Galeriegrab Lohra
Das Steinkammergrab von Lohra ist ein vorgeschichtliches archäologisches Bodendenkmal nahe Marburg im nördlichen Mittelhessen. Es ist eines der eher unbekannten Denkmäler seiner Art in Mitteleuropa und stammt aus dem 3. oder späten 4. Jahrtausend v. Chr. Durch seine reichlichen Keramikbeigaben nimmt es eine Sonderstellung unter den Galeriegräbern der Wartberg-Kultur ein.
Entdeckung und Ausgrabung
Das Steinkammergrab von Lohra, das der ausklingenden Jungsteinzeit zuzuordnen ist, wurde 1931 beim Pflügen eines Ackers in der Flur „Gernstein“ durch den Landwirt Jakob Elmshäuser entdeckt. Dieser wunderte sich, als sein Pflug im Ackerboden auf einen scheinbar starken Widerstand stieß und ging der Ursache näher auf den Grund. Wie sich herausstellen sollte, traf er dabei kurz unter der Oberfläche des Ackerbodens auf einen rechteckigen Sandsteinblock. Man verständigte den Spezialisten für kulturgeschichtliche Bodenaltertümer in Hessen, Prof. Dr. Gero von Merhart, der die Fundstücke von Studenten des vorgeschichtlichen Seminars der Philipps-Universität Marburg unter Leitung von Dr. O. Uenze ausgraben ließ.
Aufbau des Steinkammergrabes
Die in den Boden eingelassene rechteckige Grabkammer maß in der Länge etwa 5 m und war ca. 2,20 m breit. Zwar fehlten bei der Freilegung des Grabes einige Wandsteine, doch konnte man durch die noch vorhandenen Sandsteinblöcke einen rechteckigen Grundriss identifizieren. Die einzelnen, aus Sandstein bearbeiteten Blöcke brachten es auf eine Länge von 60 cm bis etwa 1 m, waren 40 cm breit und maßen ungefähr 80 cm in ihrer Höhe. Das Gewicht der einzelnen Blöcke schwankte zwischen 800 und 1000 Kilogramm.
Das Grab gliederte sich in eine Hauptkammer, die von einem Stein mit rundem Loch vom offenen Vorraum abgetrennt wurde. Das sog. Seelenloch innerhalb des Steins besaß einen Durchmesser von ca. 30-35 cm und diente möglicherweise als Pforte zwischen der Welt der Lebenden und der Toten für die im Vorraum stattfindenden rituellen Opferhandlungen. Der Boden des in die Erde eingelassenen Grabes war mit einer 3-5 cm dicken Schicht Tonestrich ausgelegt. Es wird vermutet, dass die Abdeckung der Steinkammer wohl aus Holz bestanden hat. Der Fund von Steinpflaster über dem Grab und in dessen unmittelbarer Umgebung lassen darauf schließen, dass das gesamte Steinkammergrab einstmals von einem später eingesunkenen Steinhügel gekrönt wurde.
Die Beigesetzten und ihre Beigaben
Im Gegensatz zu vergleichbaren Funden aus dem Grab von Züschen (Schwalm-Eder-Kreis) wurden die hier Bestatteten überraschenderweise verbrannt. Den etwa 20 Toten, Männer, Frauen und Kinder, hatte man für ihre Reise in die jenseitige Welt erstaunlich viel Keramik mitgegeben, was eine Ausnahme unter den Galeriegräbern im nördlichen Hessen darstellt. Darüber hinaus wurden über 20 teilweise vollständig erhaltene Gefäße entdeckt, die auf dem Boden des Grabes von Leichenbrand umhüllt, die Jahrtausende fast schadlos überlebt hatten. Gehäuft liegen plastisch verzierte Henkelbecher bzw. Tassen, den Fundstücken aus dem Züschener Grab ähnelnd, vor, sowie Schalen, die zum Teil mit Füßen und Henkeln versehen waren. Unter den geborgenen Funden ist außerdem eine große doppelkonische Schüssel mit Bandhenkel und einem Muster aus stehenden und hängenden Halbbögen verziert, zu erwähnen. Neben einigen Töpfen waren im Fundgut weitere doppelkonische, jedoch nur bruchstückhaft erhaltene Gefäße enthalten. Metopenartige Ornamente und auffallende senkrechte Durchbohrungen eines Gefäßes deuten auf Einflüsse der französischen Chasséenkultur hin. Außer der Keramik liegt des Weiteren eine mit großer Sorgfalt hergestellte Serpentinaxt mit ovalem Schaftloch vor, sowie ein kleineres spitznackiges Steinbeil, eine retuschierte Kieselschieferklinge und ein Bronzeblechstück unbekannter Verwendung.
Verschwinden des Seelenlochsteins
Eine Großzahl der Fundstücke wird seit 1931 im Archiv des Hessischen Landesmuseum in Kassel aufbewahrt. Der Seelenlochstein jedoch wurde auf den Hof des Landwirts gebracht, dem der Acker gehörte, und hat dort etwa 36 Jahre gelegen. Im Jahr 1967 beschlossen Gemeindevertreter und Heimatforscher dann, den Stein als Zeugen der frühen Besiedlung vor dem Bürgerhaus von Lohra aufzustellen. Doch kam man zu spät, der Seelenlochstein war bei Bauarbeiten auf dem Anwesen des Landwirts bereits in den Fundamenten vermauert worden.
Siehe auch:
Literatur
- Karl Huth: Die Gemeinde Lohra und ihre 10 Ortsteile im Wandel der Jahrhunderte. 1989
- Waltraud Schrickel: Westeuropäische Elemente im neolithischen Grabbau Mitteldeutschlands und die Galeriegräber Westdeutschlands und ihre Inventare. 1966