„Colliding-Beam-Experiment“ – Versionsunterschied

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Ein '''Colliding-Beam-Experiment''' (engl. ''collide'' zusammenstoßen, ''beam'' Strahl) ist ein Experiment der [[Teilchenphysik]], bei dem zwei gegenläufige Strahlen beschleunigter Teilchen aufeinandertreffen und die Stoßvorgänge zwischen den Teilchen beobachtet werden. Es unterscheidet sich damit vom ''Targetexperiment''; bei diesem trifft ein Strahl beschleunigter Teilchen auf ruhende Materie, das [[Target (Physik)|Target]]. In Colliding-Beam-Experimenten können Teilchenreaktionen mit wesentlich höheren Energieumsätzen als in Targetexperimenten ausgelöst werden.
'''Colliding-Beam-Experimente''' werden an [[Teilchenbeschleuniger]]n nach dem [[Collider]]-Prinzip durchgeführt, bei dem gegenläufige Teilchenströme in speziellen Reaktionszonen aufeinandertreffen. Meist handelt es sich um Teilchen-[[Antiteilchen]]-Kollisionen (Elektron-[[Positron]] oder Proton-[[Antiproton]]). Ein Beispiel für ein Colliding-Beam-Experiment ist das [[ATLAS (Detektor)|ATLAS]]-Experiment am [[Large Hadron Collider|LHC]].


== Vorteil gegenüber dem Targetexperiment ==
Die meisten bisherigen Collider (beispielsweise [[Large Electron-Positron Collider|LEP]], [[Tevatron]], [[Relativistic Heavy Ion Collider|RHIC]], LHC und der im Bau befindliche FAIR beim [[GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung|GSI Helmholtzzentrum]]) arbeiten als [[Synchrotron]]s und als [[Speicherring]]e. Der Vorteil ist, dass die einmal beschleunigten Teilchen bei jedem Umlauf wieder die „Chance“ zur Kollision haben, so dass insgesamt mehr Kollisionen stattfinden. Außerdem durchqueren die Teilchen mehrfach die gleiche Beschleunigungsstrecke, sodass weniger Beschleunigungselemente für die gleiche Energie benötigt werden.
Vor jedem Stoßvorgang zweier Teilchen liegt ihr gemeinsamer [[Massenmittelpunkt|Schwerpunkt]] stets auf der Verbindungsgeraden der Teilchen, und sein Ort auf der Geraden ist durch das Verhältnis der beiden [[Masse (Physik)|Massen]] bestimmt. Bei einem Targetexperiment bewegt er sich demnach bis zum Stoß auf das Targetteilchen zu. Dieser Mitbewegung des Schwerpunkts entspricht ein [[Impuls (Physik)|Impuls]]. Da der Impuls eine [[Erhaltungsgröße]] ist, treten als Ergebnis des Stoßes immer nur solche Vorgänge auf, bei denen der Schwerpunkt diesen Impuls nach Richtung und Betrag beibehält. Er behält damit auch eine entsprechende [[kinetische Energie]] bei, und nur die übrig bleibende Energie, die [[Schwerpunktsenergie]], steht zur Umwandlung in andere Formen zur Verfügung, etwa in Masse neu gebildeter Teilchen (siehe auch [[Kinematik (Teilchenprozesse)]]).


Im Colliding-Beam-Experiment lässt sich die Mitbewegung des Schwerpunkts verringern oder fast ganz vermeiden, indem man für annähernd entgegengesetzt gleiche Impulsvektoren der beiden Teilchen sorgt. Das [[Schwerpunktsystem]] fällt dann mit dem [[Laborsystem]] (fast) zusammen, und die Schwerpunktsenergie ist (fast) gleich der Summe beider Teilchen-[[Gesamtenergie]]n.
Bei Elektronen und Positronen in Ringbeschleunigern begrenzt aber die [[Synchrotronstrahlung]] die erreichbare Energie. Collider-Anlagen für diese Teilchen, wie [[SLAC]] und der geplante [[International Linear Collider|ILC]], sind deshalb oft Linearbeschleuniger. Sie können zwar nur einen sehr geringen Bruchteil der beschleunigten Teilchen zur Kollision bringen, erreichen aber höhere Energien als Ringbeschleuniger.

