Diskussion:Raimund III. (Tripolis)

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Letzter Kommentar: vor 9 Jahren von Chastell Blanc
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Zuerst eine Entschuldigung

an den Ersteller des Beitrages wegen meiner folgenden harschen Kritik, wiewohl sie aber berechtigt ist. Der teilweise schlechte Ruf von Wikipedia- Einträgen, gerade auch bei historischen Themen, rührt größtenteils aus der Tatsache, daß die Ersteller dieser Beiträge unzulängliche und vor allem wenige Quellen nutzen. Meine Beschäftigung mit der Thematik hat mich eine gewisse Vorsicht vor angloamerikanischen Publikationen gelehrt und die Verwendung einer einzigen Quelle halte ich für außerordentlich optimistisch. Der Reihe nach:

1.-Raimund III. von Tripolis ist laut meiner Sekundärquellen um 1140 geboren, sein Ableben wird grob auf den Spätsommer 1187 datiert. Mit Sicherheit nach der Schlacht von Hattin trat er noch in Tyrus als Zeuge in einer Urkunde auf (RRH 659- undatiert, von Ende Juli).

2.-Raimund wurde am 10.8.1164 in der (zweiten) Schlacht von Artah- auch Schlacht von Harim genannt- gefangengenommen und wahrscheinlich im Jahr 1173 freigekauft?- Laut Rheinheimer „10 Jahre Gefangenschaft in Aleppo“ und Freilassung zwischen Sept. 1173 und Apr. 1174.

3.- Zitat: “ In dieser Zeit war Amalrich I., König von Jerusalem, der Regent in der Grafschaft. Als Raimund freigelassen worden war, wurde er im Gegenzug Regent für Balduin IV., der ebenfalls noch zu jung zum Regieren war.“- “ Im Gegenzug“ impliziert eine Ausgleichshandlung. Bei der Bestellung von Regenten lagen im 12. Jahrhundert andere Maßstäbe als Dankbarkeit oder Ausgleich vor: Zuerst die verwandtschaftliche Nähe (das umfaßt selbstverständlich die Zugehörigkeit zur adligen Elite mit entsprechenden administrativen Fähigkeiten) und der politische Konsens des Hochadels und erst dann wenige andere sekundäre Faktoren. Die Regentschaft Milos von Plancy ist in diesem Zusammenhang eine Ausnahmeerscheinung. Raimunds Mutter war Tante von König Amalrich, dem Vater Balduins IV. Damit war Raimund der nächste greifbare männliche Verwandte des jerusalemitanischen Königshauses.

4 – Zitat: „Raimund heiratete Eschiva von Bures, die Witwe des Fürsten Walter von Saint- Omer von Galiläa, was ihm die Herrschaft über weite Teile des Nordens des Königreichs verschaffte, insbesondere die Festung in Tiberias am See Genezareth.“ Konkret: Raimund wurde Baron von Galiläa (1174), einer der vier Großbaronien des Reiches (neben einigen fastbaronialen Herschaften). In Galiläa gab es reichlich große Burgen in dieser Zeit. Die Zitadelle von Tiberias war also nicht die größte oder am besten befestigste, sondern hier handelt es sich einfach nur um die „Hauptstadt“ der Baronie, dem Verwaltungszentrum. Zustimmend muß aber dazu gesagt werden, daß die einstige Baronie zu dieser Zeit nur noch ein Schatten ihrer selbst war. Übereignungen an die Ritterorden und „Ausgliederungen“ (Selbstständigmachungen) im Zuge eines um sich greifenden Feudalisierungsprozesses hatten das Gebiet, über das die galiläischen Barone tatsächlich herrschten, auf ein Minimum reduziert. Raimund verfügte während seiner Amtszeit als Baron nur über die Stadtburg von Tiberias und über die „Cave de Suete“, eine Art Fiskal- und Beobachtungsburg jenseits des Jordans.

