Wasserstoff-Kernnetz

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Das Wasserstoff-Kernnetz ist ein von der deutschen Bundesregierung geplantes deutsches Wasserstoffnetz. Das Netz hat eine Gesamtlänge von 9.700 km und soll zu 60% aus umgestellten Pipelines aus dem Erdgasnetz und zu 40% aus neugebauten Pipelines bestehen. Es soll ab 2025 schrittweise in Betrieb genommen und bis 2037 fertiggestellt werden. Die Bezeichnung "Kernnetz" bezieht sich darauf, dass es sich dabei nicht um ein endgültiges und flächendeckendes Netz handelt, sondern um ein Grundgerüst aus wichtigen Verbindungen, das durch weitere Pipelines ergänzt werden kann.

Im Zuge der Energiewende müssen fossile Energieträger wie Kohle, Öl und Gas durch erneuerbare Energieträger ersetzt werden. Strom aus erneuerbaren Energien ist hierbei aufgrund seiner hohen Effizienz meistens die erste Wahl (z.B. in der Elektromobilität und bei Wärmepumpen), allerdings vor allem in der Industrie nicht für alle Anwendungen geeignet.[1] Wasserstoff kann dagegen sehr flexibel eingesetzt und daher beispielsweise auch in der Stahl- und Chemieindustrie für eine klimaneutrale Produktion verwendet werden.[2] Wenn Wasserstoff durch Elektrolyse mit Strom aus erneuerbaren Energien hergestellt wird, ist es ebenfalls ein erneuerbarer Energieträger. Wasserstoff ist gut speicherbar und mit Wasserstoff betriebene Gaskraftwerke können bei Bedarf flexibel an- und abgeschaltet werden. Die Stromerzeugung in Zeiten einer Dunkelflaute ist aufgrund dessen ein weiterer Anwendungsfall für Wasserstoff.[3]

Für die Nutzung von Wasserstoff ist der Aufbau einer Transportinfrastruktur nötig. Ein Pipelinenetz ist dabei sowohl innerhalb Deutschlands als auch innerhalb Europas die günstigste Alternative.[4] Mit dem Kernnetz soll ein Rückgrat aus wichtigen Verbindungen geschaffen werden, um Wasserstoff importieren und Industrie und Kraftwerke mit Wasserstoff versorgen zu können.[5]

Planung des Netzes

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Die Planung des Netzes ist im Energiewirtschaftsgesetz geregelt, welches vorsieht, dass die FNB Gas einen Vorschlag für das Kernnetz ausarbeiten und bei der Bundesnetzagentur (BNetzA) beantragen. Die BNetzA prüft und genehmigt den Antrag nach Konsultation der Öffentlichkeit und verpflichtet damit die beteiligten Unternehmen zur Umsetzung. Der formelle Antrag der FNB Gas ist noch ausstehend und muss bis zum 22.07.2024 vorgelegt werden.[6] Ursprünglich wurde eine Fertigstellung des Kernnetzes bis 2032 geplant, dies wurde aber auf 2037 verschoben, um eine Überdimensionierung des Netzes in den ersten Jahren und damit verbundene hohe Kosten zu vermeiden.[7]

Seit 15.11.2023 liegt ein Antragsentwurf der FNB Gas und damit ein vorläufiger Planungsstand für das Kernnetz vor. Darin werden wichtige Importrouten für Wasserstoff sowie geplante Elektrolysestandorte, Kraftwerke und Großkunden in der Industrie berücksichtigt, die an das Netz angebunden werden sollen. Das vorläufige Netz hat eine Gesamtlänge von 9.700 km und soll überwiegend (zu 60%) aus Pipelines bestehen, die momentan Teil des Erdgasnetzes sind und für die Verwendung im Wasserstoffnetz umgestellt werden. Die übrigen 40% sind neugebaute Wasserstoffpipelines. Ebenfalls in der Planung enthalten sind sogenannte "erdgasverstärkende Maßnahmen". Dabei handelt es sich um kurze neugebaute Erdgaspipelines, die die Versorgungssicherheit im Erdgasnetz sicherstellen und damit die Umstellung anderer Pipelines auf Wasserstoff ermöglichen sollen. Dies wurde bei Verbindungen vorgeschlagen, bei denen dies günstiger als der Neubau einer Wasserstoffpipeline ist.[8]

Das Wasserstoff-Kernnetz soll über die Netzentgelte durch die Nutzer finanziert werden. Da zu Beginn hohe Investitionen für den Aufbau des Netzes erforderlich sind, während noch geringe Mengen an Wasserstoff transportiert werden, würde dies ohne weitere Maßnahmen zu sehr hohen Netzentgelten und dadurch abschreckenden Preisen für Wasserstoff führen. Aus diesem Grund ist eine Deckelung der Netzentgelte und eine Zwischenfinanzierung über ein Amortisationskonto geplant. Das Konzept sieht vor, dass die Investitionen in den ersten Jahren teilweise aus dem Amortisationskonto bezahlt werden. Sobald das Netz stärker genutzt wird, sollen die vorgestreckten Mittel (mit den dann gestiegenen Einnahmen aus den Netzentgelten) an das Amortisationskonto zurückgezahlt werden, sodass dieses bis 2055 wieder ausgeglichen ist.[5]

