Simon von Trient

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Frei erfundene Darstellung des angeblichen Ritualmords an Simon aus Trient, Schedelsche Weltchronik, Nürnberg 1493.

Simon von Trient (auch Simmele von Trient) war ein in der katholischen Kirche bis vor kurzem als Märtyrer verehrtes Kind, für dessen Tod im Jahr 1475 Juden als vermeintliche Ritualmörder verantwortlich gemacht wurden.


Der vermeintliche Mord

Am Ostersonntag des Jahres 1475 wurde in einem Bach in Trient ein zwei-, nach anderen Quellen dreijähriges Kind von einem Juden Samuel tot aufgefunden, das seit dem Gründonnerstag vermisst worden war. Zusammen mit anderen Mitgliedern der jüdischen Gemeinde meldete Samuel den Mord. In einem aufsehenerregenden Prozess kam man auf der Grundlage von unter der Folter erpressten „Geständnissen” der Juden zu dem Schluss, dass diese einen Ritualmord verübt und das Kind langsam zu Tode gequält hätten. Es wurden insgesamt 14 Juden hingerichtet.

Während Johannes Hinderbach, der Bischof von Trient, den Prozess unterstützte, war Papst Sixtus IV. skeptisch und verbot im Juni 1475 die Weiterführung. Den Vorwurf des päpstlichen Kommissars Bischof Giovanni dei Guidice, Hinderbach habe sich persönlich bereichern wollen, erwiderte der Trienter Bischof mit dem Gegenvorwurf, der Kommissar sei von Juden bestochen worden. Eine Kardinalskommission kam 1478 zu dem Ergebnis, die Hinrichtungen seien rechtmäßig gewesen. An den Untersuchungen beteiligt war der Franziskanerprediger Bernhardin von Feltre.

Der Leichnam des Kindes wurde in der Trienter Peterskirche beigesetzt (die Kapelle von San Simonino ist heute meist geschlossen). Die Verehrung Simons wurde 1480 von Papst Sixtus IV. anerkannt und 1584 von Papst Gregor XIII. durch die Eintragung ins Martyrologium bestätigt. Gedenktag Simons war der 24. März. 1782 macht die Ritenkongregation den seligen Simon zum zweiten Diözesanpatron von Trient. Erst 1965 hob die Ritenkongregation unter Paul VI. die Anerkennung auf und stellte fest, dass die Trienter Juden Opfer eines Justizirrtums geworden waren.


Medienereignis

Die Verbreitung der Nachricht von der angeblichen Ermordung Simons von Trient war eines der ersten Medienereignisse, bei denen sich die Erfindung des Buchdrucks bewährte. Einblattdrucke, aber auch viele handschriftliche Texte machten den Casus im ganzen Abendland bekannt.

Die berüchtigte Judensau-Darstellung am Brückenturm in Frankfurt am Main vom Ende des 15. Jahrhunderts zeigt die Judensau in Verbindung mit Simon von Trient.

Siehe auch

Literatur

  • Die Blutbeschuldigung gegen die Juden. Stimmen christlicher Theologen Orientalisten und Historiker. Die Bullen der Päpste. Simon von Trient. (Documente zur Aufkläreung, Nr. 2), [Wien 1900]
  • Petra Schöner: Judenbilder im deutschen Einblattdruck der Renaissance. Ein Beitrag zur Imagologie, Baden-Baden, Verlag Valentin Koerner 2002, S. 120-134 ISBN 3873204428 Rezension
  • Rogger Iginio: Simon von Trient. Eine Ritualmordlegende und ihre Bewältigung. In: Tiroler Heimat NF 50 (1986-1987), S. 101-107 (nicht eingesehen)
  • Ronnie Po-chia Hsia, Trent 1475: Stories of a Ritual Murder. Yale University Press, New Haven CT 1992, ISBN 0300051069 (englisch)
  • deutsche Übersetzung: Ronnie Po-chia Hsia: Trient 1475. Geschichte eines Ritualmordprozesses. Fischer, Frankfurt 1997, ISBN 310062422X
  • Alexander Lohner: Die Jüdin von Trient. Aufbau, Berlin 2004, ISBN 3746620252 (historischer Roman vor dem Hintergrund der Trienter Ritualmordlegende)

Weblinks

Commons: Simon von Trient – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien