Wikipedia:GLAM/Stadtmuseum Berlin/Werkstatt/Streusand

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Streusand (oder auch Schreibsand, Löschsand, Ablöschsand) bezeichnet einen feinen Sand oder auch das Pulver gemahlener Gesteine oder Glaspulver. Der Sand wurde vom Mittelalter bis in das 19.Jahrhundert in Schreibstuben, Kanzleien aber auch von Privatpersonen benutzt, um Tinte auf Papier schneller trocknen zu lassen.

Schreibsand entsteht als Abfall- bzw. Nebenprodukt der Gewinnung von Edelmetallen aus Flüssen und Seen. Dementsprechend ist das Vorkommen bzw. die Fördermenge in Gebieten schnell fließenden und großen Gewässern, wie etwa dem Rheingebiet in Deutschland und der Schweiz, relativ groß.

Quellen berichten von Vorkommen im Kanton Luzern, bei Kempten im Allgäu sowie in der Grafschaft Baden (Scheuchzer: 115ff). Hier findet sich roter Schreibsand mit goldenen Anteilen, der nach dem Auswaschen als Schreibsand verwendet wird.

Müller berichtet von einem See nahe Koblenz, an dessen Ufern ein eisenhaltiger, blauglänzender Glimmersand zu finden ist, "der häufig zum Schreibsand geholt und verkauft wird" (Müller, 73).

Rund um den Ort Hinterrhein im Kanton Graubünden in der Schweiz wird von einem weichen Sandstein gesprochen, der mit seiner gelblich-okernen Farbe oft als Schreibsand genutzt wird. (Scheuchzer, Sulzer: 267).

Vorkommen von Streusand in großen Mengen unbekannter Qualität sind vom Ostseestrand berichtet, wo Wind und Wellengang feinen Sand an die Ufer spülen. (Schumann, 176f). Aus der Gegend um Kahlberg (heutiges Krynica Morska/Polen) sind große Funde direkt am Haff verzeichnet. (Schumann, 177). Ebenfalls in Ostpreußen ist Streusand am Frischen Haff zu finden, wo aber eher selten Streusand angeschwemmt wird (Schumann, 177).

Im Binnenland wird Streusand ebenfalls gewonnen und vor allem für die Verwaltungszwecke im Preußischen Staate in großen Menge gebraucht. Vorkommen sind bei Schumann (177 f) genannt:

- am Muckersee, südlich von Sensburg (heutiges Mrągowo/Polen) - dieser Sand versorgt das Kreisgericht in Sensburg - an den Ufern des Spirding-Sees und des Rosche-Sees, nahe der Stadt Johannisburg (heute Pisz/Polen) - am Kurischen Haff - am Frischen Haff bei Kahlberg, Polski und Alttief - am Müggelsee - an der Mecklenburgischen Seenplatte - an der Peene bei Wolgast - am Strand der Insel Wollin - an den Iserwiesen im Riesengebirge (Rechter Nebenfluss der Elbe, heutiges Tschechien) - am Don - in der Gegen um Aberdeen

Aus Peru, Chile und Australien kommt das Atakamit in Form von seladongrünem Streusand mit dem Namen "Arsenillo" (Wagner, 44) (Kerl 298).

In Norwegen, der Toskana, im sächsischen Erzgebirge. Handelszentrum: Nürnberg. Verwendung als Schreibsand aber auch als Dekoration für Tapeten und Kunsthandwerk (Nischwitz, 87).

Äußere Gestalt[Quelltext bearbeiten]

Schreibsand ist ein sehr feiner, weicher Sand, der durch die Wasserbewegung in Seen, Flüssen oder an Meeren seine charakteristische feine Körnung erhält. Die genaue Zusammensetzung des Streusand, hier vor allem der Anteil und die Verteilung von enthaltenen Metallen und/oder Edelmetallen ist für die Farbe und die chemischen Eigenschaften des Sandes maßgebend. Die Sandkörner werden u.a. als kugelig oder zumindest eiförmig abgerundet beschrieben, ohne scharfe KAnten aufzuweisen. (Schumann, 177.) Durch den Eisengehalt kann Streusand einen gewissen Metallglanz aufweisen (Schumann 177).

