Hansjürgen Gartner

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Hansjürgen Gartner (2020)

Hansjürgen Gartner (* 16. April 1945 in Steinschönau, Landkreis Tetschen-Bodenbach) ist ein österreichischer Künstler.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mit der Vertreibung der Deutschen Bevölkerung aus dem Sudetenland musste im Juni 1945 Hansjürgen Gartner mit Mutter und Zwillingsbruder Joachim Lothar seinen Geburtsort verlassen und gelangte 1949 nach Wien, wo der Vater lebte. Früh besuchten sie das Kunsthistorische Museum, welches nicht weit entfernt der elterlichen Wohnung lag. Diese Tatsache war mitausschlaggebend bei der Wahl einer berufsorientierten Ausbildung sich für einen künstlerischen Beruf zu entscheiden. Die Zwillingsbrüder studierten Textildesign in Wien und schlossen 1963 mit Diplom ab. Während dieser Jahre ergaben sich die ersten Kontakte zur zeitgenössischen Kunst, insbesondere zum sogenannten Phantastischen Realismus der Wiener Schule.[1] Nach dem Studium gingen sie nach Augsburg, wo sie 1969 ihr Atelier im Holbein-Haus bezogen. Nach zehnjährigem Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland, der an einen festen Arbeitsvertrag gebunden war, erteilte die Stadt Augsburg 1976 die unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Damit war der Weg frei, um auf dem Gebiet der Bildenden Kunst freischaffend tätig zu werden.

Tätigkeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seine künstlerischen Wurzeln hat Hansjürgen Gartner in der Wiener Schule des Phantastischen Realismus, einer dem Surrealismus nahestehenden Stilrichtung in den Nachkriegsjahren Wiens. 1971 hatten Hansjürgen und Joachim Lothar Gartner auf der Kunstzone München mit Arbeiten, die dem Phantastischen Realismus nahestanden, ihre erste Einzelpräsentation. Unter den Ereignissen in Deutschland der frühen 1970er Jahre begann der erste Loslösungsprozess vom Einfluss dieser Kunstrichtung.

1989 erhielt sein Zwillingsbruder Joachim Lothar Gartner einen Lehrauftrag für Kunst und Design an der Höheren Bundeslehranstalt für Textilindustrie in Wien.[2] Seitdem arbeiten die Brüder an unterschiedlichen Orten. Hansjürgen Gartners Œuvre zeichnet eine relative Vielfalt an Ausdrucksmöglichkeiten der Bildenden Kunst aus, ohne dabei eine inhaltliche Geschlossenheit, die stets den Menschen im Fokus hat, vermissen zu lassen. Die Themen seiner künstlerischen Arbeit sind gekennzeichnet vom Suchen nach einer adäquaten Darstellung des Menschen, seiner äußeren Form als sichtbare Erscheinung seiner psychischen Existenz. Dabei ist das bevorzugte künstlerische Mittel zunächst das Tafelbild. Lichtwesen (1997), die Diptychon-Serie Hüter (1998/99), ab 2000 die Begehungen, sowie die Diptychen der Membranbilder (2002–2005). Parallel erweiterte Hansjürgen Gartner ab der zweiten Hälfte der 1990er Jahre sein Repertoire mit Assemblagen und Objekten, dazu 2003 und 2007 „Tapeten“ mit teilweise gesellschaftskritischem Inhalt. Seit 2014 ist Hansjürgen Gartner Mitherausgeber der Europäischen Kulturzeitschrift Sudetenland im Auftrag des Adalbert Stifter Vereins in München.[3] 2015 bis 2019 war Hansjürgen Gartner Bundesvorsitzender der KünstlerGilde e. V. mit Sitz in Esslingen/Neckar.[4] Darüber hinaus arbeitet er als Juror, so seit 2004 als Jurymitglied des Lovis-Corinth-Preises[5], sowie vieler weiterer. Ab 2016 wirkt Gartner als Gruppenbeisitzer für Kunst in der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in Bonn.[1]

Wichtige Einzelausstellungen werden stets gemeinsam mit dem Zwillingsbruder durchgeführt. In den letzten Jahren werden vermehrt gemeinsame Malperformances unter einem bestimmten Motto öffentlich veranstaltet.

