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Hagia Irene

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Ostpartie der Kirche

Die Hagia Irene oder Hagia Eirene (Αγία Ειρήνη, altgriechische Aussprache Hagia Ejrene, neugriechisch Aja Irini, „Kirche des Göttlichen Friedens“; türkisch Aya İrini; auch Irenenkirche) war eine byzantinische Kirche in Konstantinopel, dem heutigen Istanbul. Später, in der osmanischen Zeit, wurde sie als Waffenlager genutzt, heute ist sie ein Museum und dient als Konzertraum.

Die Hagia Irene befindet sich auf dem großen (ersten) Hof zwischen der Hagia Sophia und dem Topkapı-Palast in Istanbul.

Apsis der Kirche mit Kreuz
Apsis der Hagia Irene mit dem Synthronon

Die Irenenkirche wurde unter dem römischen Kaiser Konstantin I. im 4. Jahrhundert als erste Kirche Konstantinopels erbaut. Sie war ein Schauplatz der – teilweise blutigen – Auseinandersetzungen zwischen Arianern und Trinitariern während des Arianischen Streits. In der Hagia Irene tagte 381 das Zweite Ökumenische Konzil, das diesen Streit beenden sollte. Sie war die Kirche des Patriarchats, bevor die Hagia Sophia errichtet wurde.

Nachdem die Kirche 532 beim Nika-Aufstand niedergebrannt worden war, ließ Justinian I. sie wieder aufbauen. Nach erneuter Zerstörung durch ein Erdbeben im Jahre 740 wurde die Hagia Irene unter Konstantin V. weitgehend neu erbaut.

Nach der Eroberung von Konstantinopel durch die Osmanen 1453 benutzte die Palastwache der Janitscharen die Kirche als Waffenarsenal. Ahmet Fethi Pascha, Marschall des Arsenals, ließ 1846 in der Kirche ein Museum einrichten. Als 1875 der Platz für weitere Exponate nicht mehr ausreichte, wurde die Sammlung in den Çinili Köşk in der Topkapı-Palastanlage verlegt. 1869 wurde die Kirche Reichsmuseum (Müze-i Hümayun) und 1908 für einige Zeit Militärmuseum. Seit 1973 wird das restaurierte Baudenkmal wegen seiner eindrucksvollen akustischen Atmosphäre für klassische Konzerte genutzt, untersteht aber als Museum der Hagia-Sophia-Museumsdirektion. Die meisten Konzerte des Istanbul Musik Festivals werden seit 1980 in der Hagia Irene durchgeführt.

Grundriss der Kirche
Längsschnitt
Antikes Atrium

Die Hagia Irene ist ein frühes Beispiel für den Übergang vom Basilikalgrundriss zum Zentralbau in Form eines griechischen Kreuzes. Die von zwei Kuppeln überwölbte Emporenbasilika endet im Osten in einer polygonalen, von drei großen Rundbogenfenstern durchbrochenen Apsis mit einem Synthronon. Die Hagia Irene ist die einzige byzantinische Kirche mit einem original erhaltenen Atrium.[1]

In seiner heutigen Gestalt stammt das Bauwerk, insbesondere die Kuppelgewölbe, aus dem 8. Jahrhundert, das Fundament, erhebliche Teile der Wandflächen, Säulen und der Apsis jedoch von den vorausgegangenen Bauphasen. Der sehr ähnliche Bau Konstantins aus dem frühen 4. Jahrhundert wurde zum Vorbild für viele frühchristliche Kirchenbauten, insbesondere für die orthodoxen Kirchenbauten, deren vollendetes Muster zweihundert Jahre später mit der benachbarten Hagia Sophia erreicht wurde. Die Kirchenbauten des Byzantinischen Reiches wichen vom Schema der Basilika ab, einem Bautyp, der in der römischen Architektur für Markt- oder Gerichtshallen verbreitet war. Letzterem Bautyp, der dreischiffigen Säulenbasilika, entsprachen etwa die ebenfalls von Konstantin dem Großen erbauten Kirchen Alt-St. Peter, Sankt Paul vor den Mauern und Lateranbasilika in Rom. Die Basilikaform der antiken Markthallen-Architektur wurde dann noch bis in die Vorromanik und Romanik für Kirchenbauten der römisch-katholischen Kirche fast ohne Veränderungen verwendet, so etwa in den spätantiken Kirchen von Ravenna oder in der Basilika San Piero a Grado in Pisa aus dem 10. Jahrhundert. Als weiterer Bautyp kam das Baptisterium hinzu, das seine Vorbilder in antiken Brunnenhäusern und Thermen hatte. Die Hagia Irene hingegen wandelte die tradierte Bauform der Basilika bereits zu gottesdienstlichen Zwecken ab: das Mittelschiff ist überbreit (ähnlich einer römischen Palastaula) und von zwei Kuppeln überwölbt (wie man sie von den Thermen kannte − siehe auch: Liste römischer Kuppeln), während die beiden sehr schmalen Seitenschiffe nur noch Emporen Platz bieten sollten. Auch die Gewährleistung von Helligkeit durch viele Bogenfenster war der Thermen- und Aulen-Architektur entnommen. Für die Priester und Presbyter gibt es hinter dem Altar steinerne Sitzreihen in Form eines Synthronon, wie in einem kleinen Odeon, während sich vor dem Eingang ein Atrium befindet, wie es jedes gehobene römische Haus besaß. In diesen neuen Kombinationen altbewährter Bauformen liegt bereits die Vorform der orthodoxen Kirchenbauten und der Beginn der Byzantinischen Architektur.

In der Apsiskalotte befindet sich keine Darstellung der Theotokos oder des Pantokrators, sondern ein großes Kreuz. Es stellt ein einzigartiges Zeugnis der ikonoklastischen Kunst dar, die zum Zeitpunkt des letzten Wiederaufbaus dem Bilderstreit folgte. Vermutlich war die Apsis in konstantinischer und justinianischer Zeit mit einem Mosaik geschmückt, das durch das Erdbeben von 740 zerstört wurde. Eine vergleichbare Kreuz-Darstellung findet sich in der Apsiskalotte von Sant’Apollinare in Classe. Dort symbolisiert das Kreuz Christus im Kontext der Verklärung.

  • Muzaffer Ramazanoğlu: Neue Forschungen zur Architekturgeschichte der Irenenkirche und des Complexes der Sophienkirche. In: Atti del VIII congresso di studi bizantini 2, Studi byzantini e neoellenici, Palermo 1951, S. 332–335.
  • Peter Grossmann: Zum Atrium der Irenenkirche in Istanbul. In: Istanbuler Mitteilungen 15, 1965, S. 186–237.
  • Urs Peschlow: Die Irenenkirche in Istanbul. Untersuchungen zur Architektur (= Istanbuler Mitteilungen Beiheft 18). Wasmuth, Tübingen 1977, ISBN 3-8030-1717-3.
  • Urs Peschlow: Die Baugeschichte der Irenenkirche in Istanbul neu betrachtet. In: Cecil Lee Striker (Hrsg.): Architectural Studies in Memory of Richard Krautheimer. Zabern, Mainz 1996, S. 133–136.
  • Eugenio Russo: La chiesa di S. Irene, la peste del 542 e la scultura della seconda metà del VI secolo a Costantinopoli. Edizioni Espera, Monte Compatri 2023, ISBN 978-88-3381-428-5
Commons: Hagia Irene – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

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  1. Hagia Irene. In: archINFORM; abgerufen am 1. Dezember 2009.

Koordinaten: 41° 0′ 35″ N, 28° 58′ 52″ O