Haifa Women’s Coalition

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Die Haifa Women’s Coalition ist eine Koalition von vier Frauenorganisationen in der israelischen Stadt Haifa. Zu ihr gehören das Haifa Feminist Center - Isha l'Isha, die Organisation Kayan (deutsch: Sein), das Haifa Rape Crisis Center (deutsch: Krisenzentrum der Stadt Haifa für Vergewaltigungsopfer), und die Organisation für palästinensische homosexuelle Frauen Aswat (deutsch: Stimmen). Die Koalition setzt sich dafür ein, der Öffentlichkeit Frauenrechte näherzubringen, und bietet Hilfe für Frauen, die Opfer von häuslicher oder sexueller Gewalt wurden. Außergewöhnlich ist, dass sie gemeinsam von Jüdinnen und Palästinenserinnen getragen wird und die vier Organisationen alle unter einem Dach vereint sind. Die Koalition ist eine zentrale Anlaufstelle für Frauen jeglicher Herkunft im Norden Israels und besitzt darüber hinaus eine gemeinsame Bibliothek.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Haifa Women’s Coalition bildete sich um ihre Keimzelle, die älteste feministische Organisation Israels Isha l'Isha, die im Jahre 1983 gegründet wurde und sich um eine Kooperation zwischen jüdischen und arabischen Frauen bemühte. Aus Isha l'Isha heraus entstand im Jahre 1990 die Battered Women’s Hotline, welche sich primär um Opfer von Misshandlungen kümmerte, und im Jahre 1998 Kayan, eine feministische Organisation, die sich vorwiegend mit den Anliegen der palästinensischen Frauen innerhalb Israels beschäftigt. Als ein eigenständiges Projekt Kayans wurde 2003 die Gruppe Aswat ins Leben gerufen, die sich mit den besonderen Problemen und Herausforderungen der palästinensischen homosexuellen Frauen in Israel befassen. Unabhängig von Isha l'Isha bildete sich im Jahre 1979 das Haifa Rape Crisis Center, das sich später ebenfalls der Haifa Women’s Coalition anschloss.

Profil der einzelnen Organisationen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Isha l'Isha[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Organisation Isha L’Isha (deutsch: Frau zu Frau) ist die älteste feministische Frauenorganisation Israels. Sie wurde 1983 als jüdisch-arabische Frauenorganisation gegründet und setzt sich zum Ziel, die Rechte der Frauen zu stärken und Solidarität zu zeigen. Isha l'Isha arbeitet unter anderem an Projekten gegen Menschenhandel und ökonomisches Empowerment für Frauen und hat Empowerment-Gruppen für neue Immigrantinnen aus Russland und Äthiopien und lesbische Frauen. Aus ihr gingen weitere arabische Frauenorganisationen wie Kayan und Assiwar (deutsch: Ketten) hervor und sie ist somit als eine Art Brutstätte feministischer Organisationen in Israel zu sehen.

Kayan[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Organisation Kayan wurde 1998 gegründet, nachdem palästinensisch-israelische Frauen in Haifa und im Norden Israels seit Mitte der 80er Jahre mit jüdischen Frauen zusammengearbeitet hatten, um Hilfsdienste für ihre Gesellschaftsgruppe zu entwickeln. Um den speziellen Anforderungen und Bedürfnissen der palästinensischen Frauen in Israel gerecht zu werden, wurde letztlich Kayan ins Leben gerufen. Kayans Projekte beschäftigen sich hauptsächlich mit Empowerment von arabischen Frauen, Workshops zur Geschlechtererziehung und zur Vermittlung von Führungsqualitäten.

Aswat[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Aswat ist ein eigenständiges Projekt unter dem Deckmantel der arabischen Frauenorganisation Kayan und entstand im Jahre 2003 aus einer E-Mail-Liste heraus. Das Projekt wird von einer Gruppe palästinensischer homosexueller Frauen geleitet und richtet sich an alle lesbischen, intergeschlechtlichen, transgeschlechtlichen und bisexuellen Frauen. Aswat setzt sich vorwiegend für das Empowerment und die sozio-politischen Rechte palästinensischer homosexueller Frauen ein, bietet Unterstützung und versucht die öffentliche Meinung über Sexualität, sexuelle Orientierung, Genderfragen und Homosexualität zu ändern. Die Frauen von Aswat veranstalten Meetings, Empowerment- und Aufklärungs-Workshops, bieten Selbsthilfegruppen an und veröffentlichen Informationsbroschüren in Arabisch und Englisch.

