Gemeinderat (Stadt Zürich)

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Der Gemeinderat ist das Parlament der Stadt Zürich. Als Legislative ist er die oberste gesetzgebende Behörde in der Stadt. Seine 125 Mitglieder werden in neun Wahlkreisen nach dem Proporzverfahren für vier Jahre gewählt. Die Sitzungen des Gemeinderats finden in der Regel jeden Mittwochabend statt (ausser während der Schulferien). Der Rat tagt üblicherweise im Rathaus von Zürich. Aufgrund von anstehenden Instandsetzungsarbeiten werden die Sitzungen zurzeit im «Rathaus Hard» in Zürich-Aussersihl abgehalten. Die letzte Gesamterneuerungswahl fand am 13. Februar 2022 statt. Am 4. Mai 2022 begann die 36. Legislatur. Sie dauert bis Mai 2026.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ein Parlament im modernen Sinne mit Gewaltenteilung gibt es in der Stadt Zürich seit 1831. Im gleichen Jahr wurden ein Gemeindegesetz und eine Gemeindeordnung erlassen, die ein Parlament mit Kontrollfunktion gegenüber der Exekutive vorsahen.[1] Im 19. Jahrhundert hat der Gemeinderat (damals: Grosser Stadtrat) noch eher selten getagt. Die wichtigen Entscheide fällte bis 1892 die Gemeindeversammlung. Der Grosse Stadtrat hat mit der Eingemeindung von 1893 einen Teil der Funktionen der Gemeindeversammlung übernommen. In diesem Jahr wurden auch die Initiative und das Referendum als direktdemokratische Instrumente eingeführt.[1] Seit 1893 werden die Legislaturen gezählt. 1934 wurde der Grosse Stadtrat in Gemeinderat umbenannt.[1]

Aufgaben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Gemeinderat hat gemäss Art. 53 ff der Gemeindeordnung der Stadt Zürich[2] folgende Aufgaben:

  • Festsetzung des Budgets und des Steuerfusses: Eine der wichtigsten Kompetenzen des Gemeinderats ist die jährliche Festlegung des Budgets der Stadt Zürich. Die Stadt hat ein Budget von etwa 9,5 Milliarden Franken. Wie viel und wo dieses Geld eingesetzt wird, entscheidet der Gemeinderat jeweils im Dezember.
  • Erlass von Gesetzen: Der Gemeinderat erlässt in seiner Funktion als Legislative Gesetze für die Stadt Zürich. Dies sind insbesondere Verordnungen von allgemeiner Wichtigkeit wie beispielsweise die Verordnung über den Einsatz von Bodycams bei der Stadtpolizei oder die Verordnung über die Grundsätze der Vermietung von städtischen Wohnungen. Ebenfalls setzt er die kommunalen Richt- und Nutzungspläne, die Bau- und Zonenordnung sowie Sonderbauvorschriften und Gestaltungspläne fest.
  • Ausgabenbeschlüsse: Ausgaben, die der Stadtrat nicht in eigener Kompetenz tätigen kann, muss er dem Gemeinderat vorlegen. Dieser beschliesst auf Antrag des Stadtrats über diese Ausgaben – zum Beispiel über einen Kredit für den Bau eines neuen Schulhauses. Ausgaben von mehr als 20 Millionen Franken müssen zusätzlich dem Volk vorgelegt werden (obligatorische Volksabstimmung).
  • Einreichen von Vorstössen: Jedes Gemeinderatsmitglied, jede Fraktion und jede Kommission des Gemeinderats ist berechtigt, Vorstösse (Motionen, Postulate, Parlamentarische Initiativen, Globalbudgetanträge, Interpellationen und Schriftliche Anfragen) zuhanden des Stadtrats einzureichen. Ziel eines Vorstosses ist es, die Interessen der Stimmberechtigten der Stadt einzubringen und den Stadtrat aufzufordern, seine Politik diesen Anliegen entsprechend zu gestalten.
  • Abnahme der Rechnung: In seiner Rolle als Aufsichtsorgan nimmt der Gemeinderat jeweils im Juni die Rechnung der Stadt ab.
  • Genehmigung des Geschäftsberichts: Durch den Geschäftsbericht erhält der Gemeinderat Einsicht in die Arbeit des Stadtrats sowie der Stadtverwaltung und kann diese so beaufsichtigen.
  • Wahl diverser Gremien und Leitungen Fachstellen: Der Gemeinderat wählt in seiner Funktion als Volksvertretung zahlreiche Gremien sowie die Leitungspersonen verschiedener Fachstellen. Dazu gehören zum Beispiel die Mitglieder der Schulkommissionen, die Mitglieder der Sozialbehörde, die Direktorin oder der Direktor der Finanzkontrolle, die Ombudsperson sowie die oder der Datenschutzbeauftragte.

