Respiratorische Sinusarrhythmie

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EKG mit respiratorischer Sinusarrhythmie

Die respiratorische Sinusarrhythmie (RSA), auch respiratorische Arrhythmie genannt, beschreibt die vor allem bei Jugendlichen häufig vorkommende atemsynchrone Schwankung der Herzfrequenz. Bei Einatmung erhöht sich die Herzfrequenz, bei Ausatmung sinkt sie wieder. Die respiratorische Sinusarrhythmie ist beim Haushund sehr häufig.

Atemfrequenz und Herzfrequenz sind deutliche Rhythmen. Sie stehen in Bezug zueinander und dabei treten Schwankungen auf. RSA ist ein häufig untersuchter Parameter bzw. eine charakterisierende Eigenschaft der Interaktion zwischen Atmung und Herzfrequenz. Sie wurde erstmals 1860 von Petr Einbrodt (1835–1865) beschrieben.

Begriff[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Respiratio ist der lateinische Begriff für Atmung. Eine Arrhythmie bezeichnet in der Medizin die Unregelmäßigkeit insbesondere in Bezug auf das Herz, der Wortbestandteil sinus verweist darauf, dass der Ort der Erregungsbildung der Sinusknoten des Herzens ist. Im Gegensatz zu anderen Arrhythmien in der Medizin ist die RSA physiologisch. Was bedeutet, sie hat keinen Krankheitswert, sondern ist die körpereigene Vorgabe eines gesunden Organismus.

Messung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Spektralanalyse

Die Messung der Respiratorischen Sinusarrhythmie ist ein etabliertes Standardverfahren in der autonomen Funktionsdiagnostik zur Überprüfung der autonomen Balance und der Parasympathikusaktivität.

Der Einfluss der Atmung auf den Herzschlag kann entweder über eine Messung des Pulses (mit Hilfe der Pulsoxymetrie) mittels Finger- oder Ohrclip, oder eines Elektrokardiogramms erfolgen. Zumeist rechnergestützt werden die entstehenden Kurven als Zeitreihe ausgewertet. Da die Respiratorische Sinusarrhythmie eine Hauptkomponente der Herzratenvariabilität ausmacht, ergibt sich näherungsweise eine sinusförmige Kopplung zwischen Atmung und Herzfrequenz.[1]

Eine spezifischere Messung der Kopplung von Atmung und Herzschlag kann bei Messungen länger als 3 Minuten beispielsweise mittels der Spektralanalyse dargestellt werden. Sie dient der Feststellung, aus welchen Frequenzanteilen neben der Respiratorischen Sinusarrhythmie sich die Variabilität der Herzfrequenz zusammensetzt.

Quantität und Qualität der respiratorischen Sinusarrhythmie wird medizinisch-wissenschaftlich betrachtet anhand der Amplitude der Herzfrequenzveränderung innerhalb eines repräsentativen Atemzugs von 6 aufeinander folgenden Atemzügen beschrieben (E-I-Differenz, RSA).[2]

Physiologie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die respiratorische Arrhythmie ist ein Normalbefund, der ausgeprägt bei Kindern und Jugendlichen auftritt. Die RSA kommt durch atmungsabhängige Veränderungen des Einflusses des Parasympathikus auf das Herz zustande. Beim Einatmen dehnen sich die Lungen, wodurch es zu einer Hemmung des Vagotonus und damit zu einem verstärkten Einfluss des Sympathikus auf das Herz kommt; die Herzfrequenz steigt an.