5.-Richtig dargestellt ist die politische Blockbildung im Reichsadel. Die „alten“ Familien standen in Opposition zu einer Gruppe von überwiegend Späteinwanderen, die in hohe Ämtern gelangt und/ oder Inhaber großer Lehen waren und die über den Vorteil der größeren Nähe zum König verfügten. Diese politische Gruppierung wird in der Literatur „Hofpartei“ genannt. Dazu gehörten um 1180 im wesentlichen: Agnes von Courtenay (Mutter Balduins IV.), deren Bruder Joscelin III. von Courtenay (Titulargraf von Edessa, Seneschall Balduins IV., Inhaber der „Signeurie de Joscelin“), Heraklius von Caesarea (Patriarch von Jerusalem), Guido von Lusignan (ab 1178-80 im Heiligen Land, Ostern 1180 Heirat mit Balduins IV. Schwester Sibylle), dessen Bruder Aimerich (um 1177 im Heiligen Land, ab 1179 Konstabler des Reichsheeres) und der Politsoziopath Rainald de Chatillon ( um 1147/48 im H.L., 1177 durch Heirat Baron von Transjordanien, evtl 1177/78 Konstabler des Reichsheeres). Natürlich dazugehörig auch die Fehlbesetzung Gerhard de Ridefort als Templergroßmeister (ab 1184), der vermutlich Anfang der 1170er Jahre in Palästina eintraf.

6.-Die Aussage, daß die Ritterorden jede Gelegenheit zum Heidenkampf nutzen wollten, ist in dieser implizierten Form sehr gewagt. Die Orden waren im Feudalsystem integriert und das Reich war spätestens ab den späten 1170er Jahren zur Verteidigung übergegangen. Agressionen waren kontraproduktiv, also hieß es, die Füße stillzuhalten; was für einen Schaden verantwortungslose Hasardeure wie der transjordanische Baron Rainald de Chatillon in dieser Situation anrichten können, hat der politische Weg nach Hattin gezeigt. In diesem Zusammenhang eher untypisch für das von ihm bekleidete Amt ist allerdings die Person des Templergroßmeisters zu sehen: Es gehört zu den (für mich übrigens seltenen) Unwägbarkeiten der Geschichte, daß gerade in brisanten Zeitabschnitten gelegentlich politisch handelnde Figuren auftreten, die den aktuellen Anforderungen aufgrund subjektiver Mängel nicht gewachsen sind.

7.-Die zunehmende Entfremdung zwischen Raimund und König Balduin IV. hat eine lange Geschichte, deren Höhepunkt sicher in dem im Frühjahr 1182 vom König ausgesprochenen Einreiseverbot für den auf der Anreise in das Reichsgebiet befindlichen Raimund lag. Dieser Vorgang war unerhört: Der Graf war auch Baron von Galiläa und damit Großvasall im Reich- er hatte nicht nur die Pflicht, sondern auch das Recht, den König zu konsultieren. Balduin IV. fürchtete mit dem Fortschreiten seiner Lepraerkrankung immer mehr seine Deposition. In wie weit er damit bei Raimund recht hatte, läßt sich nicht mehr klären. Diese zunehmende Paranoia wird mit Sicherheit auch von der Hofpartei forciert worden sein.

8.-Raimund war von Okt. 1174- etwa Mitte 1176 (Volljährigkeit Balduins IV.) Regent des Reiches. (Zu den ganz großen Fragen gehört für mich die Königserhebung Balduins (15.7. 1174): Der Minderjährige wies schon zu dieser Zeit gesundheitliche Defizite auf- was den Adel trotz offensichtlicher mangelnder Ideonität zur Königswahl getrieben hat, konnte selbst Hans Eberhard Mayer nicht überzeugend erklären.) Vom Frühjahr 1184- Frühjahr 1185 (dem Ableben Balduins IV.-laut Vogtherr vor dem 16. Mai) war Raimund erneut Regent und blieb danach weiterhin in dieser Position (als Regent, jedoch nicht als Vormund) für Balduin V. bis zu dessen Tod am 13.9.1186.

9.-Das Raimund zu Lebzeiten Balduins IV. und V. die Regentschaft an Joscelin III. abgetreten hat, ist nicht richtig.

