Nicolai Hartmann

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Nicolai Hartmann (Lettisch: Niklāvs Hartmanis; * 20. Februar 1882 in Riga, † 9. Oktober 1950 in Göttingen) war ein deutscher Philosoph und Professor für Philosophie. Er gilt als Fundamentalontologe, als bedeutender Vertreter des kritischen Realismus und als einer der wichtigen Erneuerer der Metaphysik im 20. Jahrhundert.


Leben

Hartmann studierte Philosophie in Sankt Petersburg, im estländischen Dorpat und in Marburg. 1907 wurde er durch Hermann Cohen und Paul Natorp promoviert. Seit 1920 lehrte Hartmann als Professor in Marburg, ab 1925 in Köln, ab 1931 in Berlin und ab 1946 in Göttingen, wo er 1950 starb.

Philosophie

Ursprünglich zeigte Hartmann reges Interesse für die Wirklichkeitstheorien Platons, wie er sie in den Auslegungen der Neukantianischen Marburger Schule vorfand. 1921 wandte er sich in seinem Werk "Grundzüge einer Metaphysik der Erkenntnis", das ihn schlagartig berühmt machte, gegen den Idealismus mit seiner Lehre einer konstituierenden Setzung von Realität durch den Geist und vertrat nun entschieden die Auffassung, dass die Realität unabhängig von der subjektiven Wahrnehmung existiere. Nach Hartmann kann der Mensch jedoch das Wesen der Wirklichkeit, von dem er und seine Erkenntnisleistung selbst lediglich ein Teil ist, nie vollständig erfassen.

In der "Ethik", einem seiner zentralen Werke, entwarf er im Anschluss an Max Scheler eine "materiale Wertethik". Werte haben danach wie auch die Gegenstände der Mathematik oder Logik die Seinsweise "idealen Seins" und werden durch Wertfühlen erfasst (vergl. Wert).

Hinsichtlich der menschlichen Willensfreiheit vertrat Hartmann die Auffassung, dass innerhalb eines deterministischen Systems die Intention bzw. der Wille als "überformender" Faktor wirkt und so Entscheidungsfreiheit konstituiert.

Im Bereich der Ontologie entwickelte Hartmann ein Schichtenmodell des Seins. Er unterscheidet 4 Schichten, und zwar eine anorganische, organische, seelische und geistige Schicht. Dabei baut die höhere Schicht auf der niederen auf, ohne dass sie jedoch gänzlich darauf zurückgeführt werden könnte.

Auf seine Schichtungsgesetze (siehe unten Weblinks / philolex) wird heute z.B. bei der Diskussion der Zusammenhänge zwischen folgenden Ebenen zurückgegriffen: Molekül, Zelle, Organ, Individuum, Gruppe - sowie bei der Frage, wie der interdisziplinäre Gedankenaustausch in den Humanwissenschaften zu strukturieren ist (Interdisziplinarität, Transdisziplinarität).

Bibliographie

Zu seinen wichtigsten Werken gehören das 1909 erschienene Werk Platons Logik des Seins, die Ethik (1925), Neue Wege der Ontologie (1942) und die Ästhetik (1953).

Bücher:

  • 1921: Grundzüge einer Metaphysik der Erkenntnis. Vereinigung wissenschaftlicher Verleger, Berlin 1921.
  • 1923: Die Philosophie des deutschen Idealismus - (1) Fichte, Schelling und die Romantik. Walter de Gruyter, Berlin 1923.
  • 1929: Die Philosophie des deutschen Idealismus - (2) Hegel. de Gruyter, Berlin 1929.
  • 1925: Ethik. Walter de Gruyter, Berlin-Leipzig 1925.
  • 1926: Aristoteles und Hegel. Stenger, Erfurt 1925.
  • 1931: Zum Problem der Realitätsgegebenheit, Philosophische Vorträge. Pan Verlag, Berlin 1931.
  • 1933: Das Problem des geistigen Seins : Untersuchungen zur Grundlegung der Geschichtsphilosophie und der Geisteswissenschaften. Walter de Gruyter, Berlin-Leipzig 1933.
  • 1935: Ontologie. 4 Bände: 1. Zur Grundlegung der Ontologie, 2. Möglichkeit und Wirklichkeit, 3. Der Aufbau der realen Welt: Grundriß der allgemeinen Kategorienlehre, 4. Philosophie der Natur: Abriß der speziellen Kategorienlehre. Walter de Gruyter, Berlin 1935-1950.
  • 1942: Neue Wege der Ontologie. Kohlhammer, Stuttgart-Berlin 1942.
  • 1942: Systematische Philosophie. Kohlhammer, Stuttgart-Berlin 1942.
  • 1946: Leibniz als Metaphysiker. Walter de Gruyter, Berlin 1946.
  • 1949: Das Problem des geistigen Seins : Untersuchungen zur Grundlegung der Geschichtsphilosophie und der Geisteswissenschaften. Walter de Gruyter, Berlin 1946.
  • 1951: Teleologisches Denken. Walter de Gruyter, Berlin 1951.
  • 1953: Ästhetik. Walter de Gruyter. Berlin 1953.
  • 1954: Philosophische Gespräche. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1954.
  • 1955: Der philosophische Gedanke und seine Geschichte, Zeitlichkeit und Substantialität, Sinngebung und Sinnerfüllung. Walter de Gruyter, Berlin 1955.
  • 1955: Kleinere Schriften - Bd. 1: Abhandlungen zur systematischen Philosophie, Bd. 2: Abhandlungen zur Philosophie-Geschichte, Bd. 3: Vom Neukantianismus zur Ontologie. Walter de Gruyter, Berlin 1955-1958.