Mit zunehmendem Alter sinkt die Fähigkeit, diese flexible Reaktion des Herzschlages an die jeweiligen Erfordernisse herzustellen.[3]

Eine übermäßig regelmäßige Herzfrequenz, die keine Zeichen einer respiratorischen Sinusarrhythmie aufweist, kann auf eine Asphyxie bei Neugeborenen hinweisen.[4]

Forschung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die kardiorespiratorische Interaktion findet u. a. Bedeutung in der Säuglingsforschung,[5] sowie in der Risikostratifizierung von Herzpatienten[6] und Diabetikern.[7][8]

Eine weitere Studie befasst sich mit der vegetativen Kontrolle der Herzfrequenz und ihrer Koordination mit dem respiratorischen System im Schlafen und Wachen.[9]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Einbrodt: Über den Einfluss der Atembewegung auf Herzschlag und Blutdruck. In: Sber. Akad. Wiss. Wien – Math. Nat. Kl., 2. Abt., 40, 1860, S. 361–418 (zitiert z. B. in: Peter Aikele: Untersuchung zur Entwicklung der kardiorespiratorischen Interaktion gemeinsamer Rhythmen von Atmung und Herzaktion. (PDF; 2,1 MB) Dissertation 1998, Institut für Physiologie / Humboldt-Universität Berlin, S. 5)
  • Manfred Stöhr, M. Wagner, K. Pfadenhauer, K. Scheglmann: Neuromonitoring. Steinkopff Verlag, 1999, ISBN 3-7985-1160-8 (beschreibt Respiratorische Sinusarrhythmie auf S. 123/124)
  • Ernst Blumenfeldt, Hermann Putzig: Experimentelle elektrokardiographische Studien über die Wirkung der Respiration auf die Herztätigkeit. In: Pflügers Archiv. Band 155, Nr. 8-9, 1914, S. 443–460, doi:10.1007/bf01681163.
  • Paul Grossman, E. W. Taylor: Toward understanding respiratory sinus arrhythmia: Relations to cardiac vagal tone, evolution and biobehavioral functions. In: Biological Psychology. Band 74, Nr. 2, 2007, S. 263–285, doi:10.1016/j.biopsycho.2005.11.014, PMID 17081672.
  • Emily A. Butler, Frank H. Wilhelm, James J. Gross: Respiratory sinus arrhythmia, emotion, and emotion regulation during social interaction. In: Psychophysiology. Band 43, Nr. 6, 2006, S. 612–622, doi:10.1111/j.1469-8986.2006.00467.x, PMID 17076818.
  • Deborah Löllgen, Michael Müeck-Weymann, Reinhard D. Beise: The deep breathing test: Median-based expiration-inspiration difference is the measure of choice. In: Muscle & Nerve. Band 39, Nr. 4, 2009, S. 536–544, doi:10.1002/mus.21242, PMID 19296458.
  • Robert A. Neff, Ji‐Jiang Wang, Sunit Baxi, Cory Evans, David Mendelowitz: Respiratory Sinus Arrhythmia. In: Circulation Research. Band 93, Nr. 6, 2003, S. 565–572, doi:10.1161/01.res.0000090361.45027.5b, PMID 12907666.
  • Stefan Duschek, Martina U. Muckenthaler, Natalie S. Werner, Gustavo A. Reyes del Paso: Relationships between features of autonomic cardiovascular control and cognitive performance. In: Biological Psychology. Band 81, Nr. 2, 2009, S. 110–117, doi:10.1016/j.biopsycho.2009.03.003, PMID 19428975.
  • Carmilla M.M. Licht, Eco J. C. de Geus, Richard van Dyck, Brenda W. J. H. Penninx: Association between Anxiety Disorders and Heart Rate Variability in The Netherlands Study of Depression and Anxiety (NESDA). In: Psychosomatic Medicine. Band 71, Nr. 5, 2009, S. 508–518, doi:10.1097/psy.0b013e3181a292a6, PMID 19414616.