Haifa Rape Crisis Center[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Haifa Rape Crisis Center (HRCC) ist eine steuerbefreite gemeinnützige Organisation, die sich dem Widerstand gegen sexuelle Gewalt verschrieben hat. Das HRCC ist unpolitisch und bietet Angebote unabhängig von Geschlecht, Religion, ethnischem und sozio-ökonomischem Status der Hilfesuchenden. Die Angebote des 1979 gegründeten Haifa Rape Crisis Centers richten sich an über eine Million Einwohner Nordisraels in der Region von Hadera bis Obergaliläa. Ziele der Organisation sind die Unterstützung von Opfern sexueller Gewalt und ihrer Familien, Aufklärungsarbeit über sexuelle Gewalt und ihre Bekämpfung, die Ausbildung von Fachkräften in den Bereichen sexuelle Gewalt und Traumatisierung von Opfern, und der Schutz der Rechte der Opfer. Das HRCC betreibt ein rund um die Uhr erreichbares Krisentelefon für Opfer von Vergewaltigung, sexuellen Übergriffen, Inzest und sexueller Belästigung. Die Angebote zur Krisenintervention werden von ausgebildeten ehrenamtlichen Mitarbeitern geleistet. Das Center bietet fortlaufende Unterstützung, Einzelberatungsgespräche, Begleitung zu Krankenhäusern, Polizei, Staatsanwalt und Gericht, und Selbsthilfegruppen für Opfer. Das Ziel des HRCC ist es, durch intensive sozialpädagogische Arbeit und Bildungsprogramme sexuelle Gewalt überhaupt abzuschaffen. Zusätzlich bildet das HRCC Fachkräfte im sachkundigen und sensiblen Umgang mit Opfern sexueller Gewalt und sexueller Übergriffe aus. Das HRCC ist eingebunden in die landesweiten Projekte und Kampagnen der Association of Rape Crisis Centers in Israel zur Änderung der Rechtslage mit dem Ziel der Abschaffung sexueller Gewalt.

Gesellschaftliche Bedeutung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Insbesondere die Organisationen Isha l'Isha, Aswat und Kayan sind von überregionaler Bedeutung und ziehen Aufmerksamkeit auf sich. So hat Aswat im Jahre 2008 den Go visible Award der Stadt Wien gewonnen, eine Initiative der österreichischen grünen Partei, und Rauda Morcos, die Vertreterin Aswats in der Öffentlichkeit, bekam 2006 den Felipa de Souza Award von der International Gay and Lesbian Human Rights Commission verliehen.[1] Aswat war die erste Organisation für arabische Lesben im Nahen Osten, die sich in der Öffentlichkeit präsentiert und Rauda Morcos ist das einzige Mitglied von Aswat, das sich öffentlich zu seiner Homosexualität bekennt. Die Gruppe hat Anhänger und Anhängerinnen in ganz Israel, in der Westbank und in Gaza, wobei jedoch überwiegend alle arabischen Lesben aus Angst ihre sexuelle Neigung verbergen. Die erste Konferenz Aswats am 28. März 2008 fand starke Resonanz, aber auch Gegner der arabischen Homosexuellen-Bewegung kamen und Mitglieder einer islamischen Bewegung demonstrierten vor dem Konferenzgebäude. Vor Beginn der Konferenz hatten sie von den Veranstaltern verlangt, die Konferenz abzusagen, was diese ablehnten.[2] Die Mitglieder Aswats versuchen weiters die Kooperation mit feministischen Organisationen in den Palästinensischen Gebieten zu stärken, da sie einerseits den Kampf für ihre Rechte als Homosexuelle mit dem Kampf gegen die Besatzung verknüpft sehen und sich andererseits die Situation der Homosexuellen in den Palästinensischen Gebieten noch schwieriger darstellt.[3]

Die Organisation Kayan sorgte unter anderem durch ihre Studie über die Mobilität palästinensisch-israelischer Frauen in den arabischen Dörfern im Norden Israels für mediale Aufmerksamkeit, da dies die erste Studie zu diesem Thema ist und Mängel im öffentlichen Transportwesen aufgezeigt wurden. Inzwischen wurde eine Buslinie in Mghrar, einer Stadt in Galiläa, eingeführt und weitere Busverbindungen, beispielsweise in den Dörfern Sakhnin, Arara und Umm el-Fahm, sind derzeit beim Ministerium für Verkehr in Planung. Das Busprojekt in Mghrar dient als Modell für die übrigen arabischen Städte mit mangelhaftem öffentlichen Verkehrsanschluss.[4] Weiters wurde in den israelischen Medien über ein Umweltprojekt berichtet, bei welchem Frauen in Mghrar Kinder und Jugendliche in Umwelterziehung unterrichten. Auch dies ist in den arabischen Dörfern eine Neuigkeit, dient einerseits dem Empowerment und der Beschäftigung der Frauen und andererseits der Gesellschaft.[5]

Die gesellschaftliche Bedeutung der Organisation Isha l'Isha in Israel kann man unter anderem an ihren Errungenschaften im Bereich des Frauenhandels sehen. So konnte die Organisation das öffentliche Bewusstsein für diesen Problembereich sensibilisieren und es wurde zum Beispiel ein Komitee im israelischen Parlament eingesetzt, um sich damit zu befassen. Zudem wurden inzwischen die Strafen für Frauenhändler erhöht und Isha l'Isha hat sich zu einer zentralen Anlaufstelle bei Fragen in Bezug zu Frauenhandel in Israel entwickelt.[6]