10.-Raimund und Saladin sind sich vielleicht begegnet, aber waren mit Sicherheit nicht befreundet und Saladins Kampagnen gegen das Reich begannen schon lange vor 1187. Als Beginn einer eigenständigen Militärpolitik des Aiyubiden als völlig unabhängig agierender Herrscher (nach dem Ableben Nureddins, 15.5.1174) gegen das Reich sehe ich den Einfall Ende 1177 von Ägypten aus, der mit der Schlacht von Montgisgard bei Ramla endete (und die fast Saladins letzte gewesen wäre). Danach kommt es intermittierend fast alljährlich zu Überfällen auf das Reichsgebiet. Zitat:„ Saladin belagerte sofort Tiberias, wo sich Raimunds Ehefrau Eschiva aufhielt, anstatt wie erwartet das Königreich zu plündern.“ Saladins Kampagnen hatten eine Destabilisierung des Reiches zum Ziel- befördert durch „nachrichtendienstliche“ Berichte über die politischen Wirren in dem Land. Plündern = „Beute machen“ war ein Mittel dazu, nicht der Zweck. Punktuell ging es dem syrisch- ägyptischen Sultan aber auch um die Erledigung wichtiger Angelegenheiten- so die Ausschaltung der Burg Chastellet oder des transjordanischen Barons Rainald de Chatillon, der nach seiner Aktion im Roten Meer ganz oben auf der „Schwarzen Liste“stand.

11.-Raimund III., Graf von Tripolis, und Boemund III., Fürst von Antiochia, waren miteinander befreundet. Diese persönliche Verbindung, identische außenpolitische Sachzwänge und eine wahrscheinlich deckungsgleiche Wahrnehmung der Verhältnisse im lateinischen Königreich Jerusalem führte zu einem weitestgehend gemeinsamen politischen Handeln. Das Meinungs- und Durchsetzungsgewicht der beiden Herrscher in der Ratsversammlung des jerusalemitanischen Königreichs muß trotz der Hofpartei enorm gewesen sein- gerade auch angesichts der Zustände im Reich.

12.-Raimund hat mit einiger Wahrscheinlichkeit irgendwann um Ende 1186/ Anfang 1187 eine Art Separatfrieden/Waffenstillstand mit Saladin geschlossen, der sowohl die Grafschaft Tripolis wie auch die Baronie Galiläa umfaßte. Dieses Arrangement wurde ihm damals und auch gelegentlich heute noch als Verrat ausgelegt. Die Gründe für dieses Abkommen sind handfeste politische Zwänge gewesen, die ich nur skizzieren möchte: (Unmittelbar nachdem Balduin IV. die Fesseln seines irdischen Daseins abgestreift hatte, handelte Raimund als Regent mit Saladin einen Waffenstillstand über 4 Jahre aus. Diese Pax ist durch Rainald de Chatillons letztem Regelverstoß um die Jahreswende 1186/87 hinfällig geworden.) Nach dem Ableben Balduins V. ist Raimund reichspolitisch von der Hofpartei kaltgestellt worden und hatte sich zunächst zurückgezogen. Zum König gekrönt wurde Guido von Lusignan Sept./Okt. 1186 bei einer Polit- Posse, die deutlich zeigt, wie zerüttet das Reich zu dieser Zeit schon gewesen ist. Raimund hatte versucht, den Altadel gegen Guido zu mobilisieren. Der anfängliche Erfolg- immerhin der Versuch eines Staatsstreichs- wurde durch das Überlaufen des potentiellen Königskandidaten des Altadels, Humfred IV. von Toron, zum neuen König zunichte gemacht. Der kriminelle transjordanische Baron Rainald de Chatillon konnte um Ende 1186/Anfang 1187 (die Quellen geben keine genauere Auskunft) wieder einmal nicht widerstehen und plündert eine Karawane. Die strikte Weigerung Rainalds- gegen die Anweisung des Königs- Emendation zu leisten, würde Krieg mit Saladin bedeuten. (Bei einer groben Übersicht von Saladins Kampagnen gegen das Reich von 1178- 1185 fällt auf, daß mindestens 2/3 aller Überfälle- wahrscheinlich ein höherer Anteil- Galiläa betrafen. Galiläa war also potentiell am meisten gefährdet.) Der König war zwar verpflichtet, Einfälle ins Reich zu bekämpfen, aber aus Raimunds unmittelbarer Wahrnehmung heraus- auch als Wortführer der Opposition gegen Guidos Krönung- und aus den Erfahrungen, die er mit der Hofpartei gemacht hatte, konnte er nicht absolut sicher sein, daß Guido, der auch politisch unter hohem Druck stand, dieser Verpflichtung mit der nötigen Konsequenz nachkommen würde. Die Hofpartei, die nie ein einheitlicher politischer Block gewesen war, sondern die aus Individuen bestand, die ihren persönlichen Vorteil gesucht und deshalb zueinandergefunden hatten, war im Zerfall begriffen, hatte aber immer noch Einfluß auf den König und sie sah in Raimund immer noch die größte Bedrohung ihrer Interessen. Der Graf hatte realistisch gesehen im Zweifelsfall aus Jerusalem nicht mehr viel zu erwarten; deshalb sorgte er dafür, daß seine Herrschaftssphäre aus dem zu erwartenden Konflikt mit Saladin herausgehalten werden würde.

