Service-Dominant Logic

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Die Service-Dominant Logic (S-D Logic oder auch dienstaustauschzentrierte Logik) ist ein Ansatz zur Untersuchung und Erklärung von Wertschöpfung in Netzwerken. Die der S-D Logic zugrunde liegende Idee ist, dass alle Akteure ihre Kompetenzen zum Nutzen anderer anwenden und gegenseitig von den angewandten Kompetenzen anderer durch den Austausch von Diensten für Dienste profitieren (Ko-Wertschöpfung). Damit steht die S-D Logic im Kontrast zur neoklassischen Goods-Dominant Logic (G-D Logic bzw. güter- und dienstleistungszentrierte Logik) und vereint die in der Forschung getrennten Sichtweisen auf physische Produkte und Dienstleistungen.

Annahmen der S-D Logic[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die S-D Logic bietet eine Perspektive, in der ein Dienst (Service) die grundlegende Basis ökonomischen Handels darstellt und Wert durch die Integration der Ressourcen der beteiligten Akteure in der Nutzung entsteht (Gebrauchswert, value-in-use). Damit unterscheidet sich die S-D Logic von der G-D Logic, die von der Wertschöpfung in unterschiedlichen Produktions- bzw. Erstellungsstufen und der Bindung des Wertes (sichtbar im Tauschwert, value-in-exchange) in einem Produkt oder einer Dienstleistung ausgeht. Aus Sicht der S-D Logic dienen Güter und Dienstleistungen lediglich als Vehikel zum Transport und zur Erbringung von Diensten, welche in der Anwendung in Form von Ko-Wertschöpfung (co-creation of value) ihren Wert entfalten.

Fundamentale Prämissen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die S-D Logic fußt auf elf fundamentalen Prämissen (FP), von denen acht im ursprünglichen Artikel von Vargo und Lusch 2004 erschienen, weitere 2008 ergänzt und später zu Axiomen zusammengefasst wurden (Vargo und Lusch 2004, 2008 und 2016).

Fundamentale Prämisse Erklärung
FP1 (AX1) Dienste sind die grundlegende Basis des Austausches Durch Anwendung operanter Ressourcen (Wissen und Fertigkeiten) entstehen Dienste, welche Basis aller Austausche sind. Dienste werden für Dienste eingetauscht.
FP2 Indirekter Austausch maskiert die grundlegende Basis des Austausches Weil Dienste durch eine komplexe Verbindung von Gütern, Geld und Institutionen erbracht werden, sind Dienste als Basis des Austausches nicht direkt ersichtlich.
FP3 Güter sind Vertriebsmechanismen für Dienstleistungen Güter (sowohl beständige als auch unbeständige) entfalten ihren Wert durch Nutzen – jenen Dienst den sie leisten.
FP4 Operante Ressourcen sind die grundlegende Quelle von Wettbewerbsvorteilen Die unterschiedlichen Fähigkeiten einen gewünschten Wandel herbeizuführen treiben den Wettbewerb an.
FP5 Sämtliche Ökonomien sind Dienstleistungsökonomien Dienste werden offensichtlicher mit zunehmender Spezialisierung und Auslagerung.
FP6 (AX2) Der Kunde ist immer Mitgestalter der Wertschöpfung Impliziert Wertschöpfung als wechselseitigen Prozess.
FP7 Ein Unternehmen kann keinen Nutzen liefern, sondern nur ein Nutzenversprechen abgeben Unternehmen können ihre Ressourcen nutzbringend einbringen und kollaborativ mit Kunden, welche das Nutzenversprechen annehmen, den entstehenden Wert abschöpfen. Unternehmen können allein keine Werte schaffen.
FP8 Eine service-zentrierte Perspektive ist von sich aus stets kundenbezogen und relational Da Dienste im Sinne von kundenseitigen Nutzen definiert sind und gemeinsam geschaffen werden, sind sie von sich aus kundenbezogen und relational.
FP9 (AX3) Alle sozialen und ökonomischen Akteure sind Integratoren von Ressourcen Impliziert den Kontext von Wertschöpfung über Netzwerke als Ressourcenvehikel.
FP10 (AX4) Nutzen wird ausschließlich und phänomenologisch von dem Begünstigten bestimmt Nutzen ist eigentümlich, auf subjektiver Erfahrung beruhend, kontextabhängig und bedeutungsbeladen.
FP11 (AX5) Die Wertschöpfungskooperation wird durch akteurgenerierte Institutionen und institutionelle Arrangements koordiniert.

Beispiel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ein Kühlschrank ist als Produkt alleine nicht werthaltig, sondern entfaltet erst bei korrekter Anwendung und unter Zufuhr von Energie bei der Kühlung von Lebensmitteln einen Wert, der sowohl in der Kühlung als auch in einer (temporären) Versorgungssicherheit liegt. Nutzende (etwa Eltern und ihre Kinder) müssen also ihren Beitrag leisten (Ko-Wertschöpfung), wozu sie ihrerseits Ressourcen einbringen. Im Sinne der S-D Logic verkauft die Herstellerin des Kühlschrankes kein Produkt, sondern erbringt über das Produkt einen Dienst.