Aktivitäten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zwischen 2003 und 2017 organisierte und kuratierte Hansjürgen Gartner einen Zyklus von drei Ausstellungen, die jeweils von aktuellen Zeitbegebenheiten ausgehen. Bei Zeichen für Frieden 2003 war es der Ausbruch des Irak-Krieges, bei Macht-Ohnmacht-Übermacht 2012 die Bankenkrise und bei Gegenstand:Widerstand 2017 hinterfragte er den Widerstand an sich angesichts zunehmender Bedrohung des Weltfriedens. Diese Ausstellungen fanden stets im Kunstforum Ostdeutsche Galerie in Regensburg statt, einem Programm-Museum, dem Gartner auf Grund seiner Herkunft aus Böhmen verbunden ist.

Auf Einladung des Evangelisch-Lutherischen Dekanats organisierte Hansjürgen 1997 eine Malaktion in der St. Anna-Kirche zu Augsburg anlässlich des Augsburger Friedensfestes.

Darüber hinaus entwarfen Hansjürgen Gartner gemeinsam mit seinem Zwillingsbruder das Bühnenbild zu mehreren Opern- und Ballettaufführungen; Im Auftrag der Städtischen Bühnen Augsburg, zum Beispiel 1990 das Bühnenbild und die Kostüme für die Oper Der Raub der Lukretia von Benjamin Britten, sowie 1986 die Gesamtausstattung von zwei Ballettaufführungen, Gesche Gottfried und Erlkönig.

Kunst im öffentlichen Raum[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Neben einer Intensivierung der Ausstellungstätigkeit reizt es den Künstler, sich an Wettbewerben zur Kunst im öffentlichen Raum zu beteiligen. Der gebaute Freiraum setzt die Auseinandersetzung mit der Architektur voraus. Die Gestaltung dieses urbanen Lebensraumes durch Kunst gewinnt für Hansjürgen Gartner in den 1990er Jahren an Bedeutung. Dabei vertritt er die Ansicht, dass es sich um eine Art angewandte Kunst handelt.

