„Situatives Führen“ – Versionsunterschied

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* Die Leistung und Zufriedenheit der Mitarbeiter wird steigen, wenn der Vorgesetzte einen Führungsstil wählt, der zum jeweiligen Reifegrad der Geführten passt.
* Die Leistung und Zufriedenheit der Mitarbeiter wird steigen, wenn der Vorgesetzte einen Führungsstil wählt, der zum jeweiligen Reifegrad der Geführten passt.
Die Ergebnisse dieser umfangreichen Studie kommentieren die Autoren wie folgt: „These results reveal a lack of support for the basic assumptions that underlie SLT.<ref>Situational Leadership Theory</ref> In only one case, psychological maturity and task behavior, did an interaction of leader behavior and subordinate maturity predict subordinate outcomes, i.e., work satisfaction. Given the rather extensive analyses, 12 regression models repeated for two different partitions of the data, these findings do not bolster our confidence in the assumptions that underlie the predictions of SLT. This is disappointing because of the intuitive appeal of the theory.”<ref>Warren Blank u.&nbsp;a.: ''A Test of the Situational Leadership Theory''. In: ''Personal Psychology'', vol. 43, 1990, p. 593</ref>
Die Ergebnisse dieser umfangreichen Studie kommentieren die Autoren wie folgt: „These results reveal a lack of support for the basic assumptions that underlie SLT.<ref>Situational Leadership Theory</ref> In only one case, psychological maturity and task behavior, did an interaction of leader behavior and subordinate maturity predict subordinate outcomes, i.e., work satisfaction. Given the rather extensive analyses, 12 regression models repeated for two different partitions of the data, these findings do not bolster our confidence in the assumptions that underlie the predictions of SLT. This is disappointing because of the intuitive appeal of the theory.”<ref>Warren Blank u.&nbsp;a.: ''A Test of the Situational Leadership Theory''. In: ''Personal Psychology'', vol. 43, 1990, p. 593</ref>

== Fazit ==
Die durch empirische Studien nachgewiesene mangelnde Validität der Original-Theorie von Hersey und Blanchard und der gescheiterte Versuch, die zentralen Annahmen trotz verbesserter Operationalisierung durch Fakten zu untermauern, bedeuten - in die Alltagssprache übersetzt - dass diese Theorie die gleiche "Qualität" hat wie ein [[Horoskop]] oder eine [[Binsenweisheit]]. Die neuere Forschung befasst sich kaum noch mit der Suche nach „optimalen“ oder „Erfolg versprechenden“ Führungsstilen oder Persönlichkeitsmerkmalen.<ref>N. Nohira et. al.: ''What Really Works''. In: ''Harvard Business Review'', July 2003</ref> Heute geht es vielmehr um messbare, auf die zukünftige Strategie der Organisation ausgerichtete [[Führungskompetenz]]en. Das dürfte ein wesentlicher Grund dafür sein, dass es keine weiteren Validierungsstudien für die Theorie des Situativen Führens gibt.<ref>Thomas, R. J., Crucibles of Leadership: How to Learn From Experience to Become a Great Leader, Harvard Business School Publishing, Boston, 2008</ref>


== Literatur ==
== Literatur ==

Version vom 20. Februar 2011, 17:45 Uhr

Situatives Führen bezeichnet eine Gruppe von Kontingenztheorien, die besagen, dass der Vorgesetzte je nach Situation unterschiedliche Führungsstile wählen soll, um erfolgreich zu sein.