Insgesamt wird von sehr vielen unterschiedlichen Farbnuancen berichtet:

- tief dunkelbraun - mass weiß oder blass rosarot (Schumann 177) (auf den Quarzgehalt zurückzuführen) - rötlich-gelb (FEldspat) - hellkirschrot - grün (Olivin) - dunkelgrün (Eisensilikat) - schwarz (Braunkohle)

Das gezielte Zerstoßen, Zerreiben und Sieben von bestimmten GEsteinen und Mineralien wurde besonders im 19.Jahrhundert benutzt, im farbigen Sand herzustellen, u.a. (Krünitz (660f)

- rot und weiß (gebrannter Span) - blau (Blaues Glas, sog. Streublau) - weiß (Elfenbein, Knochen)

Besonders der weiße Sand wurde nach dem Mahlen noch mit Streugold, Streusilber oder Glas vermengt. (Krünitz 661)

Neben der Verwendung von Streusand aus natürlicher Gewinnung wurde auch Glasstaub aus pulverisiertem Farbglas verwendet (Krünitz 657)

Beim Waschen der Steine und Erden aus den Flußbetten auf der Suche nach Edelmetall entsteht durch häufiges Waschen ein feiner, verschiedenfarbiger Sand als Abfallprodukt. Dieser Sand eignet sich durch seine weiche Struktur und Feinkörnigkeit sehr gut zur Verwendung als Löschmittel für überschüssige Tinte.

1784 wird die Gewinnung von Gold und Schreibsand am Rhein so erklärt: 1. Aufbau eines Rahmens mit schiefer Ebene, die zum Wasser hin geneigt ist. 2. Bespannung dieses Rahmen mit einem feinen Tuch sowie mit einem Gitter. 3. Goldwäscher gibt immer Flußsand mit einer Schaufel auf den Rahmen und wäscht diesen Sand mit viel Wasser die Ebene hinunter. 4. Durch das Wasser werden die großen Bestandteile ausgespült, während die kleinen, feinen Bestandteile im Tuch hängen bleiben. 5. Das Tuch wird in einem Eimer o.ä. gründlich ausgewaschen, wobei der Sand zu Boden sinkt. 6. Nach Zugabe von Quecksilber bildet dieses mit dem im Sand befindlichen Gold ein Amalgamut. 7. Nach der Trocknung wird das Quecksilber durch Destillation entfernt und übrig bleibt das Gold sowie ein feiner Sand. (Sander, Goetz: 295 ff).

Die Trennung des Sandes vom Wasser gelingt auch deshalb so gut, weil der Streusand mit Quarz- bzw. Titananteilen zwischen 2,5 bis 5x so schwer wie Wasser ist (Schumann, 179)

Um den feinen Streusand von anderem, gröberen Sand zu trennen, werden oft auch die magnetischen Eigenschaften des Streusandes genutzt. (Schumann 177)

Im 19.Jahrhundert wird dann vermehrt auf die Herstellung von Streusand aus nicht sandförmigen Mineralien, Steinen oder Metallen hingewiesen. Dabei werden grober Sand, Steine oder auch Marmor zerschlagen, zerrieben und schließlich gesiebt (Krünitz 660).

Schreibsand wurde als eine Art Verbrauchsmaterial für Privatpersonen und Kanzleien angeboten. Wie auch Federkiele, Tinte und anderes Zubehör konnte man den Sand bei Papierhändlern kaufen. Aus den 1770er Jahren ist eine Artikelliste der Frankfurter Papierhändlers Buttmann erhalten, die neben diversen Schreibgeräte und Zubehör auch "allerhand Schreib=Sand" führt. (Zietsche, Schnittger, 15).

Im Zürcherisches Wochen-Blatt wird 1835 von einem Händler Schreibsand in blauer und rosenroter Farbe angeboten.

Besonders im 19.Jahrhundert scheint der Verkauf von Schreibsand einen nicht unbeträchtlichen Teil der Einkünfte eines Goldschürfers ausgemacht zu haben. (Walter, 92.)

In Königsberg wurde der im nahegelegenen Haff gewonnene Schreibsand auf der Grünen Brücke in Eimern verkauft. (Schumann, 177). Dieser Sand ist dann zwar günstig, aber nicht von hoher Qualität. Auch andere Abbaugebiete versorgen den immer größer werdenden Bedarf mit Streusand minderer Qualität in großen Mengen. (Schumann, 176ff).

Die Stadt Nürnberg war für die Produktion und den Handel von weißem Streusand aus Elfenbein oder Knochen bekannt. Dieser Sand wurde in der Stadt mit Hilfe des Hohlmaßes Metze gehandelt und auch ausgeführt. (Krünitz 661).

Aus dem Region um Meißen kam blauer Streusand, der mit den Kürzeln OH ("Ordinärhoher Streusand) und MH (Mittelhoher Streusand) auf den Fässern gekennzeichnet war (Krünitz 661).

Aus Italien wurde Sande mit verschiedenen Farben importiert (braun mit Goldglanz, Schwarz mit Silberglanz, Grün und andere Farben). Von der Insel Elba kam Schwarzer Sand oder Eisenfarbiger Sand. Auch der italienische "Polvere del diavolo", der in der Medizin Anwendung findet, kann als Schreibsand genutzt werden (Krünitz 661).