Der weitere Weg Raimunds wird geprägt durch seine Reaktion auf das Gefecht von Cresson und der daraus folgenden Teilnahme an dem Feldzug des Reichsheeres, der in Hattin endete. Bei Cresson frage ich mich zuerst, was Saladin mit einer militärischen Aufklärungsmission in Galiläa- wo Raimund von Tripolis herrschte und mit dem er (wahrscheinlich) eine Art Nichtangriffspakt geschlossen hat- eigentlich bezwecken wollte. Auf Spekulationen hierzu verzichte ich.

Rheinheimer (siehe die Literaturhinweise) geht mit Raimund III. hart ins Gericht: Der Graf habe in seinem maßlosen Ehrgeiz das Reich entzweit und an den Rand eines Bürgerkrieges gebracht. Meiner persönlichen Meinung nach sind bei dieser Einschätzung die zentrifugal wirkenden, eigentlich auslösenden Kräfte der Hofkamarilla zu wenig berücksichtigt und die Frage, ob der Tripolitaner tatsächlich nach der Krone greifen wollte, muß mangels einer ausreichenden Anzahl von Indizien unbeantwortet bleiben.

Literatur:

Als Gesamtdarstellung: H. E. Mayer: Geschichte der Kreuzzüge

M.Rheinheimer: Das Kreuzfahrerfürstentum Galiläa; H. E. Mayer: Varia Antiochena; H. E. Mayer: Die Legimität Balduins IV. von Jerusalem und das Testament der Agnes von Courtenay, in: Historisches Jahrbuch 108; W. Antweiler: Das Bistum Tripolis; Th. Vogtherr:: Die Regierungsdaten der lateinischen Könige von Jerusalem, in: Zeitschrift des Deutschen Palästinavereins 110; R. Hiestand: Zum Leben und zur Laufbahn Wilhelms von Tyrus, in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 34;

Einige Informationsüberschüsse bietet: H. E. Mayer: Die Kreuzfahrerherrschaft Montreal;

Wilhelm von Tyrus ist natürlich alles andere als objektiv und ist bei seinen chronologischen Angaben gelegentlich ungenau. Dennoch ist die Übersetzung seines Werks von Manfred Hiebl sehr aufschlußreich:http://www.manfredhiebl.de/Wilhelm-von-Tyrus/wilhelm-von-tyrus.htm

--Chastell Blanc (Diskussion) 21:26, 3. Jun. 2014 (CEST)Beantworten

Hallo Chastell Blanc, herzlichen Dank für Deinen fundierten Beitrag. Magst Du Dir auch die Mühe machen den Artikel entsprechend zu überarbeiten? --Herrgott (Diskussion) 21:35, 3. Jun. 2014 (CEST)Beantworten

Hallo Herrgott

(Du bist sicher nicht der „Echte“, denn jener hätte nur wenig Anlaß, mir zuzustimmen.)

Ich habe noch einige Ergänzungen:

In RRH 662- deren Inhalt mir nicht vorliegt- urkundet Raimund in eigener Sache. Das Dokument soll undatiert sein und wird in den August 1187 eingeordnet. Sollte dies stimmen, war der Graf im August also noch unter den Lebenden.

In meinem ersten Diskussionsbeitrag hatte ich die Erwähnung der Tatsache vergessen, daß Eschiva, die Witwe Walters von Saint Omer, und ihr zweiter Ehemann, Raimund III. von Tripolis, keine gemeinsamen Kinder hatten. Die vier Söhne Eschivas stammten aus erster Ehe und waren allesamt Stiefkinder Raimunds.