== Nachteil gegenüber dem Targetexperiment ==
Die [[Teilchendichte]] in einem Beschleunigerstrahl ist um Größenordnungen geringer als diejenige eines Targets, selbst eines gasförmigen Targets. Entsprechend kleiner ist die Ausbeute an Stoßvorgängen. Colliding-Beam-Experimente erfordern daher Strahlen hoher Intensität (Stromstärke). Allerdings haben die Teilchen, sofern sie auf ringförmigen Bahnen umlaufen, nicht nur je eine, sondern viele wiederholte "Gelegenheiten" zum Zusammenstoß.

== Durchführung ==
Colliding-Beam-Experimente werden an [[Collider]]-Anlagen wie z. B. dem [[Large Hadron Collider|LHC]] durchgeführt. Meist handelt es sich um Teilchen-[[Antiteilchen]]-Stöße ([[Elektron]]-[[Positron]] oder [[Proton]]-[[Antiproton]]), es stoßen also Teilchen gleicher Masse zusammen. Ein Beispiel für ein solches Experiment ist das [[ATLAS (Detektor)|ATLAS]]-Experiment am Large Hadron Collider.

Colliding-Beam-Experimente mit Stoßpartnern verschiedener Masse, nämlich Proton und Elektron, wurden an der Anlage [[HERA]] durchgeführt. Mit Protonen von 920 [[GeV]] und Elektronen von 27,5 GeV wurde eine Schwerpunktsenergie von etwa 300 GeV erreicht.

Die meisten bisherigen Collider (beispielsweise [[Large Electron-Positron Collider|LEP]], [[Tevatron]], [[Relativistic Heavy Ion Collider|RHIC]], LHC und der im Bau befindliche FAIR beim [[GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung|GSI Helmholtzzentrum]]) arbeiten als [[Synchrotron]]s und [[Speicherring]]e. Bei Elektronen und Positronen in Ringbeschleunigern begrenzt aber die [[Synchrotronstrahlung]] die erreichbare Energie. Collider-Anlagen für diese Teilchen, wie [[SLAC]] und der geplante [[International Linear Collider|ILC]], sind deshalb oft [[Linearbeschleuniger]], obwohl so nur ein sehr geringer Bruchteil der beschleunigten Teilchen zur Kollision gebracht werden kann.


== Literatur ==
== Literatur ==
*{{Literatur|Autor=Povh/Rith/Scholz/Zetsche|Titel=Teilchen und Kerne|Verlag=Springer|Ort=Berlin/Heidelberg|ISBN=978-3-540-68075-8|Auflage=8.|Jahr=2009}}
*D. A. Edwards, M. J. Syphers, ''An Introduction to the Physics of High-Energy Accelerators'', Wiley, 1993, ISBN 0-471-55163-5.
*D. A. Edwards, M. J. Syphers, ''An Introduction to the Physics of High-Energy Accelerators'', Wiley, 1993, ISBN 0-471-55163-5.
*Frank Hinterberger, ''Physik der Teilchenbeschleuniger und Ionenoptik'', Springer, 2008, ISBN 978-3540752813.
*Frank Hinterberger, ''Physik der Teilchenbeschleuniger und Ionenoptik'', Springer, 2008, ISBN 978-3540752813.



[[Kategorie:Beschleunigerphysik]]
[[Kategorie:Beschleunigerphysik]]
[[Kategorie:Teilchenphysik]]

Version vom 28. September 2013, 12:01 Uhr

Ein Colliding-Beam-Experiment (engl. collide zusammenstoßen, beam Strahl) ist ein Experiment der Teilchenphysik, bei dem zwei gegenläufige Strahlen beschleunigter Teilchen aufeinandertreffen und die Stoßvorgänge zwischen den Teilchen beobachtet werden. Es unterscheidet sich damit vom Targetexperiment; bei diesem trifft ein Strahl beschleunigter Teilchen auf ruhende Materie, das Target. In Colliding-Beam-Experimenten können Teilchenreaktionen mit wesentlich höheren Energieumsätzen als in Targetexperimenten ausgelöst werden.

