Mammutsteppe

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Das Wollhaarmammut war das Charaktertier der Mammutsteppe. Darstellung einer Landschaft Nordspaniens im Pleistozän durch Mauricio Antón, 2008.

Die Mammutsteppe oder Steppentundra[1] stellt eine besondere Form der Steppe dar, die während der Kaltzeiten des Pleistozäns – vor allem Saale-Kaltzeit und Weichsel-Kaltzeit – über weite Teile des nördlichen Eurasiens von Mitteleuropa bis Ostasien, aber auch in Nordamerika verbreitet war. Aktuelle Untersuchungen zeichnen im Gegensatz zu einer Grassteppe das Bild einer krautreichen Vegetation.[2][3]

Der Aufbau mächtiger Inlandeisschilde und der dadurch bedingte Rückzug der Meere hatten ein trockenes kontinentales Klima zur Folge. Durch die Schleiftätigkeit der Gletscher und anschließende Deflation entstand außerdem ein feiner Löss- und Sandstaub, der sich in ausgedehnten Arealen besonders entlang der saisonal trockenen Flussläufe als Lehmschicht ablagerte.

Dies bot den idealen Raum zur Entwicklung der Mammutsteppe, eine Steppenform, bei der sich Steppen- und Tundrapflanzen vermischen. Die Landschaft war nahezu baumfrei, zu den vorherrschenden Pflanzenarten zählten Gräser, Riedgräser, Kräuter, Zwerg-Birken und Polar-Weiden. Häufig wird die Mammutsteppe aufgrund dieser Mischung mit der heutigen Tundra verglichen, stimmte aber nur bedingt überein. Trennende Merkmale sind vor allem die unterschiedlichen Sonnenstände und die damit verbundenen Jahreszeitzyklen, die die Mammutsteppe mit ihren in weiten Teilen vorherrschenden Lichtverhältnissen der mittleren Breiten von der nördlichen Tundra mit ausgeprägten Polarsommern und -wintern absetzt. Dadurch entstand eine arten- und vor allem nährstoffreiche Vegetation, zusätzlich begünstigt durch die aufgrund der nahen Gletscher auftretenden lang andauernden Hochdrucklagen.[4] Neueren Untersuchungen anhand von DNA-Untersuchungen aus dem Dauerfrost zufolge nahmen Kräuter während der letzten Vereisungsphase bis zu 63 % der Pflanzengemeinschaft ein, typisch waren unter anderem Wegerich, Beifuß und Chrysanthemen. Süßgräser erreichten dagegen nur etwa 27 %.[3]

Zu den Bewohnern dieser Steppe zählten neben dem Charaktertier dieses Lebensraums, dem Wollhaarmammut (Mammuthus primigenius), auch andere Großsäuger wie das Wollnashorn (Coelodonta antiquitatis), der Moschusochse (Ovibos moschatus), das Ren (Rangifer tarandus), die Saiga-Antilope (Saiga tatarica), aber auch der ausgestorbene Steppenbison (Bison priscus) und die eiszeitliche Wildpferdeunterart Equus caballus lenensis.[1] Die Großtiere ernährten sich dabei nicht nur, wie ursprünglich teilweise angenommen, ausschließlich von Gräsern, sondern ebenfalls von den krautigen Pflanzen, was anhand von Mageninhalten von Kadavern aus dem Permafrost bewiesen werden konnte, etwa an der 2007 nahe dem Fluss Kolyma in Sibirien entdeckten Eismumie eines Wollnashorns, der zu über 52 % Reste von Krautpflanzen enthielt.[5][3] Nicht geklärt ist, ob durch die Weideaktivitäten dieser Megaherbivoren diese spezifische Landschaftsform entstand und sie verschwand, nachdem die Tiere ausstarben, oder ob das Verschwinden dieser Landschaftsform dazu führte, dass die typischen Großsäuger ausstarben.[6][7]

In den heutigen Landschaftsräumen existiert kein direkter Vergleich zum Biotop der Mammutsteppe. Am nächsten kommen ihr noch die baumlosen Hochgebirgslagen, wie etwa die Alm oder zentralasiatische Hochgebirgstäler.[4][8] Ein Projekt, das helfen könnte, diese Frage zu klären, wird in Nordostsibirien in Form eines Pleistozän-Parks durchgeführt. Hier versucht man die Tundra durch Beweidung mit großen Pflanzenfressern in eine Mammutsteppe zurückzuverwandeln.

Einzelnachweise

  1. a b Ralf-Dietrich Kahlke und Dick Mol: Eiszeitliche Großsäugetiere der Sibirischen Arktis. Die Cerpolex/Mammuthus-Expeditionen auf Tajmyr. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2005.
  2. Nadja Podbregar: Mythos Mammutsteppe. In: bild der wissenschaft. 5. Februar 2014, aufgerufen 23. Februar 2014.
  3. a b c Eske Willerslev, John Davison, Mari Moora, Martin Zobel, Eric Coissac, Mary E. Edwards, Eline D. Lorenzen, Mette Vestergård, Galina Gussarova, James Haile, Joseph Craine, Ludovic Gielly, Sanne Boessenkool, Laura S. Epp, Peter B. Pearman, Rachid Cheddadi, David Murray, Kari Anne Bråthen, Nigel Yoccoz, Heather Binney, Corinne Cruaud, Patrick Wincker, Tomasz Goslar, Inger Greve Alsos, Eva Bellemain6, Anne Krag Brysting, Reidar Elven, Jørn Henrik Sønstebø, Julian Murton, Andrei Sher, Morten Rasmussen, Regin Rønn, Tobias Mourier, Alan Cooper, Jeremy Austin, Per Möller, Duane Froese, Grant Zazula, Francois Pompanon, Delphine Rioux, Vincent Niderkorn, Alexei Tikhonov, Grigoriy Savvinov, Richard G. Roberts, Ross D. E. MacPhee, M. Thomas P. Gilbert, Kurt H. Kjær, Ludovic Orlando, Christian Brochmann und Pierre Taberle: Fifty thousand years of Arctic vegetation and megafaunal diet. In: Nature, Band 506, 2014, S. 47–51 doi: 10.1038/nature12921.
  4. a b Wighart von Koenigswald: Lebendige Eiszeit. Klima und Tierwelt im Wandel. Stuttgart 2002, S. 140–152.
  5. Gennady G. Boeskorov, Peter A. Lazarev, Andrei V. Sher, Sergei P. Davydov, Nadezhda T. Bakulina, Marina V. Shchelchkova, Jonas Binladen, Eske Willerslev, Bernard Buigues und Alexey N. Tikhonov: Woolly rhino discovery in the lower Kolyma River. In: Quaternary Science Reviews. Band 30, 2011, S. 2262–2272.
  6. Axel Beutler: Die Großtierfauna Europas und ihr Einfluß auf Vegetation und Landschaft. In: B. Gerken und C. Meyer (Hrsg.): Wo lebten Pflanzen und Tiere in der Naturlandschaft und der frühen Kulturlandschaft Europas? Natur- und Kulturlandschaft 1, 1996, S. 51–106.
  7. Margret Bunzel-Drüke, Joachim Drüke und Henning Vierhaus: Der Einfluß von Großherbivoren auf die Naturlandschaft Mitteleuropas. Arbeitsgemeinschaft Biologischer Umweltschutz Kreis Soest e. V. 2001.
  8. Russel Dale Guthrie: The Frozen Fauna of the Mammoth Steppe: The Story of Blue Babe. University of Chicago Press, 1990 Vorschau in der Google Buchsuche.