Auswahl der Einzelbeiträge:

  • 1912: Philosophische Grundfragen der Biologie. In: Wege zur Philosophie. Nummer 6, 1912.
  • 1924: Diesseits von Idealismus und Realismus: Ein Beitrag zur Scheidung des Geschichtlichen und Übergeschichtlichen in der Kantischen Philosophie . In: Sonderdrucke der Kantischen Studien, . Pan Verlag R. Heise, Berlin 1924, p. 160-206.
  • 1933: Systematische Selbstdarstellung. In: Deutsche systematische Philosophie nach ihren Gestaltern. Junker & Dünnhaupt, Berlin 1933, p. 283-340.
  • 1935: Das Problem des Apriorismus in der Platonischen Philosophie. In: Sitzungsber. d. Preuß. Akademie der Wiss., Phil.-hist. Klasse. Walter de Gruyter, Berlin 1935, #15.
  • 1936: Der philosophische Gedanke und seine Geschichte. In: Abh. der Preuß. Akademie der Wiss., Phil.-hist. Kl.. Walter de Gruyter, Berlin 1936, #5.
  • 1937: Der megarische und der Aristotelische Möglichkeitsbegriff: Ein Beitrag zur Geschichte des ontologischen Modalitätsproblems. In: Sitzungsber. der Preuß. Akademie der Wiss., Phil.-hist. Kl.. Walter de Gruyter, Berlin 1937, 10.
  • 1938: Heinrich Maiers Beitrag zum Problem der Kategorien. In: Sitzungsber. d. Preuß. Akademie der Wiss., Phil.-hist. Kl.. Walter de Gruyter, Berlin 1938, #10.
  • 1939: Aristoteles und das Problem des Begriffs. In: Abh. d. Preuß. Akademie der Wiss., Ph.-hist. Kl.. Walter de Gruyter, Berlin 1939, 5.
  • 1941: Zur Lehre vom Eidos bei Platon und Aristoteles. In: Abh. d. Preuß. Akademie der Wiss., Phil.-hist. Kl.. Walter de Gruyter, Berlin 1941, 8.
  • 1942: Neue Wege der Ontologie. In: Systematische Philosophie. Herausgeber Nicolai Hartmann, Stuttgart 1942.
  • 1943: Die Anfänge des Schichtungsgedankens in der alten Philosophie. In: Abh. der Preuß. Akademie der Wiss., Phil.-hist. Kl.. Walter de Gruyter, Berlin 1943, 3.

Auswahl der Sekundärliteratur

  • 1949: Autobiographie. In: W. Ziegenfuss: Philosophen-Lexicon.
  • 1952: H. Heimsoeth et al.: Nicolai Hartmann, der Denker und sein Werk.
  • 1959: H. Hulsmann: Die Methode in der Philosophie Nicolai Hartmanns.
  • 1962: K. Kanthack: Nicolai Hartmann und das Ende der Ontologie.
  • 1965: I. Wirth: Realismus und Apriorismus in Nicolai Hartmanns Erkenntnistheorie.
  • 1965: J.B. Forsche: Zur Philosophie Nicoloai Hartmanns.
  • 1971: E. Hammerkraft: Freiheit und Dependenz im Schichtdenken Nicolai Hartmanns.
  • 1973: R. Gamp: Die interkategoriale Relation und die dialektische Methode in der Philosophie Nicolai Hartmanns.
  • 1982: Alois Joh. Buch: Wert - Wertbewusstsein - Wertgeltung, Grundlagen und Grundprobleme der Ethik Nicolai Hartmanns. Bouvier, Bonn 1982.
  • 1987: Alois Joh. Buch: Nicolai Hartmann - 1882-1982. Bouvier, Bonn 1987.
  • 1989: Grötz Arnd: Nicolai Hartmanns Lehre vom Menschen. Lang, Frankfurt am Main 1989.
  • 1990: H. William, Nicolai Hartmann's new ontology. Florida State Univ. Press by Werkmeister, Tallahassee 1990.
  • 1992: Roland H. Feucht: Die Neoontologie Nicolai Hartmanns im Licht der evolutionären Erkenntnistheorie. Roderer, Regensburg 1992.
  • 1994: Sakersadeh Abolghassem,: Immanenz und Transzendenz als ungelöste Problematik in der Philosophie Nicolai Hartmanns. Lit, Münster 1994.
  • 1997: Martin Morgenstern: Nicolai Hartmann zur Einführung. Junius, Hamburg 1997.
  • 2000: Wolfgang Harich: Nicolai Hartmann - Größe und Grenzen. Königshausen und Neumann, Würzburg 2000.
  • 2001: Nebil Reyhani: Hermann Weins Auseinandersetzung mit Nicolai Hartmann als sein Weg von der Ontologie zu einer philosophischen Kosmologie.
  • 2003: Gerhard Ehrl: Nicolai Hartmanns philosophische Anthropologie in systematischer Perspektive. Junghans, Cuxhaven 2003.
  • 2004: Alessandro Gamba: In principio era il fine. Ontologia e teleologia in Nicolai Hartmann. Vita e Pensiero, Milano 2004.


Weblinks