Forschung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der ursprüngliche Artikel von Vargo und Lusch aus dem Jahr 2004 wurde bislang über 16.000-mal zitiert[1] und in zahlreichen Publikationen diskutiert und aufgegriffen. Die S-D Logic ist heute Gegenstand von Unternehmenspraxis und des akademischen Diskurses in unterschiedlichsten Fachbereichen der Sozial- und Geisteswissenschaften (z. B. Marketing, Logistik, Wirtschaftsinformatik).

Aus ihrer Analyse von mehr als 1.700 S-D Logic-Publikationen extrahieren Ehrenthal, Gruen and Hofstetter (2021) die folgenden grundlegenden Ansätze und Qualitätskriterien für S-D Logic-Forschung:[2]

Forschungsziel Anwendung Erweiterung Validieren
Spezifisches Ziel S-D logic auf ein bestimmtes Phänomen, Problem etc. anwenden Erweiterung einer Theorie, eines Konzepts oder eine Methode unter Verwendung der S-D logic Validieren einer Theorie, eines Konzepts oder eine Methode unter Verwendung der S-D logic
Art der Forschung Konzeptionell Konzeptionell/empirisch Empirisch
Verankerung in der S-D Logic Überführung des Phänomens / Problems in die S-D Logic unter Verwendung aller FP, in der Regel beginnend mit FP6, Hervorheben zentraler FP nach Bedarf Identifikation und Überwinden von Grenzen der G-D Logic durch Verwendung der S-D Logik, Verwendung aller FP, Hervorheben zentraler FP nach Bedarf, besondere Beachtung von FP1 Ganzheitliche Verankerung und Beschreibung der Forschung (Problem, Methode und Daten) unter Verwendung aller FP
Grundlegende Ansätze Kontrastieren der G-D und S-D Logic in Bezug auf das zu untersuchende Phänomen / Problem, um aus dem identifizierten Delta neue Erkenntnisse zu gewinnen Kontrastieren der G-D und S-D Logic, um limitierende Faktoren (z. B. Rahmen- und Randbedingungen) der G-D Logic zu identifizieren und zu eliminieren Kontrastieren der G-D und S-D Logic, um rivalisierende, testbare Hypothesen aufzustellen und um zu testen, welcher Ansatz die genaueren Aussagen / Vorhersagen ermöglicht
Terminologie Definition der minimal erforderlichen S-D Logic-Terminologie
Vermeidung der Verwendung von G-D Logic-Terminologie (z. B. „Endkundinnen“)
Objektbezogener Beitrag Explizite Angabe des Kernbeitrags / Wertes der Anwendung der S-D Logic
Welche neuen Aspekte werden mittels S-D Logic aufgedeckt und wie?
Was sind die Implikationen der S-D Logic und für wen haben sie welche Bedeutung?
Konzeptioneller Beitrag Wie unterscheidet sich die S-D Logic von der bisherigen Logik im betreffenden Forschungsfeld?
Führt die S-D Logic zu anderen Ergebnisse, Vorhersagen etc. und wie?
Wie ändern sich die vorherrschenden Konstrukte etc. bei Verwendung der S-D Logic?
Methodischer Beitrag Können mittels S-D Logic methodische Herausforderungen bewältigt werden und wie?
Wie verändert die S-D-Logic die Art und Weise, wie methodisch vorgegangen wird?
Wie ermöglicht die S-D Logic methodische Fortschritte?
Beitrag zur S-D Logik Wie bringt die vorliegende Forschung die S-D Logic selbst voran (Rückkoppelung)?
Wie verändert sich Denken und Handeln durch die Anwendung der S-D Logic (in Forschung und Praxis)?

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Ehrenthal J.C.F., Gruen T.W., Hofstetter J.S. (2021). Recommendations for Conducting Service-Dominant Logic Research. In: Dornberger R. (eds) New Trends in Business Information Systems and Technology. Studies in Systems, Decision and Control, vol 294. Springer, Cham, 281-297. ISBN 978-3-030-48332-6 doi:10.1007/978-3-030-48332-6_19
  • Vargo, S. L., and Lusch, R. F. (2004). 'Evolving to a New Dominant Logic for Marketing', Journal of Marketing, 68(1), 1-17.
  • Vargo, S. L., and Lusch, R. F. (2008). Service-dominant logic: continuing the evolution. Journal of the Academy of Marketing Science, 36(1), 1-10.
  • Vargo, S. L., and Lusch, R. F. (2016). Institutions and axioms: an extension and update of service-dominant logic. Journal of the Academy of Marketing Science, 44(4), 5-23.

Weiterführende Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

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Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Google Scholar, Juli 2020
  2. Recommendations for Conducting Service-Dominant Logic Research. doi:10.1007/978-3-030-48332-6_19