Im Juli 2000 wurden das Haifa Rape Crisis Center und die anderen neun Rape Crisis Centers in Israel mit dem Ehrenamtspreis des israelischen Präsidenten ausgezeichnet. Der Preis würdigt die „wichtige Vorreiterrolle der Center in der israelischen Gesellschaft“ und ihren „Beitrag zur Ausmerzung der Seuche sexueller Gewalt in der israelischen Gesellschaft und zur Unterstützung der Opfer.“

Kritik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kritik wird insbesondere an der „Viertel-Politik“ (englisch: quarter policy) der israelischen feministischen Bewegung geübt, die auch von der Haifa Women’s Coalition implementiert wird. Im Rahmen dieser „Viertel-Politik“ sollen die größten Bevölkerungsgruppen Israels gleichberechtigt repräsentiert werden und es wird in Mizrahi (Jüdinnen aus arabischen Ländern), Ashkenazi (Jüdinnen aus europäischen Ländern), lesbische und palästinensische Frauen unterschieden. Zum einen gibt es immer wieder Grundsatzdiskussionen über die Anwendung dieser Politik und ihrer Wirksamkeit, zum anderen stellt sich beispielsweise in der heutigen israelischen Gesellschaft die Frage, warum die russische Minderheit nicht repräsentiert wird.[7] Wegen solcher Kritik wurde die „Viertel-Politik“ ausgeweitet, um weitere Gruppen in der israelischen Gesellschaft repräsentieren zu können.

Die verschiedenen Identitäten der Frauen sorgen immer wieder für Diskussionen, so fühlen sich die Frauen der anderen Minderheiten teilweise von den Ashkenazi Frauen dominiert bzw. nicht ausreichend repräsentiert, was beispielsweise zur Abspaltung Kayans von Isha'Isha geführt hat. Stattdessen wird oft ein gemeinsames Nutzen der Ressourcen und Koalitionsbildung als Lösung angesehen.[8]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Rita Chaikin: Fighting against Trafficking in Women in the North of Israel. In: Karen Beeks/ Delila Amir: Trafficking and the Global Sex Industry. Lanham (UK): Lexington Books 2006.
  • Elizabeth Faier: Organizations, Gender, and the Culture of Palestinian Activism in Haifa, Israel. Abingdon (UK) et al.: Routledge 2005.
  • Talya Hakin: "Teachers Become Teens to Learn Sex Problems of Youth". Jerusalem Post 24 July 2005.
  • Cathryn S. Magno: New Pythian Voices: Women Building Political Capital in NGO's in the Middle East (Issues in Globalization). Abingdon (UK) et al.: Routledge 2002.
  • Kalpana Misra/ Melanie S. Rich: Jewish Feminism in Israel. Some Contemporary Perspectives. Lebanon (USA): University Press of New England 2003.
  • Janet M. Powers: Blossoms on the Olive Tree: Israeli and Palestinian Women Working for Peace. Westport (USA): Greenwood Publishing Group 2006.
  • Dalia Sachs/ Hannah Safran: Equal Representation in a Divided Society: The Feminist Experience in Israel. In: Association for Women’s Rights in Development (Ed.): Building Feminist Movements and Organizations: Global Perspectives. London (UK): Zed Books 2007.
  • Shira Sanders. "Protect your Children By Giving them a 'Voice'". Wisconsin Jewish Chronicle 7. Sept. 2007, 10.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. The Felipa de Souza Award (Memento des Originals vom 12. Januar 2009 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.iglhrc.org
  2. Haaretz-Artikel: First Israeli Arab conference of lesbians convened in Haifa (deutsch: Erste israelisch-arabische Konferenz für Lesben in Haifa) (Memento des Originals vom 29. Januar 2010 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.aswatgroup.org
  3. Artikel im Guardian: Coming Out in Arabic (deutsch: „Coming out“ auf Arabisch) (Memento des Originals vom 29. Januar 2010 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.aswatgroup.org
  4. Report: Government should subsidize public transport in Arab communities / No buses means Arab women can't work (deutsch: Bericht: Regierung sollte öffentliches Transportwesen in den arabischen Gemeinden finanziell unterstützen / Ohne Busse können arabische Frauen nicht arbeiten)@1@2Vorlage:Toter Link/www.haaretz.com (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im April 2018. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  5. Women bring green revolution to Arab sector (deutsch: Frauen entfachen „grüne Revolution“ bei der arabischen Minderheit)
  6. Rita Chaikin: Fighting against Trafficking in Women in the North of Israel
  7. Dalia Sachs/ Hannah Safran: Equal Representation in a Divided Society: The Feminist Experience in Israel
  8. Kalpana Misra/ Melanie S. Rich: Jewish Feminism in Israel. Some Contemporary Perspectives