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Jayati Ghosh

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Jayati Ghosh, 2012

Jayati Ghosh (* 16. September 1955) ist eine indische Entwicklungsökonomin und seit Januar 2021 Professorin für Volkswirtschaftslehre an der University of Massachusetts Amherst in den USA.[1] Zuvor lehrte sie nahezu 35 Jahre am Centre for Economic Studies and Planning der Schule für Sozialwissenschaften an der Jawaharlal Nehru University in Neu-Delhi.[1] Ihre Arbeitsgebiete umfassen Globalisierung, internationalen Handel und Finanzen, Beschäftigungsmuster, Makroökonomie sowie Gender-, Armuts- und Ungleichheitsfragen.[2] Sie ist Mitglied des Club of Rome.[3]

Im Jahr 1984 schloss sie ihre Doktorarbeit an der University of Cambridge ab.

Ghosh begann ihre akademische Laufbahn am Centre for Economic Studies and Planning der Jawaharlal Nehru University (JNU) in Neu-Delhi, wo sie beinahe 35 Jahre lehrte, bevor sie im Januar 2021 an die University of Massachusetts Amherst wechselte.[1] Von 2002 bis 2021 war sie Executive Secretary des internationalen Ökonomienetzwerks International Development Economics Associates Limited (IDEAs).[1] Aktiv ist sie außerdem im 2001 gegründeten Netzwerk IDEAs – zunächst als dessen Generalsekretärin, nun weiterhin als Mitglied im Executive Committee.[4] Sie hat 20 Bücher verfasst oder herausgegeben und über 200 wissenschaftliche Aufsätze veröffentlicht.[1] Zu ihren Auszeichnungen zählen unter anderem der Adiseshaiah Award (2015) und der ILO Decent Work Research Prize (2011).[1] Im Jahr 2023 erhielt sie den Galbraith Award der Agricultural and Applied Economics Association.[5][6]

Politikberatung und Gremien

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In der internationalen Politikberatung wirkt Ghosh seit 2018 im High-Level Advisory Board on Economic and Social Affairs der Vereinten Nationen mit.[7] Im Jahr 2021 wurde sie in den WHO Council on the Economics of Health for All berufen.[8] Im März 2022 wurde sie vom UN-Generalsekretär in das High-Level Advisory Board on Effective Multilateralism berufen.[9] Seit September 2022 ist sie gemeinsam mit Joseph E. Stiglitz Co-Vorsitzende der Independent Commission for the Reform of International Corporate Taxation (ICRICT).[10] Darüber hinaus beriet sie Regierungen in Indien, darunter als Vorsitzende der Andhra-Pradesh-Kommission für das Wohlergehen von Landwirten (2004) und als Mitglied der National Knowledge Commission (2005–2009).[1] 2022 veröffentlichte sie gemeinsam mit Sandrine Dixson-Declève, Owen Gaffney, Johan Rockström, Per Espen Stoknes und Jørgen Randers den Club-of-Rome-Band „Earth for All – A Survival Guide for Humanity“.[11] Seit 2018 schreibt sie regelmäßig Kolumnen für Project Syndicate.[12]

Öffentliche Positionen

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Ghosh kritisiert Strategien von Weltbank und IWF, private Mittel über öffentliche Garantien und Mischfinanzierungen zu mobilisieren, da diese Instrumente teuer seien und Verluste am Ende sozialisierten; soziale Ziele seien ohne stärkere Regulierung des privaten Finanzsektors nicht erreichbar.[3] Sie sieht viele Entwicklungsländer in einem Schuldenkreislauf gefangen und fordert zunächst eine Lösung der Schuldenkrise sowie Maßnahmen, die erneute Überschuldung verhindern.[3] Um inländische Ressourcen zu stärken, plädiert sie für internationale Steuerkooperation – etwa eine UN-Steuerkonvention – und verweist auf den gemeinsamen Meldestandard zum Bankdaten-Austausch, den 126 Staaten, nicht jedoch die USA, unterzeichnet hätten.[3]

Private Investitionen hält sie in Bereichen der öffentlichen Daseinsvorsorge wie Gesundheit und Bildung für problematisch, während sie in erneuerbaren Energien sinnvoll sein können, sofern sie sozial reguliert werden.[3] Für öffentlich geförderte Innovationen fordert sie Auflagen wie Preisobergrenzen und eine verpflichtende Technologieteilung nach einer befristeten Gewinnphase.[3] Sie setzt sich für eine Umverteilung von Sonderziehungsrechten (SZR) ein und kritisiert die aus ihrer Sicht unzureichende Rolle europäischer Staaten; zugleich sieht sie Chancen, dass andere Länder verstärkt Verantwortung übernehmen.[3]