Den letzten Satz des Ausgangsbeitrags habe ich glatt überlesen: „Das Fürstentum erbte sein ältester Stiefsohn...“ Solche Aussagen sind deshalb problematisch, weil Menschen, die sich informieren wollen, damit schlicht und ergreifend in die Irre geführt werden. Nach der vernichtenden Niederlage des Reichsheeres bei Hattin hatte Saladin innerhalb weniger Monate die Fläche des Königreichs erobert. Abgesehen von Tyrus, welches der Aiyubide zweimal kurz, heftig und erfolglos belagert, halten im Reich nur noch wenige gut ausgebaute Burgen stand, die von „Notbesatzungen“ verteidigt werden und die teilweise nach Jahren endlich aufgaben (Montreal als letzte Festung in 4 oder 5/90). Galiläa war in muslimischer Hand: Es gab für Hugo von Saint Omer nichts mehr zu erben- außer dem Anspruch auf den Titel! Und dieser Anspruch kann relevant sein, wie wir gleich sehen werden:


An Balduins IV. (Halb-)Schwester Isabella, der letzten überlebenden Nahverwandten der Königsdynastie, hingen die Kronrechte für das winzige Königreich. Der 3. Kreuzzug als Reaktion auf den Verlust des Heiligen Landes, der Kreuzzug Heinrichs VI. und der ständige Druck von Saisonkreuzfahrern verbesserten die militärische Lage im Reich allmählich und führten schon zu Rückeroberungen. Nachdem Saladin diese Welt verlassen hatte (wahrscheinlich 4.3.1193), brachen im muslimischen Lager Kämpfe um die Nachfolge aus, in deren Folge man zu Gebietsabtretungen bereit war, um Ruhe vor den langsam wieder erstarkenden Franken zu haben. Isabella hatte Anfang Mai 1192 mit Heinrich von der Champagne ihren mittlerweile 3. Mann geheiratet, der jedoch schon am 10.9.1197 durch einen Unfall ums Leben kommt. Der verheiratete Hugo von Saint Omer- ältester von 4 Brüdern- tritt daraufhin seinen Rechtstitel auf Galiläa an seinen (mit Sicherheit unverheirateten) Bruder Radulf ab, um dessen Chancen bei der Werbung um Isabella und damit den jerusalemitanischen Thron zu erhöhen. Letztendlich vergeblich- wahrscheinlich auf Druck der „Haute Cour“- des Kronrates- fällt die Entscheidung für Aimerich von Lusignan, der inzwischen König von Zypern geworden war, als künftigen Gatten Isabellas. Weder Hugo noch Radulf hatten etwas von dem Titel; Radulf als der Titelinhaber tritt letztmalig im Mai 1220 in RRH 930 auf und dürfte danach nicht mehr allzulange unter uns geweilt haben. Verheiratet war Radulf später mit Agnes, einer Tochter Rainalds von Sidon. Die beiden hatten 2 Töchter, deren älteste den Namen ihrer Großmutter trug: Eschiva.


In den ersten Jahrzehnten nach Saladin geht es einigermaßen friedlich zu: Eine Reihe von Verträgen sichern das Nebeneinander von Franken und Muslimen, wobei die Letzteren immer wieder auch zu territorialen Zugeständnissen bereit waren.


