Eidgenössische Konstruktionswerkstätte

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Das Unternehmen Eidgenössische Konstruktionswerkstätte (K+W) (französisch Ateliers fédéraux de construction) in Thun war ein Regiebetrieb und Teil der Gruppe für Rüstungsdienste des Eidgenössischen Militärdepartements (heute VBS). Die K+W hatte das Ziel, die Schweizer Landesverteidigung von importierten Rüstungsgütern und in Krisenzeiten unabhängig zu machen. Der Kürzel «K+W» ist die offizielle Abkürzung, darin steht das «+» für das Schweizer Kreuz, also für «eidgenössisch», analoge Abkürzungen waren und sind auch für andere Bundesbetriebe üblich. In Fliegerkreisen wird auch fälschlicherweise EKW abgekürzt. Die K+W bestand von 1863 bis 1999 und ist heute ein Teil des Kernes der RUAG.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die technologischen Entwicklung zeigte der Schweizer Armeeführung Mitte des 19. Jahrhunderts, dass eine eigene, einheitliche Geschützherstellung nötig wurde. 1861 beschloss auf Antrag des Bundesrates das eidg. Parlament die Errichtung einer Reparaturwerkstätte. 1863 gründete der Inspektor der Artillerie und spätere General Hans Herzog die Eidgenössische Reparaturwerkstätte Thun, ab 1874 Eidgenössische Konstruktionswerkstätte genannt, sowie das Eidgenössische Laboratorium, die spätere Eidgenössische Munitionsfabrik in Thun.

Die Aufgaben sind schon im 19. Jahrhundert die folgenden gewesen[1]:

  • Herstellung und Reparatur derjenigen Teile der Armee-Ausrüstung, die nicht an andere Militärwerkstätten oder Private übertragen werden können
  • Erstellung von Zeichnungen und Modellen sowie Durchführung entsprechender Versuche.
  • Ausarbeitung von Vorschriften und Reglementen über Kriegsmaterial.
  • Ausführung von Privataufträgen, falls die entsprechenden Umstände dies zulassen.

Auf diesen Grundlagen wurden Geschütze, Feldfahrzeuge, Eisenbahnwagen, mobile Werkstätten, Küchen, Schiffe und viele weitere Ausrüstungsgegenstände hergestellt. Aber selbst der Gründer, General Herzog, leitete mehrmalige Erneuerung der Artillerie ein ohne die K+W einzubeziehen. Man arbeitete für die Entwicklung von Geschützen auch mit ausländischen Herstellern zusammen, so mit der deutschen Krupp oder der schwedischen Bofors.

Im Vorfeld des Ersten Weltkrieges stieg der Personalbestand auf ca. 500 Personen. Nach dem Krieg ging der Auftrags- und somit auch der Personalbestand drastisch zurück. Erst als in Europa das Wettrüsten längst wieder begonnen hatte, wurde ab Mitte der Dreissiger Jahre der Maschinenpark modernisiert und diverse Projekte im Bereich Flugzeugbau und Geschützentwicklung verfolgt. 1938 zerstörte ein Grossbrand Produktions- und Lagerhallen. 1939 betrug der Personalbestand ca. 1'100 Angestellte, 1942 waren es 1'600 Mitarbeiter, doch schon nach 1943 setzte ein Personalabbau ein. Trotz Privataufträgen im Flugzeugmarkt (Willi Farner Flugzeugbau Grenchen, Pilatus Flugzeugwerke) und von anderen Kunden sank dann der Personalbestand bis auf 700 Mitarbeiter.

Mitte der 1990er Jahre wurde schrittweise die Privatisierung vorbereitet. Noch als Bundesbetrieb wurde die K+W in SW Schweizerische Unternehmung für Waffensysteme umbenannt. Im September 1998 wurde eine Aktiengesellschaft gegründet und die Unternehmung als Sacheinlage eingebracht. Die neue Firma lautete dann: SW SCHWEIZERISCHE UNTERNEHMUNG FÜR WAFFENSYSTEME AG (SW ENTREPRISE SUISSE D’ARMEMENT SA) (SW IMPRESA SVIZZERA Dl SISTEMI D’ARMA SA) (SW SWISS ORDNANCE ENTREPRISE CORP.) Somit war der Uebergang zur privatwirtschaftlichen Unternehmung juristisch vollzogen.

Geschützbau[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Von Anbeginn beschäftigte sich der Betrieb mit dem Unterhalt, der Verbesserung und der Fabrikation von Geschützen aller Art. Oft wurden schweizerische oder ausländische Unternehmen für die Entwicklung oder Produktion beigezogen oder in Lizenz fremde Geschütze gebaut. Die erste Aufgabe 1863 war die Neuentwicklung einer Lafette für 311 neu gekaufte Vierpfünder-Vorderladergeschütze. Zu den letzten Entwicklungen gehörte die 15,5 cm Festungskanone 93 L52 BISON, ein Festungsartilleriesystem der Schweizer Armee, das dann wegen des Endes des Kalten Krieges und der neuen Gefährdung durch GPS-gesteuerte Cruise-Missiles ausser Dienst gestellt wurde.

So wurden unzählige Kanonen, Haubitzen, Minenwerfer (Mörser), Fliegerabwehrkanonen, Festungsgeschütze und Panzerabwehrwaffen der verschiedensten Kaliber entwickelt, erprobt, hergestellt, unterhalten und modifiziert. Ebenso wurden die damit verbundenen Fahrzeuge und Zusatzgeräte gefertigt. Die K+W gehörte zu den wenigen Betrieben, die solche Systeme von Grund auf inklusive der Rohre produzieren konnte.

Fahrzeugbau[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Artilleriegeschütze benötigten schon von Anbeginn spezielle Fahrzeuge. Mit der Modernisierung der Kriegsführung wurden schon um 1870 unzählige Fahrzeugtypen für die Armee hergestellt. So Munitionswagen, Telegrafenwagen, Eisenbahnwagen, Brigadefourgons, Proviantwagen, Feldschmieden, Schiffe, Räder etc. Mit der Motorisierung ab 1893 ergaben sich dann neue Aufgaben für den Unterhalt. Vor dem Zweiten Weltkrieg beschaffte die Schweiz einige wenige Panzer, die in der Folge auch Unterhalt benötigten. Es gab schon vorher einige wenige Versuche mit eigenen gepanzerten Fahrzeugen. Erst in den 1950er Jahren beschaffte die Schweiz grössere Mengen Panzer im Ausland, die jedoch teilweise unbefriedigend waren. So wurde eine eigene Panzerentwicklung gestartet, was 1961 im Auftrag von 150 Panzer 61 und dann in der Fortsetzung für den Panzer 68 gipfelte. Inzwischen gab es eine beträchtliche Panzerflotte der Schweizer Armee zu unterhalten. Kurz vor dem noch nicht absehbaren Ende des Kalten Krieges wurde dann eine Neuentwicklung eines modernen Panzers zu Gunsten einer Lizenzproduktion des Panzer 87 (Leopard 2) gestoppt. Dafür sorgte die Endfertigung von 345 Leo 2 für volle Arbeitsbücher. Daneben wurde der gesamte Fahrzeugpark der Schweizer Armee erprobt, beschafft, modifiziert, unterhalten und repariert und auch entsorgt.

Flugzeugbau[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg erkannte auch die Schweizer Armee den Bedarf an Flugzeugen. 1914 wurde die Schweizer Luftwaffe gegründet. Der Krieg verhinderte eine Beschaffung der neuesten Flugzeuggenerationen, die sich dazu noch rasend schnell veränderten. Darum erteilte im Mai 1915 der Bundesrat der K+W den Auftrag, sechs Flugzeuge nach den Entwürfen von August Haefeli zu bauen. Einen Monat später wurde eine eigene Abteilung für die Konstruktion und Fabrikation von Flugzeugen geschaffen, im November konnte man mit der ersten neuen Maschine zum Probeflug starten und im April 1916 wurden die sechs DH-1 abgeliefert.