Vorteil gegenüber dem Targetexperiment

Vor jedem Stoßvorgang zweier Teilchen liegt ihr gemeinsamer Schwerpunkt stets auf der Verbindungsgeraden der Teilchen, und sein Ort auf der Geraden ist durch das Verhältnis der beiden Massen bestimmt. Bei einem Targetexperiment bewegt er sich demnach bis zum Stoß auf das Targetteilchen zu. Dieser Mitbewegung des Schwerpunkts entspricht ein Impuls. Da der Impuls eine Erhaltungsgröße ist, treten als Ergebnis des Stoßes immer nur solche Vorgänge auf, bei denen der Schwerpunkt diesen Impuls nach Richtung und Betrag beibehält. Er behält damit auch eine entsprechende kinetische Energie bei, und nur die übrig bleibende Energie, die Schwerpunktsenergie, steht zur Umwandlung in andere Formen zur Verfügung, etwa in Masse neu gebildeter Teilchen (siehe auch Kinematik (Teilchenprozesse)).

Im Colliding-Beam-Experiment lässt sich die Mitbewegung des Schwerpunkts verringern oder fast ganz vermeiden, indem man für annähernd entgegengesetzt gleiche Impulsvektoren der beiden Teilchen sorgt. Das Schwerpunktsystem fällt dann mit dem Laborsystem (fast) zusammen, und die Schwerpunktsenergie ist (fast) gleich der Summe beider Teilchen-Gesamtenergien.

Nachteil gegenüber dem Targetexperiment

Die Teilchendichte in einem Beschleunigerstrahl ist um Größenordnungen geringer als diejenige eines Targets, selbst eines gasförmigen Targets. Entsprechend kleiner ist die Ausbeute an Stoßvorgängen. Colliding-Beam-Experimente erfordern daher Strahlen hoher Intensität (Stromstärke). Allerdings haben die Teilchen, sofern sie auf ringförmigen Bahnen umlaufen, nicht nur je eine, sondern viele wiederholte "Gelegenheiten" zum Zusammenstoß.

Durchführung

Colliding-Beam-Experimente werden an Collider-Anlagen wie z. B. dem LHC durchgeführt. Meist handelt es sich um Teilchen-Antiteilchen-Stöße (Elektron-Positron oder Proton-Antiproton), es stoßen also Teilchen gleicher Masse zusammen. Ein Beispiel für ein solches Experiment ist das ATLAS-Experiment am Large Hadron Collider.

Colliding-Beam-Experimente mit Stoßpartnern verschiedener Masse, nämlich Proton und Elektron, wurden an der Anlage HERA durchgeführt. Mit Protonen von 920 GeV und Elektronen von 27,5 GeV wurde eine Schwerpunktsenergie von etwa 300 GeV erreicht.

Die meisten bisherigen Collider (beispielsweise LEP, Tevatron, RHIC, LHC und der im Bau befindliche FAIR beim GSI Helmholtzzentrum) arbeiten als Synchrotrons und Speicherringe. Bei Elektronen und Positronen in Ringbeschleunigern begrenzt aber die Synchrotronstrahlung die erreichbare Energie. Collider-Anlagen für diese Teilchen, wie SLAC und der geplante ILC, sind deshalb oft Linearbeschleuniger, obwohl so nur ein sehr geringer Bruchteil der beschleunigten Teilchen zur Kollision gebracht werden kann.

Literatur

  • Povh/Rith/Scholz/Zetsche: Teilchen und Kerne. 8. Auflage. Springer, Berlin/Heidelberg 2009, ISBN 978-3-540-68075-8.
  • D. A. Edwards, M. J. Syphers, An Introduction to the Physics of High-Energy Accelerators, Wiley, 1993, ISBN 0-471-55163-5.
  • Frank Hinterberger, Physik der Teilchenbeschleuniger und Ionenoptik, Springer, 2008, ISBN 978-3540752813.