Diskussion:Masernparty/Archiv/2016

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Letzter Kommentar: vor 6 Jahren von Chz in Abschnitt Rechtlicher Aspekt
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Rechtlicher Aspekt

Ich finde bei der rechtlichen Würdigung sollte man "einen Gang herunterschalten". Insbesondere bei den Qualifikationstatbeständen ist Vorsicht geboten. Der Strafrahmen der schweren KV ist mit Freiheitsstrafe von einem bis zu fünf Jahren ein Verbrechen, und verständlicherweise höher bemessen, als die fahrlässige Tötung.

Wird aber der Tod eines Kindes verursacht, ist eine KV mit Todesfolge (nach RSpr.; mit umfangreichem Meinungsstand in der Lit.) nicht anzunehmen, da der Täter hier gerade einen lebensgefährdenden KV Erfolg gegenüber dem Kind gegenüber eher abstrakt nicht für möglich hält. Demnach bliebe es dann bei einer fahrlässigen Tötung. Ich habe das deswegen ergänzt, aber hier ist noch einiges an Arbeit zu leisten.

Die von der RSpr. aufgrund des Strafrahmens vorgenommene Einschränkung des § 227 StGB ist natürlich auch auf § 226 StGB anzuwenden. Deswegen muss hier bei dem Grunddelikt bei dem sich die vorgenommene KV nur auf den vom Täter gewünschten Impferfolg bezieht, und im Normalfall der Täter ebenfalls hier auch abstrakt nicht für möglich hält, dass das Kind einen der in § 226 StGB aufgenommenen schweren Folgen erleidet, auch eine schwere KV zumindest dahingehend abgeschwächt werden, dass nur ein minder schwerer Fall vorliegt.

--Chz (Diskussion) 13:23, 1. Dez. 2016 (CET)

Das kann doch nicht stimmen. "mit Todesfolge" heißt, daß Todesfolge und "bezüglich dieser wenigstens Fahrlässigkeit" (§ 18) vorliegt. Letztere liegt vor, wie auch Sie annehmen (und dürfte praktisch immer vorliegen, wenn tatsächlich jemand einen Tod verursacht, Anm.); daß er sie "abstrakt nicht für möglich hält", schließt bloß den bedingten Vorsatz aus (und wenn er sie wirklich und entschuldbar für unmöglich hielte, läge nicht einmal Fahrlässigkeit vor - unrealistisch). Ergo bleibt es bei der ganz normalen KV mit Todesfolge.
Allerdings sollte man bei den "rechtlichen Folgen" vielleicht unterscheiden zwischen einer heute stattfindenden Masernparty (nicht entschuldbar, Impfung existiert) und z. B. der scheinbar ähnlichen Windpockenparty speziell vor Einführung des Impfstoffs, letztere dürfte durch ihre rechtliche Ähnlichkeit mit einer Impfung und die Tatsache, daß Windpocken als Kind leichter sind als als Erwachsener gerechtfertigt sein.--2001:A61:209F:C801:9161:4646:8888:4ED9 18:56, 20. Mai 2017 (CEST)
Der Gedankengang ist vertretbar, dürfte allerdings nicht durchgreifend sein: Das Kriterium der Fahrlässigkeit beinhaltet die Sorgfaltspflichtverletzung, die hier durch das Grunddelikt als gegeben anzusehen ist, aber auch die Voraussehbarkeit des Erfolges. Dabei ist nach RSpr. des BGH erforderlich, dass der Täter nach seinen persönlichen Möglichkeiten in der konkreten Lage den Todeseintritt vorhergesehen haben kann (BGHR § 226 aF). Hierbei stellt der BGH auf die subjektive Fähigkeit im Rahmen der "gewöhnlichen Erfahrung" ab (vgl. NStZ 92, 333). Die in der Literatur befindliche Meinung des Folgenzusammenhangs führt meiner Meinung nach zu keinen anderen Ergebnissen. Angewandt auf die Masernparty muss man grundsätzlich (im Einzelfall mag anders zu entscheiden sein) davon ausgehen, dass Erziehungsberechtigte ihr Kind an einer Masernparty teilnehmen lassen, weil sie Impfungen als zu riskant ansehen und ihnen am Kindeswohl gelegen ist, sie also gerade den Todeseintritt als gerade eben nicht für möglich halten. Und in dem Fall ist eine subjektive Vorhersehbarkeit zu verneinen. - Im Übrigen: Liegt bedingter Vorsatz im Hinblick auf die Todesfolge vor, ist § 227 StGB ausgeschlossen, da § 212 StGB einschlägig ist (Verdrängung auf Tatbestands- oder Konkurrenzebene => keine praktische Relevanz). --Chz (Diskussion) 16:31, 13. Jun. 2017 (CEST)