St. Brictius (Schöppingen)

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Pfarrkirche St. Brictius

St. Brictius ist eine Pfarrkirche in Schöppingen, einer Gemeinde im westlichen Münsterland im Nordwesten des Bundeslands Nordrhein-Westfalen.

Geschichte

In den Sachsenkriegen (772–804) eroberten die Heere Karls des Großen unter anderem das Münsterland. In Abständen von Tagesmärschen wurden militärische Stützpunkte an "Königshöfen" errichtet und darauf Kirchen erbaut, die Zentren der Missionierung werden sollten. Sie wurden fränkischen Heiligen geweiht – so in Schöppingen dem heiligen Brictius von Tours und Nachfolger des Hl. Martin (397–444). Dies geschah etwa zwischen 785 und 792. In dieser Zeit begann die Missionierung des Münsterlandes durch den Hl. Liudger.

Die Schöppinger Kirche wurde auf einer eroberten sächsischen Fliehburg erbaut, an deren Fuß eine Quelle, die "Welle", entspringt, die Gerichtsort und vielleicht auch Kultstätte war. Die erste Kirche war circa 8x15 Meter groß und wahrscheinlich schon aus Stein gebaut. Als Liudger am 30. März 805 zum ersten Bischof von Münster geweiht wurde, wurde die Schöppinger Taufkirche Pfarrkirche. Zum ersten Mal wird sie in der Kaiserurkunde vom 7. Juni 838 erwähnt, in der Kaiser Ludwig der Fromme die Kirchen zu Reni (Rheine), Wateringas (Wettringen) und Stochheim im Gau Scopingus (Schöppingen) dem Kloster Herford schenkte.

Um 1100 baute man die Kirche neu. Aus dieser Zeit steht noch der mächtige Turm, der um 1230 um ein Glockengeschoss aufgestockt wurde und seine heutige Form mit zwei Treppengiebeln erhielt. Um 1390 erbaute man außerhalb der karolingischen Kirchenburg die Stadt Schöppingen mit Wall und Graben, zwei Toren und zentral gelegenem Rathaus. Die Kirche lag nun außerhalb des befestigten Ortes. In der "Münsterischen Stiftsfehde" brannte sie am 30. April 1453 ab, bis auf den Turm und die Umfassungsmauern – Brandspuren finden sich noch heute am Turm. Die Kirche wurde als zweischiffige, gotische Hallenkirche wieder aufgebaut, wobei der Hauptaltar genau an der Stelle des alten Hauptaltars wieder seinen Platz fand.

Im Spanisch-Niederländischen Krieg (1566–1609) und dem anschließenden Dreißigjährigen Krieg (1618–1648) ist Schöppingen stark zerstört worden. Die Kirche war verwüstet und unbrauchbar. Bei der Wiederherstellung übertünchte man die Wandgemälde der Apostel und Propheten sowie die Gewölbemalerei (erst 1930 wiederentdeckt). Das Altarbild des "Meister des Schöppinger Altars" wurde an die nördliche Seitenwand gehängt, es hieß jetzt das "Bild vom bitteren Leiden Jesu". Ein großer barocker Hochaltar und zwei Seitenaltäre wurden aufgestellt (entfernt 1876 bzw. 1923).

Ende 19. Jahrhunderts wurde beschlossen, die Kirche abzureißen und durch eine neogotische Kirche mit 75 Meter hohem Turm zu ersetzen. Entwürfe sind im Pfarrarchiv erhalten, das Geld war schon erspart – als der Erste Weltkrieg ausbrach und den Plan vereitelte. In der Inflationszeit musste man sich mit einer Erweiterung begnügen, und so wurde 1923–26 die bis dahin noch stehende nördliche Seitenwand des romanischen Vorgängerbaus abgerissen und das nördliche, sehr breite Seitenschiff an die bisherige Kirche angebaut, um möglichst viel Platz zu schaffen. Gleichzeitig gestaltete man die Kirche im Inneren völlig neu: Das Altarbild wurde in einen neuen reichgeschnitzten, bis ins Gewölbe reichenden Hochaltar eingefügt. Die bald darauf wiederentdeckten Wand- und Gewölbemalereien wurden freigelegt und restauriert.

Nach der Liturgiereform des 2. Vatikanischen Konzils wurde 1964–66 das Innere wieder völlig umgestaltet: Man stellte einen neuen Altar, Ambo, Tabernakel und Priestersitz auf, das Altarbild erhielt eine neue schlichte Aufstellung. Zur 1150-Jahr-Feier im Jahr 1988 wurden Inneres und Äußeres der Kirche restauriert.

Flügelaltar des "Meisters des Schöppinger Altars"

Detail: Auferstehung in Schöppingen

Berühmtestes Stück der Ausstattung der St.-Brictius-Kirche ist der gemalte Flügelaltar des ungenannten „Meisters von Schöppingen“, eines der bedeutendsten Werke der spätgotischen Malerei Westfalens. Der „Meister von Schöppingen“ verzichtete bei der Gestaltung des Flügelaltares auf die sonst üblichen Heiligengeschichten und konzentrierte sich auf den Kern der christlichen Verkündigung. Er fasst die beiden Hauptereignisse der Heilsgeschichte zu jeweils einer Ansicht zusammen: Die Menschwerdung (Verkündigung und Geburt) auf den Außenseiten der geschlossenen Altarflügel und die Erlösung (Leidensgeschichte, Kreuzigung, Auferstehung, Himmelfahrt, Geistsendung) auf Mitteltafel und Innenseiten der Altarflügel. Weil es sich jeweils um ein einziges „Ereignis“ handelt, malte er die Szenen als erster nicht als Einzelbilder, sondern durchlaufend. Der Schöppinger Altar hat also keine Festtags- und Werktagsseite wie alle anderen Altarbilder seiner Zeit und vor ihm, sondern zwei Ansichten entsprechend dem Weihnachts- und Osterfestkreis.

Trivia

In der Kirchengemeinde St. Brictius wird in der Fronleichnamsprozession noch der Brauch des Torstentragens gepflegt.

Koordinaten: 52° 5′ 36″ N, 7° 14′ 12,8″ O