Benutzer:Zvavybir/Sozialer Mord

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Sozialer Mord ist der unnatürliche Tod, der von sozialer, politischer oder ökonomischen Unterdrückung ausgelöst wird. Der Begriff wurde 1845 von Friedrich Engels in seinem Werk Die Lage der arbeitenden Klasse in England geprägt, demzufolge „die Gesellschaft Hunderte von Proletariern in eine solche Lage versetzt, daß sie notwendig einem vorzeitigen, unnatürlichen Tode verfallen“.[1] Dies ist anders als Mord oder Totschlag, welche von einem Individuum an einem anderen begangen wird, da sozialer Mord explizit von der politischen und sozialen Elite gegen die Ärmsten in der Gesellschaft begangen wird.

Wenn ein einzelner einem andern körperlichen Schaden tut, und zwar solchen Schaden, der dem Beschädigten den Tod zuzieht, so nennen wir das Totschlag; wenn der Täter im voraus wußte, daß der Schaden tödlich sein würde, so nennen wir seine Tat einen Mord. Wenn aber die Gesellschaft 1) Hunderte von Proletariern in eine solche Lage versetzt, daß sie notwendig einem vorzeitigen, unnatürlichen Tode verfallen, einem Tode, der ebenso gewaltsam ist wie der Tod durchs Schwert oder die Kugel; wenn sie Tausenden die nötigen Lebensbedingungen entzieht, sie in Verhältnisse stellt, in welchen sie nicht leben können; wenn sie sie durch den starken Arm des Gesetzes zwingt, in diesen Verhältnissen zu bleiben, bis der Tod eintritt, der die Folge dieser Verhältnisse sein muß; wenn sie weiß, nur zu gut weiß, daß diese Tausende solchen Bedingungen zum Opfer fallen müssen, und doch diese Bedingungen bestehen läßt - so ist das ebensogut Mord wie die Tat des einzelnen, nur versteckter, heimtückischer Mord, ein Mord, gegen den sich niemand wehren kann, der kein Mord zu sein scheint, weil man den Mörder nicht sieht, weil alle und doch wieder niemand dieser Mörder ist, weil der Tod des Schlachtopfers wie ein natürlicher aussieht und weil er weniger eine Begehungssünde als eine Unterlassungssünde ist. Aber er bleibt Mord.

Obwohl ursprünglich im Bezug auf die englische Stadt Manchester im Viktorianischen Zeitalter geprägt, wurde der Begriff von linken Politikern wie John McDonnell im 21. Jahrhundert verwendet um konservative ökonomische Politik und Ereignisse wie z.b. das Grenfell Tower Feuer zu beschreiben.[2][3][4] York University Professor Dennis Raphael verwendete ihn, um konservative Politik in Ontario, Canada zu beschreiben.[5] Die kanadischen Ökonomen Robert Chernomas und Ian Hudson der University of Manitoba verwendeten den Begriff 2007 in ihrem Buch Social Murder: And Other Shortcomings of Conservative Economics (Deutsch: „Sozialer Mord: Und andere Mängel konservativer Politik“) um konservative Ökonomie zu beschreiben. In einem Artikel für Critical Social Policy schrieb der Soziologe Chris Grover von Lancaster University 2018, dass die Austerität Politik in Großbritannien, welche der psychischen und physische Gesundheit der Arbeiterschicht Entbehrungen auferlegt, zu „Sozialem Mord“ geführt hat mit einem Anstieg an Suiziden, Tode durch Fehlernährung und Straßentoten.[6][7] 2021 verwendete der BMJ Chefredakteur Kamran Abbasi den Begriff, um Politik zu beschreiben, die fehlgeschlagen hat die COVID-19 Pandemie zu beherrschen.[8] Der Autor und Journalist Chris Hedges schrieb, dass die globale Führungsschicht „Architekten sozialen Mordes“, seien indem sie ökologischen Kollaps und die Klimakrise beschleunigen:

Was gerade passiert ist nicht Vernachlässigung. Es ist nicht Unfähigkeit. Es ist nicht Politikversagen. Es ist Mord. Es ist Mord, da es vorsätzlich ist. Es ist Mord, da eine bewusste Entscheidung von der globalen Führungsschicht gemacht worden ist, Leben auszulöschen anstatt es zu beschützen. Es ist Mord, da Profit, trotz der Daten, der wachsenden Klimazusammenbrechungen und der wissenschaftlichen Modellierung, als wichtiger als menschliches Leben und menschliches Überleben erachtet wird.[9]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Engels - England: Einleitende Bemerkungen. Abgerufen am 20. Februar 2023.
  2. Robert Chernomas, Ian Hudson: Social murder and conservative economics. In: Criminal Justice Matters. 102. Jahrgang, Nr. 1, 2015, S. 15–16, doi:10.1080/09627251.2015.1143625.
  3. Aditya Chakrabortty: Over 170 years after Engels, Britain is still a country that murders its poor In: The Guardian, 20 June 2017. Abgerufen im 21 January 2018 
  4. Press Association: John McDonnell says Grenfell Tower disaster was 'social murder' In: The Guardian, 16 July 2017. Abgerufen im 21 January 2018 
  5. Dennis Raphael: Social murder and the Doug Ford government In: Toronto Star, 8 October 2018. Abgerufen im 21 April 2019 
  6. Austerity results in 'social murder' according to new research In: ScienceDaily, 19 December 2018. Abgerufen im 25 August 2022 
  7. Chris Grover: Violent proletarianisation: Social murder, the reserve army of labour and social security 'austerity' in Britain. In: Critical Social Policy. 39. Jahrgang, Nr. 3, 2019, S. 335–355, doi:10.1177/0261018318816932 (lancs.ac.uk [PDF]).
  8. Kamran Abbasi: Covid-19: Social murder, they wrote—elected, unaccountable, and unrepentant. In: British Medical Journal. 372. Jahrgang, 4. Februar 2021, S. n314, doi:10.1136/bmj.n314, PMID 33536181.
  9. Chris Hedges: The Age of Social Murder. In: Scheerpost. 2. März 2021, abgerufen am 3. März 2021.

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