Westwerk

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Das Westwerk ist ein Bauteil eines Kirchengebäudes. Westwerke wurden hauptsächlich errichtet während des frühen und hohen Mittelalters, wobei die Entwicklung des Typus in karolingischer Zeit anzusetzen ist. Bereits in ottonischer Zeit wird der Typus des Westwerks mit anderen Fassadenformen vermischt und dadurch verunklärt, es entstehen keine reinen Westwerke mehr. Das Westwerk ist dem Kirchenraum vorgelagert und bildet einen selbständigen Gebäudeteil mit gewöhnlich drei Türmen, einem zentralen Turm über der Mitte des Westwerks und 2 flankierenden Türmen an den Seiten der Fassade. Im Erdgeschoss befindet sich eine Durchgangshalle, im Obergeschoss ein zum Kirchenraum geöffneter, meist von Emporen umgebener Raum. Spätere Entwicklungsformen verzichten oft auf die mehrstöckige Raumeinteilung, hierbei wird (wie im Beispiel von St. Pantaleon (Köln)) von einem westwerkartigen Westbau gesprochen.

Das Westwerk war vor allem anzutreffen bei Reichsklöstern, in denen reisende Könige oder Kaiser residierten (siehe auch Reisekönigtum). Ihnen und ihrem Gefolge vorbehalten, wurde das Westwerk bis zur cluniazensischen Reform zumeist für weltliche Zwecke genutzt, beispielsweise als Kanzlei oder Gerichtsort. Von einer sich zum Kirchenraum öffnenden Empore war dem Herrscher die Teilnahme am Gottesdienst von erhöhter Position möglich.

Eine eigenständige karolingische Kulturschöpfung, lag die Hauptfunktion des Westwerks darin, die Präsenz des Kaisers oder Herrschers sinnfällig zu machen, auch wenn dieser nicht persönlich zugegen war. Die Westwerkkirche unterscheidet zwei Bedeutungsräume: die eigentliche, den Heiligen vorbehaltene Kirche im Osten, die ecclesia triumphans, und das bollwerkartige Westwerk, Symbol der ecclesia militans, der Ort des Herrschers als dem Beschützer der Kirche. So wird auch die große Zahl von Westwerken in den durch Karl dem Großen eroberten Sachsen erklärlich. Nur in seltenen Fällen hatte das Westwerk eine echte militärische Funktion („Wehrkirche“). Seine symbolische Bedeutung war die eines castellum im Sinne einer Festung in der Abwehr von Teufel und Dämonen. Während die Ostseite (Sonnenaufgang) als Christusrichtung galt und in der Apsis den Altar beherbergte, waren dem Westen (Sonnenuntergang) die Mächte des Bösen und der Tod zugeordnet, denen zur Kirche, dem „Neuen Jerusalem“, kein Zutritt gewährt werden sollte. Fast immer steht im Westwerk der Altar des Erzengels Michael, des Anführers der Engel im Kampf gegen die vom Westen andrängenden Dämonen.

Eines der frühesten bekannten Westwerke hatte die bedeutende karolingische Reichsabtei St-Riquier in Centula, nahe Amiens (Frankreich). Sie ist jedoch nur aus zeichnerischen Überlieferungen bekannt, so dass die genaue Gestalt des Westwerks nur hypothetisch zu rekonstruieren ist. Das einzige erhaltene reine Westwerk karolingischer Zeit befindet sich in Corvey, obwohl dort der Mittelturm entfernt und die Seitentürme erhöht wurden, so dass sich heute das Bild einer Zweiturmfassade ergibt.