Zusätzlich ist eine finanzielle Absicherung durch die Bundesregierung geplant, um Investitionssicherheit für die Netzbetreiber zu schaffen. Sollten die erwarteten Einnahmen aus den Netzentgelten beispielsweise aufgrund deutlich niedrigerer Nachfrage ausbleiben, würde das Amortisationskonto stattdessen größtenteils durch den Staat ausgeglichen werden.[5] Die Finanzierung mit Beteiligung des Staates erfordert eine beihilferechtliche Genehmigung der EU-Kommission.[6]

Die gesamten Investitionskosten für das Netz betragen voraussichtlich 19,8 Mrd. €.[9]

An der Planung im Antragsentwurf wurde kritisiert, dass die FNB Gas zu früh von einem zu großen Transportbedarf ausgehen. Im Entwurf sollte das Kernnetz bis 2032 fertiggestellt werden, während die Gaskraftwerke in der Kraftwerksstrategie der Bundesregierung, die einen großen Teil des Bedarfs ausmachen, erst zwischen 2035 und 2040 auf Wasserstoff umgestellt werden.[10] Dadurch droht ein Leerlauf des Netzes in den ersten Jahren, der zu hohen Kosten für Wasserstoffkunden oder den Staat führen würde.[11] Als Lösung wurde vorgeschlagen, Teile des Netzes erst später zu bauen, wenn auch ein entsprechender Bedarf vorhanden ist.[10] In Reaktion auf die Kritik wurde die geplante Fertigstellung des Netzes von 2032 auf 2037 verschoben.[7]

Ein weiterer Kritikpunkt sind die im Antragsentwurf angenommenen Importe von Wasserstoff. Das geplante Netz hat eine Importkapazität von 58 GW, es sei aber unklar, ob und wo im Ausland bis 2032 entsprechende Produktionskapazitäten für Wasserstoff aufgebaut werden können.[12]

Einzelnachweise

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  1. Deutsche Energie-Agentur (Hrsg.): dena-Leitstudie Integrierte Energiewende. Berlin Juli 2018 (dena.de [PDF]).
  2. Matteo Genovese, Alexander Schlüter, Eugenio Scionti, Francesco Piraino, Orlando Corigliano, Petronilla Fragiacomo: Power-to-hydrogen and hydrogen-to-X energy systems for the industry of the future in Europe. In: International Journal of Hydrogen Energy. Band 48, Nr. 44, 22. Mai 2023, ISSN 0360-3199, S. 16545–16568, doi:10.1016/j.ijhydene.2023.01.194 (sciencedirect.com [abgerufen am 8. Juli 2024]).
  3. Iain Staffell, Daniel Scamman, Anthony Velazquez Abad, Paul Balcombe, Paul E. Dodds, Paul Ekins, Nilay Shah, Kate R. Ward: The role of hydrogen and fuel cells in the global energy system. In: Energy & Environmental Science. Band 12, Nr. 2, 13. Februar 2019, ISSN 1754-5706, S. 463–491, doi:10.1039/C8EE01157E (rsc.org [abgerufen am 8. Juli 2024]).
  4. European Hydrogen Backbone: Analysing future demand, supply, and transport of hydrogen. Utrecht Juni 2021 (ehb.eu [PDF]).
  5. a b c BMWK-Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz: FAQ zum Wasserstoff-Kernnetz. Abgerufen am 7. Juli 2024.
  6. a b Bundesnetzagentur: Wasserstoff-Kernnetz. Abgerufen am 7. Juli 2024.
  7. a b Einigung der Ampel-Koalition - Wasserstoff-Kernnetz soll erst 2037 fertig werden. Abgerufen am 7. Juli 2024.
  8. FNB Gas: Entwurf des gemeinsamen Antrags für das Wasserstoff-Kernnetz. Berlin 15. November 2023 (bundesnetzagentur.de [PDF]).
  9. FNB Gas: Wasserstoff-Kernnetz. Abgerufen am 7. Juli 2024 (deutsch).
  10. a b Fraunhofer IEG: Leerlauf ist gefährlich für die Finanzierung des Wasserstoff-Kernnetzes. Abgerufen am 8. Juli 2024.
  11. Fraunhofer IEG, Fraunhofer ISI, Consentec, ConGas: Gutachten zur Validierung eines Konzepts zur privatwirtschaftlichen Finanzierung des Aufbaus eines Wasserstoff-Kernnetzes bei subsidiärer staatlicher Absicherung. Karlsruhe / Berlin / Aachen / Cottbus 14. Februar 2024 (bmwk.de [PDF]).
  12. Kritiker halten das geplante Wasserstoff-Netz für überdimensioniert. Abgerufen am 8. Juli 2024.