1240 geschieht das, woran niemand mehr geglaubt hatte: Als Herrscher von Damaskus schließt as- salih Ismail mit Theobald von der Champagne- dem König von Navarra, der 1239 ins Heilige Land gekommen war- einen Vertrag, der unter anderem auch die Rückgabe Galiläas bis an die Jordangrenze einschließt. Dieser Vertrag wurde 1241 bestätigt und erweitert. Radulf hat das natürlich nicht mehr erlebt. Seine älteste Tochter Eschiva als Erbin des galiläischen Anspruchs rückte automatisch in die Führung der Baronie ein (eine gleichnamige Kusine versuchte vergeblich, den Anspruch der Radulftochter juristisch anzufechten). Eschiva II.war inzwischen mit Odo de Montbeliard verheiratet -dem aktuellen Konstabler des Reichsheeres- welcher damit Baron von Galiläa wurde. Die Baronie befand sich in einem noch schlechterem Zustand als 1187. Etwa 2/3 der Herrschaft gehörten den Ritterorden (in etwa wie vor der muslimischen Eroberung) und die Wirtschaftserträge der jenseits des Jordans liegenden Kondomien hatten sich erledigt. Die Verwaltung blieb rudimentär und wird niemals mehr die Quantität der Voreroberungszeit erreichen. Daß der allgemeine Zustand der Baronie sich nicht besserte, dürfte an der mangelnden ökonomischen Basis gelegen haben sowie an der Tatsache, daß das Hauptinteresse Odos, der auch als Regent tätig gewesen war, in der Reichspolitik lag. Letzteres allerdings nicht mehr lange: Der Baron tritt in RRH 1123 vom 11.oder 12.9.1244 letztmalig in Erscheinung; das nächste Jahr dürfte er nicht mehr erlebt haben. Eschiva II. verheiratete sich nicht mehr und führte die Baronie bis 1266. Das eine Frau einem großen Kronlehen in den Orientkreuzfahrerstaaten vorstand, war nicht ohne Beispiel- die Dauer dieses Engagements schon. An dieser Stelle kommen wir zu einer Tatsache, mit deren Verständnis ich mich recht schwer tue: Eschiva II. urkundet ein einziges Mal selbst in RRH 1336a vom Februar 1265. In dem nicht von einer „normalen“ Kanzlei, sondern von einem neutralen Notar ausgefertigten Dokument vergleicht sie sich mit den Johannitern zu deren Vorteil. Das Schriftstück ist das einzige erhaltene politische Lebenszeichen Eschivas II.- .d.h.sie tritt auch nicht in Zeugenlisten auf, was einigermaßen überzeugend erklärbar ist. Aber hat Eschiva II.als regierende galiläische Fürstin tatsächlich mehr als 20 Jahre lang keinerlei eigene, die Baronie betreffenden Rechtshandlungen zu dokumentieren gehabt? Das ist absolut unmöglich. Es gibt sicher eine Erklärung dafür, aber mit Spekulationen möchte ich mich nicht befassen. (Nach meiner Meinung muß man die beiden Urkunden RRH 1247 und 1249c (von 1256?), die der galiläische Konstabler Peter von Avalon als Vertreter der Baroness in der Reichsversammlung bezeugt, aus diesem Zusammenhang heraushalten- zum einen, weil Eschiva II. nicht persönlich zeichnet und zum anderen, weil es sich hier nicht um galiläische Angelegenheiten handelt.)

Galiläa wurde ab Anfang der 1250er Jahren schrittweise von den Muslimen erobert. Den nördlichen Rest erledigte der Mameluckensultan Baibars in einer Sommerkampagne 1266. Was aus Eschiva II. geworden ist, wissen wir nicht. Der Anspruch auf die Baronie ging durch Heirat einer Tochter Eschivas mit einem Sproß der Ibelin- Familie auf diese über- und wurde natürlich nicht mehr verwirklicht.

Als weiterführende Literatur wird empfohlen: M. Köhler, „Munasafat“- Gebietsteilungen zwischen Kreuzfahrern und islamischen Herrschern im 12. und 13. Jahrhundert; Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft , Supplement Band 6- hier wird das ökonomische Konstrukt „Kondomium“ behandelt.

Ach so- ich werde keinen neuen Artikel zu Raimund schreiben. Mir fehlen einfach die computertechnischen Voraussetzungen dafür (ich habe schon bei der Übertragung des mit OpenOffice geschriebenen ersten Diskussionsbeitrags zu Wikipedia Schwierigkeiten gehabt) und ich traue es mir bezüglich der hier üblichen Form einfach nicht zu. Und außerdem bin ich viel zu faul- siehe den ersten (Klammer)Satz nach der Anrede.


Ich bin mit diesem Beitrag noch nicht wirklich zufrieden, vor allem muß ich noch die eine oder andere Datumsangabe überprüfen. Deshalb kann es durchaus sein, daß dieser Diskussionsbeitrag punktuell überarbeitet wird. Bleibt gesund! (nicht signierter Beitrag von 95.168.143.218 (Diskussion) 19:47, 23. Jul 2014 (CEST))

Ich habe meinen letzten Beitrag unangemeldet eingestellt, deshalb fehlt die Unterschrift: Hiermit nachgeholt.--Chastell Blanc (Diskussion) 20:03, 23. Jul. 2014 (CEST)Beantworten