: unabhängig vom lokalen Sprachnamen (als Eigen- oder Fremdetikett) als eine gute Gesamtbezeichnung für die jüngeren Varianten (seit der ausgehenden Frühen Neuzeit) dessen, was die Siewert-Schule unter "Rotwelsch" faßt, mit jenen sprachlichen Merkmalen, die wir in der Charakteristik genannt haben und mit konkret faßbaren, nachweisbaren Sprechergruppen, wie sie realgeschichtlich aus den Primärquellen und im übrigen aus der erfahrbaren Wirklichkeit hervortreten, nicht aber als exklusive Bezeichnung einer eng definierten ethnischen Gruppe. Rotwelsch demgegenüber als eine untergegangene, sich sprach- und rezeptionsgeschichtlich erschließende Variante, die heute nurmehr als Schublade dient. Wenn ich die beiden Kategorien so verwende, dann beziehe ich mich auf das, was Matras meint, wenn er sagt:

“As for Rotwelsch, there appears to be no community of speakers which actually uses the term as a designation for their language. Rotwelsch in contemporary usage is thus primarily an analytical, descriptive term for special vocabularies that are used not only for professional communication, but also to help consolidate group identity by allowing group-particular linguistic interaction in a variety of domains. … Jenisch varieties, whatever their social context or lexical composition, qualify as secret languages of this Rotwelsch type. But in addition, numerous dialects called Jenisch can be classified as a particular subtype, their speakers sharing both linguistic and social features and, above all, being conscious of a distinct, super-regional group identity.”

Das geht einen Schritt darüber hinaus, wie einschlägige Historiker oder Kulturanthropologen den Begriff füllen, die "Jenisch" sowohl als Sprachnamen als auch als Gruppennamen für eine in sich fragmentierte, sich überregional verteilende vagierende Armutspopulation verwenden, z. B.:

„Auch in der Geheimsprache der Fahrenden, dem Rotwelsch, dem Jenischen, erkannten sich Angehörige einer gleichen sozialen Schicht wieder.“ (Ernst Schubert, Arme Leute, Bettler und Gauner im Franken des 18. Jahrhunderts, Neustadt a. d. Aisch 1983, S. 266, 281f.)

„Die ... Veröffentlichungen des 18. und frühen 19. Jahrhunderts enthielten in der Regel mehr oder weniger umfangreiche Abschnitte, welche die sprachlichen Verhältnisse der Jenischen behandelten, wie auch schon die angesprochenen spätmittelalterlichen Werke dem sogenannten Rotwelsch besondere Aufmerksamkeit gewidmet hatten.“ (Wolfgang Seidenspinner, Jenische. Zur Archäologie einer verdrängten Kultur, in: Beiträge zur Volkskunde in Baden-Württemberg, 8 (1993), S. 63-95, hier: S. 67f.)

Das dann zunächst mal dazu. Es ist Freitagabend und da wartet ein wichtiger (Sport-)termin)--Kiwiv 20:08, 31. Aug. 2007 (CEST)Beantworten