Parteien, Fraktionen und Parlamentarische Gruppen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

siehe auch Ergebnisse der Kommunalwahlen in Zürich

Im Gemeinderat sind in der laufenden Legislatur acht Parteien vertreten. Die Sitzverteilung sieht wie folgt aus (Stand Februar 2023, nach Sitzverschiebung: −1 GLP / +1 FDP):

8
18
37
16
3
6
23
14
18 37 16 23 14 
Insgesamt 125 Sitze

Eine Fraktion besteht aus mindestens fünf Mitgliedern des Gemeinderats, die in der Regel der gleichen Partei angehören. Es können aber auch Mitglieder zweier oder mehrerer Parteien oder Gruppierungen eine gemeinsame Fraktion bilden. Die Fraktion ist eine wichtige Plattform für die Meinungsbildung zu den Geschäften des Gemeinderats. Für die Führung des Fraktionssekretariats erhalten die Fraktionen von der Stadt finanzielle Beiträge. Die Fraktionen sind gemäss ihrer Stärke in den Kommissionen vertreten.
In der Legislatur 2022 bis 2026 sind im Rat sieben Fraktionen vertreten.

Die folgende Tabelle zeigt die Entwicklung der Sitzverteilung des Gemeinderats seit 1895:

Parteien SP FDP1 SVP2 Grüne GLP AL3 EVP4 Die Mitte5 LDU PdA6 Demokraten Übrige Total
1895 18 53 41 6 118
1898 22 51 39 6 118
1901 31 54 36 4 125
1904 44 47 31 3 125
1907 49 47 26 3 125
1910 49 46 26 4 125
1913 53 34 8 17 13 125
1916 60 36 8 15 6 125
1919 60 39 8 10 8 125
1922 44 41 1 9 13 12 5 125
1925 55 39 11 9 10 1 125
1928 59 41 10 5 10 125
1931 63 35 1 11 6 9 125
1933 63 28 3 13 2 6 10 125
1938 60 29 10 20 2 4 125
1942 48 23 13 37 3 1 125
1946 38 25 4 14 21 19 4 125
1950 40 28 5 16 28 4 4 125
1954 46 27 7 3 16 20 2 4 125
1958 46 25 10 4 17 21 1 1 125
1962 46 27 10 8 19 14 1 125
1966 41 23 11 7 18 22 2 1 125
1970 41 26 5 12 15 26 125
1974 44 23 4 8 19 16 1 10 125
1978 50 26 5 6 19 16 1 2 125
1982 42 36 7 6 19 9 6 125
1986 39 27 6 5 6 17 11 14 125
1990 47 25 7 10 4 4 12 8 8 125
1994 43 28 19 5 2 2 10 7 9 125
1998 49 26 26 7 2 1 8 4 2 125
2002 49 20 31 10 3 2 9 1 125
2006 44 19 24 14 5 6 10 3 125
2010 39 18 24 14 12 5 4 7 2 125
2014 39 21 23 14 13 9 6 125
2018 43 21 17 16 14 10 4 125
2022 37 22 14 18 17 8 3 6 125

Fussnoten:

1 FDP: 1970 einschliesslich Demokraten
2 SVP: bis 1970 als BGB
3 AL: 1990 bis 1998 als «Alternative Liste Züri 1990»
4 EVP: 2018 mit BDP
5 Die Mitte: vor 2022 als CVP
6 PdA: 1922 bis 1938 als Kommunisten

Quelle: Statistik Stadt Zürich[3][4][5]

Mitglieder[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Anzahl und Verteilung auf Wahlkreise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Gemeinderat besteht aus 125 Mitgliedern.[6] Die Sitze werden gemäss den Bevölkerungszahlen auf neun Wahlkreise verteilt. Die Stadtkreise 1 und 2, 4 und 5 sowie 7 und 8 bilden zusammen einen Wahlkreis, die übrigen Stadtkreise bilden je einen eigenen Wahlkreis.[7] Der Gemeinderat wird alle vier Jahre von den 233 859 Wahlberechtigten der Stadt Zürich (Stand: 2022) an der Urne gewählt, wobei das doppeltproportionale Zuteilungsverfahren nach Friedrich Pukelsheim zur Anwendung kommt. Jedes Ratsmitglied vertritt stadtweit rund 3490 Einwohnerinnen und Einwohner. Um in den Gemeinderat einzuziehen, muss seit 2006 in mindestens einem Wahlkreis die Fünf-Prozent-Hürde überwunden werden. Eine Abschaffung der Sperrklausel wurde 2017 vom Volk abgelehnt.[8] Die letzte Wahl fand am 13. Februar 2022 für die Amtsdauer von 2022 bis 2026 statt.

