Hufeisensiedlung

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Die Gesamtanlage der Hufeisensiedlung

Die Hufeisensiedlung (Siedlung Britz) entstand von 1925 bis 1933 im Süden des Berliner Bezirks Neukölln nach Plänen von Bruno Taut und Martin Wagner. Sie ist eines der ersten Projekte des sozialen Wohnungsbaues.

Gesellschaftlicher Hintergrund

Nach dem Ersten Weltkrieg stieg der Zuzug nach Berlin aufgrund der allgemeinen Arbeitslosigkeit stark an. Sehr viele Wohnungen waren stark überbelegt, obwohl beispielsweise eine Einzimmerwohnung mit Küche erst bei fünf Bewohnern als überbelegt galt. Anfang der 1920er-Jahre gab es einen Fehlbestand von mehr als 100.000 Wohnungen in der Stadt, den die damals praktisch ausschließlich private Bautätigkeit nicht decken konnte.

Von 1921 bis 1928 entstanden deshalb zahlreiche Baugenossenschaften, die auf nicht-kommerzieller Grundlage und mit sozialreformerischen Ansätzen versuchten, die drängende Wohnungsnot zu beseitigen. Es sollte dabei günstiger und hochwertiger Wohnraum geschaffen werden, der zudem eine gute Verkehrserschließung aufweisen sollte. Das war nur durch großflächigen Siedlungsbau möglich. Die Hufeisensiedlung ist ein erstes Beispiel für sozialen Wohnbau und war eine enorme Herausforderung für Architekten und Stadtplaner.

Aufgrund der 1925 novellierten Bauordnung für Groß-Berlin entstanden in den Folgejahren 17 Großsiedlungen, die zwar eine hohe Wohndichte, aber auch die geforderten besseren Wohnbedingungen aufwiesen.

Die Hufeisensiedlung

Die Rote Front der Hufeisensiedlung (Rückseite)

Auf dem Gebiet des ehemaligen Rittergutes Britz im Süden des Berliner Bezirks Neukölln sollte eine Siedlung mit mehr als 1000 Wohnungen entstehen.

Bruno Taut war als verantwortlicher Architekt und Stadtplaner der ehemals gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft GEHAG für die Planung der neuen Siedlung verantwortlich, zusammen mit Stadtbaurat Martin Wagner entwickelte er das stadtplanerische Konzept der Hufeisensiedlung. Beide Anhänger des Neuen Bauens wollten industrielle Arbeitsmethoden im großen Stil auf das Bauwesen übertragen. Typisierte Wohnungen und Gebäude sowie Großproduktion sollten dessen Vorteile herausstellen. Martin Wagner nutzte den Bau der Siedlung als Möglichkeit für Studien über wirtschaftliches Bauen.

Taut brachte bei der Planung seine Erfahrungen mit der Gartenstadt Falkenberg ein, trotz hoher Dichte und Betonung des Stadtraumes werden den Grün- und Freibereichen ein hoher Stellenwert eingeräumt. Mit der Freiraumplanung wurde Leberecht Migge beauftragt, zur Ausführung kamen jedoch die Pläne des Neuköllner Gartenamtsleiters Ottokar Wagler. Das Hauptgebäude umschließt einen Pfuhl, eine Grundwassersenke und die Zeilenbebauung bildet mehrere hofartige Bereiche, sodass Ähnlichkeiten mit einem Angerdorf bestehen. Da die Zeilenbebauung an das Gelände angepasst ist und auf die Großform des Hufeisens reagiert, wirkt die Siedlung sehr lebendig.

Farbige Fassaden in der Berliner Hufeisensiedlung

In sieben Bauabschnitten entstanden von 1925 bis 1933 im Stil des Neuen Bauens 1072 Wohnungen. Es gibt nur vier verschiedene Grundrisstypen. 472 Wohnungen liegen in – aneinander gereihten – Einfamilienhäusern, 600 liegen in den dreigeschossigen Mietshäusern. Mit Ausnahme des zentralen Hufeisens sind alle Bauten zu Zeilen aufgereiht, jedem Haus ist ein eigener Mietergarten zugeordnet.

Die funktionale und damit eigentlich sehr schlichte Architektur gestaltete Taut mit wenigen einfachen, aber effektiven Mitteln. Sprossenfenster, Klinkerverblendungen an den Gebäudeecken, der spannungsreiche Unterschied zwischen Glatt- und Rauputzflächen gehören dazu; identitätsstiftend ist aber vor allem die Farbgebung. Taut ließ den Außenraum der Siedlung durch den Einsatz von gegliederten und farbigen Fassaden bewusst gestalten. Die lange Front der Fritz-Reuter-Allee war in „Berliner Rot“ (ochsenblutfarben) gestrichen und wird deshalb im Volksmund Rote Front genannt. Unterbrochen und gegliedert wurde die Fassade durch hervorspringende Treppenhäuser. Die Eingänge des Hufeisens wurden durch kräftiges Blau betont. Die Farbgestaltung rief zur damaligen Zeit viel Kritik hervor, ist inzwischen aber ein liebgewonnenes Markenzeichen der Siedlung im sonst recht uniformen Massenwohnungsbau.

Die Hufeisensiedlung war richtungsweisend für die Siedlungsarchitektur der 1920er- und 1930er-Jahre und ist auch heute noch trotz der relativ kleinen Wohnungsgrößen von 49 m² bei ihren Bewohnern äußerst beliebt. Bis 2000 war die Siedlung vollständig im Besitz der GEHAG, seitdem versucht die Genossenschaft die Wohnungen zu veräußern. Ein Teil der Bewohner hat eine eigene Genossenschaft gegründet mit dem Ziel, die Hufeisensiedlung von der GEHAG zu übernehmen.

In den 1990er Jahren wurde die Siedlung saniert und unter Denkmalschutz gestellt. Im Juli 2008 wurde die Hufeisensiedlung zusammen mit fünf weiteren Berliner „Siedlungen der Berliner Moderne“ in die UNESCO-Liste des Welterbes aufgenommen.

Literatur

  • Christina Haberlik: 50 Klassiker. Architektur des 20. Jahrhunderts. Hildesheim: Gerstenberg Verlag, 2001. ISBN 3-8067-2514-4
  • Norbert Huse (Hg.): Vier Berliner Siedlungen der Weimarer Republik, Argon-Verlag, Berlin, 1987, ISBN 3-87024-109-8

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