Wasserwirbelkraftwerk

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Ein Wasserwirbelkraftwerk, auch Gravitationswasserwirbelkraftwerk genannt, ist ein Kleinwasserkraftwerk, das zur Erzeugung von Energie aus Wasserkraft bei kleinen Höhendifferenzen (0,5 bis 2 Meter[1]) geeignet ist. Die Technik beruht auf einem runden Staubecken mit einem zentralen Abfluss. Über dem Abfluss bildet sich ein stabiler Wasserwirbel aus, der eine spezielle Wasserturbine antreibt.

Funktionsweise

Schematische Darstellung eines Wasserwirbelkraftwerkes. Gelb dargestellt: die Turbine.

Ein symmetrischer Wasserwirbel bildet sich in einem rotationssymmetrischen Gefäß über einer Abflussöffnung in der Mitte des Gefäßbodens aus. Für die technische Nutzbarkeit wird ein stabiler und symmetrischer Wasserwirbel mit strömungsfreiem Wirbelzentrum angestrebt, der eine langsam rotierende Turbine antreibt.

Im Idealfall ergibt sich ein Potentialwirbel, dessen Tangentialgeschwindigkeit in Richtung des Wirbelzentrums stetig zunimmt. Voraussetzung für die Ausbildung einer stabilen senkrechten Drehachse ist die Schwerkraft. Der Wasserabfluss wird minimal, wenn der Durchmesser des Staubeckens wesentlich größer ist als der Durchmesser des Abflusses.

Ökologische Auswirkung

Die Befürworter von Wasserwirbelkraftwerken behaupten, dass wegen der intensiven Wasserbelüftung durch den Gravitationswasserwirbel im Rotationsbecken eines Wasserwirbelkraftwerks ein idealer Lebensraum für Wasserpflanzen, Kleinlebewesen und Fische geschaffen wird.[2] Kritiker wie der WWF[3] und andere[4] weisen darauf hin, dass auch Wasserwirbelkraftwerke eine Barriere sind, welche einer Revitalisierung von Fließgewässern entgegenstehen, und dass die Durchgängigkeit für alle Arten von Fischen, insbesondere flussaufwärts, noch nicht bewiesen ist.

Anwendung

Gravitationswasserwirbelkraftwerk mit Zotlöterer-Turbine bei Ober-Grafendorf

Das Konzept zur Energiegewinnung aus einem Wasserwirbel, der sich über dem Abfluss eines Wasserreservoirs ausbildet, wird in verschiedenen Vorrichtungen genutzt. So beruht eine 1968 vom US-Amerikaner Kenard D. Brown (1968 / US-Patent 3.372.905) und 1996 vom Australier Paul Kouris patentierte Vorrichtung auf der Erzeugung von Energie aus einem solchen Wasserwirbel bei großer Fallhöhe und mit Hilfe eines langen Saugrohrs.[5]

Der österreichische Techniker Franz Zotlöterer realisierte ein Gravitationswasserwirbelkraftwerk mit einem patentierten, leicht spiralförmigen Rotationsbecken (2003 / Österreichische Patente 412.363 und 413.579 und 2007 / Schweizer Patent 699.133) und der patentierten Zotlöterer-Turbine mit 80 % Wirkungsgrad (PCT WO 2011/051421), das bei geringen Fallhöhen ab 70 cm und Wassermengen ab 1000 l/s[6] als Laufwasserkraftwerk angewendet werden kann.

Dabei werden relativ langsam rotierende Turbinen genutzt (ca. 20 Umdrehungen pro Minute), die für kleines Treibgut und Fische durchgängig sind. In Zusammenarbeit mit der Hochschule für Technik der FH Nordwestschweiz wurde versucht, den Rotor weiter zu optimieren, um mehr Energie aus dem Wirbel zu ernten. Diese Turbine, welche auch die vertikalen Strömungen nutzen soll, hat aber nur einen Wirkungsgrad von 50 %[7][8], weil damit der Gravitationswasserwirbel in seiner Entfaltungsmöglichkeit eingeschränkt wird und das für die Turbine anstehende Drehmoment abnimmt.