Die Anfertigung von Schriftstücken erforderte im Mittelalter und der frühen Neuzeit viel Geduld und eine entsprechende Ausstattung mit Schreibgeräten. Im Mittelpunkt stand dabei ein Griffel sowie die zugehörige Tinte aus einem Tintenfass. Besonders in Schreibstuben, wo man auf eine gewisse Geschwindigkeit und Effizienz des Ausstellens bzw. Kopierens von Schriftstücken abzielte, war die Trocknungszeit der Tinte ein störender Faktor. Um die Tinte schneller trocknen zu lassen, wurde auf das frische Schriftbild mit Hilfe einer Streusandbüchse der feine Schreibsand gestreut, die die Tinte aufsaugte und nach einer kurzen Trocknung vom Papier geschüttelt bzw. gepustet werden konnte.

Nachteile[Quelltext bearbeiten]

Bereits im 19.Jahrhundert geriet die Verwendung von Streusand und vergleichbaren Produkten aufgrund der Gesundheitsrisiken beim Benutzen in die Kritik. Bei Krünitz wird von der Verwendung von Streusand oder Glaspulver zur Trocknung der Tinten sogar abgeraten, da das Einatmen des Staubes zu Gesundheitsschäden führen kann (Krünitz 657). Besonders das Zermahlen von Mineralien mit eingeschlossenen Giften (Arsen u.a.) führte zu Gesundheitsrisiken (Krünitz 661). Die Verhältnisse in Schreibstuben, Kanzleien und in den Büros von Kaufmännern tragen zur Gesundheitsgefährdung durch den Streusand bei, da hier oftmals viele Personen über viele Stunden hinweg ständig Streusand benutzen und damit ständig den feinen Staub einatmen. (Krünitz 662ff). Besonders die Lungen (trockener Husten) sowie die Augen (Rötungen) sind betroffen, auch Kopfschmerzen waren typische Beschwerden von Schreibern. Daneben wird in der zeitgenössichen Literatur auch über Spätfolgen wie Nieren- und Blasensteine sowie ein Schädigung des Gehirns spekuliert. (Krünitz 664).

Darüber hinaus führt die Verwendung von Streusand u.U. zu einem blassen und farblosen Schriftbild, wenn der Sand zu schnell nach dem Schreiben auf die frische Tinte gestreut wird. Dabei werden die färbenden Anteile der Tinte aufgesogen und stattdessen verbinden sich andere Bestandteile des Sandes mit dem Papier, was dazu führt, dass das Schriftbild blass und teilweise gelblich erscheint, bevor die Zersetzung des Papiers beginnt. (Krünitz 657f). Für wichtige Schriften, die lange aufbewahrt werden sollen, wurde daher das Trocknen der Tinte ohne Zusätze empfohlen bzw. die Anwendung von "Fließpapier" als Alternative nahegelegt (Krünitz 658).

Alternativen[Quelltext bearbeiten]

Im 19.Jahrhundert wird der Streusand langsam durch das Löschpapier abegelöst. In den zeitgenössischen Ausführungen wird aber darauf hingewiesen, dass auch das Löschpapier, obwohl schon in Gebrauch, nicht in jedem FAll als nützliche empfunden wird. (Krünitz 664f). Bereits im Orbis Pictus von Comenius wird Löschpapier erwähnt, bis in das 19.Jahrhundert hinein kann es sich aber als Alternative zum Schreibsand nicht vollständig durchsetzen. Zeichen einer vornehmen Briefkultur von Privatleute war es stattdessen, die Tinte in Ruhe trocknen zu lassen, statt durch Mittel die Trocknung künstlich zu beschleunigen. (Joost, 72). Um die Trocknungszeit der Tinte auf dem Papier zu verkleinern, wird vor allem die regelmäßige Reinigung der Tintenfässer und -federn sowie das Benutzen von qualitativ hochwertiger Tinte empfohlen. (Krünitz 665f).

Streusandbüchse[Quelltext bearbeiten]

Die Streusandbüchse, oder auch Streubüchse, ist das Utensil, mit dem der Streusand verstreut wird. Gwöhnlich ist die Streusandbüchse eine runde Büchse aus Holz, Blech, Silber oder anderen Materialien wie Elfenbein oder Zinn, die auf der oberen Seite mit kleinen Löchern versehen wird, durch die der Sand auf das Papier gestreut wird. Streubüchsen aus Holz oder Metall können oft aufgeschraubt werden, um den Streusand nachzufüllen. Büchsen aus Glas hingegen weisen größere Löcher auf, da hier auch das Befüllen durch diese Löcher erfolgen muss (Krünitz, 653f). Neben der Verwendung von Streusandbüchsen waren auch Streusandfässer in Benutzung. (Krünitz 657).