Kunst im öffentlichen Raum – Galerie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ausstellungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • 1967: Ars Phantastica in Deutschland und Mundus Mirabilis II, München, Deutschland
  • 1974: Ausstellung, Städtische Kunstsammlungen, Kellergalerie – Schaezlerpalais, Augsburg, Deutschland
  • 1975: Sonderausstellung innerhalb der Große Schwäbische Kunstausstellung, Augsburg, Deutschland
  • 1980: Gartner & Gartner, Holbeinhaus, Augsburg, Deutschland
  • 1984: Ausstellung zum Lovis-Corinth-Förderpreis, Museum Ostdeutsche Galerie, Regensburg, Deutschland
  • 1985: Auswahl der Zeichnungen von 1980–1985, Holbeinhaus Augsburg; Bayerische Kunst unserer Tage, Kairo und Alexandria, Ägypten
  • 1988: Gegen den Krieg, 2. Triennale, Majdanek, Polen
  • 1989: Künstler aus dem süddeutschen Raum, Galerie – Haus 44, Cuxhaven, Deutschland; Zeitvermerke, Museum Ostdeutsche Galerie und Städtische Galerie Villa Merkl, Esslingen, Deutschland
  • 1991: Wechselwirkung – Wechselwirklichkeit, Städtische Galerie Haus Hartmann, Grevenbroich, Deutschland
  • 1992: Augsburg – Kunst und Architektur nach 1945, Galerie >Die Ecke<, Augsburg, Deutschland
  • 1993: Erbe und Zukunft, Liberec, Tschechien (Projekt der Kultusministerien des Landes Baden-Württemberg und der Tschechischen Republik); Bayerische Künstler ehren Schiele, Bezirksmuseum, Česky Krumlov, Tschechien
  • 1994: Idee – Werk, Städtische Galerie, Villa Merkel, Esslingen, Deutschland; Schnitte und Häutungen, Holbeinhaus, Augsburg, Deutschland; Künstlerzwillinge mit Hohenbüchler, Bressnik, Strauß, Kloster Irsee, (Bayern), Deutschland und Engelhartszell, (Oberösterreich), Österreich
  • 1995: Retrovision, Akademie der Künste, Moskau, Russland
  • 1996: Im Blick: der Andere, Städt. Galerie Villa Merkel, Esslingen, Deutschland und Museum Ostdeutsche Galerie, Regensburg, Deutschland
  • 1997: Interferenz, Künstlerhaus, Wien, Österreich
  • 2000: Anamnesis, Stadtmuseum Deggendorf, Bayern; Pro Lidice‚ Städtische Galerie, Villa Merkel, Esslingen, Deutschland
  • 2001: Stationen, Volkskundemuseum Oberschönenfeld, Gessertshausen (Bayern), Deutschland
  • 2002: Gartner & Gartner, (m. Klanginstallation: Lackerschmid), Kunstpavillon, München, Deutschland
  • 2003: Zeichen für Frieden, Museum Ostdeutsche Galerie, Regensburg, Deutschland
  • 2005: Identität–Alterität, Palais Liechtenstein-Forum zeitgenössische Kunst, Feldkirch, Österreich und Künstlerhaus Wien, Österreich; Künstlerbrüder – von den Dürers zu den Duchamps, Haus der Kunst, München, Deutschland
  • 2006: Kunst im öffentlichen Raum, Architekturmuseum Schwaben, Augsburg, Deutschland
  • 2007: Totentanz-Lebenstanz, Galerie-Höhmannhaus, Städt. Kunstsammlungen, Augsburg, Deutschland; Exitus-Tod alltäglich, Künstlerhaus, Wien, Österreich; PrintArt Print Trienniale Kraków / Krakau, Polen und Künstlerhaus Wien, Österreich und Horst-Janssen-Museum, Oldenburg, Deutschland
  • 2010: Grafik ohne Grenzen- International Print Network, Horst-Janssen-Museum, Oldenburg, Deutschland und Künstlerhaus Wien, Österreich
  • 2011: Blickweisen, Kunstforum Ostdeutsche Galerie, Regensburg, Deutschland
  • 2012: Macht-Ohnmacht-Übermacht, Kunstforum Ostdeutsche Galerie, Regensburg, Deutschland
  • 2013: Macht-Ohnmacht-Übermacht, Interaktivní galerie Becherova vila, Karlovy Vary, Tschechien; Ausstellung , FUGA-Centre of Architecture, Budapest, Ungarn; in.print.out, Horst-Janssen-Museum, Oldenburg, Deutschland und Künstlerhaus Wien, Österreich; Wagner Extase- International Print Network, ehemaliges Post- und Telegrafenamt Wien, Österreich
  • 2015: An diesem Ort, Gartner & Gartner, Holbeinhaus, Augsburg, Deutschland
  • 2016: Hraniční Syndrom-Borderline Syndrom, Alfred-Kubin-Galerie, München, Deutschland; Menschenkette, anlässlich der Kunstpreis-Verleihung des Bezirkes Schwaben, Schwäbische Galerie im Volkskundemuseum Oberschönenfeld, Gessertshausen (Bayern), Deutschland
  • 2017: Gegenstand:Widerstand, Kunstforum Ostdeutsche Galerie, Regensburg (Bayern), Deutschland

Auszeichnungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • 1973: Kunstförderungspreis der Stadt Augsburg
  • 1981: Förderpreis für Bildende Kunst der Sudetendeutschen Landsmannschaft
  • 1983: Lovis-Corinth-Förderpreis der Künstlergilde Esslingen
  • 2008: Berufung zum ordentlichen Mitglied der Sudetendeutschen Akademie der Wissenschaften und Künste
  • 2015: Kunstpreis des Bezirks Schwaben

