Nachttopf
Ein Nachttopf oder Nachtgeschirr (in der Schweiz auch nur Topf, Nachthafen oder Hafen genannt. Im älteren Studentenjargon auch als Schiff (von mittelhochdeutsch schif: Schiff, Gefäß, Geschirr)[1] bezeichnet, daher die Wendung schiffen gehen) ist ein Behältnis für Kot, Urin und Erbrochenes. Früher wurden häufig alte, nicht mehr zum Küchengebrauch taugliche Töpfe oder auch Blumentöpfe verwendet. Es gab und gibt auch industriell hergestellte Nachttöpfe aus Glas, Keramik, Kunststoff, Steingut oder Blech.
Entwicklung
Der Nachttopf geht auf die Zeit zurück, als die Toiletten noch außerhalb des Hauses lagen und so nachts nur mühsam zu erreichen waren. Der Nachttopf wurde meist unter dem Bett oder in einem Nachttisch oder Nachtschrank neben dem Bett aufbewahrt, in den Nachtstunden benutzt und am frühen Morgen entleert. Die Ausstattung der Häuser mit Wassertoiletten machte den Nachttopf überflüssig. Vor allem nach der Benutzung ging vom Nachttopf eine große Geruchsbelästigung aus und er war zudem ein Infektionsherd, da er oft nur entleert, nicht aber gereinigt oder desinfiziert wurde.
Im Mittelalter war es – mangels Kanalisation – üblich, den Nachttopf aus dem Fenster zu entleeren, zuweilen über den Köpfen unwillkommener Gäste oder übersehener Passanten. Die Literatur ist voll von Berichten entnervter Reisender darüber.
Verwendung findet der Nachttopf in Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen, dort werden heute noch Steckbecken und der Nachtstuhl (ein Stuhl mit eingelassenem Auffangbehälter) verwendet.
Die Erfindung des Nachttopfes wird nach Athenaios den Bewohnern des antiken Sybaris zugeschrieben.
Kultur
In Süddeutschland und Österreich ist die Dialektbezeichnung Potschamberl (o. ä.) üblich, eine aus dem Französischen entlehnte Verballhornung des französischen Wortes für Nachttopf, dem 'pot de chambre'. Auch die Bezeichnung "Brunzkachel" (von mittelhochdeutsch brunz-kachele) für einen großen irdenen Nachttopf („Pisspott“)[2] war üblich.
Eine weitere im deutschen Sprachgebrauch früher geläufige Bezeichnung lautete auch auf Stinktopf.
In Wien gibt es auch die Bezeichnung Scherm (Scherben).
Aufwändig verzierte Nachttöpfe, die in einem Flechtkorb vom Diener zum Arzt zur Harnschau transportiert wurden, waren im 16. und 17. Jahrhundert in begüterten Haushalten anzutreffen.[3]
Für spezielle Gelegenheiten gab es im 18. und 19. Jahrhundert den Bourdalou. In verschiedenen Bereichen sind heute noch ähnliche Gefäße für absehbare "Notfälle" üblich, so für Piloten in Flugzeugen ohne entsprechende Einrichtung, und für Fernfahrer.
Heute sind Nachttöpfe geschätzte Scherz- und Sammelobjekte.
Siehe auch
Literatur
- Manfred Klauda: Geschichte und Geschichten vom Nachttopf. Nachttopf-Museum, München o. J. [1986?].
- Isabel Pagalies: Der Nachttopf. In: Gudrun Schwibbe, Regina Bendix (Hrsg.): Nachts – Wege in andere Welten. Schmerse, Göttingen 2004, ISBN 3-926920-35-1, S. 88–92.
- Roy Palmer: Auch das WC hat seine Geschichte. Pfriemer-Verlag, München 1977, ISBN 3-7906-0067-9.
- Herbert Rittlinger: Zur Historie des Nachttopfes. Eine kleine Betrachtung in 10 Kapiteln. Geigy, [Basel 1974].
- Lucinda Lambton: Chambers of delight, Verlag Gordon Fraser, London 1983, ISBN 0860920631. (englisch)
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Friedrich Kluge, Alfred Götze: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. 20. Aufl., hrsg. von Walther Mitzka, De Gruyter, Berlin/ New York 1967; Neudruck („21. unveränderte Auflage“) ebenda 1975, ISBN 3-11-005709-3, S. 648.
- ↑ Dieter Lehmann: Zwei wundärztliche Rezeptbücher des 15. Jahrhunderts vom Oberrhein. Teil I: Text und Glossar. Horst Wellm, Pattensen/Han. 1985, jetzt bei Königshausen & Neumann, Würzburg (= Würzburger medizinhistorische Forschungen, 34), ISBN 3-921456-63-0, S. 164.
- ↑ Friedrich v. Zglinicki: Die Uroskopie in der bildenden Kunst. Eine kunst- und medizinhistorische Untersuchung über die Harnschau. Ernst Giebeler, Darmstadt 1982, ISBN 3-921956-24-2, S. 144 f.