Streubüchsenbaum[Quelltext bearbeiten]

Mit dem Begriff Streubüchsenbaum, oder auch Sandbüchsenbaum, wird eine Pflanzenart in der nur zwei oder drei Arten zählenden Gattung Hura in der Familie der Wolfsmilchgewächse (Euphorbiaceae) bezeichnet. Die kelchförmigen Spaltfrüchte wurden, nachdem sie in der Sonne platzen und die Teilfrüchte heraussprengen, als Aufbewahrungsort für Streusand benutzt. (Krünitz 654) "LINK auf ARTIKEL"

Künstlerische Rezeption[Quelltext bearbeiten]

  • Anekdote "Eine alte Streusandbüchse", in: Der Schwäbische Postbote, Nr.46/1870, S.192. (LINK)
  • "Das Tintenfass statt der Streusandbüchse", in: Leopold Chimani: Vaterländische Merkwürdigkeiten ..., 1818, S.42f. (LINK)
  • "Aus der Kanzlei", in: Otfrid Mylius, Karl Seifart: Erheiterungen: Eine Ausw. D. Neuesten u. Interessantesten aus dt. Unterhaltungsbl, Band 32, Müller, 1860, S.509-513. (LINK)

Literatur und Quellen[Quelltext bearbeiten]

  • Johann Jacob Scheuchzer: Helvetiae historia naturalis oder Natur-Historie des Schweitzerlandes: Meteorologia Et Oryctographia Helvetica, Oder Beschreibung Der Lufft-Geschichten, Steinen, Metallen, und anderen Mineralien des Schweitzerlands, absonderlich auch der Uberblaibselen der Sündfluth, Bd. 3. (darin Seite 115f.)
  • Peter Pfander, Victor Jans: Gold in der Schweiz: auf der Suche nach dem edlen Metall, 2004.
  • Müller, Wilhelm Christian : Flug von der Nordsee zum Montblank, durch Westphalen, Niederrhein, Schwaben, die Schweiz, über Baiern, Franken, Niedersachsen zurück: Skizze zum Gemälde unserer Zeit, Band 1.
  • Johann Jacob Scheuchzer, Johann Georg Sulzer: Natur-Geschichte des Schweitzerlandes: Samt seinen Reisen über die Schweitzerische Gebürge, Band 2.
  • Heinrich Sander, Georg Friedrich Goetz: Kleine Schriften, Band 1.
  • Eva Ziesche, Dierk Schnitger, Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Der handschriftliche Nachlaß Georg Wilhelm Friedrich Hegels und die Hegel-Bestände der Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Bände 1-2.
  • J. H. Kaltschmidt: Kurzgefasstes vollständiges stamm- und sinnverwandtschaftliches Gesammt-Wörterbuch der deutschen Sprache, 1834.
  • Zürcherisches Wochen-Blatt Nr.103 vom 24.12.1835, Beilage.
  • Hans Walter: Bergbau und Bergbauversuche in den fünf Orten, 1923.
  • Julius Schumann: Geologische Wanderungen durch Altpreussen, Hübner & Matz, 1869.
  • Johann Georg Krünitz, Friedrich Jakob Floerken, Heinrich Gustav Flörke, Johann Wilhelm David Korth, Ludwig Kossarski, Carl Otto Hoffmann: Ökonomisch-technologische Encyklopädie, oder allgemeines System der Staats-, Stadt-, Haus- und Landwirthschaft, und der Kunst-Geschichte: in alphabetischer Ordnung. Welcher die Art. Strafe bis Strieme enthält : Mit einer Kupfertafel und einem Portrait, Krause, 1840.
  • Ulrich Joost: Lichtenberg, der Briefschreiber, Wallstein Verlag, 1993.
  • Johannes Rudolf Wagner: Handbuck der chemischen Technologie: zum Gebrauche bei Vorlesungen an Universitäten, technischen Hoch- und Mittelschulen, sowie zum Selbstunterrichte für Chemiker, Techniker, Apotheker, Verwaltungsbeamte und Gerichtsärzte, Otto Wigand, 1871.
  • Kerl, Bruno: Handbuch der metallurgischen Hüttenkunde zum Gebrauche bei Vorlesungen und zum Selbststudium: In vier Bänden, Band 2, Engelhardt, 1863.
  • Adolph Nischwitz: Handels-Geographie: Ein Handbuch für Handels-, Gewerbs-, Real- und andere höhere Schulanstalten so wie für Kaufleute, Fabrikanten und Geschäftsmänner in jeder Beziehung, G.J. Göschen, 1835.