Freiwillige Gerichtsbarkeit (Deutschland)

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Mit dem Ausdruck freiwillige Gerichtsbarkeit bezeichnet man in Deutschland einen Teil der ordentlichen Gerichtsbarkeit, der in bestimmten Zivilsachen im Gegensatz zur streitigen Zivilgerichtsbarkeit nicht nach der Zivilprozessordnung (ZPO) verfährt, sondern nach dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG).

Die freiwillige Gerichtsbarkeit umfasst sowohl Aufgaben der Rechtsprechung, die durch Richter, als auch Aufgaben der Rechtspflege, die von Rechtspflegern (§ 3 RPflG) oder Notaren wahrgenommen werden.[1][2]

Rechtsgrundlage

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Zum 1. September 2009 hat das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) das Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG) abgelöst.

Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit

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Was Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit sind, entzieht sich infolge der Unterschiedlichkeit der Verfahrensgegenstände allgemeiner Definition und wird daher allein durch die Zuweisung kraft Gesetzes bestimmt (§ 1 FamFG).[3]

Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit sind insbesondere:

Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit sind über die im FamFG selbst geregelten hinaus auch solche, die durch Bundesgesetz den Gerichten zugewiesen sind. Dazu zählen etwa die Grundbuchsachen nach der Grundbuchordnung (§ 23a Abs. 2 Nr. 8 GVG, § 1 Abs. 1 Satz 1 GBO) und die Schiffsregistersachen (§ 23a Abs. 2 Nr. 10 GVG).

Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit betreffen vor allem Rechtsgüter von allgemeinem Interesse wie das Kindeswohl, die öffentliche Sicherheit oder den öffentlichen Glauben. Es sind ihr aber auch bestimmte Streitsachen zugewiesen wie

  • echte Streitsachen privatrechtlicher Art, bei denen sich Beteiligte mit entgegengesetzten Interessen gegenüberstehen und das Gericht über subjektive Rechte der Beteiligten entscheidet, beispielsweise Familienstreitsachen (§ 112 FamFG)
  • öffentlich-rechtliche Streitsachen, bei denen sich ein Beteiligter und eine öffentlich-rechtliche Körperschaft oder Behörde gegenüberstehen und es um die Geltendmachung subjektiv öffentlich-rechtlicher Rechte geht, beispielsweise bestimmte unternehmensrechtliche Verfahren im Zusammenhang mit der Versicherungs- und Börsenaufsicht (§ 375 Nr. 13, 14 FamFG) oder Landwirtschaftssachen über die Anzeige von Landpachtverträgen und deren Beanstandung durch die untere Landwirtschaftsbehörde (§ 23a Abs. 2 Nr. 9 GVG, § 1 Nr. 1 LwVfG, §§ 2, 4, 7, 8 Landpachtverkehrsgesetz).[4]

In der freiwilligen Gerichtsbarkeit gibt es keine Klage. Das Gericht wird von Amts wegen oder auf Antrag tätig. Es gibt keine Kläger und Beklagten, sondern Beteiligte, die teilweise auch als Betroffene oder als Antragsteller und Antragsgegner bezeichnet werden. In Antragsverfahren ist der Antragsteller Beteiligter. Weitere Personen müssen oder können zum Verfahren hinzugezogen werden (§ 7 FamFG). Es herrscht überwiegend kein Anwaltszwang (§ 10 FamFG). Findet eine Verhandlung, Erörterung oder Anhörung statt, ist diese grundsätzlich nicht öffentlich (§ 32 Abs. 1 Satz 1 FamFG, § 170 GVG). In vielen Fällen wird ohne mündliche Verhandlung nach Aktenlage entschieden.

Während bei streitigen Prozessen der Verhandlungsgrundsatz (Beibringungsgrundsatz) herrscht, gibt es in der freiwilligen Gerichtsbarkeit den Grundsatz der Amtsermittlung (§ 26 FamFG), d. h. das Gericht bestimmt selbst, welche Ermittlungen es anstellt und welche Beweismittel es heranzieht.

Endentscheidungen ergehen nicht durch Urteil, sondern durch Beschluss (§ 38 FamFG), anfechtbar mit Beschwerde und Rechtsbeschwerde. Durch einstweilige Anordnung kann das Gericht eine vorläufige Maßnahme treffen (§ 49 FamFG).

Über die Kostentragung entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen (§ 81 FamFG).

Auf die Zwangsvollstreckung sind im Wesentlichen die Vorschriften der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar (§ 95 FamFG).

Kosten (Gebühren und Auslagen) der Gerichte werden in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach dem Gerichts- und Notarkostengesetz erhoben.

  • Bassenge, Roth (2009): FamFG/RPflG: Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Verlag Müller; Heidelberg, 12. Auflage, ISBN 978-3-8114-3607-7
  • Bork, Jacoby, Schwab und weitere (2009): FamFG: Kommentar zum Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Gieseking Buchverlag, 1. Auflage, ISBN 978-3-7694-1051-8
  • Bumiller, Harders (2009): Freiwillige Gerichtsbarkeit: Kommentierung des neuen FamFG. Beck Juristischer Verlag, 9. Auflage, ISBN 978-3-406-58188-5
  • Keidel, Engelhardt, Sternal (2009): FamFG Familienverfahren. Freiwillige Gerichtsbarkeit: Freiwillige Gerichtsbarkeit. Beck Juristischer Verlag, 16. Auflage, ISBN 978-3-406-58902-7
  • Knöringer (2009): Freiwillige Gerichtsbarkeit: Examenskurs. Verfahrensgrundsätze, Nachlaß-, Grundbuch-, Vormundschafts- und Betreuungssachen Beck Juristischer Verlag, 4. Auflage, ISBN 978-3-406-52537-7
  • Sebastian Mensch (Hrsg.): Handbuch der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Neckar-Verlag, 2017. ISBN 978-3-7883-0952-7
  • Kersten / Bühling, Formularbuch und Praxis der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, 26. Auflage, Köln 2018, Verlag: Carl Heymanns, ISBN 978-3-452-29008-3 (Online)

Einzelnachweise

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  1. vgl. § 492 FamFG; Art. 7 des Gesetzes zur Übertragung von Aufgaben im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit auf Notare vom 26. Juni 2013, BGBl. I S. 1800
  2. Gesetz zur Übertragung von Aufgaben im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit auf Notare DIP ID: 17-23592
  3. Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-Reformgesetz – FGG-RG) BT-Drs. 16/6308 vom 7. September 2007, S. 175
  4. Gesetz über die Anzeige und Beanstandung von Landpachtverträgen (Landpachtverkehrsgesetz - LPachtVG) vom 8. November 1985 (BGBl. I S. 2075)