Kommandantenhaus (Göttingen)

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Das Göttinger Kommandantenhaus war bis zu seinem Abbruch Wohnhaus und militärisches Stabsquartier der Stadthauptleute und später der Stadtkommandanten der Stadt Göttingen in Niedersachsen.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kommandantenhaus 1737

Das wohl schon um 1500 errichtete Fachwerkhaus stand an einer der Göttinger Hauptstraßen, der Weender Straße, in markanter Ecklage zur Barfüßerstraße. Eine der ältesten erhaltenen Abbildungen[1] stammt von 1737 und zeigt als Fassadenschmuck eine große Tordurchfahrt, durchgehende Brüstungsbänder, eine Utlucht und einen Eckerker.

Als Gabriel von Schnehen Hausbesitzer war, stieg hier nach der Schlacht bei Lutter im Dreißigjährigen Krieg ab 3. August 1626 der schwedische Feldherr Tilly nach der Einnahme der Stadt ab.[2] Erneut erlangte das Kommandantenhaus Bedeutung 1734 bis 1737 im Zuge der Gründung der Georg-August-Universität als Sitz der zuständigen Regierungsbeamten aus Hannover. Zuvor war das Kommandantenhaus 1730–1731 von Grund auf saniert worden, das Hinterhaus wurde sogar völlig neu errichtet und so galt es in den Jahren der Gründung der Universität als das komfortabelste Haus am Platz.

Die Abbildung von 1737 zeigt einen Aufzug Göttinger Studenten vor dem von Schildwachen gesicherten Kommandantenhaus für den Minister und Universitätsgründer Gerlach Adolph von Münchhausen aus Anlass der Inauguration der Universität Göttingen um den 16. September 1737. Rechts auf der gegenüber liegenden Straßenecke erkennt man die bis 2014 bestehende Rats-Apotheke. Das Hannoversche Militär in Göttingen stand zu dieser Zeit in der Stadt unter dem Kommando des Obersten und späteren Generals, Stadt- und Festungskommandanten Johann August von Druchtleben. Das Bild zeigt die permanenten Schildwachen mit ihren Wachhäuschen vor dem Haus und vier Abgesandte der Studenten vor der Tür. Weiter mit Abstand in der Mitte des Halbkreises eine Musikkapelle und Fackelträger im inneren Halbkreis. Die Studenten tragen Uniformen des Rokoko, angelehnt an Offiziersuniformen in den Farben ihrer Landsmannschaften. Für die Zeit vor 1750 sind in Göttingen Landsmannschaften der Hannoveraner (rot/blau), Braunschweiger (blau/schwarz) und Westfalen (grün/schwarz) bekannt, erst nach dem Siebenjährigen Krieg kamen weitere Landsmannschaften wie Mecklenburger und Kurländer hinzu. Die Generaladjutanten in weißen Hosen tragen eine Art Marschallstab und sichern den Aufzug. Da v. Münchhausen hannoverscher Minister war, deuten die roten Uniformen der Adjutanten auf eine Hauptverantwortung der Hannoverschen Landsmannschaft hin.

Geschäftshaus der Firma J. Koltze & Söhne, Nachfolgebebauung des Kommandantenhauses vor der weiteren Aufstockung, um 1850

Um 1800[3] wurde das Kommandantenhaus durch einen abermals dreigeschossigen Neubau auf den Grundstücken Weender Straße 32/34 ersetzt, später noch um ein viertes Stockwerk erhöht und ist gleichwohl als historisches Gebäude selbst bereits Baudenkmal.[4]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

(chronologisch)

  • Hans-Heinrich Himme: Stich-haltige Beiträge zur Geschichte der Georgia Augusta in Göttingen. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1987, ISBN 978-3-525-85933-9, S. 29.
  • Ralf Lüer: Militärbauten in Göttingen bis zum Wiener Kongreß 1814/1815. In: Interessengemeinschaft Garnisonstadt Göttingen (Hrsg.): Die strenge Form. Zur Geschichte der Militätbauten in Göttingen. Goltze-Druck, Göttingen 1992, ISBN 3-88452-761-4, S. 9–16. hier S. 12.
  • Ralf Pröve: Stehendes Heer und städtische Gesellschaft im 18. Jahrhundert: Göttingen und seine Militärbevölkerung 1713–1756. Oldenbourg, München 1995 (= Beiträge zur Militärgeschichte, Bd. 47), ISBN 3-486-56060-3. (Teilweise als Digitalisat auf books.google.de, abgerufen am 23. Februar 2023)

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Vgl. eine etwas ältere Gouache von um 1776 in Göttinger Privatbesitz; Dia im Stadtarchiv Göttingen, Signatur: StadtA GOE G 9 Nr. 451; vgl. Nachweis auf arcinsys.niedersachsen.de, abgerufen am 23. Februar 2023.
  2. Helga-Maria Kühn: Göttingen im Dreißigjährigen Krieg. In: Dietrich Denecke, Helga-Maria Kühn (Hrsg.): Göttingen, Geschichte einer Universitätsstadt. Band 1: Von den Anfängen bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1987, ISBN 3-525-36196-3, S. 650–692, hier S. 659, 662.
  3. Göttingen - Das Bild der Stsdt in historischen Ansichten. Eine Auswahl aus der Graphischen Sammlung des Städtischen Museum. Erich Goltze, Göttingen 1996, S. 268.
  4. Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland, Baudenkmale in Niedersachsen, Band 5.1: Landkreis Göttingen, Stadt Göttingen. Bearbeitet von Ilse Rüttgerodt-Riechmann, Friedr. Vieweg & Sohn, Braunschweig/Wiesbaden 1982, ISBN 3-528-06203-7, S. 37 (Digitalisat auf digi.ub.uni-heidelberg.de, abgerufen am 23. Februar 2023) und S. 43.

Koordinaten: 51° 32′ 0,2″ N, 9° 56′ 7,1″ O