  • Nienke M. Bosch, Harriëtte Riese, Johan Ormel, Frank C. Verhulst, Albertine J. Oldehinkel: Stressful life events and depressive symptoms in young adolescents: Modulation by respiratory sinus arrhythmia? The TRAILS study. In: Biological Psychology. Band 81, Nr. 1, 2009, S. 40–47, doi:10.1016/j.biopsycho.2009.01.005, PMID 19428967.
  • Terri Zucker, Kristin W. Samuelson, Frederick Muench, Melanie A. Greenberg, Richard Gevirtz: The Effects of Respiratory Sinus Arrhythmia Biofeedback on Heart Rate Variability and Posttraumatic Stress Disorder Symptoms: A Pilot Study. In: Applied Psychophysiology and Biofeedback. Band 34, Nr. 2, 2009, S. 135–143, doi:10.1007/s10484-009-9085-2, PMID 19396540.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Ernst Blumenfeldt, Hermann Putzig: Experimentelle elektrokardiographische Studien über die Wirkung der Respiration auf die Herztätigkeit. In: Pflügers Archiv. Band 155, Nr. 8-9, 1914, S. 443–460, doi:10.1007/bf01681163.
  2. Deborah Löllgen, Michael Müeck-Weymann, Reinhard D. Beise: The deep breathing test: Median-based expiration-inspiration difference is the measure of choice. In: Muscle & Nerve. Band 39, Nr. 4, 2009, S. 536–544, doi:10.1002/mus.21242, PMID 19296458.
  3. Armin Kurtz, Hans-Christian Pape, Stefan Silbernagl (Hrsg.): Physiologie. 8. Auflage. Thieme, Stuttgart 2018, ISBN 978-3-13-242387-9, S. 206.
  4. W.D. Ekert, B. Kohler: Cardiorespiratory studies in cerebral disease. In: Monatsschr Kinderheilkd, 1974, 122, S. 643–644
  5. Peter Aikele: Untersuchungen zur Entwicklung der kardiorespiratorischen Interaktion anhand gemeinsamer Rhythmen von Atmung und Herzaktion. Longitudinalstudie der ersten sechs Lebensmonate gesunder Säuglinge. Dissertation aus dem Institut für Physiologie der Humboldt-Universität zu Berlin Direktor P.B. Persson, zur Erlangung des akademischen Grades doctor medicinae (Dr. med.) vorgelegt der Medizinischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin, 1997
  6. Amos Katz, Idit F. Liberty, Avi Porath, I. Eli Ovsyshcher, Eric N. Prystowsky: A simple bedside test of 1-minute heart rate variability during deep breathing as a prognostic index after myocardial infarction. In: American Heart Journal. Band 138, Nr. 1, 1999, S. 32–38, doi:10.1016/s0002-8703(99)70242-5, PMID 10385760.
  7. Clive Brown, H. Marthol, U. Zikeli, Dan Ziegler, Max J. Hilz: A simple deep breathing test reveals altered cerebral autoregulation in type 2 diabetic patients. In: Diabetologia. Band 51, Nr. 5, 2008, S. 756–761, doi:10.1007/s00125-008-0958-3, PMID 18309474.
  8. Milla Rosengård-Bärlund, Luciano Bernardi, Johan Fagerudd, Matti Mäntysaari, Clas-Göran af Björkesten, Harri Lindholm, Carol Forsblom, Johan Wadén, Per‐Henrik Groop: Early autonomic dysfunction in type 1 diabetes: a reversible disorder? In: Diabetologia. Band 52, Nr. 6, 2009, S. 1164–1172, doi:10.1007/s00125-009-1340-9, PMID 19340407.
  9. Axel Unbehaun Die vegetative Kontrolle der Herzfrequenz und ihre Koordination mit dem respiratorischen System untersucht im Schlafen und Wachen innerhalb der Pubertät: Eine zeitreihenanalytische Studie. Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades doctor medicinae (Dr. med.), aus dem Institut für Physiologie der Medizinischen Fakultät Charité der Humboldt-Universität zu Berlin, 1998, dazu: Kapitel 2. Die Fragestellung zur Studie: Zeitreihenanalytische Ansätze als Mittel, Einblicke in die vegetative Ansteuerung des Herzens und die kardiorespiratorische Interaktion zu erlangen