Distanzfunktion (Mikroökonomik)

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Abb. 1) Mit I ist die Indifferenzkurve zum Nutzenniveau bezeichnet.

Als Distanzfunktion (englisch: distance function) bezeichnet man in der Volkswirtschaftslehre und dort speziell in der Mikroökonomik eine implizite Darstellung der (direkten) Nutzenfunktion. Sie ist verschiedentlich interpretierbar; in geometrischer Lesart gibt sie für einen gegebenen Mengenvektor und ein gegebenes Nutzenniveau an, wie weit man sich auf dem vom Ursprung ausgehenden Mengenvektor bewegen muss, um zu der Indifferenzkurve zu gelangen, auf der dieses Nutzenniveau erreicht wird.

Einordnung und Definition[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die naheliegendste Methode, um Präferenzordnungen von Konsumenten in Form einer mathematischen Funktion zu repräsentieren, ist die (direkte) Nutzenfunktion. Sie gibt für eine gegebene Kombination von Gütermengen einen (reellen) Wert aus; aus dem Vergleich der Werte unterschiedlicher Güterbündel kann anschließend gefolgert werden, welches Güterbündel welchem anderen vorgezogen wird (bzw. zwischen welchen Güterbündeln der Haushalt indifferent ist). Aus der Nutzenfunktion kann wiederum eine Menge von Güterbündeln (die so genannte Indifferenzmenge bzw. -kurve) gebildet werden, in der alle Güterbündel enthalten sind, die ein bestimmtes Nutzenniveau generieren.

Definition über die Nutzenfunktion[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Distanzfunktion liegt eine Überlegung zugrunde, die – wie man auch algebraisch zeigen kann – eng mit der Idee der Nutzenmaximierung verwandt ist: Man betrachte irgendein beliebiges Güterbündel und ein gegebenes Nutzenniveau. Zugleich kenne man die Nutzenfunktion des Konsumenten. Der Wert der Distanzfunktion ist nun genau derjenige Skalar , durch den man das Güterbündel teilen muss, um daraus optimalerweise das gegebene Nutzenniveau zu erreichen. Formal:

Definition I[1]: Sei ein Tupel von Gütermengen, eine Nutzenfunktion und ein bestimmtes Nutzenniveau. Dann bezeichnet man die Funktion

als Distanzfunktion.

Intuitiv: Betrachtet man irgendein Güterbündel und irgendein Nutzenniveau . Dann gibt es drei Möglichkeiten: 1. Das Güterbündel erzeugt einen höheren Nutzen als . 2. Das Güterbündel erzeugt genau den Nutzen . 3. Das Güterbündel erzeugt einen geringeren Nutzen als . In Fall 1 kann man das Güterbündel kleiner machen (d. h. durch ein teilen), und zwar so weit, bis es gerade nur noch den Nutzen stiftet; in Fall 3 muss man es hingegen vergrößern (d. h. durch ein teilen), um gerade so noch den Nutzen zu erreichen. Interessant ist besondere Fall 2. Man sieht, dass ein Güterbündel genau dann (und nur dann) den Nutzen stiftet, wenn die Distanzfunktion dort den Wert 1 hat. Dies illustriert, dass bei der Konstruktion der Distanzfunktion keine Informationen aus der Nutzenfunktion verloren gegangen sind; es gilt[2]:

.

Definition über die Ausgabenfunktion[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Definition II[3]: Sei ein Tupel von Gütermengen zu Preisen , eine Nutzenfunktion und ein bestimmtes Nutzenniveau. Sei weiter die Ausgabenfunktion. Dann bezeichnet man die Funktion

als Distanzfunktion.

Theorem (Gorman 1976[4]): Definition I und II sind äquivalent.

Eigenschaften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Distanzfunktion weist unter anderem folgende Eigenschaften auf[5]

Die Hesse-Matrix der Distanzfunktion ist in der Literatur als Antonelli-Matrix bekannt.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Martin Browning: Dual Approaches to Utility. In: Salvador Barberà, Peter J. Hammond und Christian Seidl (Hrsg.): Handbook of Utility Theory. Bd. 1. Kluwer Academic Publishers, Boston 1998, ISBN 0-7923-8174-2, S. 122–144.
  • Richard Cornes: Duality and modern economics. Cambridge University Press, Cambridge u. a. 1992, ISBN 0-521-33601-5.
  • Angus Deaton: The Distance Function in Consumer Behaviour with Applications to Index Numbers and Optimal Taxation. In: The Review of Economic Studies. 46, Nr. 3, 1979, S. 391–405 (JSTOR:2297009).
  • Angus Deaton und John Muellbauer: Economics and consumer behavior. Cambridge University Press, Cambridge u. a. 1980, ISBN 0-521-22850-6.
  • William M. Gorman: Quasi‐Separable Preferences, Costs, and Technologies. University of North Carolina, 1970, mimeo. [Ausführlich zusammengefasst in C. Blackorby und A. F. Shorrocks (Hrsg.): Separability and Aggregation. The Collected Works of W. M. Gorman. Bd. 1. Oxford University Press, Cambridge u. a. 1996, ISBN 978-0-19-828521-2 (auch online: doi:10.1093/0198285213.003.0007).]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Vgl. Cornes 1992, S. 76; Browning 1998, S. 132.
  2. Vgl. Deaton 1979, S. 393.
  3. Vgl. Cornes 1992, S. 76; Deaton/Muellbauer 1980, S. 55; Browning 1998, S. 132.
  4. William M. Gorman: Tricks with Utility Functions. In: Michael J. Artis und A. Robert Nobay (Hrsg.): Essays in economic analysis. Cambridge, Cambridge University Press 1976. Vgl. auch Deaton 1979, S. 393.
  5. Vgl. Cornes 1992, S. 79; Deaton/Muellbauer 1980, S. 55.