Entwicklung situativer Theorien

Während universelle Führungstheorien davon ausgehen, dass bestimmte Verhaltensweisen oder Persönlichkeitsmerkmale – wie zum Beispiel Charisma – grundsätzlich zum Erfolg führen, behaupten so genannte Kontingenztheorien (Situatives Führen), dass der Führungserfolg auch von den Rahmenbedingungen abhängig ist, in denen sich der Vorgesetzte und sein Mitarbeiter jeweils befinden.[1] Eine der ersten Theorien dieser Art stammt von Fiedler aus dem Jahr 1967.[2] Nach seiner Überzeugung ist der Führungserfolg – gemessen als Leistung der geführten Gruppe – nicht nur vom Führungsstil, sondern auch von den folgenden Faktoren abhängig:

  • Persönliche Beziehung zwischen dem Vorgesetzten und seinen Mitarbeitern (den Geführten)
  • Aufgabenstruktur (zum Beispiel Schwierigkeitsgrad)
  • Positionsmacht des Vorgesetzten
Datei:Situatives Führen Management Summary.png
Abbildung 1: Situatives Führen – Management Summary

Je nach Ausprägung dieser Faktoren ist ein anderes Führungsverhalten erforderlich.[3] Wie dieses Verhalten konkret aussehen sollte, beschreibt die weiterentwickelte Theorie von Paul Hersey und Ken Blanchard aus dem Jahr 1977,[4] die auch heute noch zu den populärsten Modellen gehört. Auf die Popularität kann man aus der Tatsache schließen, dass die Eingabe des Stichwortes „Situatives Führen“ in verschiedenen Suchmaschinen im Internet über 40.000 Treffer ergibt – ein Grund, dieses Konzept näher zu betrachten. Die Abbildung 1 fasst die wichtigsten Aspekte des gesamten Artikels zusammen.

Situatives Führen nach Hersey und Blanchard

Abbildung 2: Das Modell des Situativen Führens im Überblick

Hersey und Blanchard unterscheiden zwischen einem mehr aufgabenbezogenen und einem mehr personenbezogenen Führungsstil. Je nach „Reifegrad“ der geführten Mitarbeiter ist ein anderes Verhalten des Vorgesetzten Erfolg versprechend. Diese Grundbegriffe wurden von Hersey und Blanchard wie folgt definiert:[4]

  • Aufgabenorientierung besagt, dass der Vorgesetzte es vorzieht, detaillierte Anweisung zu geben, er formuliert klare Erwartungen und Vorgaben im Hinblick darauf, was bis wann wie erledigt werden muss.
  • Im Falle der Beziehungsorientierung legt der Vorgesetzte großen Wert auf gute persönliche Kontakte, er bietet Unterstützung an, lobt und ermuntert seine Mitarbeiter.
  • Bei beiden Orientierungen handelt es sich um ein Kontinuum mit den beiden Polen „Aufgabenorientierung“ und „Beziehungsorientierung“ (siehe Abbildung 2).
  • Der Reifegrad von Mitarbeitern umfasst zwei Aspekte: einen sachlichen und eine psychologischen. In sachlicher Hinsicht streben „reife“ Mitarbeiter Verantwortung an; sie entwickeln selbstständig ihre Fähigkeiten und ihr Fachwissen. In psychologischer Hinsicht wollen „reife“ Mitarbeiter etwas erreichen, sie sind motiviert und engagiert.
  • Der Reifegrad ist jeweils an bestimmte Aufgaben gebunden. Das bedeutet, dass der eine Mitarbeiter bei der Aufgabe A (zum Beispiel verkaufen) eine hohe Reife demonstrieren kann, während er bei einer anderen Aufgabe B (Abläufe organisieren) eine wesentlich niedrigere Reife aufweisen kann.
  • Den Führungserfolg definieren Hersey und Blanchard als Zielerreichung und Einflussnahme, bei der die Mitarbeiter eine bestimmte Aufgabe erledigen. Ferner respektieren sie ihren Vorgesetzten und sind kooperationsbereit. Diese Effektivität ist dann gegeben, wenn der gewählte Führungsstil zum Reifegrad der geführten Mitarbeiter passt.

Ausgehend von diesen Grundbegriffen lassen sich nach Hersey und Blanchard vier wesentliche Verhaltensweisen als Empfehlungen für Vorgesetzte ableiten (siehe Abbildung 2).