Präsidium[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Präsidentin des Gemeinderats im Amtsjahr 2023/2024 ist Sofia Karakostas (SP). Sie ist für ein Jahr gewählt und in dieser Zeit die höchste Stadtzürcherin. Die Präsidentin leitet die Sitzungen des Gemeinderats und übernimmt Repräsentationsaufgaben. Sofia Karakostas (SP) wird in ihrem Amtsjahr vom ersten Vizepräsidenten Guy Krayenbühl (GLP) und vom zweiten Vizepräsidenten Christian Huser (FDP) unterstützt. In der Regel durchläuft die Präsidentin oder der Präsident zuerst das Amt des zweiten und danach des ersten Vizepräsidiums. Das Präsidium wird während der Ratssitzung durch das Ratssekretariat unterstützt. Es ist für sämtliche Protokolle des Rats (Beschluss- und substanzielles Protokoll sowie für die Audio-Aufnahme der Sitzungen) verantwortlich.

Vergütung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Mitglieder des Gemeinderats sind Milizpolitikerinnen oder Milizpolitiker, d. h. sie üben neben ihrem Mandat als Gemeinderätin oder Gemeinderat einen Beruf aus. Das Pensum als Gemeinderatsmitglied mit allen Vor- und Nachbereitungen und der Teilnahme an Rats-, Kommissions- und Fraktionssitzungen umfasst mindestens 20 Prozent. Ein zusätzliches Amt wie das Präsidium des Rats oder einer Kommission nimmt deutlich mehr Zeit in Anspruch. Für die Teilnahme an Rats- und Kommissionssitzungen erhalten die Mitglieder des Gemeinderats ein Sitzungsgeld.[9] Das Sitzungsgeld beträgt für eine Sitzung von bis zu 2,5 Stunden Dauer 130 Franken.

Kommissionen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Kommissionen sind Arbeitsgruppen für bestimmte sachpolitische Bereiche. Sie beraten die Vorlagen des Stadtrats und stellen Antrag an den Gemeinderat. Die Kommissionsmitglieder sind in ihrer Rolle als Expertinnen und Experten für ihren Zuständigkeitsbereich wichtige Ansprechpersonen für den übrigen Rat. In den Kommissionen werden die Sitze gemäss der Stärke der Fraktionen im Rat verteilt.

Im Gemeinderat gibt es folgende Kommissionen:

  • Geschäftsleitung
  • Ständige Kommissionen: Rechnungsprüfungskommission (RPK) und Geschäftsprüfungskommission (GPK)
  • Sachkommissionen: SK FD (Finanzdepartement), SK GUD (Gesundheits- und Umweltdepartement), SK HBD/SE (Hochbaudepartement/Stadtentwicklung), SK SID/V (Sicherheitsdepartement/Verkehr), SK PRD/SSD (Präsidialdepartement/Schul- und Sportdepartement), SK SD (Sozialdepartement), SK TED/DIB (Tiefbau- und Entsorgungsdepartement/Departement der Industriellen Betriebe)
  • Redaktionskommission (RedK)
  • Interfraktionelle Konferenz (IFK)

Ehemalige Präsidien des Gemeinderats[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Dr. Johannes Caspar Ryf war der erste Präsident des Gemeinderats im Jahr 1831. Seit der ersten Eingemeindung vom 1. Januar 1893 besteht der Gemeinderat in der heutigen Form. Als Erster präsidierte diesen Dr. Konrad Escher von den Liberalen. Die erste Präsidentin war Irene Müller-Bertschi (SP) im Jahr 1978. In der folgenden Tabelle sind die Altpräsidien der letzten Jahre aufgeführt.

Amtsjahr Name Partei
2006/07 Vohdin Christopher SVP
2007/08 Hug Christoph Grüne
2008/09 Jahreiss-Montagnani Fiammetta SP
2009/10 Schönbächler Robert CVP
2010/11 Garzotto Marina SVP
2011/12 Manser Joe A. SP
2012/13 Leiser Albert FDP
2013/14 Abele Martin Grüne
2014/15 Frei Dorothea SP
2015/16 Wiesmann Matthias GLP
2016/17 Bartholdi Roger SVP
2017/18 Küng Peter SP
2018/19 Bürki Martin FDP
2019/20 Heinz Schatt SVP
2020/21 Helen Glaser SP
2021/22 Mischa Schiwow AL
2022/23 Matthias Probst Grüne

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c Nicola Behrens: Zürich (Gemeinde). In: Historisches Lexikon der Schweiz., Kapitel 4.1
  2. Gemeindeordnung der Stadt Zürich vom 13. Juni 2021. Stadt Zürich, abgerufen am 2. August 2021.
  3. Statistisches Jahrbuch der Stadt Zürich 2014, S. 379
  4. Statistisches Jahrbuch der Stadt Zürich 1969, S. 398
  5. Resultate Erneuerungswahlen 2018 (Memento des Originals vom 18. Juli 2018 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.stadt-zuerich.ch
  6. Gemeindeordnung der Stadt Zürich, Art. 40 Abs. 2
  7. Gemeindeordnung der Stadt Zürich, Art. 8 Abs. 1
  8. Tagblatt: In Zürich bleibt die 5-Prozent-Hürde (Memento vom 1. Dezember 2017 im Internet Archive)
  9. Entschädigungsverordnung des Gemeinderats der Stadt Zürich