Habe mir erlaubt, Deinen Beitrag gemaess der Chronologie nach unten zu versetzen, damit ich nicht komplett die Uebersicht verliere...
Zunaechst zu Matras, den ich sehr schaetze, nur leider bisher zu wenig lese. Aus Deinem Zitat ergibt sich:
  • Rotwelsch als Sammelbegriff fuer Sonderwortschaetze mit fachsprachlichem Charakter u. gruppenbildender Funktion: so beschreibt man sonst eher andere, sachlich u. durch Entlehnung dem Rotwelschen lediglich verwandte Sondersprachen wie die Soldaten- u. Burschensprache. Fuer die alleraeltesten Belege von Rotwelsch als Bettlersprache ohne sehr deutlichen geheimsprachlichen Charakter mag diese wenig spezifische Beschreibung aber immerhin gelten.
  • Jenisch als Subtyp von Rotwelsch, zusaetzlich charakterisiert durch geheimsprachliche Funktion, aber mit beliebigem Wortschatz u. sozialem Kontext: das waere dann im herkoemmlichen Verstaendnis Rotwelsch kat exochen, ausser dass herkoemmlich zwar kein einheitlicher Wortschatz, aber doch ein durch kontrasprachliche Wortbildungsmuster, Uebertragungen u. Entlehnungen sowie typische Gebersprachen (Jiddisch, Romani) charakterisierter, und ebenso zwar kein einheitlicher sozialer Kontext, aber doch ein durch soziale Marginalisierung oder Ausgrenzung charakterisierter, z.T. sogar gegengesellschaftlicher, vorausgesetzt wird.
  • Jenisch als noch enger begrenzter Subtyp, verstanden als "numerous dialects called Jenisch" (wohl als Eigenbezeichnung gemeint) mit gemeinsamen sprachlichen u. sozialen Merkmalen u. dem Bewusstsein einer "distinkten, supra-regionalen Gruppenidentitaet": auch letzteres sicher kein Merkmal, das man fuer aeltere Perioden des Rotwelschen ausschliessen kann, sondern das im Gegenteil wesentlich zu den Merkmalen einer Insidersprache von Fahrenden gehoert. An der von Dir zitierten Stelle bleibt im uebrigen offen, ob dieses Jenisch als Subtyp des obengenannten (also mit geheimsprachlichem Charakter), oder als davon distinkt (u. dann ggf. ohne geheimsprachlichen Charakter) aufgefasst werden soll.
Mit diesem Modell kann ich bei aller sonstigen Wertschaetzung noch wenig anfangen, weil mir -- so weit oben zitiert -- die Sprachwissenschaft dabei fehlt. Soziale Kriterien u. Gruppengefuehle kann man, so weit sie ueberhaupt brauchbar zu erheben sind, fuer alles moegliche heranziehen, aber zur Aufgliederung von Sprachen u. zur diachronen Periodisierung (die nicht das Anliegen von Matras zu sein scheint) eignen sie sich nicht, sofern nicht konkrete sprachliche Befunde vorliegen, zu deren Deutung sie zusaetzlich herangezogen werden koennen. Die distinktiven sprachlichen Merkmale, nach denen Rotwelsch als uebergreifende Kategorie, Jenisch als dessen geheimsprachliche Varietaeten u. Jenisch sensu strictu (oder als nicht geheimsprachliches Jenisch) als sprachlich u. sozial enger uebereinstimmende, ueberregionale (Unter-?) Varietaet zu unterscheiden waeren, sehe ich vorlaeufig nicht.
Du selbst beziehst Dich auf Matras, markierst aber deutlicher einen diachronen Aspekt, wenn Du das im engeren Sinn Rotwelsche (ohne geheimsprachlichen Charakter??) als "eine" -- wirklich nur eine? -- "untergegangene, sich sprach- und rezeptionsgeschichtlich erschließende Variante" bezeichnest. Andereseits meinst Du mit "Jenisch" so ungefaehr das, "was die Siewert-Schule unter 'Rotwelsch' faßt", und das sind dort ja, wenn ich recht sehe, in erster Linie ebenfalls bereits ausgestorbene (Masematte) oder aussterbende, nur noch in schwer dokumentierbaren Restbestaenden weiterlebende lokale Dialekte. Aber davon abgesehen: wenn mich meine unzureichende Kenntnis der Literatur nicht narrt, dann sind das terminologische Abgrenzungen, die von anderen als sprachwissenschaftlichen Kriterien ausgehen u. eigentlich nur darauf hinauslaufen, der juengeren Zeit die abwertende Fremdbezeichnung Rotwelsch zu ersparen und diese durch die insoweit unproblematischere Eigenbezeichnung Jenisch zu ersetzen.
Ich bin nicht sicher, ob Faeberer u. Gamlo das schon fuer ausreichend halten koennen. Ich selbst will mich nicht auf die aeltere Terminologie versteifen, mir soll's genuegen, wenn der Artikel ueberhaupt deutlich macht -- was er bisher nicht tut --, wie (und in Anknuepfung an wen) er seinen Gegenstand eingrenzt u. gegen Rotwelsch abgrenzt. --Otfried Lieberknecht 22:00, 1. Sep. 2007 (CEST)Beantworten