In einer Pilotanlage, die 2005 mit einem Beckendurchmesser von 5,5 m, einer Fallhöhe von 1,5 m und einer Durchflussmenge von 0,9 m³/s im österreichischen Ober-Grafendorf errichtet wurde, werden mit der neuen Zotlöterer-Turbine 10 kW elektrische Leistung und 60.000 kWh/a erzielt. Die Rotationsfrequenz der Turbine beträgt 33 min-1 (0,55 Hz). Weitere Anlagen sind seit 2009 in der Schweiz (an der Suhre in Schöftland; elektrische Leistung bis 15 kW, Jahresproduktion bis zu 75.000 kWh/a bzw. Strombedarf von etwa 20 Haushalten)[9], seit 2011 in Österreich in Kärnten am Wimitzbach mit 2x 3,5 kW und 27.000 kWh/a und seit Ende 2011 in Deutschland im Sauerland mit 1x 3,8 kW bzw. 2x 3,8 kW in Betrieb. Eine 2007 in Indonesien errichtete Anlage ist aus behördlichen Gründen noch nicht in Betrieb.[10]

Bei größeren Fallhöhen und Durchflussmengen kann deutlich mehr Strom gewonnen werden (2,5 m, 10 m³/s: 150 kW).[11] Für Leistungen größer als ca. 150 kW sind Wasserwirbelkraftwerke unwirtschaftlich, weil sie ein kleineres Regelarbeitsvermögen (d. h. einen niedrigeren Gesamtwirkungsgrad) als konventionelle Kleinwasserkraftwerke haben.[12]

Auszeichnungen

  • 2007: Energy Globe Award Kärnten
  • 2010: Energy Globe Award Niederösterreich 2010 und Austria 2010 (Sonderkategorie Erfinder)[13]
  • 2011: Watt d'Or 2011 in der Kategorie Erneuerbare Energien für die Flussrenaturierung mit Wasserwirbelkraftwerk in Schöftland, verliehen vom Schweizer Bundesamt für Energie[14]

Siehe auch

Literatur

  • Ben Schwan: Wir könnten ein Atomkraftwerk ersetzen. 26. Juli 2010, Technology Review (Online)
  • Franz Zotlöterer: (unbekannter Titel) In: Heimerl, Stephan (Hrsg.): Neuntes Internationales Anwenderforum Kleinwasserkraftwerke. Ostbayerisches Technologie-Transfer-Inst., Regensburg 2006, ISBN 3-934681-47-6, S. 108-112.
  • Franz Zotlöterer: Steigerung der Wassergüte durch ein neuartiges Wasserkraftwerk, 5. Internationale Energiewirtschaftstagung an der TU Wien, 2007.
  • Franz Zotlöterer: Wasser Energie Luft (Titel des Sammelwerkes). In: Schweizerischer Wasserwirtschaftsverband (Hrsg.): Wasser Energie Luft. 4/2007, Baden, 2007, ISSN 0377-905x
  • Franz Zotlöterer: Das Gravitationswasserwirbelkraftwerk, Zement und Beton - Ausgabe 3_11, S. 36–39.
Medienberichte (Auswahl)

Einzelnachweise

  1. Einsatzbereiche, zotloeterer.com
  2. http://www.youtube.com/watch?v=QKHz1oKPLag
  3. WWF-Informationsblatt Wasserwirbelkraftwerke
  4. Biologe Arthur Kirchhofer im Bieler Tagblatt vom 14.11.2011
  5. Patent US6114773: Hydraulic Turbine Assembly. Angemeldet am 25. Januar 1996, veröffentlicht am 5. September 2000, Anmelder: Paul S. Kouris, Erfinder: Paul S. Kouris.
  6. Technologie, gwwk.ch
  7. Superturbine für Klein-Wasserkraftwerke, Einstein (SF-Wissensmagazin) vom 23. Juni 2011
  8. Thesis zum Thema "Wasserwirbelkraftwerk" an der Hochschule für Technik der FH Nordwestschweiz im Herbst 2010
  9. Projekte und Anlagen, gwwk.ch
  10. Referenzanlagen, zotloeterer.com
  11. watervortex.net: Leistungsdaten
  12. Franz Zotlöterer: Das Gravitationswasserwirbelkraftwerk
  13. energyglobe.com: Preisträger 2010
  14. Gewinner des Watt d'Or 2011, BFE am 6. Januar 2011