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Paolo Bianchi (Hrsg.): Künstlerpaare. In: Kunstforum International. Band 107, Köln 1990, S. 207f.
  • Mario Cervino: Katharsis. In: Schriften der Sudetendeutschen Akademie der Wissenschaften und Künste. Klasse der Künste und Kunstwissenschaften. Band 30 (Identität), München 2010, S. 114f.
  • Raffaele De Grada (Hrsg.): Artisti della Svevia – Dalla Germania un discorso non cartesiano. Mailand 1977 (Ausstellungskatalog).
  • Thomas Elsen: Totentanz – Lebenstanz. In: Kunstsammlungen Augsburg – Neue Galerie im Höhmannhaus. Augsburg 2007 (Ausstellungskatalog).
  • Hartwig Knack: Bewegte Räume, bewegte Körper, bewegte Zeiten. In: Kunstmagazin Stayinart. Ausgabe 4, Innsbruck 2020, S. 84–89.
  • León Krempel: Hansjürgen und Joachim Lothar Gartner. In: León Krempel (Hrsg.): Künstlerbrüder von den Dürers zu den Duchamps. München 2005, S. 232f.
  • Andreas Kühne: Identität und Alterität. In: Schriften der Sudetendeutschen Akademie der Wissenschaften und Künste. Klasse der Künste und Kunstwissenschaften. Band 30 (Identität), München 2010, S. 105ff.
  • Franz Peter Künzel (Hrsg.): Unser(e) Maler – Hansjürgen und Joachim Lothar Gartner. In: Europäische Kulturzeitschrift Sudetenland. Ausgabe 4, München 2013, S. 473ff.
  • Mechthild Müller-Hennig (Hrsg.): Menschenkette. Hansjürgen Gartner. Kunstpreisträger des Bezirks Schwaben 2015. In: Schriftenreihe der Museen des Bezirks Schwaben. Band 55, Oberschönenfeld 2016 (Ausstellungskatalog)
  • Albert Ruetz: Membranbilder. In: Schriften der Sudetendeutschen Akademie der Wissenschaften und Künste. Klasse der Künste und Kunstwissenschaften. Band 30 (Identität), München 2010, S. 110.
  • Jan Samec: Hraniční Syndrom-Borderline Syndrom. Galerie der Kunst Karlovy Vary. Karlovy Vary/Karlsbad (KANT Galerie) 2015 (Ausstellungskatalog).
  • Winfried Tonner: Die Wirklichkeit suchen. In: Im Blick: Der Andere. Die Künstlergilde e.V., Esslingen 1996, S. 69–79 (Ausstellungskatalog).
  • Annemarie Zeiller: Arbeiten zum Thema Macht. In: Schriften der Sudetendeutschen Akademie der Wissenschaften und Künste. Klasse der Künste und Kunstwissenschaften. Band 33 (Naenia), München 2013, S. 215ff.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Ernst Schmutzer: Schriften der Sudetendeutschen Akademie der Wissenschaften und Künste Band 36 per aspera ad astra Klasse der Künste und Kunstwissenschaften. Hrsg.: Sudetendeutschen Akademie der Wissenschaften und Künste. Band 36, S. 196 ff.
  2. Ulrich Raphael Firsching: Joachim Lothar Gartner neuer Präsident des Künstlerhauses. Abgerufen am 10. Oktober 2020.
  3. Ute Flögel: Literatur und Kunst Nun steht Adalbert Stifter Pate Die Zeitschrift „Sudetenland“ erscheint unter neuer Trägerschaft, gestaltet von einer neuen Redaktion. Abgerufen am 10. Oktober 2020.
  4. Dietrich Heißenbüttel: Künstlergilde feiert ihr 70-jähriges Bestehen mit der Vergabe des Nikolaus-Lenau-Preises: Esslinger Künstlergilde feiert Jubiläum. 16. September 2018, abgerufen am 10. Oktober 2020.
  5. Peter Weibel erhält Lovis-Corinth-Preis 2020. Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe, abgerufen am 29. Oktober 2020.