In der Folge entstanden verschiedene Flugzeugtypen durch Eigenbau, Lizenzbau oder Umbau für die Schweizer Armee und für den Export. 1940 wurde der Flugzeugbau von der Allmendstrasse in Thun schrittweise nach Emmen verlagert; 1943 wurde auch das Konstruktionsbüro nach Emmen verlegt und offiziell das Eidgenössische Flugzeugwerk in Emmen gegründet. Damit war der Flugzeugbau und -unterhalt nicht mehr Aufgabe der K+W in Thun.

Privatisierung nach dem Ende des Kalten Krieges[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Eidgenössische Konstruktionswerkstätte ist 1998 schrittweise in die privatrechtlich organisierte RUAG-Gruppe überführt worden und bildet den Kern der heutigen Division RUAG Defence. Das Personal verlor den Beamtenstatus und erhielt privatrechtliche Arbeitsverträge mit Übergangsbestimmungen. Die meisten Produkte und Dienstleistungen wurden durch die RUAG übernommen. In einer Übergangsphase lautete der Firmenname Schweizerische Unternehmung für Waffensysteme (SW); unter diesem Namen wurde eine Aktiengesellschaft gebildet, die dann als RUAG Land Systems integriert wurde. Ähnlich wurde die Eidgenössische Waffenfabrik grösstenteils in das «Schweizerische Elektronikunternehmen (SE)» integriert, andere Teile kamen zur «Schweizerischen Unternehmung für Waffensysteme». Heute sind alle bei «RUAG Defence» wieder vereint.

Flugzeugtypen von K+W[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Haefeli[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

August Haefeli konstruierte die folgenden Muster für K+W[2]:

  • Häfeli DH-1
  • Häfeli DH-2
  • Häfeli DH-3 (M III)
  • Häfeli DH-3 (M IIIa)
  • Häfeli DH-3 (M IIIb)
  • Häfeli DH-4 (M IV)
  • Häfeli DH-3 (M IIa)
  • Häfeli DH-5 (MV)
  • Häfeli DH-5 (MV)
  • Häfeli DH-5 X (M V x)
  • Häfeli DH-3 (M IIIa)
  • Häfeli DH-5A (M Va)
  • Häfeli DH-5 (MV-1)
  • Häfeli DH-5 (MV-1)

Prototypen Haefeli:

Dewoitine[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

K + W baute für die Flugwaffe und Export die folgenden Dewoitine-Muster[3][4]:

  • Dewoitine D-9, drei Exemplare wurden aus von Dewoitine gelieferten Teilen montiert.
  • Dewoitine D.19, ein Exemplar direkt von Dewoitine bezogen, zwei aus gelieferten Teilen zusammengebaut
  • Dewoitine D.21, sieben D.21 für die argentinische Luftwaffe gebaut. In Lizenz wurden weitere 58 Exemplare mit Lorraine-Dietrich-Motoren gebaut.
  • Dewoitine D.26, 11 Stück gebaut[5].
  • Dewoitine D.27, 1928 wurde der Prototyp und danach für die Schweiz fünf Vorserienflugzeuge und zwei Baulose mit 15 und 45 Serienflugzeugen produziert.[6]

C-35/C-36[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die weiteren Typen dieser «Linie C-36» wurden vom Eidgenössischen Flugzeugwerk in Emmen produziert.

Lizenzbauten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Panzer, gepanzerte Fahrzeuge[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Panzer-Konstruktionswerkstätte Thun (1977)

Eigenkonstruktionen:

  • Nahkampfkanone 1 (NK 1), nur 1 Prototyp gebaut im Einsatz 1944–1947
  • Mittlerer Panzer 1958 (MPz 58), 1 Prototyp + 12 Stück im Einsatz 1958–1964, später zu Zielpanzer 61 umgebaut.
  • Panzer 61 (Pz 61), 150 Stück im Einsatz von 1964 bis 1994, alle Fahrzeuge wurden modernisiert zum Panzer 61 AA9 (Pz 61 AA9)
  • Panzer 68 (Pz 68), 220 Stück im Einsatz von 1971 bis 1999, 25 Stück modernisiert als Pz 68/88 bis 2003 im Einsatz
  • Panzer 68/75 (Pz 68/75), 170 Stück im Einsatz von 1978 bis 2003
  • Panzer 68/88, 195 Stück (inklusive 25 modernisierte Pz 68), im Dienst von 1993 bis 2003
  • Zielpanzer 68, 10 Stück im Dienst von 1974 bis 2007
  • Entpannungspanzer 65, 69 Stück im Dienst von 1972 bis 2008. Umbau zu Entpannungspanzer 65/88.
  • Brückenpanzer 68 (Brü Pz 68), 30 Stück seit 1976 im Einsatz alle wurden 1989 modernisiert zu Brückenpanzer 68/88
  • 35 mm Flab Panzer B22L Entwicklung mit Oerlikon-Bührle basierend auf dem deutschen GEPARD. 2 Stück gebaut, für Versuche im Einsatz 1979–1980 Entwicklung zugunsten der Boden-Luft-Rakete Rapier abgebrochen.
  • 15,5-cm-Artillerie-Panzerkanone 68 (15,5 cm Art Pz Kan 68), 4 Stück gebaut für Versuchszwecke im Einsatz von 1972 bis 1975. Projekt zugunsten der amerikanischen M109 abgebrochen.

Gezogene Geschütze[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

12-cm-Mörser mit Bronzerohr

Lizenz- und Eigenbau, chronologisch

  • Vierpfünder-Feldkanone 1862
  • 10,5-cm-Feldkanone 1866
  • 8,4-cm-Feldkanone 1871
  • 7,5-cm-Gebirgsgeschütz 1877
  • 12-cm-Kanone 1882
  • 7,5-cm-Feldkanone 03/22
  • 12-cm-Feldhaubitze 12/39
  • 15-cm-Feldhaubitze 1916
  • 4,7-cm-Infanteriekanone 35
  • 7,5-cm-Flabkanone 38
  • 12-cm-Minenwerfer 41
  • 10,5-cm-Kanone 35 L42
  • 15-cm-Feldhaubitze 42
  • 10,5-cm-Haubitze 46

Festungsgeschütze[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

15-cm-Kanone Festung Furggels

Die Schweizer Festungsartillerie spielte in der Bewaffnung der Schweiz ab Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Ende des Kalten Krieges eine grosse Rolle.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • 125 Jahre Eidgenössische Konstruktionswerkstätte Thun. K+W Thun, Thun 1988.
  • Oberst a. D. Henri Habegger: Geschütze der Schweizer Artillerie, Teil Selbstfahrgeschütze in der Schweiz. Beer, Zürich 2012, In: Feuerwerker-Gesellschaft Zürich: Neujahrsblatt der Feuerwerker-Gesellschaft (Artillerie-Kollegium) in Zürich auf das Jahr 2013 /Bd. 204. ISBN 978-3-906262-78-9.
  • Glanzlichter und Tiefpunkte. Streifzug durch die letzten vier Jahrzehnte. In: Neue Zürcher Zeitung vom 29. November 1974, Seite 97.
Flugzeugbau betreffend

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Eidgenössische Konstruktionswerkstätte – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. 125 Jahre Eidgenössische Konstruktionswerkstätte Thun, 1988. K+W Thun, Thun 1988.
  2. Liste Haefeli «DH» Flugzeuge in der Schweizer Luftwaffe, abgerufen am 9. November 2013
  3. Aircraft-Lexikon von A-Z. In: Aircraft – Die neue Enzyklopädie der Luftfahrt, Heft 78, Orbis Publishing GmbH, 1994, S. 2181–2183
  4. Flugzeuge von A -Z. In: AERO – Das illustrierte Sammelwerk der Luftfahrt, Heft 64, Marshall Cavendish International, 1984, S. 1789–1791
  5. Archivlink (Memento vom 3. Dezember 2013 im Internet Archive) Website Luftwaffe "Ausgemusterte Mittel – Flugzeuge, Helikopter, Flab, vom 16. Nov. 2013
  6. Archivierte Kopie (Memento vom 3. Dezember 2013 im Internet Archive) Cockpit, das Schweizer Luftfahrt-Magazin Nr. 11/November 2012 p. 48ff. Herausgelesen am 28. November 2013
  7. Das Artilleriesystem 15,5 Festungskanone 93 L52 Bison (Memento des Originals vom 18. Mai 2021 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.offiziere.ch, auf www.offiziere.ch, abgerufen am 16. November 2013