Vor dem Hintergrund von Sanktionen und geopolitischen Spannungen erwartet sie eine zunehmende Erosion der Dollar-Dominanz und den Aufbau alternativer Zahlungssysteme und Kreditmechanismen in Staatenbündnissen wie BRICS.[3] Den russischen Angriff auf die Ukraine bezeichnet sie als völkerrechtswidrig, hält den Einsatz finanzieller Sanktionen jedoch geopolitisch für unklug, weil er andere Staaten zur Abkehr vom Westen motiviere.[3] Den absehbaren Niedergang der US-Hegemonie bewertet sie ambivalent: Er eröffne Chancen, führe aber zunächst zu Instabilität.[3] Angesichts ökologischer Krisen und extremer Ungleichheiten warnt sie vor wachsender gesellschaftlicher Polarisierung und Gewalt, betont jedoch die Fähigkeit der Menschheit zur Veränderung.[3]

Ghosh nimmt aktiv an der öffentlichen Debatte um Auswege aus der Klimakrise teil. So ist sie Mitunterzeichnerin eines im Dezember 2018 veröffentlichten offenen Briefes, in welchem der Politik ein Scheitern bei der Thematisierung der Krise vorgeworfen und dazu aufgerufen wird, sich Bewegungen wie Extinction Rebellion anzuschließen und einen Konsumverzicht zu leisten.[13]

  • Crisis as conquest: learning from East Asia (2001), zusammen mit C. P. Chandrasekhar
  • The market that failed: neoliberal economic reforms in India (2004), zusammen mit C. P. Chandrasekhar
  • Never done and poorly paid: women’s work in globalizing India (2009)
  • After crisis: adjustment, recovery, and fragility in East Asia (2009)
  • Earth for All – A Survival Guide for Humanity (2022), Mitautorin mit Sandrine Dixson-Declève, Owen Gaffney, Johan Rockström, Per Espen Stoknes und Jørgen Randers[11]
Commons: Jayati Ghosh – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

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  1. a b c d e f g Jayati Ghosh. In: UMass Amherst – College of Social & Behavioral Sciences. Abgerufen am 15. Oktober 2025 (englisch).
  2. Jayati Ghosh. In: Independent Commission for the Reform of International Corporate Taxation (ICRICT). Abgerufen am 15. Oktober 2025 (englisch).
  3. a b c d e f g h i j k Leila van Rinsum: Ökonomin über Entwicklungsfinanzierung: „Seien wir ehrlich, der Planet brennt“. In: taz. 15. Oktober 2025, abgerufen am 15. Oktober 2025.
  4. Homepage von International Development Economics Associates Limited (IDEAs), Rubrik About, abgerufen am 2. Juni 2024
  5. Jayati Ghosh Named 2023 Galbraith Award Recipient by the Agricultural and Applied Economics Association. In: UMass Amherst. 6. März 2023, abgerufen am 15. Oktober 2025 (englisch).
  6. Galbraith Award. In: Agricultural & Applied Economics Association. Abgerufen am 15. Oktober 2025 (englisch).
  7. A Life in Development Economics and Political Economy: An interview with Jayati Ghosh. In: real-world economics review, issue no. 101. 2022, abgerufen am 15. Oktober 2025 (englisch).
  8. Global experts of new WHO Council on the Economics of Health For All announced. Abgerufen am 15. Oktober 2025 (englisch).
  9. Note to Correspondents: Secretary-General’s High-Level Advisory Board on Effective Multilateralism Comprises 12 Eminent Current or Former Global Leaders, Officials, Experts | United Nations Secretary-General. Abgerufen am 15. Oktober 2025.
  10. Leading economists Jayati Ghosh and Joseph E. Stiglitz are appointed new Co-Chairs of ICRICT. In: ICRICT. 8. September 2022, abgerufen am 15. Oktober 2025 (englisch).
  11. a b Earth for All – A Survival Guide for Humanity. In: The Club of Rome. 2022, abgerufen am 15. Oktober 2025 (englisch).
  12. Jayati Ghosh – Columnist. In: Project Syndicate. Abgerufen am 15. Oktober 2025 (englisch).
  13. Act now to prevent an environmental catastrophe. The Guardian, 9. Dezember 2018, abgerufen am 22. Januar 2019 (englisch).