  • Führungsstil 1: Bei einer niedrigen Reife der Mitarbeiter wird eine hohe Aufgabenorientierung bei gleichzeitig niedriger Beziehungsorientierung empfohlen. Mit anderen Worten: Der Vorgesetzte sollte unterweisen („telling“).
  • Führungsstil 2: Hat sich der Mitarbeiter weiter entwickelt (geringe bis mäßige Reife), ist es empfehlenswert, wenn der Vorgesetzte einen stark mitarbeiterbezogenen und aufgabenbezogenen Führungsstil gleichzeitig anwendet. Es kommt darauf an, die Mitarbeiter zu überzeugen („selling“).
  • Führungsstil 3: Bei mäßiger bis hoher Reife seiner Mitarbeiter sollte der Vorgesetzte stark mitarbeiterbezogen und gleichzeitig weniger aufgabenbezogen führen und sie an der Zielsetzung oder an Entscheidungen beteiligen („participating“).
  • Führungsstil 4: Sehr „reife“ Mitarbeiter benötigen weder eine besondere Zuwendung durch den Vorgesetzten, noch muss man ihnen detaillierte Vorgaben bezüglich ihrer Aufgaben und ihres Verhaltens machen. In diesem Falle sollte man Verantwortung delegieren („delegating“).

Ergebnis: Erfolgreich sind diejenigen Vorgesetzten, die je nach Situation den passenden Führungsstil anwenden.

Kritische Würdigung

Auch solche Theorien, die beanspruchen, nützliche Empfehlungen für die Praxis geben zu wollen, müssen ihre Validität als ein wesentliches Gütekriterium nachweisen. Wollte man auf Theorien bei der Führungskräfteentwicklung oder beim Training verzichten, blieben nur Berichte oder „Geschichten“ „erfahrener Praktiker“. Doch auch bei diesen Aussagen handelt es sich um „Theorien“ – nur sind sie eben subjektiv, oft versetzt mit ausschmückenden Anekdoten, die auf (unzuverlässigen) Erinnerungen beruhen – alles Dinge, bei denen niemand überprüfen kann, ob sie in der Praxis wirklich existieren oder gar funktionieren. Das gilt vor allem für die Einschätzung des zukünftig notwendigen Führungsverhaltens, zumal subjektive Erlebnisse einem Blick in den Rückspiegel gleichen und nur bedingt für die unternehmerische Gestaltung der Zukunft brauchbar sind.[5] Im Falle der Theorie des Situativen Führens von Hersey und Blanchard wurden in der wissenschaftlichen Fachliteratur zahlreiche Kritikpunkte diskutiert. Diese lassen sich in eine Gruppe zum Thema konzeptionelle oder Konstruktvalidität und eine Gruppe Aussagen zum Thema empirische Validität unterteilen. Barry-Craig Johansen[6] kommt in seiner Meta-Studie dem Ergebnis, dass es vielen Untersuchungen nicht gelungen sei, die Validität dieser Theorie nachzuweisen. Das betrifft die konzeptionelle, die instrumentelle und die leistungsorientierte (prognostische) Validität. Daraus folgt: „Leaders who expect the theory to provide clear direction for dealing with subordinates will be disappointed … and it is impossible at present to determine whether such training (based on this theory, d. V.) is valuable.“[7]

Das Kernproblem besteht darin, dass zentrale Grundbegriffe der Theorie so formuliert sind, dass man sie nicht messen oder operationalisieren und damit auch nicht empirisch prüfen kann. Das betrifft die Aufgaben- und Beziehungsorientierung, den Führungserfolg und den Reifegrad der Mitarbeiter. Zur Überwindung dieser Probleme haben Warren Blank, John Weitzel und Stephen Green eine empirische Studie mit 353 Mitarbeitern und 27 Führungskräften von zwei Universitäten aus dem Mittleren Westen der Vereinigten Staaten durchgeführt.[8] Das Beziehungs- und Mitarbeiterorientierte Verhalten wurde mit Hilfe des Leader Behavior Descriptive Questionnaire operationalisiert.[8] Für eine valide und reliable Einschätzung des Reifegrades von Mitarbeitern haben die Autoren eine separate Studie durchgeführt, bei der die Befragten auf einer Skala angeben sollten, wie Sie die Selbstständigkeit, die Verantwortungsbereitschaft, die Leistungsmotivation und die Kompetenz (fachliche Erfahrung) zufällig ausgewählter Mitarbeiter einschätzen sollten. Die Operationalisierung des Begriffs Leistung erfolgte schließlich anhand einer Auswertung der jährlichen Leistungsbewertungen im Rahmen der Mitarbeitergespräche. Diese Operationalisierungen waren notwendig, um die zentralen Behauptungen (Hypothesen) der Theorie des Situativen Führens zu testen. Dazu einige Beispiele:

  • Bei einem niedrigen Reifegrad von Mitarbeitern wird aufgabenorientiertes Verhalten des Vorgesetzen zu besseren Leistungen führen.
  • Beziehungsorientiertes Verhalten des Vorgesetzten wird bei einem mittleren Reifegrad die Leistung steigern.
  • Die Leistung und Zufriedenheit der Mitarbeiter wird steigen, wenn der Vorgesetzte einen Führungsstil wählt, der zum jeweiligen Reifegrad der Geführten passt.

Die Ergebnisse dieser umfangreichen Studie kommentieren die Autoren wie folgt: „These results reveal a lack of support for the basic assumptions that underlie SLT.[9] In only one case, psychological maturity and task behavior, did an interaction of leader behavior and subordinate maturity predict subordinate outcomes, i.e., work satisfaction. Given the rather extensive analyses, 12 regression models repeated for two different partitions of the data, these findings do not bolster our confidence in the assumptions that underlie the predictions of SLT. This is disappointing because of the intuitive appeal of the theory.”[10]

Literatur

  • Warren Blank u. a.: A Test of the Situational Leadership Theory. In: Personal Psychology, vol. 43, 1990.
  • F. E. Fiedler: A Theory of Leadership Effectiveness. New York 1967
  • P. Hersey, K. Blanchard: Management of Organizational Behavior, 4th ed. New York 1982.
  • Barry-Craig Johansen: Situational Leadership: A Reviews of the Research. In: Human Resource Development Quarterly, Vol. 1, No. 1, 1990
  • N. Nohira et. al.: What Really Works. In: Harvard Business Review, July 2003.
  • W. Pelz: Kompetent führen. 2. Auflage, Wiesbaden 2004
  • L. v. Rosenstiel: Grundlagen der Führung. In: L. v. Rosenstiel u. a.: Führung von Mitarbeitern, 4. Auflage, Stuttgart 1999
  • R. Stogdill, A. Coons (Eds.): Leader Behavior: Its Description and Measurement. Research Monograph, Ohio State University, 1957
  • G. Yukl: Leadership in Organizations, 6th Edition, New York, 2006

Belege

  1. G. Yukl: Leadership in Organizations, 6th Edition. New York 2006
  2. F. E. Fiedler: A Theory of Leadership Effectiveness. New York 1967
  3. L. v. Rosenstiel: Grundlagen der Führung. In: L. v. Rosenstiel u. a.: Führung von Mitarbeitern, 4. Auflage, Stuttgart 1999
  4. a b P. Hersey, K. Blanchard: Management of Organizational Behavior, 4th ed. New York 1982
  5. W. Pelz: Kompetent führen, 2. Auflage. Wiesbaden 2004
  6. Barry-Craig Johansen: Situational Leadership: A Reviews of the Research. In: Human Resource Development Quarterly, Vol. 1, No. 1, 1990
  7. Barry-Craig Johansen: Situational Leadership: A Reviews of the Research. In: Human Resource Development Quarterly, Vol. 1, No. 1, 1990, p. 82
  8. a b Warren Blank u. a.: A Test of the Situational Leadership Theory. In: Personal Psychology, vol. 43, 1990
  9. Situational Leadership Theory
  10. Warren Blank u. a.: A Test of the Situational Leadership Theory. In: Personal Psychology, vol. 43, 1990, p. 593